Termin
Dieser Brauch findet alljährlich am 06. Januar statt.
Einstiegsinformation
Sochelnik ist der russische Begriff für den Heiligen Abend. Der im Folgenden beschriebene Sochelnik wurde in der bayerischen Landeshauptstadt München gefeiert. Sochelnik ist die Bezeichnung für den Heiligen Abend der russisch-orthodoxen Kirche. An diesem Abend wird die Geburt Christi gefeiert und um Mitternacht wird die vorangehende 40 tägige Fastenzeit beendet. Nach dem Besuch der Messe fanden sich die Akteure im Kreis der Familie zu einem üppigen Abendessen zusammen. In Russland hat dieser Feiertag auch eine hohe mediale Präsenz, denn der mehrstündige Gottesdienst in der Christ-Erlöser Kathedrale in Moskau wird live im Fernsehen übertragen und von einem Kommentator erläuternd begleitet. Für die wichtigsten Politiker des Landes ist es ein Muss an diesem Gottesdienst teilzunehmen.
Ablauf
Am 06. 01.2013 feierten zwei russischstämmige Familien den Sochelnik zusammen in München. Nach dem Besuch der Messe in der Kathedrale der Heiligen Neomärtyrer und Bekenner Rußlands und des Heiligen Nikola fand ein anschließendes gemeinsames Festessen statt. Die Kathedrale befindet sich in der Lincolnstrasse 58 in München, das Essen fand in der Wohnung der Gastgeberin im Stadtbezirk Sendling statt.
Vorbereitungsphase
In der Woche vor dem 06.01.2013 verabredeten sich die Familienmitglieder dazu, sich um 16:15 vor der Kirche zu treffen, um an der Messe teilzunehmen, welche um 17.00 Uhr begann. Weiter Vorbereitungen für den Festabend wurden ansonsten nur noch von der Gastgeberin getroffen. Am 6. Januar fing sie bereits mittags an, die Speisen für den Abend vorzubereiten. Neben Rinderbraten und verschiedenen Beilagen bereitete sie auch den Sochivo vor, ein süßer Getreidebrei, den viele russische Familien traditionell am Sochelnik essen. Die Wohnung wurde nicht zusätzlich dekoriert, da Weihnachtsdekoration und ein geschmückter Tannenbaum bereits seit dem 24. Dezember vorhanden waren.
Hauptphase
Die Hauptphase der Festlichkeit fand an zwei unterschiedlichen Orten statt. Um 16:15 trafen sich fünf der Besucherinnen des Gottesdienstes vor der russisch orthodoxen Kirche in München. Diese sind alle weiblich: Inna, Marina, Elena, Keike und Alexandra. Obwohl die Messe erst um 17.00 Uhr anfing, trafen sie schon früher ein, um geweihte Kerzen zu erwerben und diese in der Kirche aufzustellen. Bevor sie die Kathedrale betraten, bedeckten die sie ihre Kopfe mit einem locker umgelegten Tuch. Marina erklärte, dass es keine vorgegeben Art gibt, wie das Tuch zu tragen ist. Es komme lediglich darauf an, dass der Kopf bedeckt ist, bevor man in das Gotteshaus – und somit gewissermaßen vor Gott – tritt. Auf der rechten Seite im Eingangsbereich befand sich ein kleiner Raum, in dem man circa 20 cm lange Bienenwachskerzen, Ikonen verschiedener Heiliger und Gebetsbücher kaufen konnte. Inna kaufte zwölf Kerzen und verteilte je zwei an ihre Begleiterinnen. Zwei Stück behielt sie, denn diese wurden später beim Festessen auf dem Tisch platziert und entzündet. Danach traten die Frauen aus dem Eingangsbereich in den eigentlichen Kirchenraum ein. Direkt nachdem sie die Schwelle zu diesem überschritten hatten, blieben sie in Richtung des Altars blickend stehen und bekreuzigen sich mit einer tiefen Verbeugung. Diese Geste führte jeder aus, der die Kirche betrat. Es befanden sich bereits etwa 80 Gläubige in der Kathedrale, die auf den Beginn der Messe warteten. Da es keine Sitzbänke gab, verteilten sie sich stehend im ganzen Raum. Es herrschte eine besinnliche und gar mystische Stimmung, die vor allem durch die Beleuchtung und der monotone Stimme eines Messdieners geschaffen wurde. Dieser stand in einer Ecke des Raumes und las mit lauter, dunkler Stimme, die durch die ganze Kirche schallte, Passagen aus der Bibel. Die vier Frauen begaben sich in den vorderen Teil des Raumes, denn dort standen sechs große Kerzenständer, an denen man die erworbenen Kerzen aufstellen konnte. Inna erklärte Keike im Flüsterton: „Die drei Kerzenständer auf der rechten Seite stehen für die Lebenden. Geh erst dorthin und während du die Kerze anzündest und in die Halterung steckst, denk an alle, die dir Lieb sind. Du kannst Gott dafür danken, dass es ihnen gut geht und um weiteres Glück für sie bitten. Die zweite Kerze kannst du da links anzünden und aufstellen. Gedenke dabei allen Lieben, die bereits verstorben sind.“ Nachdem sie die Kerzen aufgestellt hatten, trafen sie sich wieder am Eingang und beschlossen draußen zu warten, bis die Messe beginnen würde. Dort begegneten sie noch ein paar Bekannten, mit denen sie sich unterhielten. Um 16.55 Uhr gingen sie wieder hinein. In der kleinen Kirche befanden sich mittlerweile circa 170 Personen, es war sehr warm und die Luft war stickig. Der Mittelgang, der den Eingang mit dem Altar verband wurde von den Besuchern frei gelassen. Die vier Frauen beschlossen im Eingangsbereich zu bleiben und von dort aus die Messe zu verfolgen. Um Punkt 17.00 Uhr ertönten die Glocken der Kirche und verhießen den Beginn der Messe, die bis 21.00 Uhr dauern wird. Der Priester betrat die Kirche durch die Eingangstür und hielt dabei ein großes Kreuz in der einen und ein Weihrauchfass in der anderen Hand. Geleitet von 8 Messdienern, schritt er über den Mittelweg zum Altar. Dieser befand sich hinter einer, mit prachtvollen Ikonen bemalten Holzwand. Der Männerchor in der linken hinteren Ecke des Raumes sang währenddessen, die Gläubigen in der Kirche bekreuzigten und verbeugten sich. Erst als der Priester an der Ikonenwand ankam, öffneten sich zwei große Flügeltüren, sodass der Altar dahinter zum Vorschein kam. Der Priester blieb mit dem Rücken zur Gemeinde stehen und schwang das Weihrauchfass, sodass der ganze Raum bald vom Duft des Weihrauches erfüllt war. Zwei Messdiener stellten ein Gefäß mit Rotwein, eine Schale mit Brot und einen Kerzenständer mit drei brennenden Kerzen auf einen kleinen Tisch vor dem Altar. Marina erklärte: „Der Wein und das Brot werden während der Messe gesegnet, nach der Zeremonie reist man sich ein Stück vom Brot ab, tunkt es in den Wein und isst es. Die drei Kerzen stehen für Den Vater, den Sohn und den heiligen Geist.“ Nachdem der Priester seine Kopfbedeckung abgenommen hatte, begann er mit der Messe. Diese bestand aus mehreren kurzen Abschnitten, die sich abwechselnd wiederholten: Zunächst verlas der Priester einige Zeilen aus der Bibel, sobald er verstummte setzte der Männerchor ein. Anders als in katholischen oder evangelischen Gotteshäusern, gibt es in der russisch orthodoxen Kirche keine Orgel, die den Gesang begleitet. Auch einige Gläubige stimmten in den Gesang ein. Sobald dieser beendet war, bekreuzigten sie sich und es folgte wieder eine Lesung durch den Priester. Bereits nach wenigen Minuten der Messe war der Aufenthalt in der Kirche unangenehm und anstrengend. Da sich so viele Menschen im Raum befanden, war die Temperatur unangenehm hoch und die Luft verbraucht. Durch den melodischen Singsang der tiefen Stimmen des Männerchores und des Priesters, fühlte man sich in einem schläfrigen, tranceähnlichen Zustand. Hinzu kam die Schwierigkeit, dass man das gesagte und gesungene nur schwer verstehen konnte, auch wenn man der russischen Sprache mächtig ist. Denn der Gottesdienst wurde in altertümlichen Kirchenrussisch gehalten. Somit beschlossen die Frauen gegen 18.00 Uhr nach Hause zu fahren. Gegen 18.30 Uhr trafen sie in der Wohnung der Gastgeberin ein, in der sich bereits Anton und Mustafa befanden. Nun ging es zum zweiten Teil der Hauptphase, dem gemeinsamen Festessen über. Die Stimmung war sehr locker und alle freuten sich auf die Speisen. Während die Gastgeberin diese noch aufwärmte, stoßen die restlichen Gäste bereits mit Champagner an. Die Töchter der Paare deckten den Tisch. Währenddessen traffen Thomas, Felix und Roykey mit kleinen Gastgeschenken ein. Um 19:10 setzten sich alle an den Esstisch und der Braten, alle Beilagen und der Sochivo wurden von der Gastgeberin serviert. Bevor sie zu essen begonnen, hielt der Gastgeber eine ausgiebige Ansprache, in der er seiner Frau für die Vorbereitung dankte, seine Freude über das Beisammensein verkündete und die Wichtigkeit des Feiertages nochmals betonte. Marina zündete die geweihten Kerzen aus der Kirche an und platzierte eine Vase mit frischen Blumen auf dem Tisch. Sie sagte: „Die dürfen an Weihnachten auf keinen Fall fehlen.“ Auf die Nachfrage hin, warum dies so sei erklärte sie, dass sie symbolisch für das Leben und Christi Geburt stünden. Das Festessen verlief sehr fröhlich und ausgelassen. Die amüsanten Unterhaltungen wurden hin und wieder von der Gastgeberin unterbrochen, die ihre Gäste dazu aufforderte noch mehr von den verschiedenen Speisen zu essen. Dazu tranken die Gäste reichlich Wein und Softgetränke. Es folgte das Dessert, welches aus verschiedenen russischen Süßspeisen bestand. Um 21.30 Uhr hatte jeder der Gäste das Besteck niedergelegt und das Essen war offiziell beendet. Marina erklärte jenen Gästen, die nur wenig Kenntnisse über den russische orthodoxen Glauben haben, dass man am Abend des 6.Januar eigentlich bescheidene Speisen aus Getreide und Gemüse essen sollte, da die Fastenzeit erst um 24.00 Uhr endet. Mit einem Lächeln auf den Lippen fügte sie hinzu, dass sie zwar eine gläubige Frau sei, manche Regeln der Kirche aber gerne auch mal unbeachtet lässt. Zusammen mit ihren Gästen setzten sich die Gastgeber in das Wohnzimmer, um den Abend gemütlich ausklingen zu lassen. Da die Gastgeberin jedes Jahr die Life-Übertragung der Messe in Moskau im Fernsehen verfolgt, wurde auch in diesem Jahr der Fernseher eingeschaltet. Die Messe lief bereits seit 21.00 Uhr, deutscher Zeit. Du Frauen unterhielten sich angeregt über die dort anwesende Prominenz und die Schönheit der Moskauer Kathedrale. Diese Aspekte standen eindeutig im Vordergrund, dem Inhalt des Gottesdienstes und den Geistlichen wurde ihrerseits nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Mit gedämpfter Lautstärke ist nebenbei der Fernseher gelaufen, während die Gäste Kaffee oder Cognac tranken. Gegen 22:30 Uhr haben die ersten Gäste die Feier verlassen, die letzten fuhren erst um 0.30 Uhr nach Hause.
Nachbearbeitungsphase
Marina lehnte Hilfe beim Aufräumen und Abspülen von Seiten ihrer Gäste den ganzen Abend über vehement ab. Ihrer Aussage nach, wollte sie nicht, dass an diesem Feiertage solche Aufgaben von ihren Gästen verrichtet werden, darum wird sie sich erst am Folgetag um das Geschirr kümmern.
Akteure
An diesem Feiertag kamen insgesamt zehn Leute zusammen und feierten die Geburt Christi. Es handelte sich um eine heterogene Gruppe, bestehend aus Frauen und Männern verschiedenen Alters, Nationalitäten und Religionszugehörigkeit. Die Gastgeber waren Marina (50) und Anton (52), sie leben seit 24 Jahren in Deutschland. Beide kommen aus der Ukraine, bezeichnen sich aber als Russen. Der Grund dafür ist historisch zu erklären: Zur Zeiten der Sowjetunion sind ihre Vorfahren aus dem heutigen Russland in die Ukraine umgezogen. Ihre Tochter Elena (26) ist in der Ukraine geboren und kam im Alter von drei Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland. Sie ist ebenfalls anwesend, zusammen mit ihrem Verlobten Thomas (28). Er hat keinen Migrationshintergrund und ist in München geboren und aufgewachsen. An diesem Abend ist eine weitere Familie zu Gast. Es handelt sich um das Elternpaar Inna (51) und Mustafa (51) zusammen mit ihren Kindern Alexandra (24) und Keike (17). Inna kommt Ursprünglich aus Usbekistan, versteht sich aber aus demselben Grund wie das Gastgeberpaar als Russin. 1989 ist sie nach Deutschland migriert. Mustafa kommt ursprünglich aus der Türkei und lebt seit 1981 in Deutschland, sie sind seit 18 Jahren ein Paar. Keike ist ihr gemeinsames Kind und wurde in München geboren, Alexandra hingegen ist in der ehemaligen DDR geboren, lebt aber seit dem sie drei Jahre alt ist in München. Die Runde wird vervollständigt durch die Freunde der beiden Töchter: Roykey (19) und Felix (25), beide sind in München geboren und haben keinen Migrationshintergrund. Felix wuchs in einer Familie auf, die den katholischen Glauben stark praktizierte. Als jugendlicher war er ein aktives Mitglied der katholischen Gemeinde. Roykeys Eltern hingegen sind bekenntnislos, demnach spielten Glauben und religiöse Feste kaum eine Rolle in seiner Familie. Obwohl die beiden Familien weder Blutsverwand, noch verschwägert sind, zählen sie sich zum engsten Familienkreis. Dies liegt daran, dass Inna, Marina und Anton bereits seit 24 Jahren eng befreundet sind und ihre Kinder zusammen aufgewachsen sind. Sie bezeichnen sich gegenseitig als Cousinen und die Eltern des jeweils anderen als Onkel und Tante. Die Männer Anton und Mustafa haben eine passive Rolle während der Vorbereitungen eingenommen. Beide haben keinen Bezug zur russisch orthodoxen Kirche, da Anton jüdischen und Mustafa muslimischen Glaubens ist. Beide praktizieren ihren Glauben jedoch nicht, freuen sich aber darüber, dass ihre Frauen ihren religiösen Glauben in die Erziehung einbringen und an die Kinder weitergeben wollen. Marina sieht sich nach eigenen Aussagen als das Organisatorin und Bindeglied zwischen den Familien. Bereits seit vielen Jahren organisiert sie den gemeinsamen Kirchenbesuch und das anschließende Festessen. Dies macht sie sehr gerne, da die Bewirtung ihrer Gäste und das familiäre Beisammensein einen hohen Stellenwert für sie haben. Nichtsdestotrotz, steht für sie der religiöse Aspekt des Feiertages an erster Stelle, denn sie ist sehr gläubig. Inna sieht sich als Helferin der Gastgeberin, sie übernimmt für diesen Feiertag gerne Einkäufe und bereitet kleine Beilagen oder Nachspeisen für das Festessen vor. Die Kinder der Paare sind sehr froh über den Erhalt der russischen Traditionen und Bräuche und besuchen an diesem Tag auch gerne die russische Kirche mit ihren Müttern. Auf diese Art und Weise wollen sie zum Gelingen des Festes beitragen und ihren Müttern eine Freude machen. Alle Gäste sehen Marina als Schirmherrin der Feierlichkeiten. Sie sind sehr froh darüber, dass sie es schafft die Familie jedes Jahr an diesem Tag zu vereinen. Besonders am Herzen liegt ihr dabei das perfekte Gelingen aller Speisen. Keiner der Gäste trägt an diesem Tag feierliche Kleidung.
Veranstaltungsort
Wie bereits erwähnt fanden die Feierlichkeiten an zwei verschiedenen Orten statt. Kathedrale der Heiligen Neomärtyrer und Bekenner Russlands und des Heiligen Nikola der russisch orthodoxen Kirche im Ausland befindet sich in der Lincolnstraße 58 in München. Die Gemeinde ist seit 1994 in der Kirche ansässig. Das Gotteshaus wurde in den 1960er Jahren erbaut, weshalb sie von modernem Charme geprägt ist. Es fehlen die typischen Eindrücke, wie man sie von zum Teil Jahrhunderte alten Kirchen kennt. Durch eine große Pforte tritt man zunächst in einen kleinen Vorraum, von dem auf der linken Seite eine Treppe in die höheren Stockwerke führt. Auf der linken Seite befindet sich ein hoher Verkaufstresen. Vor diesem sind geweihte Kerzen in verschiedenen Breiten und Längen ausgelegt, hinter dem Tresen befinden sich Regale, die vollgestellt mit Gebetsbüchern und Ikonen sind. Die Preisspanne der Artikel beginnt bei wenigen Euro bis zu einigen Hundert. Für den Verkauf der Artikel sind Mitglieder der Gemeinde zuständig. Durchquert man den durch elektrisches Licht hell erleuchteten Eingangsbereich, gelangt man zum Eingang des eigentlichen Kirchenraums. Es handelt dich um eine Pforte mit schweren hölzernen Flügeltüren, die in den Raum geöffnet sind. Die Deckenhöhe des Kirchenrums beträgt circa 7 Meter, insgesamt hat der Raum etwa eine Größe von 250 qm2. Blickt man von der Eingangstür in den Raum, kann man gut alle Elemente erblicken, die sich darin befinden. In der linkeren hinteren Ecke, direkt neben dem Eingang ist ein Podest, auf dem ein sechsköpfiger Männerchor und ein Messdiener befanden. Insgesamt könnten circa 20 Menschen Platz auf diesem Podest finden. Von diesem Podest geht das einzige elektrische Licht in dem Kirchenraum aus, es handelt sich um die Leselampen, die die Gesangsbücher des Chores erleuchten. Es gibt weder Bänke, noch Stühle auf denen sich die Gläubigen niederlassen können, außer eine circa ein Meter lange Holzbank, an der Rechten Wand, die ausschließlich für ältere Menschen reserviert ist. Der Mittelgang vom Eingang zum Altar ist mit einem roten Teppich verbunden, der von den Gläubigen frei gelassen wird. Am Kopfende des Raumes befinden sich der Altar der Kirche und die primären Lichtquellen des Raumes. Insgesamt sind hier sieben hohe, mehrarmige Kerzenständer, die lange, dicke Kerzen halten. Auf sechs gleichmäßig im Raum verteilten Messingplatten, mit einem Durchmesser von circa 80 cm bis 1 m, können die Besucher der Kirche eine geweihte Kerze entflammen und aufstellen. Durch die vielen Kerzen, ist der Raum von einem warmen Licht erfüllt. Ebenfalls gleichmäßig im Raum verteilt befinden sich die heiligen Ikonen. Sie zeigen verschiedene Heilige und sind in massive Rahmen eingelassen und zusätzlich durch eine darüber liegende Glasscheibe geschützt. Bei dem zweiten Aktionsraum, der Wohnung des Gastgeberpaares, handelt es sich um Drei-Zimmerwohnung im Münchner Stadtteil Sendling. Es herrschte eine gemütliche Stimmung während des Abendessens, da das Esszimmer durch mehrere kleine Lichtquellen und Kerzen erhellt wurde. Außerdem lief im Hintergrund ruhige Musik mit niedriger Lautstärke. Nach dem Essen nahmen die Gäste im Wohnzimmer Platz, um nebenbei die Life-Übertragung der Weihnachtsmesse aus der Moskauer Christ-Erlöser Kathedrale im Fernsehen zu verfolgen. Hier befanden sich kleine weihnachtliche Dekorationsartikel und ein geschmückter Weihnachtsbaum.
Brauch- und Rollenverständnis
Wie bereits erwähnt, könnte die Gruppe der Teilnehmer kaum unterschiedlicher bezüglich ihres Alters, Herkunft und Glaubens sein. Dies führte zu dem bereits beschriebenen unterschiedlichen Rollenverständnis der Personen. Auch das Brauchverständnis der Einzelnen ist sehr unterschiedlich. Alle Teilnehmer der Festlichkeit feierten bereits am 24.12.2012 den Heiligen Abend, zusammen mit Freunden. An diesem Tag besuchten sie zwar nicht die Kirche, jedoch beschenkten sie sich reichlich. Für die Elternpaare und ihre Kinder hat es sich nach 24 Jahren in Deutschland eingebürgert zweimal Weihnachten zu feiern. Elena, die Tochter der Gastgeber, hat dies erläutert: „Die Feier am 24.12. hat einen ganz anderen Charakter. Es gibt Geschenke, Freunde kommen zu Besuch und der ganze Vorweihnachtsstress, Geschenke besorgen und so, hat endlich ein Ende. Die Stimmung ist sehr locker, da jeder die kommenden freien Tage im Blick hat. Der 6. Januar ist richtiges Weihnachten für mich, so wie man es sich eben im traditionellen Sinne vorstellt. Auch wenn ich nicht wirklich gläubig bin, gehe ich gerne zur Messe. Dadurch ist dieser Tag viel besinnlicher für mich.“ Die 17 jährige Tochter des Gastpaares, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist versteht das fest und die Bräuche wie folgt: „Ich finde es spannend, dass ich in zwei Kulturen lebe und beides Hautnah miterlebe. Der 24.12 ist für mich das richtige Weihnachten, alle in meinem Umfeld feiern und es gibt Geschenke und so. Der 6. Januar ist irgendwie Mamas Weihnachten. Mir fehlt da der tiefer Bezug zu. Ich finde es einfach schön, dass wir nochmal alle zusammen sind.“ Die russischstämmigen Erwachsenen hingegen sind sich einig: Die Feier am 24.12. findet als Folge einer gelungenen Integration in ihrer Heimat Deutschland statt. Wenn es nach ihnen ginge, würde dieser Tag wie jeder andere verlaufen. Den Kindern zu liebe haben sie Teile der Feierlichkeiten, wie Bescherung und Weihnachtsbaum in aus ihrem Umfeld in ihre eigenen Familien übernommen. Inna erklärt: „Ihr [die Kinder] habt ja im Kindergarten und in der Schule mitbekommen, wie man in Deutschland Weihnachten feiert. In der Vorweihnachtszeit habt ihr deutsche Weihnachtslieder gesungen und nachgefragt, ob das Christkind auch zu euch kommen würde. Da konnten wir schlecht nein sagen.“ Für Marina und Inna ist und bleibt der 6.Januar fest als Heiliger Abend verankert, aus diesem Grund sieht sich Marina auch gerne in der Pflicht dazu, das gemeinsame Fest Jahr für Jahr zu organisieren. Diesen Tag feierten die beiden Frauen bereits als kleine Mädchen als den Tag, an dem Jesus Christus geboren wurde. Nach eigenen Aussagen war dieses Fest sehr wichtig in ihren Familien. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie ihre alte Heimat verließen, besuchten sie zusammen mit den engsten Familienmitgliedern die Messe und genossen danach ein Festessen. Es ist durchaus verständlich, dass sie die Tradition ihrer Kindheit erhalten und an ihre Nachkommen weitergeben wollen. In einem Punkt sind die Teilnehmer sich einig: Es sei viel einfacher diesen Tag zu genießen, verglichen zum 24.12, da man bereits ein paar erholsame Tage hinter sich hatte und somit die Vorbereitungen für dieses Fest entspannter angehen kann. Da Anton und Mustafa nicht dem christlichen Glauben angehören, hat der Feiertag keinerlei religiöse Wertigkeit für sie. Jedoch unterstützen sie ihre Frauen gerne in der Ausführung und schätzen die Vielseitigkeit ihrer Familie. Mustafa sagte hierzu: „Es ist eine unglaubliche Bereicherung für uns alle, dass wir, obwohl wir eine Familie sind, so viele verschiedene Feste und Bräuche leben. Jeder tut dies aus eigener Überzeugung oder aus Respekt der Familienmitglieder heraus.“
Hintergrund-Infos
Die beschriebene Kirche wurde in den 1960er Jahren auf einem ehemaligen amerikanischen exterritorialen Gebiet erbaut. Nachdem die amerikanische Siedlung aufgelöst wurde, ging sie in den Besitz der BRD über. Die Gemeinde des Heiligen Nikola erwarb das Grundstück und die darauf befindliche Kirche im Jahr 1993. Mehrere Monate lang wurde die Kirche zu einem russisch orthodoxen Gotteshaus umgebaut. Dies beinhaltete unter anderem eine Verkleinerung der Fenster, den Umbau des Glockenturms und Altars. Am 12.Juni 1994 zog die Gemeinde des Heiligen Nikola offiziell in die Kirche ein und änderte ihren Namen zu „Gemeinde der Kathedralkirche der Heiligen Neumärtyrer und Bekenner Russlands“. Somit wurde 1992 erstmals die Weihnachtsmesse in dieser Kirche gehalten. In diesem Jahr sind Marina, Anton und Inna nach München gezogen, zum ersten Mal besuchten sie die Messe zusammen mit ihren Kindern 1994. Seit dem kam es nur zwei Mal vor, dass die Familien diesen Tag nicht zusammen gefeiert haben. Mustafa und Anton feierten dieses Fest erst seitdem sie mit ihren Frauen zusammen sind.
Allgemeine Entwicklungsgeschichte des Brauches
Nach Ostern ist Weihnachten das Hauptfest des Kirchenjahres der christlichen Kirche. Jesus, der Sohn Gottes, soll an diesem Tag in Betlehem geboren worden sein. Gläubige Christen berufen sich auf das Lukas- und Matthäusevangelium, in denen die Geburt Christi dargestellt wird. Auch wenn die Geburt von Jesus und sein Leben als Mensch in dieser Zeit von der Forschung nicht vollkommen bestritten werden, ist man sich trotzdem uneinig über den wahren Zeitpunkt seiner Geburt. Jüngste Forschungen ergeben, dass sein Geburtsjahr am wahrscheinlichsten auf das Jahr 7 zu datieren ist. Seit wann und warum Weihnachten am 25. Dezember gefeiert wird, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Es gibt Belege dafür, dass das Weihnachtsfest am 25. Bereits im Jahr 336 im antiken Rom gefeiert wurde. Der Grund warum die Bekenner des russisch-orthodoxen Glaubens den Heiligen Abend am 6. Januar feiern, ist auf die Kalenderreform im 16. Jahrhundert zurückzuführen. Papst Gregor XIII erließ nach ausführlichen Berechnungen verschiedener Gelehrtet, das auf den 4.Oktober 1582 unmittelbar der 15. Oktober 1582 folgen sollte. Somit wurde der zuvor geltende astronomisch fehlerhafte julianische Kalender, durch den am Sonnenjahr ausgerichteten gregorianischen Kalender abgelöst. Zunächst jedoch, nur in den Ländern mit überwiegend katholischer Bevölkerung. Die meisten anderen europäischen Länder erkannten die neue Kalenderrechnung erst im 18. Jahrhundert an. In Russland wurde der gregorianische Kalender erst nach der Revolution im Jahr 1918 eingeführt. In der russisch-orthodoxen Kirche gilt noch heute der julianische Kalender. Der Grund dafür ist die kalendarische Festlegung des Osterdatums. Nach der biblischen Überlieferung starb Jesus am Vorabend des Hauptfestes der jüdischen Pessachwoche und ist zwei Tage darauf wieder auferstanden. Im ersten ökumenischen Konzil von Nicäa wurde beschlossen, dass das Feiern des jüdischen Festes nicht mit dem christlichen Glauben in Einklang zu bringen wäre. So wurde festgelegt, dass das Osterfest nach dem Pessachfest gefeiert wird. Darum fällt der Ostersonntag immer auf den ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond. Durch die Kalenderreform wurde jedoch der Frühlingsanfang fest auf den 21. März gelegt, so fällt Ostern immer auf den ersten Sonntag nach dem darauf folgendem Vollmond. Da die Kalenderreform ein verfälschtes Datum für das wichtigste Kirchenfest diktierte, wurde der julianische Kalender beibehalten. Dadurch, dass das julianische Kalender Jahr 11 Minuten und 14 Sekunden länger ist als das gregorianische, hinkt ersteres in der Zeitrechnung hinterher. Bis heute sind auf diese Weise 13 Tage zusammengekommen. Somit fällt der Heilige Abend der orthodoxen Kirche mit dem nachhinkenden julianischen Kalender, auf den 6. Januar des beinahe weltweit gültigen gregorianischen Kalenders. 1918, das Jahr der russischen Revolution brachte viele Veränderungen für Land und Leute. Das kommunistische Regime sprach ein Verbot religiöse Feierlichkeiten aus. Der Heilige Abend wurde schlicht abgeschafft. Erst in den 1930er Jahren wurden diese wieder geduldet, zu Beginn der 50er Jahre war das öffentliche Ausüben religiöser Praxen und Festlichkeiten wieder gänzlich erlaubt.
Allgemeine Verbreitung des Brauches
Das der Sochelnik in Russland seit Anbeginn der russisch-orthodoxen Kirche gefeiert wird, liegt auf der Hand. Die ersten Belege für eine offizielle russisch-orthodoxe Gemeinde auf dem deutschen Boden gehen auf das Jahr 1718 zurück. Diese befand sich in Potsdam und erhielt 1730 einen eigenen Priester. Die Errichtung des ersten orthodoxen Gotteshauses geschah ebenfalls in Potsdam im Jahr 1828. Im Verlauf des Jahrhunderts wurde eine Vielzahl an Kapellen und Kirchen in ganz Deutschland errichtet. Demnach ist davon auszugehen, dass in genannten Jahren bereits orthodoxe Weihnachtsmessen in Deutschland abgehalten wurden.
Literatur
- Biser Eugen, Hahn Ferdinand, Langer Michael (Hrsg): Lexikon des christlichen Glaubens. München 2003.
- Oertel, Holger: Gregorianischer Kalender.
- Thöle, Reinhard: Orthodoxe Kirche in Deutschland. Göttingen 1997.
- Wietek, Hanns-Martin: Weihnachten in einer anderen Welt – in Russland.
- Wimmer Otto, Melzer Hartmann (Hrsg.): Lexikon der Namen und Heiligen. Innsbruck, Wien 1988.