Wallfahrt Altötting

Einstiegsinformation

Einzug einer Wallfahrtsgruppe.
Altötting ist einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte in Deutschland. Seit 1489 pilgern in die südbayerische Kleinstadt jährlich ca. 1,3 Millionen Menschen in großen Gruppen, allein, zu Fuß oder mit der Bahn, Bus oder dem PKW. Die Wallfahrer erbitten sich in Altötting Hilfe von der dort verehrten schwarzen Madonna. Der größte Pilgeransturm ist im Mai und während dem Pfingstwochenende. Es existieren traditionelle Wallfahrtsgruppen, die schon seit über 100 Jahren bestehen, wie beispielsweise die Regensburger Fußwallfahrt oder die Jugendfußwallfahrt der Diözese Passau, die seit 1946 veranstaltet wird. Doch haben sich in den vergangenen Jahren vermehrt Gruppen und Vereine dazu entschlossen, nach Altötting zu pilgern. Beispielsweise existiert seit 2002 die Bikerwallfahrt, die von dem Initiativkreis junge Wallfahrt Altötting ins Leben gerufen wurde.

Ablauf

Die Wallfahrt beginnt in der Regel mit einem Gottesdienst in der Heimatgemeinde der Pilger. Danach machen sie sich zu Fuß, Rad oder Fahrzeug auf den Weg nach Altötting. Bei Fußwallfahrten werden Fahnen und Kreuze getragen, so ist sichtbar, dass es sich bei der Gruppe um Pilger handelt. Die Gruppen, die mehrere Tage unterwegs sind, werden oft von Sanitätern begleitet, welche die Pilger bei gesundheitlichen Problemen behandeln. Bei größeren Gruppen werden oft Straßen von der zuständigen Polizei für die Pilger abgesperrt und Begleitfahrzeuge transportieren das Gepäck der Teilnehmer. Während dem Fußmarsch wird gebetet oder gesungen, dazu erstellt der Wallfahrtsveranstalter ein Gebets- und Liederbuch. Die Pilger werden beim Einzug in den Gnadenort mit läutenden Glocken begrüßt und umrunden dreimal die Gnadenkapelle, bevor ein Gottesdienst gefeiert wird. Die Rückreise erfolgt meist mit einem Fahrzeug.

Die Regensburger Fußwallfahrt

Die Regensburger Fußwallfahrt besteht seit 1830. Seit den 1950er Jahren hat die Wallfahrt einen regelrechten Boom erfahren und ist beständig angewachsen. Heute ist sie mit ca. 8000 Wallfahrerinnen und Wallfahrern die größte zusammenhängende Fußwallfahrt Deutschlands und findet jedes Jahr am Pfingstwochenende statt. Die Pilger legen innerhalb von 3 Tagen 111 km zurück, auf dem Weg werden in verschiedenen Ortschaften Gottesdienste gefeiert und Rast gemacht. Auf dem Weg schließen sich immer wieder weitere Menschen dem Zug an. Damit sie ihr Gepäck nicht selbst tragen müssen, gibt es auch bei der Regensburger Fußwallfahrt Begleitfahrzeuge. Ebenso werden einige Straßen aus Sicherheitsgründen von der Polizei abgesperrt. Beim Einzug in Altötting werden die Pilger mit Glockengeläut begrüßt, der Einzug der Pilger dauert ca. eine Stunde. Das Gnadenbild wird zu diesem Anlass aus der Kapelle geholt und anschließend wird ein Gottesdienst gefeiert.

Die Jugendfußwallfahrt der Diözese Passau

Seit 1946 machen sich jedes Jahr im Frühling einige Tausend junge Menschen auf den Weg von Passau nach Altötting. Veranstaltet wird die Jugendfußwallfahrt von der Diözese Passau. Gepilgert wird 2 Tage, auf dem Weg stoßen immer wieder neue Pilger zur Gruppe hinzu. In Altötting wird dann die Pilgergruppe mit Glockengeläut begrüßt und es wird ein Gottesdienst gefeiert. Laut wissenschaftlichen Studien nimmt das Interesse von Jugendlichen an Religion vermehrt ab, trotzdem machen sich tausende junge Pilger jedes Jahr auf den Weg nach Altötting. Im Rahmen eines Seminars an der Universität Augsburg, welches sich mit Wallfahrten befasste, wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jugendfußwallfahrt von Passau nach Altötting mittels eines Online-Fragebogens befragt. Das Ziel der Studie ist herauszufinden, ob die jungen Menschen trotz allgemeinem abnehmenden Interesse an der Kirche aus religiöse Motiven pilgern. Insgesamt beteiligten sich 70 Teilnehmer an der Umfrage, davon sind 65 Personen (22 männliche und 43 weibliche) schon mindestens einmal nach Altötting gepilgert. Der Großteil (76%) ist zwischen 1980 und 1997 geboren, der Rest vor 1979. Für die meisten steht der religiöse Aspekt im Vordergrund. 65% gaben an, dass sie aus Bitte oder Dank für ein bestimmtes Anliegen pilgern. Auch der Spaß kommt für die meisten nicht zu kurz: 77% der Teilnehmer macht es Spaß zu pilgern. Ein weiterer Grund sind die Freunde. Bei 51% pilgerten die Freunde mit. Lediglich 28% bezeichnen das Pilgern als Urlaub, bei dem sie abschalten können. In Altötting wird von den meisten Wallfahrern der Gottesdienst (86%) und die schwarze Madonna (71%) besucht. Ein Großteil (72 %) der befragten Personen war schon in anderen Wallfahrtsorten oder hat dies noch vor. Sie waren beispielsweise in Lourdes, Rom, Santiago de Compostella, Jerusalem, Andechs oder Assisi. Den Teilnehmern ist es wichtig, zu Fuß nach Altötting zu gehen. So gaben 92% an, dass sie nicht nach Altötting mit dem PKW oder Bus fahren wollen. Bei der Rückreise ist das Gegenteil zu sehen: Alle Teilnehmer sind mit dem Bus, PKW oder Zug nach Hause gekommen. Obwohl das Interesse an Kirche und Gott bei vielen jungen Menschen abnimmt, pilgern die Teilnehmer der Jugendfußwallfahrt der Diözese Passau aus religiösen Motiven. Diejenigen die pilgern, besuchen auch in ihrer Heimat regelmäßig den Gottesdienst, sind in Kirchengemeinden beispielsweise als Ministranten aktiv und haben schon mehrheitlich (55%) am Weltjugendtag teilgenommen oder haben dies noch vor.

Hintergrund-Infos

Die Gnadenkapelle in Altötting.

Gnadenbild und Gnadenkapelle

Die Altöttinger Madonna, das Gnadenbild, ist die wichtigste Marienfigur im süddeutschen Raum und hat Altötting zum Wallfahrtsort werden lassen. Sie ist das Ziel der Pilger, die nach Altötting kommen. Von ihr existieren viele Nachbildungen, beispielsweise in Nürnberg und Würzburg. Umgeben von Votivtafeln befindet sie sich in der Gnadenkapelle auf einem Altar. Die Madonnenstatue ist eine 64 cm hohe frühgotische Figur aus Lindenholz mit eingearbeiteten Silberplatten. Der genaue Ursprungsort ist unbekannt, eventuell ist sie aus Burgund. Ebenso lässt sich die Entstehung nicht genau datieren. Vermutlich wurde sie im 14. Jahrhundert gefertigt, frühestens ist sie gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstanden. Die Hände und das Gesicht der Madonna sind schwarz – sie gehört somit zum Typus der schwarzen Madonnen. Dieser Typus stammt aus der Auvergne, die Madonnen sind dort alle ähnlich gefertigt: die dunklen Statuen aus romanischer oder vorromanischer Zeit thronen mit dem Jesuskind auf ihrem Schoß. Clermond Ferrand gilt als Heimat der schwarzen Madonnen. Heute sind noch fünf Figuren dieses Typs dort erhalten. Außer in Altötting befinden sich noch in anderen bekannten Wallfahrtsorten schwarze Marienfiguren, so beispielsweise in Einsiedeln (Schweiz) und in Loreto (Italien). Insgesamt existieren in Europa ca. 272 dunkelhäutige Marienkultbilder, 188 davon befinden sich in Frankreich, die dort als Vierges Noires, die schwarzen Jungfrauen, bezeichnet und verehrt werden. Die Frage nach dem schwarzen Inkarnat wird oft damit begründet, dass die Skulpturen lange Zeit Kerzenrauch, Weihrauch und Staub ausgesetzt waren und dadurch ihre schwarze Farbe erhielten. Kontrovers ist, dass sich die Kleidung der Madonnen sowie andere Gegenstände und Andachtsbilder in den Kirchen nicht verfärbt haben. Von Wissenschaftlern wird die "Kerzenrauch-Theorie" einstimmig abgelehnt, im allgemeinen Volksglauben ist sie jedoch noch weit verbreitet. Ean Begg argumentiert: "Viele Christen, sowohl Geistliche als auch Laien, nehmen es als gegeben hin, dass die schwarzen Madonnen ein Rätsel für uns darstellen, wofür es keine einleuchtende Erklärung gibt." Ebenso begründet dies Brigitte Romankiewicz "Ihr Schwarz-Sein soll möglichst als Zufälligkeit negiert werden." Dennoch haben sich einige Ansätze zur Erklärung der schwarzen Hautfarbe etabliert. Neben der "Kerzenrauch-Theorie" besteht die "Oxidations-Theorie". Eine chemische Veränderung wird für das dunkle Inkarnat verantwortlich gemacht. Hierbei sollen die Silberplatten in der feuchten Kapelle oxidiert sein und die Madonna wurde dadurch dunkler. Diese beiden Argumentationen sind unter anderem für die Altöttinger Madonna gebräuchlich. Es kann nicht genau gesagt werden, warum die Altöttinger Madonna und andere Madonnenfiguren schwarz gefertigt sind. "die Schwärze der Jungfrau gibt Rätsel auf" und Sperber hält es für möglich, "dass das jetzige Gnadenbild [...] seine dunkle Färbung erst im 16. Jahrhundert in Angleichung an die schwarze Madonna von Loreto erhalten hat." Andere Ursprungstheorien erklären das schwarze Inkarnat mit schwarzen Fruchtbarkeitsgöttinen, die eine christliche Umformung erfuhren. Beispielsweise werden als Vorbilder die antiken Göttinnen Kybele und Isis genannt, die beide Mütter von göttlichen Kindern sind und oft schwarz dargestellt wurden. Diese Theorie besagt, "dass das Christentum mit seiner religiösen Bilderwelt in vieler Hinsicht auf den Schultern viel älterer Glaubensvorstellungen steht." Genaue Belege über den Herkunft und den Auftraggeber der Altöttinger Statue gibt es nicht. Es ist wahrscheinlich, dass sie um ca. 1330 nach Altötting kam. Seit 1518 ist die Marienfigur bekleidet. Die Kleider wurden aus den Brautkleidern Bayerischer Prinzessinnen gefertigt, die diese als Opfergabe spendeten, das Zepter und die edelsteinbesetze Krone wurden von Kurfürst Maximilian gestiftet. In der Mitte des Kapellplatzes befindet sich die Gnadenkapelle, diese wird von Pilgern bei ihrer Ankunft umrundet. Sie besteht aus einem Oktogon, mit einem später angefügten Langhaus. Das Oktogon ist wahrscheinlich schon im 8. Jahrhundert entstanden, als Nachbildung der ebenfalls achteckigen frühchristlichen Kirche in Ravenna (Italien). Vermutlich diente das Altöttinger Oktogon als herzogliche Taufkapelle. Um ca. 1500 wurde die bestehende Kapelle um ein Langhaus mit Umgang erweitert. Dort befinden sich an den Wänden zahlreiche Votiv- und Mirakeltafeln, die von Wundern der Altöttinger Maria sprechen.

Opfergaben

Die Opfergaben der Pilger werden in Geldopfer und Naturalopfer unterteilt. Bauern brachten oft Vieh oder Pflanzen wie beispielsweise Flachs. Einige geheilte brachten so viel Wachs wie das eigene Körpergewicht oder das Gewicht des geheilten Verwandten, andere ließen die geheilten Gliedmaßen in Wachs oder Holz anfertigen. Die Kerze zählt zu den beliebtesten Opfergaben, auch heute spenden Wallfahrtsgruppen reich verzierte Kerzen, die oft mit einer Widmung versehen sind. Wohlhabende Frauen opferten Schmuck, ihr Festkleid oder Taufhemden. Mit dem geopferten Bargeld wurde 1500 die Stiftskirche erbaut. Bayerische Adelige liehen sich des öfteren Geld aus dem Opferstock um Kriege zu bestreiten, wobei es nicht immer zurück bezahlt wurde. In der Aufklärung wurde das Opfergeld für soziale Zwecke wie ein Schulhausbau oder für Darlehen an sozial schwache Familien verwendet. Heute werden mit dem gespendeten Geld die Kirchen renoviert und Musiker sowie Geistliche bezahlt. Viele der kostbaren Opfergaben sind im Museum "Haus Papst Benedikt" ausgestellt.

Votivtafeln

Wallfahrerkreuze und Votivtafeln an der Gnadenkapelle.
Votivtafel in der Gnadenkapelle.
Eine Votivtafel ist ein Zeugnis, daß Maria geholfen hat, oder eine Bitte um Hilfe, oder die Weihe, Anbefehlung einer Person oder Familie an die Muttergottes. Votivtafeln sind also unmittelbare Äußerung eines Wallfahrtsvertrauens und [...] eine Einladung und Aufforderung an andere, ebenfalls Zuflucht zur Muttergottes zu nehmen." Die Votivbilder in Altötting zeichnen sich durch den Spruch "Maria hat geholfen" oder "Maria hilf" aus. Sie wurden gestiftet aus Dankbarkeit für erhaltene oder aus Bitte um Hilfe. Dies können beispielsweise Krankeiten, Unfälle, Kriegsgeschehen oder Naturkatastrophen sein. Es wurde nicht nur um Hilfe für Menschen gebeten, sondern auch um Hilfe für kranke Tiere, wie beispielsweise eine Kuh oder ein Pferd. Im Umgang der Altöttinger Gnadenkapelle befinden sich ca. 2000 Votivbilder, das älteste stammt aus dem Jahr 1501. Auch in der Gnadenkapelle sind zahlreiche Votivtafeln ausgestellt. Die Künstler, welche die Bilder fertigten, sind weitestgehend unbekannt, meistens wurden sie von Laienmalern oder Handwerkern gefertigt. Heute werden ca. ein Dutzend Tafeln im Jahr gespendet.

Der Wallfahrtsverbund "Shrines of Europe"

1996 haben sich die größten Wallfahrtsorte in Europa, Altötting, Tschenstochau, Fatima, Loreto und Lourdes zu dem Verbund "Shrines of Europe" zusammengeschlossen, 2003 kam Mariazell hinzu. Diese Verbindung dient hauptsächlich der Vermarktung der einzelnen Wallfahrtsorte. Es werden beispielsweise gemeinsame und mehrsprachige Werbebroschüren erstellt, damit wird für Sonderaktionen an den verschiedenen Wallfahrtsorten geworben. Ebenso können in den einzelnen Städten Devotionalien der anderen Mitglieder im Wallfahrtsverbund gekauft werden.

Die ersten Wunder und die Anfänge der Wallfahrt

Zwei Wunder werden für die Heilstätigkeit der schwarzen Madonna und den damit verbundenen Beginn der Wallfahrt verantwortlich gemacht. Sie sollen sich beide im Jahr 1489 wie folgt ereignet haben:
Ein dreyjähriges knäblein als es zu Alten Oetting in das wasser, ..., gefallen ... ist endlich gantz tod herauß gezogen worden. Die mutter auß großem vertrauen zu der Mutter Gottes trägt das tote Kind zu der heiligen Capell,... und bittet umb erlangung des kinds leben flehentlich. Alsbald wird das kind lebendig. Ein Baur zu Alten-Oeting führte ein Fueder Haber zu Hauß, setzte sein Söhnlein, sechs Jahr alt, auff das Handroß; der fallet von dem Pferdt under den Wagen, wird dermassen zertruckt, dass seines Lebens kein Hofnung mehr verhanden. Man thut ein Gelübd und rufft die Mutter Gottes an, folgenden Tag ist der Knab widerumben gantz frisch und gesund.
Viele solche Wunder und Heilstaten folgten in den kommenden Jahren und wurden schnell im ganzen Land bekannt. Altötting lag an den Handelswegen zwischen Venedig, Salzburg und Regensburg, so wurden die Wunder schnell verbreitet und waren bald bis nach Italien oder Franken bekannt. Ortsansässige Geistliche schrieben und verbreiteten die Geschehnisse in Mirakelbüchern. Ein Mirakelbuch berichtet schon 1492 von Besuchern aus Franken, Böhmen und Südtirol, die nach Altötting pilgerten. Dies zeigt, dass schon 3 Jahre nach dem ersten Wunder Menschen nach Altötting pilgerten.

Die Wittelsbacher und die Altöttinger Wallfahrt

Die Wittelsbacher hatten einen großen Einfluss auf den Wallfahrtsort Altötting. So sorgten sie während der Reformation dafür, dass Bayern katholisch blieb und sie holten den Jesuitenorden in den Wallfahrtsort, der bis 1737 bestand. Der glühendste Verehrer der schwarzen Madonna war Maximilian I. (1573-1651). Er pilgerte häufig nach Altötting und als erster spendete er sein Herz, welches in den Boden der Gnadenkapelle eingelassen ist. Er begann damit eine lange Tradition, nach ihm ließen viele Wittelsbacher ihr Herz ebenfalls in der Gnadenkapelle bestatten. Die meisten Herzen von Angehörigen des Adelsgeschlechts werden in einer kostbaren Urne in der Gnadenkapelle, unweit der Madonna, aufbewahrt. Das bekannteste Herz ist wahrscheinlich das von Ludwig II. König von Bayern. "Diese Herzen wollten nach zu Lebzeiten vorgefaßtem Willen ihrer Träger als Wächter und Beter vor der Gottesmutter stehen bleiben." Altötting wird daher oft auch als das „Herz Bayerns“ bezeichnet.

Die Hoch- und Tiefphasen der Altöttinger Wallfahrt

Die Altöttinger Wallfahrt und die Verehrung der Muttergottes ist gekennzeichnet durch mehrere Hoch- und Tiefphasen. Nach dem ersten Wunder erlangte die Madonna in kurzer Zeit einen sehr hohen Bekanntheitsgrad, die Wallfahrt erlebte ihren ersten Boom. Doch schon 1503 kam es aufgrund des Landshuter Erbfolgekrieges zum ersten Rückgang der Pilger. Als dieser gerade vorüber war, und die Wallfahrt einen kleinen Aufschwung erlebte, blieben aufgrund der Reformation erneut Pilger fern. Grund dafür sind die neu gläubigen, die Protestanten, welche die Marienverehrung sowie den blühenden Ablasshandel ablehnen. Der Pilgerrückgang ist deutlich an den rückläufigen Opfergaben sichtbar, die stets aufgeschrieben wurden. Während der Reformation ging das Wallfahrtswesen in ganz Deutschland zurück und war nicht nur auf Altötting beschränkt. Der Einfluss und die Förderung der Altöttinger Wallfahrt durch die Wittelsbacher brachte in Zeiten der Gegenreformation wieder vermehrt Pilger zum Gnadenbild, aus Angst vor der Pest blieben um 1611 erneut viele Pilger fern. Hoch- und Tiefphasen der Wallfahrt waren während des 30-jährigen (1618-1648) Krieges zu spüren. Die Madonna musste sogar zeitweise nach Salzburg gebracht werden, um vor Angriffen geschützt zu sein. Am Ende des 30-jährigen Krieges ist ein Anstieg der Pilger zu verzeichnen. Die Menschen waren froh über das Ende und dankten der Madonna dafür. Die Säkularisation kann als Feind der Wallfahrt betrachtet werden. Viele Kostbarkeiten, die der Kirche als Opfergaben oder als Dank für Marias Hilfe gespendet wurden, wurden eingeschmolzen oder anderweitig zerstört. Während der Aufklärung, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wurde Wallfahren von Staat und Wissenschaft beschimpft als Lächerlichkeit, als Aberglaube, Anbetung von hölzernen Statuen, heimlich weiter wuchernden Baumkult, Vertrauen zu Magie und Schwindel, Flucht vor der pfarrlichen Ordnung und vernünftigem Gottesdienst. Klöster wurden aufgehoben, Priestern wurde gekündigt. Durch weniger Priester war nicht mehr genügend Personal vorhanden, um die Pilger seelsorgerisch zu betreuen. Das Ausbleiben von Wallfahrern war die Konsequenz. Seit 1868 war Altötting über Neuötting mit der Bahn zu erreichen. Durch Hilfe und Förderung des Kronprinzen Ludwig wurde schließlich 1897 Altötting an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Dies führte zu einem Pilgeransturm, da auch Kranke und schwache Pilger kommen konnten und sich nicht mehr den Strapazen eines langen Fußmarsches aussetzen mussten. Nach vierjährigem Bestehen war dies die rentabelste Lokalbahn Bayerns. Die Pilgerfahrt entwickelte sich zum eintages-Wallfahrtsausflug. Brückner meint, dass "die modernen Verkehrsmittel die Wallfahrten überhaupt nur am Leben erhalten haben. […] Die Eisenbahn hat der Wallfahrt einen mächtigen, neuen Impuls gegeben, weit entfernte Besucher in großen Scharen anzuziehen." Oft wurden auch Sonderzüge eingesetzt, die nur eine spezielle Gemeinde nach Altötting beförderte. Während des Nationalsozialismus versuchten die Nazis, die Wallfahrt zu unterbinden, indem sie Verkehrsmittel nach Altötting verweigerten. Laut Robert Bauer kamen die Wallfahrer trotzdem in Massen. Nach dem 2. Weltkrieg erlebte die Wallfahrt erneut einen Boom, der immer noch andauert.

Literatur

  • Bauer, Robert: Die Bayerische Wallfahrt Altötting. München und Zürich: Schnell & Steiner, 1969.
  • Bauer, Robert: Die Bayerische Wallfahrt Altötting. 4. Auflage. Regensburg: Schnell & Steiner, 1998.
  • Begg, Ean: Die unheilige Jungfrau: Das Rätsel der schwarzen Madonna. Bad Münstereifel: Ed. Tramontane, 1989.
  • Brems, Franz Josef: Marienwallfahrtsorte in Europa: ein kulturgeschichtlicher Führer. München: Pfeiffer/Wewel, 1994.
  • Brückner,Wolfgang: Fußwallfahrt heute: Frömmigkeitsformen im sozialenWandel der letzten hundert Jahre. In Raff, Thomas (Hrsg.): Wallfahrt kennt keine Grenzen.München, 1984.
  • Rattelmüller, Paul-Ernst: Die Wallfahrt zur schwarzen Muttergottes in Altötting. Charivari. Kunst- und Kultur Leben in Bayern, [1989], Nr. 4.
  • Romankiewicz, Brigitte: Die Schwarze Madonna: Hintergründe einer Symbolgestalt. Düsseldorf: Patmos, 2004.
  • Siepe, Franz: Fragen der Marienverehrung: Anfänge, Frühmittelalter, Schwarze Madonnen. Gräfelfing: Mantis Verlag, 2002.
  • Sperber, Helmut: Unsere Liebe Frau: 800 Jahre Madonnenbild und Marienverehrung zwischen Lech und Salzach. Regensburg: Pustet, 1980.
  • Wiebel-Fanderl, Oliva: Die Wallfahrt Altötting: Kultformen und Wallfahrtsleben im 19. Jahrhundert. Passau: Verlag des Vereins für Ostbairische Heimatforschung, 1982.
  • Wiebel-Fanderl, Oliva: Die Verehrung der Altöttinger Muttergottes. In Raff, Thomas (Hrsg.): Wallfahrt kennt keine Grenzen. München, 1984.
  • Willmerdinger, Georg: Shrines of Europe. Altötting: Oberbayern-Presse-GmbH, 2008.
  • Zellner, Jörg: 500 Jahre Marienwallfahrt Altötting. Bayernland Kultur, [1989], Nr. 1.

Weblinks