Betriebliche Weihnachtsfeier

Einstiegsinformation

Bei dem beobachteten Brauch handelt es sich um die Weihnachtsfeier eines Dienstleistungsunternehmens im Kulturbereich aus dem Raum Regensburg im Jahr 2012 in einem italienischem Restaurant im Regensburger Osten. Die Weihnachtsfeier gilt in diesem Unternehmen, sowie in vielen anderen Unternehmen als verbindliches Element in der Vorweihnachtszeit. Die Vorbereitungen dafür beginnen z.T. schon im Spätsommer.

Ablauf

Standardisiertes Menü zur Weihnachtsfeier.

Der beobachtete Brauch findet am Dienstag, 18. Dezember 2012 ab 18.00 Uhr in einem italienischem Restaurant in Regensburg statt. Die Planung für die Weihnachtsfeier wurde durch den Restaurantvorschlag einer Mitarbeiterin ausgelöst. Dies geschah Anfang Oktober 2012. Diese Mitarbeiterin wurde auch mit der Planung der Veranstaltung betraut. Die ersten Absprachen, bzw. die Reservierung des Lokals folgten Mitte Oktober auf telefonischem Weg und per E-Mail. Von der Geschäftsleitung wurde gewünscht eine Menüauswahl festzulegen. Diese Auswahl trafen die betraute Mitarbeiterin sowie ihre Kollegin mit der Absicht, die Auswahl möglichst abwechslungsreich zu gestalten und auf den Geschmack der Kollegen einzugehen. Es wurden jedoch auch dem eigenen Geschmack nachgegangen. Die Weinauswahl wurde von der Geschäftsleitung persönlich mit dem Restaurant vereinbart. Die Einladung folgte am 7. November 2012 per E-Mail, sowohl büro-intern, als auch für freie Mitarbeiter an die private E-Mail- Adresse. Der Text der E-Mail umfasste im Betreff den Begriff „Weihnachtsfeier“ sowie das Datum der Veranstaltung. Im weiteren Text wurde in knappen Sätzen der Name des Restaurants sowie die Adresse und die Uhrzeit genannt. Es wurde jedoch nicht um Rückmeldung gebeten. Am Tag der Veranstaltung um 18.00 Uhr sind die ersten Anwesenden einer der Geschäftsführer sowie eine feste Mitarbeiterin, diese beiden kommen gemeinsam an. Es folgt, wenige Minuten später, der zweite Geschäftsführer. Kurz darauf kommen weitere zwei feste Mitarbeiter. Eine Gruppe von freien Mitarbeitern folgt um 18.20 Uhr, direkt im Anschluss finden sich weitere feste Mitarbeiter, sowie der dritte Teil der Geschäftsleitung, ein. Die letzte Mitarbeiterin folgt um 19.00 Uhr auf telefonische Nachfrage, wann mit ihrem Eintreffen zu rechnen sei. Die Mitarbeiterin war aufgrund der Arbeitslage länger im Büro. Mit den Essensbestellungen wird gewartet, bis alle Mitarbeiter vollzählig sind. In der Zwischenzeit werden alle bereits anwesenden Mitarbeiter mit Getränken versorgt. Auffallend ist, dass hauptsächlich Wein bestellt wird. Drei anwesende Männer, sowie eine Frau, trinken Bier. Es fällt außerdem auf, dass von Seiten des Servicepersonals vor allem auf den Konsum von alkoholischen Getränken geachtet wird, so wird dieser immer nach geschenkt, wohingegen von den Gästen von Zeit zu Zeit häufiger nach Wasser gefragt wird. Kurz vor Beginn des Essens folgt um 19.05 Uhr eine kurze Ansprache, wobei sich die Geschäftsleitung in einer Reihe zum Eingang des Raumes stehend platziert. Es folgt eine Ansprache, dass es eigentlich keine Ansprache sei, und es kurz gemacht werde, dabei handelt es sich um die Einladung zu gemeinsamen Essen und Trinken an diesem Abend, als Ausklang eines guten Jahres. Das Essen wird in drei Gängen serviert, jeder hat an seinem Platz eine Menükarte liegen, wobei die Vorspeise festgelegt ist und bei Hauptgang und Dessert zwischen drei Alternativen gewählt werden kann. Um 19.25 Uhr wird mit der Vorspeise begonnen, davor unterhalten sich die Teilnehmer in kleinen Gruppen am Tisch. Zwischen den Gängen ergibt sich eine Wartezeit für die Teilnehmer, die durch angeregte Gespräche gefüllt wird. Der Hauptgang wird um 21.05 Uhr serviert und das Dessert gegen 21.50 Uhr. Um 22.10 Uhr ist das Essen beendet. Bereits um 22.30 Uhr verlassen die erste beiden freien Mitarbeiter die Veranstaltung, gegen 23.30 Uhr verabschiedet sich ein Geschäftsführer. Die verbliebene Gruppe verlagert sich an einen Tisch, es handelt sich nun noch um zehn Personen. Der restliche Verlauf des Abends wird mit Gesprächen und Anekdoten gefüllt. Ein Paar legt gegen 00.30 Uhr einen kurzen Tanz ein. Die letzten Teilnehmer verlassen um 02.00 Uhr nachts das Restaurant.

 Akteure

Teilnehmende Personen sind 20 Mitarbeiter des Unternehmens, die Geschäftsleitung besteht aus drei Personen. Es handelt sich außerdem um acht feste Mitarbeiter, drei Praktikanten und sechs freie Mitarbeiter. Anwesend sind insgesamt 15 Frauen und fünf Männer im Alter von 23 bis 49 Jahren. Zudem kümmern sich im Verlauf des Abends drei Servicemitarbeiter des Restaurants um die Gäste. Die Männer tragen Hemden, ein Mann trägt ein Sakko. Fünf der Frauen sind festlicher gekleidet, tragen Kleid oder Rock, bzw. Kleidung die sich von der Kleidung im Büro unterscheidet. Die restlichen Frauen tragen Alltagskleidung, die auch im Büro getragen wird. Bei der Platzierung der Personen im Raum ist eine Gruppenbildung festzustellen. Im Vorhinein war keine Festlegung der Plätze gegeben. Es gibt einen Tisch, an dem die festen Büromitarbeiter sitzen und einen Tisch, an dem sich vorwiegend freie Mitarbeiter platzieren. Gegen die Einheitlichkeit spricht allerdings die Anwesenheit einer festen Mitarbeiterin am Tisch der freien Mitarbeiter, sowie die Anwesenheit einer freien Mitarbeiterin am Tisch der festen Mitarbeiter.

Veranstaltungsort

Die Tischanordnung und Platzierung der Personen im Raum ist in einer Skizze festgehalten. Bei dem Raum handelt es sich um einen offenen Durchgangsraum des Restaurants. Auch andere Gäste betreten den Raum um ihre Plätze in einem anderen Teil des Restaurants einzunehmen. Diese Tatsache wird von der beobachteten Gruppe jedoch nur am Rande bemerkt, eine Störung ist nicht zu erkennen. Die Tische sind in zwei Blöcken zusammen geschoben. Die Tische sind bei der Ankunft mit Besteck, Servietten, einer speziell angefertigten Menükarte eingedeckt. Die Tischdekoration besteht aus einzelnen kleinen Teelichten in kleinen runden, roten, gläsernen Teelichthaltern und einzelnen roten Rosen in ca. 10 cm hohen Gefäßen. Wein-, Wasser- und sonstige Getränkegläser werden erst nach der Bestellung der Getränke gebracht. Auf dem Fensterbänken befindet sich weihnachtliche Dekoration. Dabei handelt es sich um Laternen mit brennenden Kerzen, Christbaumkugeln und Tannenzweigen. Aufgrund des schon nadelnden Zustandes der Zweige wird geschätzt, dass diese Dekoration nicht speziell für diese Veranstaltung arrangiert wurde. Für diese Einschätzung spricht auch die Verteilung derselben auf allen Fensterbänken des Restaurants. Im Verlauf des Abends wird das Licht etwas gedimmt, im Hintergrund ist dezente, italienische Musik zu hören.

Brauch und Rollenverständnis

Der Brauch wird schon einige Wochen vor der Veranstaltung in Gesprächen und der wöchentlichen Bürobesprechung aufgegriffen. Von Seiten der Mitarbeiter wird sowohl auf vergangene Weihnachtsfeiern und Elemente, die in Erinnerung geblieben sind, in Gesprächen eingegangen. In diesen Gesprächen betonen die Mitarbeiter häufig den Unterhaltungswert der Veranstaltung. Aus Gesprächen mit weiteren Mitarbeitern geht jedoch auch hervor, dass das Interesse daran nicht bei allen Mitarbeitern vorhanden ist. So wünscht sich ein Mitarbeiter, dass die Veranstaltung schon vorbei sein solle. Vor allem bei den Gesprächsthemen am Tag der Weihnachtsfeier selbst lassen sich gewisse Elemente herausheben. Geht es vor allem zu Beginn der Veranstaltung noch hauptsächlich um die Arbeit, bzw. um vergangene und zukünftige Projekte, rückt anschließend das Privatleben in den Gesprächsmittelpunkt. Dabei äußern sich die Beteiligen zu ihren Familien und auch dem anstehenden Weihnachtsfest, sowie zu dessen Planung. Vor allem am Tisch der festen Mitarbeiter ist eine deutliche Gruppenbildung zu erkennen. Dieser Tisch umfasst drei Gesprächsgruppen mit Interaktionen zwischen jeweils drei bis vier Beteiligten. Die Gesprächsführer dieser drei Gruppen sind zwei Geschäftsführer und eine langjährige Mitarbeiterin. Die freien Mitarbeiter unterhalten sich etwas weniger über die Arbeit, mehr über private Themen, zum Teil auch in Bezug auf Weihnachten. Zwischen den Gängen, sowie im Anschluss an das Essen werden von jeweils drei Personen Raucherpausen eingelegt. In dieser Zeit ist ein räumlicher Austausch der Personengruppen zu erkennen. So werden für kurze Zeit Plätze gewechselt und weitere Gespräche, vor allem über Privates begonnen. Dieser Wechsel der Plätze geschieht während des Essens nur für die Dauer der Raucherpause, danach jedoch sind dauerhafte Änderungen der Sitzordnung zu beobachten.

Organisation der Brauchveranstaltung

Die Organisation wird unternehmensintern durchgeführt. Die Ausarbeitung wurde an eine Mitarbeiterin übertragen, die auch das Restaurant in diesem Jahr vorschlug. Die Mitarbeiter wurden von der Geschäftsleitung ca. 1,5 Monate vor der Veranstaltung per E-Mail eingeladen.

Hintergrund-Infos

Der Brauch wird seit einigen Jahren in diesem Betrieb durchgeführt. Die ersten schriftlichen Belege, die festgehalten sind, sind Notizen im internen Bürokalender der im Firmen-PC abgespeichert ist, die einen „festlichen Jahresausklang“ auf den 23.12.2004 datieren. Wie dieser Ausklang tatsächlich ausgesehen haben mag ist im Nachhinein schwerlich festzustellen. Weitere Angaben finden sich zum 21. Dezember 2007, 21. Dezember 2008, 22.Dezember 2009, 20. Dezember 2011. Es können jedoch keine Daten zu den Jahren 2005, 2006 und 2010 gefunden werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass zumindest 2010 noch eine Weihnachtsfeier abgehalten wurde, da sich eine Mitarbeiterin erinnerte. Lediglich zu Jahr 2007 wurde der Ort der Veranstaltung schriftlich angegeben, hierbei handelte es sich ebenfalls um ein italienisches Restaurant, jedoch um ein Anderes als 2012. Aus Gesprächen mit den Mitarbeitern ist bekannt, dass die Weihnachtsfeier 2011 in einem bayerischen Lokal abgehalten wurde. Die Beschreibung der inhaltlichen Entwicklung ist schwer, da keine weiteren festgehaltenen Informationen abrufbar sind. Im Gedächtnis der Mitarbeiter sind jedoch hauptsächlich Auszüge nachvollziehbar. Hier wird die positive Stimmung und unterhaltsame Eindrücke, vor allem aus dem Jahr 2011, wiedergegeben.

Entwicklung von betrieblichen Weihnachtsfeiern

Die Geschichte der betrieblichen Weihnachtsfeier hängt stark mit der Herausbildung von Betrieben als Organisationsform in Europa, sowie der Herausbildung des modernen Weihnachtsfestes zusammen. Diese wirtschaftliche Organisationsform kam im Rahmen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert auf. Als Beleg für das 19. Jahrhundert kann eine Weihnachtsfeier im Jahr 1864 angesehen werden, wobei es sich hier hauptsächlich um eine inszenierte Schenkhandlung des Chefs an seine Mitarbeiter handelte. Eine politische und stark ideologische Aufladung erhielt die Weihnachtsfeier i im 20. Jahrhundert. Hier kann zum Beispiel die nationalsozialistische Weihnachtsfeier der Reichsbahndirektion von 1933 angesehen werden.

Allgemeine Verbreitung

Weihnachtsfeiern bilden inzwischen in vielen Betrieben ein beinahe verbindliches Muster. Die Weihnachtsfeier in Unternehmen ist inzwischen international verbreitet. Dies lässt sich auch an der umfassenden medialen Aufbereitung des Themas feststellen.

Forschungsstand allgemein

Das Thema der Betrieblichen Weihnachtsfeier wurde im Jahr 2008 von Astrid Petrson im Zuge Ihrer Diplomarbeit an der Universität Wien aufgegriffen. Einen umfassenden volkskundlichen Beitrag zur politischen Aufladung des Weihnachtsfestes lieferten im Jahr 1997 Esther Gajek und Richard Faber.

Literatur

  • Faber, Richard/ Gajek, Esther: Politische Weihnacht in Antike und Moderne. Zur ideologischen Durchdringung des Festes der Feste. Würzburg 1997.
  • Hesslinger, Eva: Betriebsfeiern als Spiegel des Betriebsalltags? In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 93 (1997).
  • Weber-Kellermann, Ingeborg: Das Weihnachtsfest. Eine Kultur und Sozialgeschichte der Weihnachtszeit. Luzern 1978.