Wendelinsritt Lechbruck am See

Termin

Teilnehmer beim Wendelinsritt.
Dieser Brauch findet alljährlich am 20. Oktober statt.

Einstiegsinformation

Im Ostallgäu zwischen Lechbruck und Füssen liegt die St. Wendelins Kapelle. Die Kapelle ist dem Heiligen Wendelin geweiht. Anlässlich des Hl. Wendelins findet jährlich der Wendelinsritt statt. Es wird ein Gottesdienst mit anschließender Pferdesegnung abgehalten.

Ablauf

Der Wendelinsritt findet einmal im Jahr an einem Sonntag um den 20. Oktober statt. Der Ritt ist als jüngster Umritt im Oberen Lechgau zu bezeichnen. Die Teilnehmer des Wendelinrittes sind die Reiter mit ihren geschmückten Pferden aus den umliegenden Gemeinden, der Pfarrer, der in der Kutsche gefahren wird und die Messfeier abhält, die Musikkapelle Lechbruck am See und interessierte und teilnehmende Bürger. Die Reiter/innen sind traditionell und festlich gekleidet, d.h. die meisten Männer tragen eine Lederhose mit Hosenträgern ihrer Region, ein Trachtenhemd und eine "Trachtenjupe" (Trachtenjacke). Die Hosenträger sind dabei auch ganz speziell, jedes Dorf oder Verein hat seine eigenen Hosenträger zur Lederhose. D.h. die Bestickung des Stegs des Hosenträgers variiert. So hat z.B. der Trachtenverein Edelweiß Lechbruck am See, ein Edelweiß auf dem Steg des Hosenträgers gestickt. Die Hosenträger sind sozusagen "Erkennungsmerkmal". Es kann sein, dass die Reiter diese Hosenträger tragen, oder einfach seine ganz persönlichen oder individuellen. Der Wendelinsritt sieht keine besondere Kleiderordnung vor, jedoch wird
Segnung der Teilnehmerinnen.
festliches trachtiges "Gewand" gerne gesehen. Die Frauen tragen meist ein Dirndl, deren Rock über das Hinterteil des Pferdes verteilt wird, sodass es schön anzusehen ist. Ebenso tragen sie eine Trachtenjacke, Trachtentuch und einen Hut mit passender Frisur, meist eine geflochtene Frisur. Oft sind die Reiter/innen, die aus einem Dorf oder dem selben Reitstall oder der gleichen Familie kommen, gleich gekleidet. So hat man einen Überblick wer zusammengehört. Ebenso sind die Pferde gleich geschmückt, d.h. sie werden zu diesem besonderen Anlass schön geschmückt. Dazu müssen die Reiter/innen oder die Personen, die die Pferde schmücken sehr früh aufstehen. Da das Schmücken der Pferde viel Zeit in Anspruch nimmt und der Ritt
Pfarrer bei der Segnung.
bereits am Vormittag beginnt. Der Pferdeschweif wird "schön" gemacht. Manche Besitzer flechten diese, schmücken ihn mit bunten Schleifen oder Blumen. Die Mähne des Pferdes wird auch geschmückt. Sie wird auch geflochten, Bänder angebracht oder mit Blumen verschönert. Der Treffpunkt ist im Gewerbegebiet Geisenmoos in Lechbruck am See um ca. 09.00 Uhr, wenn der Gottesdienst um 10.00 Uhr beginnt. Die Uhrzeit kann sich je nach dem, wann der Gottesdienst beginnt um eine Stunde vor oder zurück verschieben. Die Teilnehmer der umliegenden Gemeinden stellen sich auf der Straße des Gewerbegebietes auf. Die Aufstellung des Ritts hat eine bestimmte Reihenfolge. Die Musikkapelle Lechbruck am See geht voran, danach folgt die Kutsche, in der der Pfarrer gefahren wird. Anschließend kommen die Reiter mit ihren Pferden. Zuletzt gehen alle interessierten Bürger. Der Ritt selber ist einfach etwa 1 km lang vom Gewerbegebiet Geisenmoos auf der Staatsstraße 2059 bis zur Wendelinskapelle. An der Wendelinskapelle findet dann ein Gottesdienst mit anschließender Segnung der Reiter und Pferde statt. Der Gottesdienst wird im Freien vor der Wendelinskapelle auf dem Parkplatz abgehalten. Dies ist notwendig, da die Kirche zur Abhaltung der Messfeier für die Teilnehmer des Wendelinsritts zu klein ist. Die Reiter mit ihren Pferden platzieren sich während des Gottesdienstes auf der gegenüberliegenden Seite auf einem Feld, sodass diese auch am Gottesdienst teilnehmen können und die anschließende Pferdeweihe entgegen nehmen können. Der Altar ist auf der kleinen Anhöhe neben der Kirche platziert. Sodass die Gottesdienstteilnehmer den Altar sehen und die Messfeier mitfeiern können. Die Messfeier steht an diesem Tag ganz im Sinne des hl. Wendelin, ein beliebter Viehpatron, dem viele Kapellen gewidmet sind. Es wird auch das Wendelinslied gesungen. Danach wird zum Ausgangspunkt
Pferdesegnung.
zurückmarschiert, bzw. zurückgeritten. Anschließend wird in der Reithalle des Reithofes im Gewerbegebiet Geisenmoos in Lechbruck am See noch ein kleines Fest gefeiert. In der Reithalle ist mit Biertischgarnituren "aufgestuhlt". Es gibt dort warmes Essen, z.B. Kesselfleisch mit Kraut und Kartoffel, Leberkäse oder Braten. Ebenso gibt es Kaffe und Kuchen und selbergemachte "Kiachla". "Kiachla" ist ein traditionelles Gebäck, das in heißem Fett herausgebacken wird, und ganz frisch, noch warm mit Puderzucker verzehrt wird. Die Gastgeber gehen dann auch mit einem Korb durch die Reithalle, wo das "Kiachla" gekauft werden kann. Für das leibliche Wohl sorgen die Weiler westlich Lechbrucks, sie bezeichnen sich als "Nachbarn". Während des Festes spielt die Musikkapelle Lechbruck am See zum geselligen Beisammensein.

Hintergrund-Infos

Die St. Wendelinskapelle

Die St. Wendelins Kapelle liegt an der früher viel befahrenen Poststraße von Augsburg nach Venedig, kurz vor Sameister (der ersten großen Station zum Pferdewechseln). Die Kapelle wurde erstmals im Jahr 1480 erwähnt und ursprünglich St. Jakob geweiht. Sie gehörte früher dem Kloster Steingaden. Die Kapelle wurde 1525 im Bauernkrieg zerstört. Um 1609 wurde
Die St. Wendelinskapelle um das Jahr 1910.
sie auf Veranlassung des bischöflichen Probstes von Füssen wiederaufgebaut. Während des 30 jährigen Krieges wird vermutet, dass um die Kirche ein Pestfriedhof angelegt wurde, da während Pflasterarbeiten im Jahr 1910 Gebeine zum Vorschein kamen. Ebenso prägt die Kapelle eine lange Wallfahrtstradition, da bei Renovierungsarbeiten viele Namensinschriften von Bittgängen an den Mauern entdeckt wurden auch viele kirchliche Bräuche durch Pilger. Ob es dort früher auch Pferderitte gab ist unbekannt. Jedoch ist aber im Jahr 1723 ein Gottesdienst für Viehzüchter von Bittsucher aus den umliegenden Gemeinden und Städten (Füssen, Stötten, Bernbeuren, Roßhaupten und Rettenbach) bekannt. Das Patrozinium des großen Viehheiligen wurde somit zu einem Festtag (20.Oktober).

Der St. Wendelinsritt

Der Wendelinsritt wurde erstmals 1925 abgehalten mit bis zu 100 Pferden. Veranstaltet wurde er damals durch Bauern der Auerberg- Umgebung, jährlich am 20. Oktober. Der Ritt wurde dabei musikalisch durch die Musikkapelle Bernbeuren umrahmt. Der Umritt mit Pferdesegnung musste ab 1939 ein vorläufiges Ende wegen dem Kriegsbeginn nehmen. 1992 wurde die Kapelle von der Pfarrei Bernbeuren an die Pfarrei Lechbruck abgetreten. Seit dem Besitz der Pfarrei Lechbruck der Kapelle gab es Bemühungen der örtlichen Pferdefreunde den Wendelinsritt wieder in Leben zu rufen. Ein erster Erfolg konnte sich im Oktober 2002 bemerkmar machen. In diesem Jahr wurde auch die Kapelle neu eingeweiht. Besonderen Dank für das Wiederaufleben des Ritts gilt der Familie Katharina Schuster aus dem Weiler Klausmen, der sich oberhalb der Kapelle befindet, die sich für die Erhaltung der Kapelle einsetzt.
Bauernregel: St. Wendelin, verlass`uns nie, schirm` unsern Stall, schütz`unser Vieh!

Der Heilige Wendelin

Wendelinsritt um 1928.
Wendelin war der Sohn eines schottischen Königs. Da er andere religiöse Ansichten als sein Vater hatte, musste er Schafe hüten. Als er 20 Jahre alt war, wollte er mit sechs Genossen nach Rom pilgern, schaffte es allerdings nur bis Trier, da er auf der Rückreise von Rom nach Trier die Segnung durch den Papst erhielt. Dort lebte er in einem Kloster und übernahm dort Hirtendienste bei einem Edelmann. Wendelin trieb das Vieh an einen Ort, wo er gerne betete auf einem Hügel. Der räuberisch geschilderte Edelmann kam dort überraschend vorbei und war wütend, da Wendelin sich mit der Herde so weit entfernt hatte und ihm daher das Tier, das ihm zum Verzehr bestimmt war nicht rechtzeitig nach Trier bringen könne. Jedoch war Wendelin vor dem Herren in Trier. Der Edelmann bat Wendelin um Entschuldigung und baute ihm in der Nähe des benachbarten Klosters eine Zelle. Dort wählten ihn die Mönche zum Nachfolger des verstorbenen Abtes, obwohl Wendelin nie Priester war. Wendelin wurde als er gestorben war von seinen Mönchen in einem Grab bestattet. Am nächsten Morgen war der Leichnam allerdings neben dem Grab zu finden. Dies nahmen die Mönche als Zeichen, das Wendelin woanders seine letzte Ruhe finden möchte. Deshalb spannten die Mönche die Ochsen vor einen Wagen ohne ihnen den Weg vorzugeben. Die Ochsen fanden selbst den Weg auf den Hügel, wo Wendelin oft gebetet hatte.
Historische Aufnahme des Wendelinsritts.
Erstmals wurde Wendelin um das Jahr 1000 erwähnt. Nämlich in der Lebensgeschichte des Trierer Bischofs Magnerich, der von Eberwin, Abt in Trier und Tholey verfasst wurde. Im 10. Jahrhundert war eine Verehrung des Wendelins in Basonis Villare, des Kalendiu von Stablo. Diese Verehrung fand statt, da um 1050 eine immer stärkere Verehrung des Ortsheiligen der Stadt St. Wendel zelebriert wurde. Im 18. und 19. Jahrundert gab es eine erneute Hochzeit der Wendelinverehrung. Der St. Wendelins Pastor Anton Franziskus meinte 2010 mit Blick auf die zahlreichen Wendelinspfarreien auf der ganzen Welt, dass es kaum einen Heiligen gibt, der so verehrt wird wie Wendelin. Die bis heute bedeutendste Wendelinuswallfahrt führt von Nussbach (Ortsteil Oberkirch) bis zur Wendelinuskapelle Bottenau. Dort nehmen etwa 100 Pferde und 500 Gläubige teil. St. Wendel-Lied -Eine bunte weite Welt-
 Eine bunte weite Welt, eine Welt voll Leben, Augen Ohren, Herz und Mund hat uns Gott gegeben. Hilf guter Hirt, Sankt Wendelin, dass wir jeden neuen Tag unseren Schöpfer loben. Grüne Wiesen, Wald und Wind, schön ist es zu leben. Schmetterling und Fisch und Hund hat Gott gegeben. Hilf, guter Hirt, Sankt Wendelin, dass wir gut zu Tieren sind und zu allen Wesen. Doch die Welt ist heut bedroht, Wasser, Luft und Leben. Achtlos richten wir zugrund, was und Gott gegeben. Hilf, guter Hirt, Sankt Wendelin, dass wir schützen was da lebt und die gute Erde. Lasst und hier in diesem Dorf als Gemeinde leben, machen wir den Menschen kund, was uns Gott gegeben. Hilf, guter Hirt, Sankt Wendelin, dass wir gute Wege gehn, einer mit dem anderen.
Gebete Hl. Wendelin
Heiliger Wendelin zu Dir kommen wir, Deine Hilf begehren wir!
Heiliger Wendelin, bitte den Vater im Himmel, dass er uns seine Hilfe an Leib und Seele erfahren lasse, dass er unsere Häuser und Fluren segnen und behüten möge, dass er uns im wahren, lebendigen Glauben stärken, dir Irrenden zurückrufen, die Sünder bekehren und auf den Weg der Wahrheit zurückrufen möge. Durch Christus, unseren Herrn, Amen.

Gewährspersonen

Katharina Schuster, Messnerin St. Wendelinskapelle Lechbruck am See

Weblinks

Literatur

  • Kahlert, Ingrid: Erinnerungen an das alte Lechbruck Band 2.Bernbeuren 1995.
  • Oberer Lechgau-Verband Füssen, Bertl, Max: Bei uns im Oberen Lechgau, Lebendiger Brauch im Jahreslauf. Traunstein 3. Auflage Februar 2005.
  • Schäfer, Joachim: evangelischer Pfarrer. Ökumenisches Heiligenlexikon.
  • Festgottesdienst Patrozinium St. Wendelin mit Wendelinsritt, Liedzusammenstellung Gebetskarten St. Wendelin Lechbruck am See.

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