Termin
Dieser Brauch findet alljährlich am 11. November statt.

Einstiegsinformation
Der finstere Gesell zieht lärmend und polternd durch die Dörfer und entlohnt die Kinder für ihre Gebete oder Verse mit Leckereien aus seinem Rupfensack. Es ist der Nussmärtel, welcher die Kinder im Ries noch bis heute nach alter Tradition am 11. November oder am Vorabend diesen Tages besucht.
Ablauf
Tradition des Nussmärtel
In den evangelischen Gegenden im Ries war der Nikolaus bei den Kindern unbekannt, sie kannten als Gabenbringer im Spätherbst nur den Nussmärtel. Dieser, als unheimlicher Geselle beschriebene Mann,kam meist am Vorabend zu St. Martin (10.November) zu den Kindern und erfüllte eine ähnliche pädagogische Funktion wie der Nikolaus.
Es ranken sich viele Geschichten um den Nussmärtel. Man erzählte den Kindern, dass er aus dem Wald komme, die Tiere dort im Winter versorge oder dass er ein alter Mann sei, der nie jung war und auch nie sterben werde.
Als polternder, lärmender, ungestümer und finsterer Geselle mit langem, dunklen Mantel, schweren Stiefeln, einem alten Hut und mit wehendem (Flachs-) Bart wird er beschrieben. Sein Gesicht ist stets unsichtbar oder durch eine Maske verdeckt, was ein Symbol für die Kraft des Wachstums und der Fruchtbarkeit ist. Der Nussmärtel trägt eine Rute und einen Rupfensack mit sich und tritt mit Kettengeklapper und lautem Radau bei den Kindern auf. Dieses Lärmen ist ein altes Ritual, um Dämonen von Haus und Hof abzuhalten.
Die, durch das eindrucksvolle, unheimliche Auftreten des Nussmärtels, eingeschüchterten Kinder sagen Verse oder Gebete, wie „Jesukindle komm zu mir“, „Heiliges Schutzengele“, oder „Die Eltern mein empfehl ich Dir“ auf, um den alten Mann gütig zu stimmen. Es wird erzählt, dass die Gunst des Nussmärtel nur der erwirbt, der Angst und Tränen zeigt. Auf diese Weise werden die Kinder zu besserem Benehmen oder Verhalten ermahnt und sollen den Nussmärtel freundlich stimmen.
Nicht nur durch die Eltern, sondern auch durch den Besuch des Gesellen in Rieser Dörfern, einige Wochen vor den 11.November, ist der alte Mann im Bilde, wo die artigen und unartigen Kinder wohnen. Es gibt Erzählungen, dass der Nussmärtel in dieser Zeit als Unsichtbarer in Nebel- und Sturmnächten in den Dörfern unterwegs sei.
Als Entlohnung für die aufgesagten Verse der eingeschüchterten Kinder leert der Nussmärtel dann schließlich seinen Sack auf dem Boden aus und verlässt das Haus wieder. Aus dem Sack kommen verschiedene Leckereien, wie Nussmärtel aus Schockolade, Selbstgebackenes, Äpfel, Nüsse und Mandarinen, welche die Kinder erst aufsammeln, wenn der finstere Gesell gegangen ist. Die Gaben des Nussmärtel stehen als Symbol für Heils- und Segenskräfte.
Der Besuch des Nussmärtel, wie er hier beschrieben ist, hat sich noch bis in die 1970er Jahre so in den Rieser Dörfern abgespielt. Heute kennen die Kinder den Nussmärtel zwar noch, aber es gibt kaum mehr einen Unterschied zwischen dem evangelischen Nussmärtel und dem katholischen Nikolaus. Die Kinder in den Kindergärten feiern meist beide Feste.
Herkunft
Die Gestalt des Nussmärtel oder auch Waudel genannt lässt sich bis in die Zeit der alten germanischen Sagen und Mythen zurückverfolgen. Die Tradition des Nussmärtel entstand, basierend auf im Ries kursierenden Geschichten des sogenannten Wilden Heers oder des Schimmelreiters, welche in den Winternächten johlend und polternd ihr Unwesen trieben. Solche Geschichten wurden weiter getragen, wenn die Familien abends am Kachelofen saßen und sich zur Unterhaltung und zum Zeitvertreib, möglichst gruselige Geschichten erzählten.
Im gesamten germanischen Gebiet waren Erzählungen eines gespenstischen Reiters, welcher im Sturm an der Spitze eines johlenden und lärmenden Heeres durch die Lüfte fährt, verbreitet. Hinter diesem Reiter, man spricht auch vom Schimmelreiter, steckt der germanische Wind- und Totengott Wodan oder auch Odin, welcher das Wilde Heer/ die Nachtjagd anführt. In der christlichen Zeit wird Wodan als Teufel und seine Gefährten als Ketzer, Hexen, Zauberer und ungetauft Verstorbene bezeichnet. Die Bezeichnung Waudel für den Nussmärtel erinnert noch an seine ursprüngliche Herkunft vom germanischen Wodan.
Der Name Nussmärtel oder auch Nuss-Martin hingegen, welcher seit der Christianisierung besteht, ist eine Umdeutung des St. Martin und erklärt vielleicht auch den 11. November als Tag, an dem der Nussmärtel kommt. Laut den Sagen um das Wilde Heer, treiben Gestalten wie der Schimmelreiter oder Wodan, ihr Unwesen in der Nacht des 21. Dezembers oder aber in den Raunächten zwischen Weihnachten und Heilig Dreikönig und nicht schon am 11. November.
So wurde im Laufe der Jahrhunderte aus der furchterregenden, unheimlichen Sagengestalt des Wodan der Nussmärtel, welcher den Kindern zwar heute immer noch Respekt einflößt, aber gleichzeitig als Gabenbringer für artiges Benehmen und Gedichteaufsagen bekannt ist.
Hintergrund-Infos
Bräuche um den Martinstag herum
Märtestag beim Ähle
In der Gegend rund um Lauingen, Gundelfingen und Bachtal gab es den Brauch, dass alle Großeltern ihre Enkel am 11.November zu sich zum Essen einluden. Die Bedingung dafür war, dass die Enkel jeder seinen eigene Löffel mitbrachten. Bei Oma und Opa gab es dann ein leckeres Festmahl und als Beigabe ebenso Nüsse, Obst und einen Nussmärtel.
Der Liebesleute-Brauch
Ein Brauch, der auch mit dem Martinstag in Verbindung steht ist der sogenannte Liebesleute-Brauch. Hierbei schenken sich Verliebte zum Martinstag gegenseitig Haselnüsse, welche die Liebe positiv beeinflussen sollen.
Nussmärteltreiben in Wassertrüdingen
Jedes Jahr am 10.November, dem Vorabend zu St. Martin, ziehen die lärmenden und polternden Nussmärtel durch die mittelfränkische Stadt Wassertrüdingen. Sie gehen durch die Gassen und auf die Plätze der Stadt und belohnen nach alter Tradition die artigen Kinder mit einem kleinen Geschenk, die unartigen Kinder dagegen müssen damit rechnen, Bekanntschaft mit der Rute des gruseligen Gesellen machen zu dürfen. Das Nussmärteltreiben in Wassertrüdingen wird schon seit Jahren vom TSV Wassertrüdingen organisiert und lockt jedes Jahr Scharen von Besuchern an.
Weblinks
- http://www.kirchenweb.at/christkind/heiligenikolaus/nussmertel.htm
- http://www.wassertruedingen.de/index.php?id=2294,186
- http://www.tsvwassertruedingen.de/nussmaertel/index.htm
Literatur
- Dettweiler, Herbert: Geschichten, Sagen und Legenden aus dem Ries und seiner Nachbarschaft. Nördlingen 1983.
- Sponsel, Wilfried, Detttweiler, Herbert: Landkreis Donau-Ries.Meitingen 2008.
- Dettweiler, Herbert: Wenn es im Ries gruselig wird. Bayrischer Bauernkalender. 2011.
Der Nußmärtl ist nicht nur im Ries zuhause gewesen, sondern auch in den fränkischen Dörfern im Altmühltal und Hahnenkamm. Er kam wie beschrieben mit einem langen dunklen Mantel oder einem Schafspelzmantel eines schwarzen Schafes, hatte eine dunkel Fellmütze und einen langen Flachsbart und trug Stiefel. Ich kann mich noch an viele Erlebnisse erinnern, als wäre es erst gestern gewesen, Erlebnisse aus meiner Kinder- und frühen Schulzeit und wie ich dann selbst als jugendlicher den Nußmärtl gemacht habe. Zu unsren Kindern kam der Nußmärtl noch in den 80-er Jahres des letzten Jahrhunderts. Für den Kindergarten im Muhr am See mache ich heute noch den Nußmärtl (11. Nov. 2020). Alles oben beschrieben trifft noch zu, allerdings trage ich keinen Pelzmantel mehr, sondern ein Weihnachtsmanngewand. Ich habe auch einen schwarzes und goldenes Buch, indem die „Untaten“ bzw. die „lobenswerten Dinge“ der Knder stehen. Sie sagen auch noch Gedichte auf und Gebete. DFanach werden sie aus dem großen Sack beschenkt.
Günter L. Niekel
Fichtenstr. 20, 91735 Muhr am See
Der Brauch des Nussmärtl wird nicht nur im Ries gepflegt.
In Glött im Landkreis Dillingen hatten wir Kinder einen höllischen Respekt vor dem Nussmärtl.Wohne seit Jahrzehnten in der Mitterteich (nördliche Oberpfalz). In dieser Gegend ist der Nussmärtl völlig unbekannt.