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Einstiegsinformation
Das Tänzelfest am vorletzten Wochenende vor den Sommerferien stellt den Höhepunkt im Veranstaltungskalender der Stadt Kaufbeuren dar. Von Donnerstag bis Montag steht die gesamte Stadt im Zeichen des Festes, wobei Sonntag und Montag die beiden Hauptfesttage sind, an denen ein Umzug durch die Altstadt mit etwa 1.600 Kindern und Jugendlichen veranstaltet wird. Organisatorisch spielt der Tänzelfestverein die tragende Rolle.Ablauf
Der Festzug spiegelt die Stadtgeschichte Kaufbeurens von der Karolinger- bis zur Biedermeierzeit wider. Alle 1.600 Kinder tragen Gewänder früherer Zeiten und spielen Personen, die in Quellen dieser Zeit genannt wurden. Die 33 Festwagen, die den Umzug begleiten, vermitteln ein Bild der historischen Fahrzeuge. Die Kinder – ausgestattet mit Kostümen und Accessoires – geben einen Einblick in vergangene Handwerkskünste. Neben den Festwagen sind außerdem viele Kinder beteiligt, die besonders wichtige Personen aus der Kaufbeurer Geschichte darstellen. Zu Anfang des Umzuges steht der Einzug Kaiser Maximilians. Dies geschieht in Anlehnung an den Besuch des Kaisers am 25. Mai 1497 in der freien Reichsstadt Kaufbeuren. Nach diesem Einzug folgt der große Festzug mit allen beteiligten Kindern. Der Festzug ist insgesamt in zehn Gruppen – nach historischer Reihenfolge – eingeteilt. Die erste Gruppe stellt die Frühzeit der Stadt vom 9. bis zum 12. Jahrhundert dar. Beteiligt sind hier beispielsweise Guido Glado a Villa mit seinen fränkischen Kriegern. Der Sage nach ist der edle Guido Glado mit seinen Kriegern aus Frankreich in die Kaufbeuerer Gegend gezogen, um im 9. Jahrhundert die Reichsgrenze, den Lech, gegen die Altbayern zu verteidigen. Außerdem sind hierbei Anna vom Hof und ihre Schwestern des Klosters Meierhof beteiligt. Die zweite Gruppe verkörpert die Zeit des Hochmittelalters im 13. Jahrhundert. Hier sind sowohl gotische Mädchen mit Blumen als auch Kaiser Heinrich VI. mit seinem Gefolge vertreten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch Konradin, König von Jerusalem und der Herzog von Schwaben.

Lagerleben und andere Veranstaltungen rund um das Tänzelfest
Das Kaufbeurer Lagerleben gehört seit vielen Jahren zum Tänzelfest. Dieser abendliche Teil des Festes beginnt mit einer Ansprache vor dem Rathaus. Anschließend marschieren die teilnehmenden Gruppen auf und das schönste Lager wird prämiert. Im letzten Jahr wurde dem „Buron- Kerker“ die beliebte Auszeichnung „Schönstes Lager 2009“ verliehen. Gnadenbrot, Kerkerwasser, Kerkerfladen und das außergewöhnliche Ambiente des Gewölbes haben überzeugt. Im Anschluss an die Auszeichnung herrscht in der gesamten Altstadt reges Treiben. Es gibt Musik, fahrendes Volk, Gaukler und Feuerschlucker. Jeder Stand preist seine individuellen Waren an. Es werden mittelalterliche Getränke wie Met oder Reformationstrunk oder auch Speisen wie Schupfnudeln oder Feuerwürste angeboten. Einige Stände bieten auch Ketten, Schmuck, Töpfe oder Tücher an. Zusätzlich führen Kaufbeurer Theatergruppen oder auch Gauklergruppen kleine Theaterstücke oder Artistennummern auf. Am Fünfknopfturm bietet sogar eine Wahrsagerin ihre Dienste an. Es herrscht also in der ganzen Stadt buntes mittelalterliches Treiben. Parallel zum Tänzelfest findet auf dem Tänzelfestplatz ein Rummel mit Bierzelt statt. Den traditionellen Abschluss des Festes stellt das große Feuerwerk am Sonntag dar. In Anlehnung an das von der Stadt Kaufbeuren früh erlangte Marktrecht findet außerdem ein historischer Wochenmarkt statt. Kostümierte Kinder, die in dieser Kleidung auch am Festzug teilnehmen, verkaufen dort an die Besucher Gemüse, Brot, Schmalz und allerhand andere Leckereien. Eine besondere Rolle spielt bei jedem Tänzelfest die Knabenkapelle. Sie wurde 1876 von Ignaz Walch gegründet. 1956 führte die Kapelle die blauen Uniformen der Kaufbeurer Bürgerwehr von 1850 ein, in denen sie heute auftritt. Die Kapelle zählt zur Zeit etwa 80 Knaben im Alter von 11 bis 25 Jahren, wobei 20 als Trommler und 60 als Blasmusiker auftreten.Hintergrund-Infos
Um die Herkunft des Kaufbeurer Tänzelfestes ranken sich seit jeher viele Mythen und Legenden. So datierte man das Fest auf 1388, da damals eine erfolglose Bestürmung stattfand. Auch das Ende einer Pestepidemie 1633 könnte der Ursprung sein. Sogar altheidnische Erntefeste oder germanische Frühlingsfeiern wurde früher als Wurzeln für das Fest vermutet. Heimatforscher Karl Reiser und Christian Frank vertreten die Ansicht, dass der Kaufbeurer Tänzeltag von den ortsüblichen Jahresfesten (Dinzeltagen) der mittelalterlichen Handwerksorganisation, speziell der Weberzunft, herrührt. Tatsächlich weisen die Feste Ähnlichkeiten auf. So verfügen beispielsweise beide Feste über vielfache Gemeinschaftszüge, wobei der Aufmarsch jeweils mit Trommeln und Pfeifen begleitet wird und Fahnenschwingen und Maskierungen üblich waren. Doch auch diese These lässt sich nicht urkundlich belegen. Quellenkundlich belegt scheint allerdings der Einzug und der Aufenthalt Kaiser Maximilians 1497. Hörmann beschreibt diesen in der Stadtchronik:Am Samstag vor U.L. (=unseres lieben) Herrn Fronleichnam kam der römische König Maximilianus und mit ihm Herzog Friedrich Curfürst und Herzog Hans von Sachsen [...], nebst vielen Grafen, Feiherren und anderen gut geborn Leuten abermals hieher in die Stadt, wo sie auch etliche Tage verharrt.Außerdem ist belegt, dass Maximilian 1497 ein weiteres Mal in die Stadt kam:
Er hat auch zweymalen denen Armbrust- und Büchsenschützen einen rohen Seiden Atlas zum Besten geben und selbst mit dem Handbogen auf der Buchleuthen geschossen. Dadann vermutlich schon eine Schützen Companie errichtet gewesen, waren damals auch exercitia Waffen, Aufteilung der Bürger Companien, Aufziehen auf die Wacht, Streifen und das Schießen vor dem Stadtammann, und zur encouragierung der Jugend wurde auch der sogenannte Tänzeltag angeordnet.Somit scheint klar, dass das Kaufbeurer Tänzelfest von König Maximilian gestiftet wurde. Eines steht fest: Der Kaufbeurer Tänzeltag geht auf die Zeit vor 1557 zurück und war, wie in vielen süddeutschen Städten üblich, ein Fest der Zünfte. Die Zeugnisse damaliger Zeiten lassen zwar Vermutungen zur Teilnahme von Kindern an diesem Fest zu, allerdings ist bis in das 16. Jahrhundert niemals die Rede von einem Kinderfest. Die Kaufbeurer Heimatforschung ist im Laufe der Zeit allerdings auf ein sonderbares Phänomen gestoßen. Nahezu alle Kaufbeurer Stadtchroniken des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts berufen sich als Ursprung des Tänzelfestes auf eine Stiftung Kaiser Maximilians I. Diese Annahme ist nach quellenkritischer Beurteilung allerdings historisch nicht haltbar. Die vorhandenen Überlieferungen des 16. und 17. Jahrhunderts belegen also keineswegs, zu welchem Zeitpunkt das Kaufbeuerer Kinderfest in Zusammenhang mit den Tänzeltagen der Zünfte eine eigene Tradition entwickelte. Erst 1658 wird der Tänzeltag erstmals mit einem Kinderfest in Zusammenhang gebracht. Dokumentiert ist hier von der Schulkomission, dass „der Tänzltag denen Kindern auf die eingehende Woch verwilligt sei." Auch der Festablauf ist dokumentiert worden. Ein Bericht von 1805 zeigt, dass das Fest die Tradition des alten Zunftfestes weitergeführte und bis heute noch einige Abläufe beibehalten wurden. In den folgenden Jahren stritt man viel über die Durchführung des Festes. In den 1850er Jahren entfachte ein Streit um die Teilnahme der Kinder. So forderte der Stadtkomissar Franz Seraph Wolff, welcher das Fest bereits mehrere Male zu verbieten versuchte, da er es für eine Entgleisung der Kinder hielt, nun dass an dem Fest ausschließlich protestantische Kinder teilnehmen dürfen. Dies wurde allerdings schon 1853 wieder verworfen, da man das Fest auf seine Ursprünge zurückführen wollte, wonach keinerlei Zeugnisse über das Verbot der Teilnahme katholischer Kinder vorlagen. Und trotzdem blieben katholische Kinder in dieser Zeit zunehmend fern. Die Kaufbeurer Stadtverwaltung wurde sich allerdings im Laufe der Jahre darüber bewusst, dass dieses Fest ein Stück Tradition ist und gepflegt werden musste. So wurde beispielsweise 1867 die Knabenkapelle dem Fest zugeführt. Bis heute ist diese ein fester Bestandteil des Festes. In den folgenden Jahren flachte die Bedeutung des Festes für die Bevölkerung zunehmend ab. Erst eine Initiative des Bürgermeisters Carl Stumpf im Jahre 1890, die zur Gründung des Vereins zur Hebung des Tänzelfestes führte, hatte für das Kaufbeurer Kinderfest zukunftsweisende Bedeutung. Von nun an lässt sich sein Schicksal von der Geschichte des Tänzelfestvereins nicht mehr trennen. Ein anderes historisches Fest, das mit einem früheren Schülerfest zusammenhängt ist die Kinderzeche in Dinkelsbühl. Kostümierte Knabenkapellen mit einer langen Tradition spielen in Dinkelsbühl ebenfalls eine Rolle. Ähnliches geschieht auch beim Memminger Fischertag.
Weblinks
Literatur
- Kapfhammer, Günther: Brauchtum in den Alpenländern. Ein lexikalischer Führer durch den Jahreslauf. München 1977.
- Lang, Wolfgang: Historische Feste in Bayern - Entstehung und Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Neuried 2001.
- Ledermann, Richard: Das Kaufbeurer Tänzelfest im Wandel der Jahrhunderte – Forschungen und Erinnerungen eines alten Tänzelfestfreundes. Augsburg, 1964.
- Morgenroth, Peter: Tänzelfest in Kaufbeuren – Alle sind Kinder unserer Stadt, Programm 2010. Kaufbeuren 2010.