Schalenggen-Rennen

Termin

Teilnehmer beim Schalenggen-Rennen.
Dieser Brauch findet am 10.02.2024 statt. Es wird immer am Faschingssamstag begangen.

Einstiegsinformation

Das Schalenggen-Rennen findet jährlich zur Fasnachtszeit in verschiedenen Orten im Allgäu statt. Dabei fahren die Teilnehmer des Rennens mit Hörnerschlitten, sogenannten Schalenggen oder Schalengga, auf einer vorgegebenen Bahn aus Schnee vom Berg ins Tal. Mit solchen Schalenggen wurde früher Brennholz und Heu von den Bergen ins Tal transportiert. Das bekannteste Schalenggenrennen im Allgäu wird in Pfronten-Kappel ausgetragen und lockt jedes Jahr mehrere hundert begeisterte Zuschauer aus ganz Deutschland und den Nachbarländern in die Gemeinde Pfronten. Bis zu 350 abenteuerlustige Fahrer, teilweise aus ganz Europa, begeben sich mit ihren Original-Schalenggen auf eine ca. 1.000 m lange rasante Fahrt ins Tal und lassen dabei die alte Tradition wieder aufleben.

Ablauf

Teilnehmer beim Schalenggen-Rennen.
In Kappel, einem Ortsteil der Gemeinde Pfronten, kamen ein paar junge Männer Mitte der 70er Jahre auf die Idee, aus dem alten Brauch ein Gaudirennen zu machen. Sie holten die alten Schalenggen aus ihren Stadeln und trafen sich 1976 am Faschings-Dienstag, um mit den Hörnerschlitten auf einer Bahn vom Berg ins Tal zu fahren. Aus diesem Treffen erwuchs fast ein Jahr später am Faschingssamstag, den 19. Februar 1977, das „1. Allgäuer Schalengge Rennen“ in Pfronten-Kappel. Damals waren bereits 73 Teilnehmer am Start. Die
Streckenverlauf.
Teilnehmerzahl entwickelte sich dann rasant nach oben, von 128 Anmeldungen im Jahr 1978 bis zu 271 Anmeldungen im Jahr 1981. Bis heute wurde das Schalenggenrennen in Pfronten-Kappel bereits 27 Mal ausgerichtet und findet seitdem jedes Jahr am Faschingssamstag statt. Es ist das bekannteste Schalenggenrennen im Allgäu und verspricht Spaß für die ganze Familie. Auch dieses Jahr wurde das Schalenggenrennen wieder ausgetragen. Am 05. März 2011 trafen sich 168 Mannschaften mit je zwei Teilnehmern zum traditionellen Gaudirennen. Der 1. Bürgermeister der Gemeinde Pfronten, Herr Josef Zeislmeier, eröffnete pünktlich um 12 Uhr das Schalenggenrennen in Pfronten-Kappel. Die Strecke führte über ca. 1.000 m Länge und einem Höhenunterschied von ca. 200 m vom Startpunkt am Berg bis ins Ziel am Dorfrand von Pfronten-Kappel. Die Streckenführung ist aus nebenstehender Abbildung ersichtlich. Sie wurde dabei seit dem ersten Rennen 1977 etwas verkürzt, um die Organisation des Rennens zu erleichtern.
Teilnehmer bei der Abfahrt.
Auch heute sind nur „Original Schalengge“ zugelassen (wie aus der im Artikel enthaltenen Bauanleitung ersichtlich). Das bedeutet gleichzeitig: Es sind keinerlei Lenk- oder Bremsvorrichtungen an den Hörnerschlitten erlaubt! Die Teilnehmer dagegen lassen sich jedes Jahr etwas Neues für ihre Kostüme einfallen. Neben traditioneller Kleidung, wie den warmen Bergler-Strickjacken, Lederhosen und schweren Leder-Bergschuhen, findet man Bärenfelle, Wikinger-Hüte, „... alles, was a guater Maschkerer braucht“! Das Schöne und gleichzeitig Besondere an diesem Rennen ist, dass jeder Teilnehmer mit einer Urkunde und einem kleinen Geschenk geehrt wird, unabhängig davon, ob er als erster oder als letzter ins Ziel kommt. Jeweils die schnellsten fünf Teams der Damen- und Herrenwertung bekommen einen Pokal und jedes Jahr wird vom Rennkomitee neu festgelegt, welche weiteren Platzierungen mit einem
Teilnehmer nach einem Sturz.
Pokal belohnt werden. Und sogar die, die nach einem Sturz nur noch mit Bruchteilen ihrer Schalenggen das Ziel erreichen, werden als Teilnehmer gewertet. Auch das Rahmenprogramm beim Schalenggenrennen darf natürlich nicht fehlen. Selbst, wenn das Rennen wegen Schneemangel abgesagt werden muss: Beim „Schalenggar Hock im Festzelt“ wird gefeiert und getanzt bis in die Morgenstunden. Jeder ist hier herzlich Willkommen! Während des Rennens ist für die musikalische Unterhaltung gesorgt und an der Schneebar kann man sich bei Tee, Grog oder Glühwein aufwärmen. Sogar ein kostenloser Bustransfer wird vom Bahnhof und von den einzelnen Gemeindeteilen in Pfronten zum Schalenggenrennen bereitgestellt. Solch ein Schalenggenrennen will natürlich auch gut organisiert sein. Im Jahr 1982 wurde deshalb der „Kappeler Schalengger Verein e.V.“ gegründet, der seitdem die Organisation des Gaudirennens übernommen hat. Frau Hanne Allgayer, die seit nunmehr 14 Jahren Vorsitzende des Vereins ist, möchte zusammen mit den Vereinsmitgliedern aus Pfronten-Kappel den alten Brauch der Schalenggen erhalten und junge Generationen an damalige Zeiten erinnern. Deshalb sind auch jedes Jahr „Original Schalenggar“ beim Rennen mit von der Partie, auf denen Heu und Brennholz über die Strecke ins Tal transportiert werden.

Varianten

Ein weiteres bekanntes Schalenggen-Rennen findet seit 1982 in der nahegelegenen Gemeinde Wertach statt. Auch dort treffen sich jedes Jahr zahlreiche Teilnehmer zum „Original Allgäuer Schalenggenrennen“ am Buronlift. Auf der sogenannten „Schanzbach-Abfahrt“ liefern sich bis zu 50 mutige Teams auf einer Gesamtstreckenlänge von über 1,7 km einen spannenden Wettkampf über zwei Renndurchgänge. Organisiert wird das Schalenggenrennen vom Wertacher „Schalengge-Club“.  Auch im Oberallgäu pflegt man die Tradition des Schalenggenrennens, so zum Beispiel in Sulzberg oder Bad Hindelang.

Hintergrund-Infos

Sturz von zwei Teilnehmern.
Die Schalenggenrennen erinnern an frühere Zeiten, als die Schlitten im Winter zum Transport von Heu und Brennholz verwendet wurden. Damals wurde das Heu von den Bergen bis zum Winter auf den Almen gelagert und dann, neben größeren Mengen an Brennholz, mit Schalenggen ins Tal transportiert. Da es keine anderen Transportmöglichkeiten gab, musste man eben bis zum Winter warten, um das Brennholz und das Heu mit den Hörnerschlitten über die steilen Hänge ins Tal hinunterbringen zu können. Jeweils zwei Männer fuhren mit den voll beladenen Schalenggen ins Tal. Die großen Schlitten aus Holz waren weder richtig mit Metall beschlagen noch besaßen sie Bremsen oder eine Lenkvorrichtung. Dementsprechend kräfteraubend und gefährlich waren die rasanten Abfahrten ins Tal. Nicht selten wurden die Männer dabei verletzt oder die Schalenggen brachen auseinander. Bis zu vier Mal täglich begaben sich die Männer auf solch eine anstrengende Schlittenfahrt. Wenn alles gut ging, hieß es: „Guat isch gange, koi Schalengge isch hee woare.“

Wie baue ich einen Schalenggen?

Die Abbildung zeigt einen alten Bauplan eines Schalenggen. Einige Erklärungen sollen hier kurz genauer beschrieben werden:
Bauplan eines Schalenggen.
  • Die Kufen des Schlittens sind meist geschiftet. Das bedeutet, sie wurden aus zwei Teilen zusammengesetzt, da man wenig oder gar keine krummen Hölzer findet, aus denen sich derart gebogene Kufen herstellen ließen.
  • Die Stangen rechts und links des Schlittens dienen zum Beladen mit Holz oder Heu.
  • Beim Schmied werden sogenannte Beschläge an den Schlitten angebracht. Diese sind Verbindungen der Stützen mit den Kufen und Verbindungen der Kufen mit den Hörnern des Schlittens. Ein Haken an der Außenseite am Horn und Ringe für die Stangen gehören ebenfalls dazu.
  • Gurte sind an beiden Achseln angebracht, um die Schlitten auf den Berg tragen zu können.
Heutzutage gibt es nur noch wenige Menschen, die diese Kunst des Schalenggen-Baus beherrschen und weiter pflegen. In Pfronten-Kappel gehen zwei Schalenggenbauer dieser Tradition nach und es lässt sich in den vergangenen Jahren sogar eine vermehrte Nachfrage nach Schalenggen feststellen.

Gewährsperson

Alfred Guggemoos aus Eisenberg/Zell im Allgäu nahm bereits zweimal am Schalenggenrennen in Pfronten-Kappel teil. In den Jahren 1986 und 1987 ging er mit seinem Partner Friedrich Wirth an den Start und erzielte eine gute Platzierung. Er spricht über seine persönlichen Erfahrungen beim Rennen und den Reiz, den ein solches Rennen ausmacht. Was war der Anlass für die Teilnahme am Schalenggenrennen?
Teilnehmer-Urkunde.
Zur damaligen Zeit war ich immer wieder als Zuschauer in Pfronten-Kappel dabei und habe meine Freunde angefeuert. Damals hat mich mein Freund Friedrich Wirth ganz spontan angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, selbst am Rennen teilzunehmen, er würde noch einen Rennpartner suchen…ja, im nächsten Jahr bin ich dann selbst mitgefahren. Damals waren solche Rennen eine echte Abwechslung zum Alltag und, wie man heute sagen würde, „total in“! Wie sah Ihre persönliche Vorbereitung auf das Rennen aus? Vorbereitet haben wir uns damals gar nicht, es war einfach eine „mords Gaudi, dabei zu sein und selber mitzumachen. Haben Sie ihren Rennschlitten selbst gebaut? Nein. Früher wurden meistens alte Schalenggen verwendet, die man in irgendeinem Stadel gefunden hatte. Beim Rennen ist dann fast jeder zweite Schlitten gebrochen, häufig wegen Wurmstich. Auch wir hatten so einen Schalenggen. Heute werden immer noch die Original-Schalenggen verwendet, weil das von der Rennleitung streng vorgeschrieben ist. Wie kann man sich die Abfahrt mit einem Schalenggen vorstellen? Es geht rasant den Berg hinunter. Die Geschwindigkeit hängt natürlich von den Schneebedingungen und vom Fahrstil ab. Gelenkt und gebremst wird mit den Füßen oder, indem man seinen Schlitten versucht, vorne etwas anzuheben. Stürze gehören natürlich auch dazu! Werden Sie nächstes Jahr wieder dabei sein beim Schalenggen-Rennen? Wahrscheinlich eher nicht, mir fehlen ein Schlitten und ein geeigneter Partner. Aber ansonsten wäre ich immer wieder gerne dabei! Vielen Dank für das Interview und alles Gute für Ihren nächsten Rennstart!

Weblinks

Video