Weisertweckenfahren

Termin

Der Weisertwecken wird immer nach der Geburt eines erstgeborenen Sohnes geschenkt.

Einstiegsinformation

Zur Geburt eines Stammhalters, also dem erstgeborenen Sohn einer Familie, welcher sowohl das Elternhaus, als auch den Framiliennamen erhalten soll, gibt es in manchen Ortschaften Oberbayerns auch heute noch das Weisertweckenfahren. Bei dieser Tradition erhält die Famile einen langen Weißbrot/Nusszopf, welcher anschließend, gemeinsam mit den Gästen, verspeist wird.

Ablauf

Am Tag der Feierlichkeit, dieser kann oft mehrere Wochen teilweise sogar Monate nach der Geburt des Stammhalters sein, treffen sich die Hauptorganisatoren bereits am Vormittag, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Der Wagen und der Weisertwecken werden geschmückt und die Musikanten, falls vorhanden, bereiten sich auf den Umzug vor.

Um die Mittagszeit beginnt das eigentliche Weisertweckenfahren. Die Hauptorganisatoren, meist begleitet von Musikanten, machen sich zu Fuß auf den Weg durch das Dorf zum Haus des Neugeborenen. Zunächst werden alle auf dem Weg liegenden Häuser der Mitorganisatoren angefahren. Es ist durchaus üblich, dass diese erst nach dem Passieren des eigenen Hauses zu der Feierlichkeit stoßen. Falls mehrere Häuser angefahren werden, sind zwischenzeitliche Stärkungen mit Bier, Schnaps oder auch Kaffee landläufig. Die Anzahl der angefahrenen Häuser ist sehr unterschiedlich und individuell und hängt von der Anzahl der geladenen Gäste ab.

Während des Wegs wird vor allem bei Engstellen penibel darauf geachtet, den Weisertwecken nicht zu beschädigen. Nachdem alle Unterwegsstationen passiert wurden, ist die letzte Station das Haus der Beschenkten. Dort angekommen, wird der Weisertwecken den Eltern übergeben. Hierzu wird zuerst ein Gedicht, ähnlich dem unten zitierten, gesprochen. Diese Aufgabe wird meist vom Vereinsvorstand oder einem federführenden Organisator übernommen.

Griaß Gott beinand,
es (Name der Familie)-Leid’
griaß eich, z’eich kemman mia zum Weisert heit.

Der Trachtenverein gibt eich heit die Ehr’,
da bringt’s doch glei des Kindl her,
damit ma seh’ ko – des is g’wiss – dass es a Buabal is.

A Buabal is’, des hamma g’sehn,
so kemma a den Wecken übergeb’n,
Mia wünschen eich viel Glück und Segen,
G’sundheit und ein langes Leben.

Die Kindseltern solln sie glei mal niederknien,
und den Wecken mal probiern.

Nach dem Gedicht knien sich die Eltern auf den Boden und beißen ein Stück vom Ende des Weisertweckens ab. Anschließend muss der Weisertwecken noch aufgeräumt werden. Laut Tradition muss der Weisertwecken komplett in das Kinderzimmer des Hauses befördert werden, um Glück zu bringen. Hierzu wird auch gerne mal der Balkon als Eingang benutzt. Falls dies achitektonisch nicht mölgich ist, genügt es auch den Weisertwecken lediglich in das Haus zu schieben oder zu tragen. Auf das konkrete Überprüfen des Geschlechts, welches im Gedicht genannt wird, wird in der Praxis meist verzichtet.

Nach dieser Prozedur beginnen die Feierlichkeiten und der Weisertwecken wird mitsamt allen Gästen verspeist. Zum Nusszopf gibt es Kaffee und manchmal auch noch andere Kuchen oder Gebäck, welches üblicherweise von den Gästen gebacken werden. Zum Weißbrotzopf gibt es gegen Abends eine Brotzeit oder andere Speisen, welche mit der Brotbeilage gegessen werden.

Die Feierlichkeit wird allgemein eher privat und familiär abgehalten. Es ist also durchaus üblich, dass der enge Kreis noch bis spät abends bei einer gemütlichen Runde zusammensitzt und den Weisertwecken, sowie auch das ein oder andere alkoholische Getränk genießt.

Heutiges Brauchverständnis

Leider ist auch dieser Brauch in seiner ursprünglichen Form vom Aussterben bedroht. Vielen, vor allem nicht eingesessenen Personen, ist das Weisertwecken oftmals schon gar nicht mehr bekannt. Heute wird der Brauch teilweise aufgelockert und es wird beim ersten Kind, unbedeutend ob dies ein Junge oder Mädchen ist, oder bei der Geburt von allen Kindern des Haushalts Weisertwecken gefahren.

Hintergrund-Infos

Der Begriff Weisert stammt vom althoch-deutschem wisod und bedeutet soviel wie Geschenk. Wecken kommt aus dem bayrischen und ist eine andere Bezeichnung für einen Laib Brot. Der Weisertwecken ist ein Geschenk und Zeichen der Ehre, welches sowohl der Mutter als auch dem Kind gilt. Er dient als Symbol für niemals endendes Brot. Das Haus oder der Hof soll stets mit guter Ernte gesegnet sein und das Essen solle niemals ausgehen. Durch diesen Segenswunsch liegt nun auch Gottes Segen auf dem kleinen Stammhalter, welcher ihn das ganze Leben über begleiten soll. Des weiteren soll der Weisertwecken der Mutter zu einer schnelleren Stärkung und Genesung, nach der anstrengenden Geburt verhelfen.

Organisation

Die Organisation des Weisertweckenfahrens ist nicht immer exakt geregelt. Kommt es in einer Familie zu eier Schwangerschaft oder steht die Geburt kurz bevor, ist es meist Aufgabe von Freunden, Nachbarn, Kollegen oder Vereinsmitgliedern die Familie zu Fragen, ob ein Weisertwecken gewünscht ist. Falls der Sprössling ein Junge wird und die Brauchausübung gewünscht ist, wird zusammen nach einem passenden Termin gesucht.

Die Familie kümmert sich fortan um einen geeigneten Platz für die anschließende Feier und ist zuständig für eine anständige Brotzeit, sowie für ausreichend Kaffee und andere sowohl alkoholische, als auch antialkoholische Getränke.

Die Hauptorganisatoren des Weisertwecken hingegen bemühen sich, einen geeigneten Bäcker für den Wecken zu finden. Außerdem sind sie für den reibungslosen Ablauf des Festes verantwortlich. Sie kümmern sich um ein geeignetes Transportmittel, schmücken den Wecken ordnungsgemäß und achten bereits im Vorfeld darauf, ob der lange Zopf auch unbeschadet durch die Ortschaft gefahren werden kann.

Die Einladung der Gäste erfolgt in der Regel durch die Familie. Manchmal werden sie durch die Hauptorganisatoren unterstützt. Üblicherweise geschieht dies auch nur mündlich durch das sogenannte einsagen. Eine schriftliche Einladung ist also nicht notwendig.

Zum Wecken

Der Weisertwecken selbst ist in der Regel ein Weißbrotteig, welcher zu einem Zopf geflochten wird. Das helle und stark ausgesiebte Weizenmehl wurde früher noch nicht so oft verwendet und war etwas besondere, deshalb war es als Geschenk besonders gut geeignet. Heutzutage befindet sich vorne und/oder hinten am Weisertwecken ein Stück Nusszopf, welcher ebenfalls auf dem Fest verspeist wird. Die Länge des Weisertwecken richtet sich nach dem Geburtsgewicht des Kindes. Pro Pfund, also 500g, gilt ein Meter Weisertwecken. Für ein durchschnittliches Neugeborenes mit einem Gewicht von 3.500g würde also ein sieben Meter langer Brot/Nusszopf gebacken werden.

Vorbereitung des Weisertweckens und des Wagens

Am Tag der Feier treffen sich die Hauptorganisatoren zum herrichten. Der Weisertwecken, welcher manchmal mit Küchenfolie umwickelt wird, um ihn vor Regen oder Dreck z schützen, wird meist auf einer langen Holzleiter transportiert. Die Holzleiter befindet sich auf einem Wagen oder Anhänger, der entweder von einer Kutsche oder einem Traktor, auch Bulldog genannt, durch das Dorf gezogen wird. Der Wagen mitsamt Weisertwecken wird mit Fichtenzweigen, sogenannten Daxn, und blau-weisen Schleifen geschmückt. Außerdem wird eine Wächeleine an dem Wagen befestigt, an der weitere Geschenke für den Sprössling angebracht werden. Üblicherweise hängen dort Kinder-Fläschchen, Babybody und auch eine kleine Lederhose, a Bix, darf nicht fehlen. Das Schmücken und vorbereiten des Wagens übernehmen häufig die Frauen, wohingegen die Männer eher für den Umzug an sich zuständig sind.