Neujahrströterbacken in Störnstein

Termin

Die fertigen Neujahrströten.
Der Brauch des Neujahrströterbackens wird im Zeitraum zwischen Weihnachten und Silvester vollzogen. Damit die Tröter an Neujahr verzehrt werden können muss dieser Brauch vor dem Neujahrstag stattfinden. Das Gebäck wird jährlich im selben Zeitraum wiederholt aber nicht zwingend am gleichen Datum.

Einstiegsinformation

Das Neujahrströterbacken, überregional auch als Hippengebäck bekannt, wurde 2012 von meiner Familie in Störnstein zelebriert. Störnstein liegt in der Oberpfalz nahe Weiden. Ursprünglich stammt dieser Brauch jedoch aus Ostfriesland. Im Laufe der Zeit breitete er sich über Nordrhein-Westfahlen weiter aus. Im Allgemeinen besteht der Brauch aus dem Backen der Neujahrströter. Dabei wird der Teig in ein spezielles Waffeleisen gegeben und im Anschluss in die Form eines Eishörnchens gebracht. Als lokale Spezifik ist zu nennen, dass der Teig je nach Region entweder mit Anis oder Zimt verfeinert wird. In diesem Fall wurde Zimt verwendet. Der Brauch des Neujahrströterbackens wird im Zeitraum zwischen Weihnachten und Silvester vollzogen. Damit die Tröter an Neujahr verzehrt werden können muss dieser Brauch vor dem Neujahrstag stattfinden. Das Gebäck wird jährlich im selben Zeitraum wiederholt aber nicht zwingend am gleichen Datum.

Ablauf

Die nachfolgende empirische Beschreibung bezieht sich auf das Jahr 2012. Der Brauch wurde am 28.12.2012 von 14.30 Uhr bis 18.10 Uhr durchgeführt.
Die Zutaten für den Teig.
Neujahrshörnchen
  • 1 Pfd. Mehl
  • ½ Pfd. Kandis weiß in ca. ½ l Wasser auflösen
  • 1 Ei
  • 200g Butter u. Ei schaumig rühren
  • Zimt
  • Wasser nach Bedarf
In diesem Fall wurde der Teig mit der doppelten Menge der Zutaten hergestellt, um eine größere Menge an Hörnchen herzustellen. Zunächst wurde der Kandis in Wasser aufgelöst. Da die Zucker-Flüssigkeit für den Teig nur kalt verwendet werden kann muss sie im Anschluss kalt gestellt werden. Sobald die Zuckerflüssigkeit abgekühlt ist wird der Teig angerührt. Für den Teig wird zunächst die Butter geschmolzen. Danach werden Butter und Eier schaumig gerührt und das Mehl portionsweise in die Rührschüssel gegeben. Das abgekühlte Kandiswasser wird dann unter die Masse gerührt. Dies geschieht solange bis der Teig eine zähflüssige Konsistenz erreicht hat. Weiterhin muss das Eisen zum Backen vorbereitet werden. Dazu muss es mit Öl bestrichen werden. Als Alternative kann auch eine Speckschwarte verwendet werden. Dann wird das Eisen auf der Heizstufe 3 vorgeheizt. Bei diesem Eisen handelt es sich um ein spezielles Waffeleisen welches sehr dünne Waffeln ausbackt. Des weiteren ist es mit einem anderen Muster geprägt als ein herkömmliches Waffeleisen.
Das Tröterholz.
Sobald der Teig fertig angerührt und das Waffeleisen vorgeheizt ist kann mit dem eigentlichen Backen begonnen werden. Zum Backen wird ungefähr ein Schöpfer Teig auf das Eisen gegossen und der Deckel danach zugedrückt. Man muss nun warten bis das Eisen durch einen Ton angiebt wann der Teig fertig gebacken ist. Mit einer Gabel wird das Neujahrsgebäck nun aus dem Eisen gelöst und an eine weitere Person gereicht die mit am Tisch sitzt. Dann wird die noch weiche Waffel um ein Tröterholz gewickelt, so dass sie die Form einer Eiswaffel erhält. Dies kann mit einer Gabel gemacht werden oder aber auch mit den Fingern, allerdings ist die Waffel extrem heiß so ist es jedem selbst überlassen welcher Methode er sich bedient. Meist gelingen die ersten Tröter nicht, da man erst etwas Übung benötigt. Dies gilt zum einen für das Rollen der Waffeln sowie für die Menge des Teiges die auf das Eisen gegeben wird. Zum Ausskühlen werden die Tröter auf ein Rost gelegt bevor sie dann in Boxen verstaut werden. Zwischendurch muss der Teig immer wieder abgeschmeckt und mit Kandiswasser und Zimt verfeinert werden, da der Teig, wenn er länger steht immer dicker wird. Verzehrt werden die Hörnchen bereits während dem Backen ohne irgendwelche weiteren Zutaten, beliebt sind sie allerdings auch mit Sahne und oder Eis. Der Charakter des Schenkens zu Neujahr war früher ein starker Aspekt dieses Brauches, ist aber heute in dieser Familie nicht mehr ausschlaggebend. Die Tröter werden gerne zum Kaffee serviert wenn Gäste da sind.

Akteure

Dieser Brauch findet in der Familie statt. Somit sind die Akteure in diesem Fall Vater, Mutter, Großmutter sowie die drei Kinder bzw. Enkelkinder. Innerhalb des Brauches nimmt die Großmutter eine Schlüsselposition ein. Sie leitet die anderen Akteure während der einzelnen Schritte, wie dem Teig anrühren oder dem Rollen der Tröter an und bedient selbst das Eisen. Alle anderen Akteure rollen im Wechsel die frischen Waffeln. Nebenbei verzehren alle Akteure die bereits fertigen Neujahrströter. Bezüglich der Kleidung gibt es keine Auffälligkeiten da der Brauch zu Hause stattfindet wird der Brauch in Alltagskleidung durchgeführt.

Veranstaltungsort

Den Performanzraum stellt in diesem Fall die Küche dar. Die Lichtverhältnisse werden während des Brauches nicht verändert. Dekoration wird nicht speziell auf den Brauch abgestimmt oder extra dafür ausgelegt. Allerdings sind spezielle Requisiten vonnöten. Zum einen braucht man eine Küchenmaschine bzw. ein Handrührgerät. Des weiteren braucht man ein spezielles Waffeleisen. Dieses bekommt man in der Regel hier in Bayern nicht. Das Waffeleisen welches hier verwendet wurde stammt aus dem Ruhrgebiet nähe Dortmund. Ausserdem erleichtert ein Waffelholz das in Form bringen der Tröter.

Brauch – und Rollenverständnis

Die wohl wichtigste Rolle nimmt bei diesem Brauch die Großmutter ein. Sie ist diejenige, die den Brauchablauf steuert und anleitet. Der Teig wird von ihr zubereitet sowie auf das Waffeleisen gegossen. Lediglich das Rollen wird von den Enkeln übernommen. Wobei anzumerken ist, dass auch sie sich untereinander abwechseln wohingegen die Großmutter während der gesamten Backzeit anwesend ist und ihre Aufgaben erfüllt. Auch die Eltern sind am Rollen beteiligt. Dieser Brauch ist ein Zeitpunkt in dem die gesamte Familie etwas zusammen macht. Auch das Ergebnis wird oft mit der gesamten Familie verzehrt.

Organisation der Brauchveranstaltung

Wie bereits angedeutet, geht die Organisation zu einem großen Teil von der Großmutter aus. Die Mutter kümmert sich jedoch entscheidend um die Vorbereitung da sie die Zutaten einkauft und die Utensilien wie die Küchenmaschine sowie Töpfe und Aufbewahrungsboxen zur Verfügung stellt. Da dieser Brauch in familiärer Atmosphäre stattfindet, sind Punkte wie Finanzierung und Sponsering sowie Werbeaktionen auszuklammern.

Hintergrund-Infos

Da dieser Brauch schon sehr lange existiert und ausgeübt wird haben sich mehrere Namen für dieses Gebäck entwickelt. Es kann allerdings zu Abweichungen kommen. So ist man sich auch in der vorhandenen Literatur nicht einig was die genaue Bezeichnung angeht. So fallen Worte wie Kuchen, Trötenoder Hippen aber es wird weder eine eindeutige Unterscheidung getroffen noch werden diese Begriffe synonym verwendet. Diese Problematik zog sich durch die gesamte Recherche und kann nicht zufriedenstellend geklärt werden. Der Brauch des Neujahrströterbackens wurde zum ersten Mal in einem Bild des flämischen Malers Pieter Brueghel der Ältere (um 1525/30 - 1569) um 1560 abgebildet. In seinem Bild Der Kampf des Faschings mit der Fastenzeit sieht man eine Frau, welche am offenen Feuer Kuchen backt. Dazu benutzt sie ein Werkzeug welches aus zwei Eisernen Platten und einem langen Stab besteht. Zwischen den zwei Platten befindet sich der Teig aus dem der Kuchen besteht. Markant ist dabei, dass der Brauch in diesem Fall während der Übergangszeit von der Fastnacht zur Fastenzeit (Aschermittwoch) statt fand. Dieses Bild von Pieter Brueghel dem Älteren gilt als ältester Nachweis für die Tradition des Waffelbackens. Jedoch kann dieses Bild nicht als Beleg für den Brauch des Neujahrströterbackens fungieren. Es soll lediglich auf die Wichtigkeit hinweisen die das Backen von Waffeln bereits 1560 hatte. Dieses Waffelgebäck galt schon damals als Festgebäck und nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Die Wichtigkeit dieses Brauches wird speziell durch das Januarbild auf der Domuhr zu Münster deutlich. Das Bild ist Teil einer Reihe von Monatsbildern die auf der Domuhr zu Münster abgebildet sind. Die kleinen Genre Bilder auf der Uhr zeigen Ausschnitte des Alltags, der Menschen in Münster und wurden von Hermann tom Ring gemalt. Die astronomische Uhr im Dom zu Münster wird um 1540/42 datiert. Auf diesem Bild ist eine Familie um einen Kamin versammelt während sie Neujahrkuchen backt. Allerdings sitzt in diesem Fall nicht die Frau am Waffeleisen sondern der Hausherr. Dieses Phänomen ist auch in anderen flämischen Bilden des 16. Jahrhunderts zu sehen 1766 wurde den Waffelgebäcken eine Passage in einem Kochbuch gewidmet. So heißt es dort als Universalrezept für Waffeln: .....wenn man sie abbacken will, so muss man das Eisen erstlich auf beyden Seiten heiss machen, sauber ausputzen und einschmieren, wenn es denn erstlich im Gange ist, so darf man es anders nicht schmieren, als wenn es nicht loslassen weill, und nach gerade als die Kuchen gar sind, muß man sie gegen das Feuer stellen, so bleiben sie fein hart und rasch, legt man sie aber so warm einen auf den andern,so werden sie gleich weich und schwammigt; allzuheiss und geschwind muss man sie auch nicht abbaccken oder abbrennen, sondern dass sie fein hartlich und gelb ausbacken oder abbrennen; sie werden recht schön, so alles recht gemacht und getroffen wird. Trotz des hohen Aufwands und der Schwierigkeiten beim Backen wurde dieser Brauch als schönes Ereignis zu Neujahr wahrgenommen und gerne durchgeführt. Von 1871 gibt es Belege dafür, dass die Hausherren ihren Knechten und Mägden die Neujahrskuchen als Geschenk zum Jahresende überreichten. Op Jaarsavond werden ijzerkoeken gebakken van meel, stroop en anijszaad. Dan krijgen knechten en meiden, als nieuwjaarsgeschenk, elk een schotel vol van die koeken. In Ostfriesland, in Nordrheinwestfalen und in Niedersachsen wurden am Neujahrsmorgen Nachbarn und Freunde zum Verzehr des Neujahrsgebäcks eingeladen. Weiterhin war es üblich, wenn eine Hochzeit im Januar stattfand, dass die Neujahrskuchen vom Brautwagen, den Kindern zugeworfen wurden. Die Beschaffenheit dieses Gebäcks unterscheidet sich vielfach. Jedoch kann dabei keine regionale Typisierung vorgenommen werden da, viele der Phänomene direkt nebeneinander vorzufinden sind. So gibt es Gebäcke aus einem dickflüssigen sowie diejenigen aus einem dünnflüssigen Teig. Ausserdem gibt es Neujahrsgebäck, welches die flache Form des Eisens beibehält, sowie die, die entweder zu Rollen oder zu Hörnchen geformt werden. Des weiteren gibt es Waffelgebäcke die nach dem Backen aushärten sowie diejenigen die weich ausgebacken werden. Für diese Art des Neujahrsgebäcks gibt es keine einheitliche Namensgebung und so benennt jede Region diese anders. Oftmals fließen Dialekt bzw. Art der Formung mit in den jeweiligen Namen ein wie beispielsweise Krullkoken im Küstenbereich der Nordsee. Die Brauchbedeutung veränderte sich mit den Jahren. Früher wurden die Tröter gerne wie oben genannt an die Mägde und Knechte zu Neujahr verschenkt. Beliebt war es auch für Kinder von Haus zu Haus zu gehen um den Leuten ein frohes Neues Jahr zu wünschen. Als Dank bekamen sie in jedem Haus einen Neujahrtröter überreicht. Heutzutage werden die Tröter in erster Linie wegen ihres aussergewöhnlichen und guten Geschmacks gebacken. Die ursprüngliche Bedeutung des Brauchs ist jedoch die Zusammenkunft der gesamten Familie. Das Zusammentreffen der Familie bekommt gerade in der heute sehr schnelllebigen Gesellschaft eine besondere Bedeutung. Desweiteren sind die Neujahrströter aber auch in manchen Regionen eher unbekannt. So kann man Gäste trotzalledem mit den Trötern auch heute noch überraschen und ihnen so ein Frohes Neues Jahr wünschen. Jedoch kann die Grundintention des familiären zusammenseins nicht dadurch in den Hintergrund geraten. Allgemein muss ein Wandel in der Bedeutung des Brauches festgehalten werden. So dient nicht mehr das Ergebnis des Brauchs als Geschenk sondern das Wichtigste ist das Zusammenkommen der Familie während des Backens.

Brauchentwicklung innerhalb der Familie Steinberg

Zunächst wurde der Brauch im Ruhrgebiet, in Castrop-Rauxel durchgeführt. Dort fand man sich zwischen Weihnachten und Silvester in der Küche zusammen um die Neujahrströter zu Backen. Jedoch änderte sich der Ort, da die Familie Weihnachten und Silvester nicht mehr im Ruhrgebiet verbrachte. Stattdessen kam die Großmutter aus dem Ruhrgebiet nach Bayern, Störnstein um dort die Weihnachtszeit zu verbringen. Somit wurde auch der Brauch des Neujahrströterbackens nicht mehr in Nordrhein Westfalen ausgeführt sondern in Bayern. Allerdings hat sich lediglich der Ort verändert nicht aber der Ablauf oder die Akteure.

Verortung

Der Brauch ist zeitlich in der Nachweihnachtszeit einzuordnen. Allerdings werden die Neujahrströter speziell für den Neujahrstag zubereitet. Somit handelt es sich bei dem Brauch des Neujahrströterbackens um einen Neujahrsbrauch.

Verbreitung des Brauchs

Der Brauch ist hauptsächlich in Norddeutschland sowie in Flandern angesiedelt. Jedoch gibt es auch in anderen Regionen einzelne Familien, die diesen Brauch weiter ausüben, da sie ursprünglich aus Norddeutschland stammen.

Forschungsstand

Zum Forschungsstand ist zu sagen, dass der Brauch in der wissenschaftlichen Literatur nur selten Erwähnung findet. Auffallend ist, dass man hauptsächlich ältere Literatur zu diesem Thema finden kann was darauf schließen lässt, dass dieser Brauch in der Bevölkerung nicht mehr die Aufmerksamkeit findet wie es früher der Fall war. So kann man im Internet zwar diverse Rezepte für die Neujahrströter finden allerdings kaum noch Abhandlungen zu dem eigentlichen Brauch. Auch die vielen verschiedenen Bezeichnungen dieses Neujahrsgebäcks erschweren die Recherche. Die zeitliche Verschiebung des Brauches sorgt für Verwirrung. So konnte man zunächst Belege finden, dass Waffeln zur Fastenzeit gebacken wurden. Jedoch scheint der Brauch sich auf Neujahr im Jahresrythmus, nach vorne verschoben zu haben.

Literatur

  • JászaiGéza: Dom und Domkammer in Münster, Königstein im Taunus, 1981.
  • Kästner, Kurt Wilhelm: Der Dom zu Münster in Westfalen, Berlin, 1921.
  • Thiele, Ernst: Waffeleisen und Waffelgebäcke in Mitteleuropa; Köln 1959.
  • Wagner, Siegfried: Der Kampf des Fastens gegen die Fastnacht. Zur Geschichte der Mäßigung, München, 1986.

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