15. Mai 2012

Wasservögelsingen

Ihre Frage an Dr. Brauch:

Kann mir jemand den Brauch bzw. Hintergrund [Sinn] des "Wasservögelsingens" erklären? Hauptsächlich im Bayer.Wald [Grafenauer Gegend] beheimatet.

Dr. Brauch antwortet:

Das Wasservogelsingen gehört zu den ehemaligen Hirten(buben)bräuchen, in denen sich das vormoderne ländlich-bäuerliche Wirtschaftsystem mit seinen Rechten und Organisationsformen konkret niederschlug: Sie zogen beim ersten Viehtrieb nach der Winterpause an den Pfingsttagen auch durch die Dörfer und vor die Grundherrschaften, um ihr Pfingstrecht einzufordern und von den Weiderechtsgenossen eine Tributleistung für ihre Tätigkeit einzutreiben. Daraus wurde bereits ab dem 16. Jahrhundert mehr und mehr ein Heischebrauch, den schließlich die Dorfjugend als Umzugsbrauch mit diversen Kostümierungen und Schmuckelementen, fallweise auch mit Peitschenknall oder Musikbegleitung anreicherte. In dieser Tradition stehen auch die Umzüge des Pfingstl, des Pfingstschwanzes, des Santrigl und des Wasservogelsingens, die früher über weite Teile des deutschen Sprachraumes verbreitet waren. Der Name und die Gestaltung des Wasservogelsingens nehmen dabei direkten Bezug zu christlichen Glaubensinhalten und Praktiken: Die Kirche feiert an Pfingsten die Ausgießung des heiligen Geistes in die Seelen der Gläubigen. Dieser abstrakte Vorgang wurde vor allem im 16. und 17. Jahrhundert (dem Zeitalter der Gegenreformation) durch den Einsatz von Wasser und eine Vogelsgestalt (Taube) veranschaulicht. Von Traditionslinien zu vorchristlichem Fruchtbarkeitskult und Dämonenzauber ist mit Sicherheit nicht auszugehen.