Dieser Brauch findet vom 10. bis 12. Januar 2025 statt.
Einstiegsinformation
Das Narrenbaumstellen in Illerbeuren findet jährlich am ersten Wochenende nach dem Dreikönigstag statt. Der Brauch wird von der Narrenzunft Illerwinkel Gluathex in Illerbeuren am Dorfplatz beim Bauernhofmuseum und der Dorflinde ausgetragen. Dabei wird der sogenannte Narrenbaum von den Mitwirkenden neben der Linde in die Senkrechte gebracht und befestigt, wo er als Symbol für das Narrentreiben bis zum Ende der Faschingszeit steht.
Der Ursprung des Narrenbaumstellens oder auch Narrenbaumsetzens soll im Raum Konstanz und Stockach liegen, wobei er mittlerweile vor allem in Dörfern und Städten des südwestdeutschen Raumes zur Tradition geworden ist.
Die Geschichte des Narrenbaums
Über den Ursprung des Brauchs gibt es zahlreiche Theorien, eine davon ist auf die christliche Ikonographie zurückzuführen. Insbesondere die Darstellungen der beiden christlichen Bäume, den des Lebens und den der Erkenntnis von Gut und Böse, stehen hier im Vordergrund. Als eine Art nachhaltige Warnung vor den Folgen der Sünde wurde im Mittelalter der Erkenntnisbaum in Abbildungen mit menschlichen Figuren besetzt. Ein Beispiel hierfür ist der im Jahre 1487 in Leuven entstandene Sündenfallbaum, in dessen Baumkrone neben den Äpfeln mehrere Menschlein zu entdecken sind. Diese stehen für die sieben Hauptsünden Geiz, Neid, Hochmut, Trägheit, Unkeuschheit, Zorn und Unmäßigkeit. Da man in dieser Zeit Sünde und Narrheit nicht unterschied, war es nur noch ein kleiner Schritt bis hin zum Motiv des Narrenbaums. Die Narren veränderten den Baum der Erkenntnis zu einem Baum, auf dem zahlreiche Männchen mit schellenbehangenen Eselsohren wuchsen.
Nach einer anderen Theorie liegen die Wurzeln des Narrenbaums in dem bereits im 15. Jahrhundert ausgetragenen Brauch des Blockziehens. Dabei wird eine gefällte und bis auf die Wipfel entastete Tanne im Rahmen eines Umzugs durch die Straßen gezogen. Dieses Spektakel war eigentlich ein Spottumzug, da unverheiratete junge Mädchen und alte Jungfern unter der Belustigung der Bewohner den Baumstamm ziehen mussten. Man parodierte darüber, dass sich aus diesem Holzblock ein Mann für die Jungfern formen ließe.
Beim heutigen Narrenbaumstellen ist nicht mehr viel von den mittelalterlichen Bräuchen zu erkennen. Vielmehr erinnert das Narrenbaumstellen in unserer Zeit an eine Nachahmung des Maibaums und ist im jeweiligen Ort ein Symbol für die Herrschaft der Narren. Die Tradition des Narrenbaumsetzens, wie wir sie heute kennen, hat ihren Ursprung in Stockach, wo Narrenbäume bereits seit dem Jahr 1791 aufgestellt werden. Seither haben sich unterschiedliche Ausführungen bezüglich der Aufstellungstermine, sowie der Länge und Verzierung der Bäume in den jeweiligen Orten herausgebildet.
Das Narrenbaumstellen in Illerbeuren
Vorbereitungen des Narrenbaumstellens
Bevor der Brauch ausgetragen werden kann, bedarf es natürlich einer langfristigen Planung und Vorbereitung. Insbesondere die Party im Zelt muss gut organisiert sein. Für einen reibungslosen Ablauf gehören dabei das Einholen von GEMA- und Ausschankgenehmigungen, sowie die Planung von Sicherheitsvorkehrungen durch anwesende Rettungsdienste, Feuerwehr und Security Firma.
Zwei Tage vor der Veranstaltung wird von zahlreichen Vereinsmitgliedern das Partyzelt aufgestellt und im Laufe der weiteren Tage mit Bar, Bühne und Essensausgaben bestückt. Auch Dekoration und Musikanlage, sowie Toilettenwägen und Sanitäranlagen vor dem Zelt dürfen nicht fehlen. Am Morgen des Festtages werden letzte Vorbereitungen getroffen, wie Getränke- und Essenslieferungen, Eingrenzung des Partyareals durch Bauzäune und das Herrichten des Baumes. Dieser wird nicht jährlich neu gefällt, sondern kann durch sorgfältiges Aufbewahren mehrere Jahre verwendet werden.
Ablauf des Brauchs
Am Freitag nach dem Dreikönigstag findet am Dorfplatz in Illerbeuren das Narrenbaustellen der Gluathexen statt. Fällt der Dreikönigstag auf einen Freitag, wird auf den Samstag oder auf das folgende Wochenende ausgewichen. Den ersten Narrenbaum stellten die Gluathexen am 11.01.2002.
Bevor der offizielle Teil des Abends beginnt, heizen die Gluathexen die heran strömenden Schaulustigen mit Partyhits, die lautstark aus der Anlage dröhnen, ein. Da es um die Uhrzeit im Januar bereits dunkel ist, wird der Platz um die Dorflinde mit großen Scheinwerfern ausgeleuchtet. Pünktlich um 19.09 Uhr wird dann das Spektakel, meist mit dem Auftritt einer Guggamusik, eröffnet. Eine Guggamusik ist eine maskierte Blaskapelle, die besonders durch ihre schräg und falsch gespielte Blasmusik in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht, der Fastnacht im südwestdeutschen Raum und in Teilen der Nordost- und Zentralschweiz, bekannt ist. Anschließend begrüßen die Vorstände, oder auch Zunftmeister genannt, von einer kleinen Bühne aus die angereisten Gastzünfte mit ihren jeweiligen Narrenrufen und einem kleinen Erinnerungsgeschenk. Gastzünfte sind befreundete Vereine aus dem Allgäu, Schwaben und dem angrenzenden Baden- Württemberg. Auch die Gemeindevorstände bekommen die Gelegenheit, eine kurze Ansprache zu halten und den Veranstaltern eine schöne Fastnachtszeit zu wünschen.
Nach der Begrüßung der Zuschauer wird das Stellen des Baumes vollzogen. Dazu tragen einige Männer des Vereins den Narrenbaum, der wie ein Hexenbesen geschmückt ist, im Rahmen eines kleinen Umzugs vom Pfarrhaus zum Aufstellungsort, wo sie den Baum per Hand in die Senkrechte bringen. Nachdem der Baum steht, findet meistens ein kleines Feuerwerk statt. Anschließende findet nach dem Setzen des Baumes die Narrenparty im wenige Meter entfernten Partyzelt statt, welches für 1500 Leute ausgelegt ist und somit genügend Platz für eine ausgelassene Feier zum Faschingsauftakt bietet. Im Inneren des Zelts findet man eine Bühne, eine Essens- und Getränketheke, sowie zwei entlang der Zeltkanten aufgestellte Spirituosen-Bars, die in der Summe 40 Meter lang sind. Vor dem Jahr 2012 stieg die Party im Saal der anliegenden Gaststätte Gromerhof, musste aufgrund von Platzmangel jedoch ausgelagert werden.
Der Narrenbaum
Der Narrenbaum der Gluathexen ist ein circa 15 Meter hoher Baum, der von seiner Rinde befreit und in den Vereinsfarben rot, blau und schwarz angestrichen wurde. An der Spitze des Baumes befinden sich dünne, zusammengebundene Äste, die auch Reisig genannt werden. Im Gesamten betrachtet, erinnert der Narrenbaum an einen überdimensionalen Hexenbesen, der außerhalb der Faschingssaison in einem örtlichen Stadel gelagert wird. Am Baumstamm befinden sich außerdem vier Schilder, darunter drei Schilder für die drei Gemeinden des Illerwinkels, sowie ein Schild mit dem Vereinslogo der Narrenzunft. Während das Stellen des Baums, wie oben bereits ausführlich erläutert, im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung vollzogen wird, findet das Abnehmen des Narrenbaums am Aschermittwoch statt, ohne dabei groß Aufmerksamkeit zu erregen.
Varianten
Im Januar 2015 veranstalten die Gluathexen aus dem Illerwinkel zum ersten Mal zu ihrem Narrenbaustellen einen Narrensprung, der ebenfalls in Illerbeuren stattfinden wird. Da sich der Verein derzeitig noch in der Planungsphase befindet, können keine genauen Aussagen bezüglich des Veranstaltungsablaufs und des organisatorischen Rahmens getroffen werden.
Die Narrenzunft Illerwinkel Gluathex
Allgemeines
Die Narrenzunft Illerwinkel Gluathex wurde am 09.09.1999 gegründet und ist im gleichnamigen Illerwinkel beheimatet. Im Januar 2000 bestritten die Gluathexen ihre erste Faschingssaison mit 25 aktiven und 6 passiven Mitgliedern. Seither ist die Narrenzunft jährlich gewachsen, sodass sie heute 72 aktive und 50 passive Mitglieder zählt, die zudem von 40 Kindern, oder auch Narrensamen genannt, unterstützt werden. Die Zunftmeisterin der Gluathexen ist seit 2009 Gisela Wuschko. Die Zunft besteht ausschließlich aus Gluathexen, deren Figur auf einer ortsbezogenen Sage basiert. Mit ihrem Narrenruf Hexagluat - heilos guat bezwingen die Gluathexen beim schwäbisch-alemanischen Fastnachtstreiben das Böse und locken den Frühling heraus.
Das Logo der Narrenzunft stellt deren Hexenmaske dar und ist zudem mit dem in den Vereinsfarben gehaltenen Schriftzug GLUATHEX - Narrenzunft Illerwinkel versehen.
Die Sage
Nach einer ortsbezogenen Sage lebte die Gluathex vom Illerwinkel droben auf dem Hohen Rain, einer Waldhöhe am Rande von Kronburg. Man erzählt sich, dass sie bei Vollmond in den eisigen Nächten mit dem Teufel tanzte. Laut der Sage trug sie dabei einen Firlfleck von blauen und rotem Tuch, das ihr der Teufel umgebunden hatte. Außerdem sagt man, dass sie vor vielen hundert Jahren mit glühenden Kohlen, die sie von einem schwarz gekleideten Mann bekommen hatte, die Gehöfe der Bauern angezündete.
Das Aussehen
Das Gewand, das bei Narrenzünften vor allem unter dem Begriff Häs bekannt ist, ist handgenäht und besteht bei den Gluathexen aus einem schwarzen Rock, blauer Jacke, roter Schürze und Kopftuch, sowie der Maske. Außerdem gehören noch schwarz und rot gestreifte Stulpen und die rote Brunzhose dazu.
Die schwarze Farbe des Rocks steht für die Kohlen, die die Hexe der Sage nach zum Anzünden der Höfe verwendete. Seitlich ist der Rock mit roten und gelben Flammen beklebt, die das Feuer, das von der Gluathex gelegt wurde, symbolisieren. Diese Flammen sind außerdem auch auf der blauen Jacke zu finden. Die Farben rot und blau in Jacke, Schürze und Kopftuch repräsentieren das Firlfleck der Hexe, das ihr der Teufel umgebunden habe. Die Vorstandschaftsmitglieder der illerwinkler Narrenzunft Gluathex tragen anstelle des roten Kopftuchs ein Schwarzes. Schließlich gehört zum Häs der Gluathexen insbesondere die Maske. Diese ist handgeschnitzt und zeigt zwei Gesichtshälften, wobei eine Seite ein verbranntes Hexengesicht darstellt, was wiederum auf die Sage zurückzuführen ist.
Zusätzliche Bestandteile des Häses sind bei den Gluathexen die schwarzen Handschuhe und Trekkingstiefel. Da bei jeder Veranstaltung, die von den illerwinkler Hexen besucht wird, die Anwesenheit durch eine Laufkarte bestätigt wird, gehört diese ebenfalls zum jeweiligen Häs dazu. Dies ist eine laminierte Karte, auf der sich sowohl die Häsnummer als auch eine Liste der Pflichtveranstaltungen befinden.
Eine Stoffhose, die typischerweise unter dem Rock getragen wird. Sie wird im deutschen Sprachgebrauch auch Liebestöter genannt.
Auftritte
Mit dem Narrenbaumstellen beginnt für die Narrenzunft Illerwinkel Gluathex die fünfte Jahreszeit, in der sie sich an zahlreichen Narrensprüngen in der nahen und fernen Umgebung beteiligen. Ebenso nehmen sie während der Faschingszeit an Bällen von befreundeten Zünften teil und präsentieren dort gelegentlich einen einstudierten Hexentanz. Am Donnerstag und Freitag vor dem Faschingsendspurt besuchen die Gluathexen jährlich die örtlichen Kindergärten und Schulen, sowie die Regens-Wagner-Stiftung in Lautrach. Die Faschingssaison endet auch für die Gluathexen mit dem traditionellen Kehraus, den sie je nach Umzugsplan am Ort des letzten Narrensprungs feiern.
Außerhalb der Faschingszeit treffen sich die Vereinsmitglieder zur jährlichen Hauptversammlung in ihrem Vereinsheim, das sich neben dem Gemeindehaus in Illerbeuren befindet. Neben den offiziellen Pflichtveranstaltungen eines Vereins fahren die Gluathexen auf Ausflüge oder veranstalten Grillfeste, sodass sie auch unter dem Jahr in Kontakt bleiben. Einige Vereinsmitglieder sind zudem in der Adventszeit als Nikoläuse unterwegs. Auf Anmeldung kommen sie in die Häuser und besuchen als Nikolaus und Knecht Ruprecht die Kinder.
Hintergrundinformation
Der Illerwinkel
Der Illerwinkel ist eine Verwaltungsgemeinschaft im Unterallgäu, die aus den Gemeinden Markt Legau, Lautrach und Kronburg mit ihren jeweiligen Ortsteilen und Weilern besteht. Er liegt im schwäbischen Landkreis Unterallgäu zwischen Memmingen, Kempten und Leutkirch und ist beispielsweise über die A96 an der Ausfahrt Aitrach erreichbar. Seinen Namen hat der Illerwinkel von der Iller, einem im allgäuerischen Oberstdorf entspringenden und in Ulm in die Donau mündenden Fluss. Alle dazugehörigen Gemeinden liegen in der Nähe des Flusses und werden von der Illerschleife umschlossen. Bekannte Sehenswürdigkeiten des Illerwinkels sind vor allem das Bauernhofmuseum in Illerbeuren, das Schloss Kronburg und Lautrach, sowie die Wahlfahrtskirchen Maria Steinbach und Lehenbühl in Legau.
Illerbeuren
Illerbeuren gehört neben den Ortschaften Kronburg und Kardorf, sowie den Siedlungen Ober- und Unterbinnwang, Greuth und Wagsberg zu der am Rande des Illerwinkels liegenden Gemeinde Kronburg, die heute ca. 1700 Einwohner zählt. Besonders bekannt ist Illerbeuren für das Schwäbisches Bauernhofmuseum, das im Jahre 1955 als erstes Freilichtmuseum in Süddeutschland eröffnet wurde und sich seither im ständigen Ausbau befindet. In erster Linie findet man in diesem Museum Informationen zur ländlichen Baukultur, unter anderem jedoch auch Sonderausstellungen zu verschiedensten Themen der ländlichen Kulturgeschichte.
Gewährsperson
Die Informationen zur Narrenzunft Illerwinkel Gluathex und insbesondere zum Narrenbaumstellen in Illerbeuren habe ich in einem ausführlichen Gespräch mit Christoph Aichele, Vorstandschaftsmitglied der Gluathexen, sammeln können. Christoph ist seit 2006 als Vereinsmitglied tätig und hat dadurch schon bei zahlreichen Veranstaltungen der Gluathexen mitgewirkt.