Schnitthahnenfest in Maria Steinbach

Termin

Musikant beim Fest.
Dieser Brauch findet vom 22. bis zum 24. September 2023 statt.

Einstiegsinformation

Das Schnitthahnenfest in Maria Steinbach ist das Erntedank-und Musikantenfest der Musikkapelle Maria Steinbach. Es findet jedes Jahr nach der Ernte an einem Wochenende im September statt. Meist wird des zwischen dem 17. und dem 23. September von den Musikkapelle Maria Steinbach ausgetragen. Maria Steinbach gehört zur Marktgemeinde Legau im Unterallgäu und ist auch als Wallfahrtsort mit der bekannten Wallfahrtskirche Zur schmerzhaften Muttergottes und St. Ulrich bekannt. Mit seinen 400 Einwohnern hat das Dorf eine relativ große Musikkapelle, die 49 Musikanten umfasst.

Ablauf

Das Schnitthahnenfest geht auf das Erntedankfest der früheren Knechte und Mägde aus der Region zurück. Es wurde 1962 von der Musikkapelle Maria Steinbach übernommen und so der alte Brauch weitergeführt. Bis 2009 fand es in Kaltbronn, einem kleinen Weiler von Maria Steinbach, statt. Dort im Stadel in Kaltbronn begann das Schnitthahnenfest am Samstag Abend und endete am Sonntag Abend. Am Freitag und Samstag wurde fleißig aufgebaut, auch viele Familienangehörige der Musiker halfen dabei tatkräftig mit. Der alte Stadel musste zuerst ausgeräumt werden, und anschließend wurden darin unter anderem eine Bühne, eine zweckmäßige Küche, und Sanitäranlagen aufgebaut. Dies war mit großem Aufwand verbunden, da Kaltbronn 3 km von Maria Steinbach entfernt liegt und das ganze Material und Dinge, wie Bierbänke und Tische mit Traktor und Hänger in den kleinen Weiler transportiert werden mussten. Am Samstag Abend läutete die eigene Musikkapelle aus Maria Steinbach den Stimmungsabend ein. Gespielt wurden dabei vor allem traditionelle Musik wie Polka, Walzer oder Marsch.
Teilnehmer beim Fest.
Am Sonntag lud man zum gemütlichen Frühschoppen ein. Eine alte Tradition war dabei, immer eine Kapelle aus dem nächsten Umfeld zu bestimmen, die für die musikalische Unterhaltung sorgte. Im Gegenzug dazu spielte man selbst auf den Festen dieser Musikvereine. Das Fest wurde immer größer und immer mehr Besucher suchten den Stadel in Kaltbronn auf. Im Jahr 2009 entschloss man, einen neuen Platz für das Schnitthahnenfest zu suchen, da der Stadel zu klein und auch die Organisation für die Familie Krug immer größer und zeitaufwändiger wurde. Im gleichen Jahr brannte in der Nacht der Bauernhof der Familie Willburger in Höf, auch ein kleiner Weiler von Maria Steinbach, komplett ab. Als es an den Wiederaufbau ging, setzten sich der damalige Dirigent und die Familie Willburger, bei denen drei Familienmitglieder auch in der Maria Steinbacher Musikkapelle spielen, zusammen. Nach längeren Überlegungen kam man zu dem Entschluss, einen neuen Stadel zu bauen. Dabei kam der Musikverein für die Kosten eines Bundes auf, das sind ungefähr fünf Meter der gesamten Holzkonstruktion. Die Musikanten halfen auch bei der Errichtung und Einrichtung des Stadels, im Gegenzug durfte der Verein dieses große Gebäude jedes Jahr für sein traditionelles Fest nutzen.

Dekoration des Stadels in Kaltbronn

Die Kaltbronner Frauen waren für die Dekoration des Stadels zuständig. Da sie damals auch die Marienstatue feierlich geschmückt hatten, stand auch nur ihnen das Recht zu, den Stadel zu schmücken. Dabei machte man dem Namen des Schnitthahnenfests alle Ehre, denn an den Wänden hingen vor allem Erntegeräte zum Mähen der Ähren wie Sicheln oder Handsensen. Besonders urig wurde der Stadel durch alte Milchkannen, die mit Sonnenblumen gefüllt wurden und Tannenzampfen, die für den ganz besonderen Geruch sorgten. Auch große Kuhglocken, die für die zahlreichen Kühe in der Region stehen, aufwendige Blumengebinde, und verschiedene Getreidesorten prägten das Bild des Stadels und verweisen auf den alten Brauch des Erntedankfestes. Ein weiteres Merkmal stellte die Schmückung des Innenraum dar, der mit großen Ästen und Zweigen komplett an den Decken und Wänden bedeckt war, sodass man sich wie im Wald fühlte. Alte Wagenräder, grobe Futtertröge, Kränze mit Geranien und Sonnenblumen sorgten zudem für den rustikalen Flair. Bewundernswert war zudem das große Engagement der Kaltbronner Frauen. Nachdem der Stadel für den Samstag Abend feierlich und in kleinster Präzision geschmückt wurde, wurde dieser Schmuck schon früh am Sonntagmorgen wieder abgehängt und neue Dekoration angebracht. Dies war mit großem Aufwand verbunden, doch dieFrauen wollten es sich nicht nehmen lassen und waren sehr stolz auf diesen Stadel, der auch in der Umgebung für sein außergewöhnliches Ambiente bekannt war. Ein besonderer Hingucker ist ferner der große Ast, der in seiner natürlichen Form mit einigen Blumengebinden jedes Jahr über dem Platz des Dirigenten hängt. Den genauen Grund für dieses Ritual kennt man nicht, mit den Blumen wird aber wahrscheinlich dem Dirigenten eine besondere Ehre zu Teil. Das Besondere am Schnitthahnefest ist bis heute das weit über die Maria Steinbacher Grenzen hinaus bekannte Kesselfleisch. Jedes Jahr am Sonntag wird diese regionale Spezialität, die aus dem Bauch des Schweines besteht, an die zahlreichen Frühschopper ausgegeben. Auch das traditionelle Festbier von der Brauerei des Nachbarorts darf dabei nicht fehlen.

Heutige Durchführung des Festes in Höf

Teilnehmer beim Fest.
In Höf fand das Schnitthahnenfest zum ersten Mal 2010 statt. Nach einem Jahr des Aufbauens und des Errichtens der aufwendigen Innenkonstruktion konnte der neue Austragungsort des alljährlichen Festes eingeweiht werden. Im Vergleich zu der früheren Durchführung des Festes findet es heute an drei Tagen am Wochenende statt. Die Musikkapelle Maria Steinbach besteht aus 49 Musikern, wobei die Instrumente Schlagzeug, Bass, Posaune, Tenorhorn, Waldhorn, Flügelhorn, Trompete, Klarinette und Querflöte besetzt sind. Ein besonders Merkmal ist dabei, dass von den 49 Musikern fast 2/3 der Kapelle unter 25 ist, genau genommen 32 Musiker. Deshalb ist der Zusammenhalt und die Gemeinschaft in der Kapelle sehr eng und es wird auch viel Außermusikalisches unternommen. So ist es auch kein Problem, das sehr aufwändige Fest jedes Jahr wieder auf die Beine zu stellen, denn die vielen Jungmusiker sind voller Elan und nach getaner Arbeit wird auch das ein oder andere Bier in geselliger Runde genossen. Schon eine Woche davor wird fleißig aufgebaut, so wird der Stadel, der unter dem Jahr als Stellplatz für die Zugmaschinen der Familie Willburger dient, komplett ausgeräumt und gesäubert. Einige Jungbauern der Kapelle übernehmen die schweren Arbeiten mit ihren Traktoren, wie das Befestigen von Holzlatten zur Verkleinerung des riesigen Tores oder den Transport der provisorischen Küche. Bei dem Bau des neuen Stadels wollte man das Augenmerk auf Gemütlichkeit, Urigkeit und allgäuer Scharm richten. Deshalb wurde an der linken Querseite eine komplette Hauswand im richtig allgäuer Stil mit Haustür, Balkon, Fenstern und Dachgaube angebracht. Auf der gegenüberliegenden Seite entwarf man eine Empore mit großer Holztreppe, in der eine gemütliche Weizenalm Platz hatte. Unter dieser Galerie befindet sich eine Stehbar, die das ganze Jahr, genauso wie die Hauswand und die Empore dort bestehen bleibt. Die Dekoration wird in dem neuen Stadel eher dezent gehalten, da der Stadel viel zu groß und weitläufig für sehr viel Schmuck wäre. Durch die heutige moderne und gleichzeitig traditionelle Interpretation des Festes strömen jung und alt gleichermaßen zum Schnitthahnenfest. Am Freitag Abend beginnt dann der Festauftakt. Die letzten 5 Jahre trat immer eine professionelle Rockband auf, die dem meist jungen Publikum einheizte und mit modernen Hits wie „Atemlos“ für mächtig Stimmung sorgte. Die Musikkapelle Maria Steinbach ist dabei für die gesamte Bewirtung und den Ausschank zuständig. Am Samstag beginnt der traditionelle Teil mit Dirndl und Lederhose wieder am Abend. Der Stadel wird komplett mit Bierbänken und Tischen bestuhlt und Essensgerichte, wie Krautspatzen, Schnitzel mit Pommes, Hamburger, oder eine Wurst im Semmel werden vorbereitet. Seit 2011 findet zur Freude aller Musiker ein Blasmusikcup statt.bei dem vier Kapellen aus der Region sich einen Stimmungswettkampf liefern und die Zuschauer mit ihrem Repertoire überzeugen müssen. Dem Gewinner, der durch ein Applausbarometer durch die Zuhörer bestimmt wird, winkt ein großes Fass Kronburger Bier. An diesem Abend sieht man, dass der alte Brauch des Schnitthahnenfestes und Tanzes aufrechterhalten und weitergetragen wird, denn Blechmusik und Tanz stehen auch an diesem Festabend an erster Stelle. Auch heute noch gibt es viele Bauern in Maria Steinbach, die im September ihre letzte Ernte einfahren und dieses Fest nach getaner Arbeit als Erntedankfest ansehen. Am Sonntag kommen wie früher die ersten Frühschopper nach der Kirche gegen 10:30 Uhr in den Stadel. Dabei sorgt eine auswärtige Kapelle oder kleine Spielvereinigung für die musikalische Unterhaltung. Am Mittag wird dann einmalig das Kesselfleisch frisch zubereitet und mit selbstgemachtem Sauerkraut angerichtet. Den Nachmittag lässt man bei Kaffee und Kuchen und einer weiteren Musikkapelle gemütlich ausklingen.  Am späten Nachmittag endet dann das dreitägige Fest und die Aufräumarbeiten beginnen. Während der gesamten Festtage darf ein Lied früher wie heute nicht fehlen: Das traditionelle Festlied der Musikkapelle Maria Steinbach:
Wo die Iller fließt, wo vom Berg die Wallfahrtskirche grüßt, dort im stillen Tal, da liegt ein Dorf, so wunderbar! Maria Steinbach, so wird es genannt (3 mal schnelles Klatschen), uns allen ist es wohl bekannt, jeder kann es sehen, Maria Steinbach du, bist wunderschön!

Hintergrund-Infos

Die ursprüngliche Tradition des Schnitthahnenfestes

Das Schnitthahnenfest in Maria Steinbach war früher das Erntedankfest der Knechte und Mädge der einheimischen Bauern. Umgangssprachlich wurde es auch „Schnittafest“ genannt. Zuerst aber eine kurze Erklärung zur Wortherkunft. Vor allem im Unterallgäu gab es früher sehr viel Korn. Die Erntezeit begann einige Wochen früher als heute, nämlich schon im August, denn das Getreide durfte nicht zu reif sein, sonst fiel das Korn aus den Ähren. Früher wurde dieses Korn vor allem mit Sicheln und Sensen meist schon ganz früh am Morgen gemäht. Nach dem Mähen, das den Männern vorbehalten war, kam das sogenannte „Ausbackln“, die typische Arbeit der Frauen. Dies bezeichnet das Aufsammeln der gemähten Halme und das anschließende Binden zu Garben, sogenannte Bündel aus Ähren. Diese Garben wurden dann zu „Getreidemandl“auf dem Feld zusammengestellt, die vor allem in der Erntezeit das Bild des Unterallgäus prägten. Bei diesen harten Arbeiten bei Sommerhitze waren Knechte und Mägde unerlässlich. Diese lebten das ganze Jahr im Bauernhaus und waren entweder für den Stall oder das Haus zuständig. Meist noch sehr jung und weit entfernt von ihren Familien, war das Leben für sie nicht leicht und so war das für sie ausgerichtete Erntedankfest ein besonderer Tag im ganzen Jahr. Außerdem waren ausgelassene Feste mit Tänzen und Blasmusik eine Rarität, vor allem bei den Bauern auf dem Land, die immer hart arbeiten mussten. Deshalb waren solche Feste wie das Schnitthahnenfest sehr beliebt. In der Wirtschaft Hirsch im Ortskern von Maria Steinbach wurde der sogenannte Schnitthahnentanz aufgeführt. Der reichste Bauer im Ort spendierte einen Hahn, umgangssprachlich „Gockel“ genannt..Dieser wurde unter allen Knechten ausgetanzt, das heißt, in der Mitte der Tanzfläche lag der große Hahn, und alle Knechte tanzten um ihn herum. Am Schluss wurde der beste Tänzer unter ihnen mit dem Hahn geehrt. Dabei darf man sich den Hahn nicht wie heute üblich als kleines Brathändl vorstellen, sondern als 3-4 Kilo Geflügel, das früher viel wert gewesen war. Da es Fleisch meist nur am Sonntag gab, und dies eine Besonderheit in der ganzen harten Arbeitswoche darstellte, war so ein „Gockel“ eine sehr kostbare und wertgeschätzte Auszeichnung. Auch wurden die Knechte und Mägde an diesem Fest von ihren Bauern ausgezahlt und der Festabend ging auf die Kosten der Bauern.

Neugestaltung des Schnitthahnenfestes von der Musikapelle Maria Steinbach

In der Wirtschaft Hirsch spielte zum Schnitthahnenfest immer eine Blechmusik. Früher gab es keine richtige Tanzmusik, deshalb wurde die eigene Kapelle herangerufen. Diese bestand damals nur aus Männern, denn Frauen durften früher in keiner Blaskapelle spielen. Als diese Wirtschaft 1960 abgebrochen wurde, gab es erstmal kein eigenes traditionelles Fest in Maria Steinbach mehr. 1962 wurde in Kalbronn, ein kleiner Weiler in der Nähe von Maria Steinbach, die neu restaurierte Marienstatue eingeweiht. Diese feierliche Zeremonie wurde von der Musikkapelle Maria Steinbach musikalisch begleitet. Als die Musikanten den Abend gemütlich ausklingen wollten, nutzten sie den Stadel der Familie Krug in Kalbronn. Bei geselligem Zusammensein beschloss man, wieder ein Musikantenfest auf die Beine zu stellen und man kam zu dem Entschluss, in diesem urigen Stadel in Kalbronn ein alljährliches Fest mit Tanz und Blasmusik zu veranstalten so wie früher bei den Knechten und Mägden. Als man einen Namensgeber suchte, griff man auf das Schnitthahnenfest zurück, denn bei diesem Fest war die Blechmusik ein wichtiger Bestandteil. Auch wollte man den Brauch des Erntedankfestes fortsetzen und aufrechterhalten. Ein weiterer Vorteil für die Maria Steinbacher Musik war der Zeitpunkt des Festes Mitte September. So musste man nie Rücksicht auf das wechselhafte Wetter nehmen, sondern konnte jedes Jahr gemütlich im festlich geschmückten Stadel feiern. Dies hatte man sich gut überlegt, denn die meisten Musikvereine in der Umgebung feierten ein Garten-oder ein Sommerfest, das desöfteren buchstäblich ins Wasser fiel.In den Anfängen des Festes feierte man nur im kleinen Kreis, die Bewirtung übernahm die Familie Krug, die den Stadel ohne Gegenleistung zur Verfügung stellte.

Interviews

Interviewauszug des früheren Vorstands der Musikkapelle Maria Steinbach über die Gründung des Schnitthahnenfests F. Berchtold Senior: „Am Anfang hatten wir auch Widerstand. Der damalige Dirigent konnte nichts mit Stimmungsmusik anfangen, klassische Musik war mehr sein Ding. Man hat froh sein müssen, wenn er ein richtiges Prosit dirigiert hat. In der Musikkapelle wurde das Schnitthahnenfest mehr oder weniger befürwortet, und als man dann soweit war, wollte der Dirigent einen Rückzieher machen. Als Vorwand sagte er, dass man mit dem Ausräumen vom Stadel nicht fertig wird, und das mit dem Fest nicht klappt.Als man ihn zur Rede stellte, gab er zu, dass es doch an der Stimmungsmusik lag. Den konnten wir aber schon noch überreden!“ Interviewauszug eines weiteren Vorstandes der Musikkapelle Maria Steinbach zu der früheren Situation der Knechte und Mädge im Unterallgäu H. Breher: „Bei den guten Bauern durften die Knechte mit am Tisch beim Bauern sitzen, bei den Herrenbauern haben sie ein extra Essen bekommen, abseits vom normalen Küchentisch. Da hat es damals eine Vorderstube gegeben und eine Hinterstube, in der die Knechte extra sitzen mussten. Da gabs einen Rossknecht, einen Stallknecht, eine Hausmagd, eine Stallmagd, oft 5 bis 6 Leute auf dem Hof. Die haben zu Essen bekommen und ein bisschen Lohn!“

Gewährspersonen

Gewährspersonen sind die beiden oben genannten ehemaligen Vorstände der Musikkapelle Maria Steinbach. Sie haben beide jahrelange Spielerfahrung in der Musikapelle und organisierten das Schnitthahnenfest in Kaltbronn und Höfs die ganzen Jahre hinweg mit und waren auch bei der Ausrichtung des Festes im alten Hirsch dabei. Außerdem lebten beide auf Bauernhöfen, auf denen auch Knechte und Mägde arbeiteten und erlebten so das frühere Leben auf dem Bauernhof hautnah mit.

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