Westafrikanische Beerdigungsriten

Einstiegsinformation

Ein afrikanisches Sprichwort besagt: „Der Mensch wird geboren, um zu leben und zu sterben.“
Wenn in einem westafrikanischen Staat wie Togo Menschen sterben und bestattet werden, geht es immer besonders lebhaft und zugleich spirituell zu. Dies ist kein Begräbnis im klassischen Sinn, sondern vielmehr ein buntes Familienfest mit Gesang, Tanz und Trommeln. Die Dauer einer zeremoniell gefeierten Beerdigung erstreckt sich dabei je nach Rang der Person zwischen zwei Tagen und einem Monat.

Ablauf

Vorbereitungen

Anders als in Deutschland, wo man die Trauerfeiern in der Regel relativ zeitnah nach dem Tod des Angehörigen plant, findet eine westafrikanische Beerdigung oftmals erst Wochen nach dem Todeseintritt statt. Dieser zeitliche Aspekt begründet sich unteranderem daraus, dass der Verstorbene unabhängig von seinem letzten Aufenthaltsort in sein Heimatdorf oder in seine Heimatstadt gebracht wird. Um diesem sehr bedeutsamen Ereignis beizuwohnen, reisen auch weitentfernte Familienmitglieder und Freunde des Verstorbenen an. Bis zur feierlichen Beisetzung, die meist an einem Wochenende stattfindet, verbleibt der Leichnam im ortsansässigen Leichenhaus, wo er konserviert wird sowie für die Aufbahrung und Beerdigung vorbereitet wird.

Bestattungskosten

Die Kosten für eine Beerdigung und die Bewirtung der in der Regel mehreren hundert Trauergäste übernimmt traditionell allein die Familie des Verstorbenen. Diese oftmals enormen Kosten werden jedoch gerne in Kauf genommen, da die Beerdigungsfeierlichkeiten als Wertschätzung des Verstorbenen gesehen werden.
Wer kein Geld hat, ist auf Spenden der Familie oder der Nachbarn angewiesen, um die Beisetzung zu organisieren. Da herrscht große Solidarität. Es kommt aber auch vor, dass sich viele verschulden, ihren Besitz verkaufen oder Kredite aufnehmen, wenn sie können.
Zudem sind Medien wie Zeitungen oder Radiosender auf die Publikation von Todesanzeigen spezialisiert, kleine Orchester für die musikalische Untermalung oder Catering-Unternehmen für die kulinarische Bewirtung buchbar. Die Kosten können auf diese Weise durchaus mehrere tausend Euro betragen, wobei das durchschnittliche Jahreseinkommen in Westafrika bei gerade mal rund 1.100 Euro liegt.

Nachtweihe

Die Zeremonie der Beerdigung beginnt mit der etwa eineinhalbstündigen Nachtwache am Donnerstagabend. Vor dem Haus der Familie des Verstorbenen finden sich bereits an diesem Abend alle Familienmitgliedern, Freunde und Bekannte sowie Geistliche ein. Während ein Chor und eine Trommelgruppe / Blasorchester die Veranstaltung musikalisch untermalt, lesen die anwesenden, weiß gekleideten Geistlichen Passagen aus der Bibel und Gebete. Im Anschluss sprechen alle Anwesenden gemeinsam einzelne Gebete für den Verstorbenen und ein Priester segnet das dahingeschiedene Gemeindemitglied. Nach dem offiziellen, andächtigen Teil der Nachtweihe verbleiben alle anwesenden Trauergäste und singen und tanzen zu religiösen Liedern bis in die frühen Morgenstunden. Zu dieser merklich gelösteren, fröhlicheren Stimmung wird „Togo Gin“ oder „Tschukudu-Bier“ gereicht. Diese regionalbekannten, alkoholischen Getränke werden oftmals eigens für diesen Anlass von der Familie gebraut oder bestellt.

Aufbahrung

Der Körper des Verstorbenen wird dann gegen drei oder vier Uhr morgens aus dem Leichenhaus geholt und zum Wohnsitz seiner Familie transportiert. In erneut andächtiger, trauernder Stimmung wird der Sarg anschließend in einen geschmückten Raum des Hauses getragen und geöffnet. Ab diesem Zeitpunkt können sich alle Angehörige von dem Verstorbenen verabschieden, während Familienmitglieder neben dem Sarg wachen.

Leichenzug

Am frühen Freitagmorgen trifft ein Geistlicher bei der Trauergemeinde ein und segnet den Leib des Verstorbenen. Anschließend wird der Sarg verschlossen, mit farbenfrohen Tüchern bedeckt und in einem geschmückten Leichenwagen in Schritttempo zur Kirche befördert. In diesem Transportmittel befinden sich oftmals auch die trauernden, engsten Vertrauten des Verstorbenen, da dieser nach westafrikanischer Überzeugung nicht allein reisen soll. Vor und nach dem Leichenwagen tragen die übrigen Trauergäste Blumen und ein Bild des Verstorbenen.

Totenmesse

Der Gottesdienst zu Ehren des Verstorbenen gestaltet sich aus den wichtigen Elementen Gesang und Predigt in der Landessprache Ewe, welche in abwechselnder Reihenfolge praktiziert werden. Wenn ein Kirchenlied angestimmt wird, erheben sich die Anwesenden auch zu einem rhythmischen Tanz. In einem christlichen Gotteshaus ist es zudem üblich, sich zu einer der sieben Schalen zu begeben, die im Rahmen der gottesdienstlichen Kollekte vor den Sitzreihen platziert werden. Die Zahl sieben bezieht sich auf den jeweiligen Geburts-Wochentag jedes Anwesenden. Abschließend wird der Sarg mit Weihwasser besprengt und von den engsten Vertrauten des Verstorbenen wieder aus der Kirche in den Leichenwagen getragen.

Nun folgt ein weiterer Leichenzug zur letzten Ruhestätte, welcher wiederum von der Trauergemeinde geleitet wird. Neben den Familienmitgliedern, Verwandten und Bekannten begleiten auch der Chor und die Musikgruppe diesen letzten Weg des Verstorbenen. Mit musikalischer Untermalung werden bis zum Friedhof einzelne Lieder gesungen und Gebete gesprochen. Auf dem Friedhof werden dann zunächst die bunten Tücher um den wertvoll gestalteten Sarg abgenommen, bevor dieser unter Gebeten hinabgesenkt wird.

Totentrunk

Im Anschluss an die Beerdigung findet meist ein Empfang bei der Familie des Verstorbenen statt, bei dem sich alle Trauergäste einfinden. Die Auswahl der gereichten Getränke und Speisen kann dabei je nach persönlichem Interesse oder regionaler Beliebtheit stark variieren. Traditionell genießen die Trauergäste bei diesem Zusammentreffen alkoholische Getränke wie den „Togo Gin“ und tanzen zu rhythmischen Trommelliedern.

Hintergrund-Infos

In westafrikanischen Staaten wie Togo spielen neben dem verbreiteten Christentum und Islam die traditionellen Religionen oder Naturreligionen eine bedeutsame Rolle. Sie prägen nicht nur das Wesen der Menschen, sondern auch deren politisches, wirt­schaft­liches, kulturelles und soziales Leben. Ihnen zugrunde liegt die Glaubens­vorstellung einer spezifischen Verbundenheit zwischen Himmel und Erde, bei der der Gott des Himmels durch seinen Regen die Erdgöttin befruchtet. Infolge dieser religiösen Stellung zu den beiden Natursphären werden auch Himmelserschei­nungen wie beispielsweise Sonne, Regen oder Gewitter spirituell gedeutet. Dieselbe Sichtweise gilt für die Erde, die Erdformationen sowie Flora und Fauna. Zwischen den Menschen und dem obersten göttlichen Wesen fungieren traditionell die Ahnen sowie niedere Gottheiten.

Musik und Tanz

Musik ist aus dem alltäglichen Leben der westafrikanischen Bevölkerung nicht wegzudenken. Sie dient unter anderem als Kommunikationsmittel zwischen den Menschen untereinander und auch zwischen den Menschen, ihrer Gottheit und der Natur. Besonders interessant ist auch, dass beispielsweise in Togo die Musik dem Anlass entsprechend angepasst wird. In diesem Kontext erklären sich auch die existierenden Musikverbote zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten. Zudem ist die Benutzung einiger Musikinstrumente ausschließlich bestimmten Personen oder Anlässen vorbehalten. Bei einigen Volksgruppen des Landes ist die Musik auch eng mit verschiedenen Ereignissen des Lebenszyklus, wie zum Beispiel Geburt, Hochzeit, Tod, verbunden.

Der traditionelle Tanz hat eine herausragende Bedeutung in Togo. Dementsprechend praktizieren die verschiedenen Volksgruppen jeweils ihre ganz speziellen Traditionstänze. Beispielsweise verfallen die Akteure des Volksstamms der Ewe während ihres Tanzes zu rhythmischen Trommelliedern in eine Art Trancezustand. Im Vergleich dazu erinnert der traditionelle Tanz der Konkonba an ein tänzerisches Vortäuschen einer Kriegsschlacht.

Gewährspersonen

Im Rahmen dieses Artikels wurde ein Interview mit Herrn C. Eklou geführt. Herr Eklou stammt aus einem kleinen Dorf in der Nähe der togolesischen Hauptstadt Lomé und wohnt seit mehreren Jahren in Augsburg.

Literatur

  • Drews, Annette: Die Kraft der Musik. Afrikanische Heilungsrituale in Westafrika und in der Diaspora im kulturanthropologischen Vergleich. Berlin 2008.
  • Holenstein, Anne M.: Religionen. Potential oder Gefahr? Religion und Spiritualität in Theorie und Praxis der Entwicklungszusammenarbeit. Münster 2010.
  • Loth, Heinrich: Vom Schlangenkult zur Christuskirche. Religion und Messianismus in Afrika. Michigan 1985.
  • Tworuschka, Monika, Tworuschka, Udo: Die Welt der Religionen. Geschichte, Glaubenssätze, Gegenwart. München 2006.
  • Zwernemann, Jürgen: Musik und Musikanten der Moba (Nord-Togo). In: Liedtke, Mas (Hg.): Ton, Gesang, Musik – Natur – und kulturgeschichtliche Aspekte. Graz 1999.

Weblinks