Einstiegsinformation
Die Mensur ist ein Brauch so genannter „schlagender“ studentischer Verbindungen. Zwei „Paukanten“ (duellierende Studenten) verschiedener Studentenverbindung treten dabei im Fechtkampf gegenüber. Die nach strengem Ritus ablaufende Handlung ist kein Kräftemessen, das einen Sieger und einen Verlierer sucht, sondern soll die Disziplin und die Ehre der Conpaukanten herausstellen. Den Sinn moderner Mensuren sehen die Mitglieder der betreffenden Studentenverbindungen in der Persönlichkeitsbildung. Die Mensur soll zeigen, dass der Student mit einer Gefahrensituation umgehen kann und dem strikten Regelwerk der Verbindungsgemeinschaft (=Comment) Folge leistet.
Ablauf
Vorbemerkungen
Der erste Schritt weg von den Raufduellen hin zu den geregelten Mensuren war das Einsetzen von Kartellträgern und Sekundanten. Wie Schiedsrichter im Sport sorgen sie für einen fairen Ablauf und die Einhaltung der korrekten Form. Die einwandfreie, zeremonielle Ausübung der Mensur rückte neben dem eigentlichen Fechten in den Vordergrund. Die Verhaltensnormen der Studenten sind im so genannten Comment schriftlich festgehalten und verbindlich anzuwenden.
Es gibt heute drei verschiedene Arten von Verbindungen, die in ihren Satzungen die Mensur unterschiedlich behandeln: 1. Pflichtschlagende: Jeder Student muss eine Mindestanzahl von Mensuren absolvieren 2. Fakultativ schlagende: Eine Mensur wird nur auf Wunsch des Mitglieds gefochten 3. Nichtschlagende: Es werden keine Mensuren geschlagen; Mitglieder dürfen trotzdem Pauken (Einüben des Fechtens).
Der Vorgang der Mensur
Die Mensur beginnt mit der Auswahl zweier geeigneter Paukanten durch den jeweiligen Consenioren (Fechtbeauftragten) der Verbindung. Die Conpaukanten sollten sich dabei in ihren Fähigkeiten und Erfahrungen ungefähr entsprechen.
Jedem der beiden steht ein Sekundant zur Seite, der mit seinem Gegenüber die Partie leitet. Die Sekundanten bestimmen vor der Mensur einen Unparteiischen, der keiner der beiden Verbindungen angehört und als eine Art Schiedsrichter agiert. Er darf allerdings nicht aktiv ins Geschehen eingreifen, sondern nur auf Anfrage der Sekundanten Entscheidungen treffen.
Im Verlauf der Partie übernehmen die Sekundanten die Führung, d.h. sie geben die Los- und Haltsignale und müssen ihre Paukanten schützen. Um bei Halt ihren Schützling vor der Klinge des Gegners zu bewahren, sind sie selbst mit einem Schläger und Schutzausrüstung ausstaffiert. Bei Unterbrechungen ist der Sekundant der einzige Ansprechpartner für den Paukanten.
Zusätzlich steht jedem Paukanten ein Testant zur Seite, dessen Aufgaben darin liegt, die Waffe zu desinfizieren und auf Schäden zu überprüfen.
Ein Protokollführer erfasst die gesamte Partie auf einer Mensurkarte, welche in die jeweiligen Paukbücher übertragen wird. Ein letzter wichtiger Teilnehmer ist der Paukarzt. Er muss bei jeder Partie anwesend sein, um eventuelle Verletzungen zu behandeln.
Am Ende einer gefochtenen Partie bestimmt das Mensurkonvent über ihren Ausgang. Wie schon erwähnt, wird nicht über den Sieger entschieden, sondern einzig über die Gültigkeit. Eine Mensur ist bestanden, wenn der Paukant über die gesamte Partie die Regeln, also das Comment, eingehalten hat. Hat ein Paukant während der Mensur beispielsweise Angst durch Rückzug oder Ducken gezeigt, gilt die Partie als nicht bestanden.
Hintergrund-Infos
Studentischer Fechtkampf
Im Mittelalter wurde es den Studenten erstmals gestattet, Waffen zur Selbstverteidigung mit sich zu führen. Dieses Privileg stand bis dato nur Mitgliedern des Adels oder Militärangehörigen zu. Das aus diesem Vorrecht entstandene Standesbewusstsein und das zeitgemäße Erstreben führten bald zu offen ausgetragenen, „wilden“ Duellen. Da diese Gefechte in den Universitätstädten unkontrolliert Überhand nahmen und beträchtliche Opfer mit Hieb- und Stichverletzungen zu beklagen waren, kam es zu ersten Verboten von Fechtduellen. Beispiele dafür sind das Duelledikt von Wittenberg aus dem Jahre 1570 oder das Mandat von Jena 1684. Die harten Sanktionen richteten sich dabei nicht nur auf die Kontrahenten, sondern auch auf die Zuschauenden. Die Verbote versprachen aufgrund der allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz der Duelle jedoch kaum Besserung.
Um die schwer zu unterbindenden Gefechte zumindest in geregelte Bahnen zu lenken und das Verletzungsrisiko bei den groben Aktionen zu reduzieren, engagierten sich die Universitäten in der Fechtausbildung. Das Fechten wurde neben dem Reiten und dem Tanzen zu einer eigenständigen universitären Disziplin. Für die sportliche Ausbildung wurden eigens Trainer verpflichtet, die nicht zuletzt durch ihr Können den Ruf einer Universität mitdefiniert haben.
Geschichte der Mensur
Die Mensuren mit ihren Reglements, wie sie auch heute noch die Grundlage des studentischen Fechtens bilden, entstanden zusammen mit den modernen Verbindungen gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die Mensuren stellen bis heute einen tragenden Pfeiler der Gemeinschaft und des Zusammenhalts in den schlagenden Verbindungen dar. Sie dienen auch als Aufnahme- und Integrationsritual für die pflichtschlagende Verbindung. Die Fechtduelle um Ehre und Anerkennung haben sich nach deren Auffassung in Bestimmungsmensuren mit dem Ziel der Persönlichkeitsbildung gewandelt.
Erst 1836 entstand mit Gründung der „Uttenruthia“ die erste nichtschlagende Studentenverbindung und fand bald Nachahmer. Auch diese nichtschlagenden Verbindungen unterhalten meist einen Paukbetrieb, in dem das Fechten zwar erlernt, allerdings nicht in Mensuren angewandt wird.
Nach dem Zweiten Weltkrieg traf das Mensurwesen in der Bevölkerung auf eine besonders ablehnende Haltung, so dass die Partien im Verborgenen gefochten werden mussten.
Entwicklung der Technik und der Waffen
Die Entwicklung der Duellwaffen und die Verfeinerung der Fechttechnik spiegelt die Einstellung der Studenten zur Mensur und ihre Bedeutung im Alltagsleben an den Universitäten über mehrere Epochen wieder. Anfangs glichen die Waffen noch denen anderer Männer, die das Privileg der Selbstverteidigung durch Hieb- und Stichwaffen inne hatten. Der Degen war die gebräuchlichste Waffe, um sich einerseits gegen Räuber zu verteidigen und andererseits das Duell mit Kontrahenten zu suchen. Spezielle Fechttechniken oder geregelte Abläufe waren anfangs noch nicht auszumachen.
Erst im 18. Jahrhundert, als sich aus den Raufduellen die geregelten Mensuren entwickelten, veränderten sich auch die Waffen. In Frankreich etablierte sich um 1750 der so genannte „Pariser“, ein Stoßdegen. Dieser war eine gefährliche Stichwaffe, die nicht selten schwere Verletzungen, wie den „Lungenfuchser“ (Lungendurchstoß), und damit den sicheren Tod, verursachte. Um diese Gefahr einzuschränken wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts das Fechten mit Hiebwaffen eingeführt. Dabei wird zwischen dem „Korbschläger“, der seinen Namen vom charakteristischen Schutzkorb am Griff erhielt, und dem „Glockenschläger“, dessen Handschutz der Form einer Glocke ähnelt, unterschieden.
Der „Korbschläger“ ist in seiner ursprünglichen Form auch heute noch die gebräuchliche Mensurwaffe. Parallel gab es bis in die 1930er Jahre das Duell mit dem Säbel. Mit diesem gebogenen, schweren Schläger wurden besondere Ehrenpartien ausgefochten, die nicht nur wegen der Waffe, sondern auch aufgrund der beweglicheren Schlagtechnik einen sehr gefährlichen Charakter bekamen. Die Säbelduelle wurde eingeführt, da die relativ sicheren Partien mit Korb- und Glockenschlägern weniger Reiz besaßen. Der Kampf mit Säbeln war zeitwweise verboten und galt nie als Mensur im heutigen Sinne.
Literatur
- Böcher, Otto: Kleines Lexikon des studentischen Brauchtums. Hannover 2001.
- Krause, Peter: „O alte Burschenherrlichkeit“ – die Studenten und ihr Brauchtum. Graz 1979.
- Golücke, Friedhelm: Studentenwörterbuch. Das akademische Leben von A bis Z. Graz 1987.
Zum Foto: Dieser Student schlägt keine Mensur, sondern er übt dafür. Man nennt das „Pauken“ – in diesem Fall am „Phantom“.