Martinszug der Stadt Kaiserslautern

Termin

Darsteller des Martinsspiels.
Dieser Brauch findet alljährlich am 11. November statt.

Einstiegsinformation

Der Brauch des Martinszuges der Stadt Kaiserslautern findet in drei wesentlichen Phasen statt. Er beginnt mit dem Treffpunkt am St.-Martins-Platz, führt dann entlang einer festen Route durch die Stadt und endet schließlich mit seinem Ziel, dem Willy-Brandt-Platz (Rathausplatz). Am St.-Martins-Platz vor der St. Martinskirche werden zunächst der Ablauf und der Grund des Treffens erklärt. Während des Zuges durch die Stadt laufen alle beteiligten Personen mit ihren Laternen dem St. Martin auf seinem Pferd und dem Bettler hinterher. Auf dem Willy-Brandt-Platz wird ein Martinsspiel aufgeführt und das Martinsfeuer angezündet. Im Anschluss werden Rosinenbrötchen („Martinsbrötchen“) verteilt. Es wird für bedürftige Kinder und Familien der Stadt Kaiserslautern gesammelt. Das Geld wird dann weitergeleitet an den Nothilfefonds der Stadt. Im Vordergrund steht vor allem der Aspekt des Teilens. Die Hauptorganisation des Martinszuges trägt die katholische St. Martinskirche.

Empirische Dokumentation

Diese empirische Dokumentation des Martinszuges der Stadt Kaiserslautern basiert auf dem Geschehen am Sonntag, dem 11. November 2012. An diesem Sonntag war es sehr windig und die Temperaturen lagen bei 8 Grad.

Ablauf des Martinszuges der Stadt Kaiserslautern

Vorbereitungsphase Die Vorbereitungszeit beginnt nach Aussage des Pfarrers Keller ca. zwei Wochen vor dem Martinszug selbst. Es sei „ein schon eingespielter routinierter Ablauf, der sich von Jahr zu Jahr kaum verändert.“ In dieser Zeit werden Lieder ausgesucht und Liedblätter zusammengestellt. Es wird ein Artikel in die Rheinpfalz Zeitung gesetzt und alle beteiligten Einrichtungen werden vom Pfarramt angeschrieben. Dazu zählen freiwillige Feuerwehr, Malteser und Polizei. Zudem werden Kindergärten und Schulen der Stadt Kaiserslautern benachrichtigt. Außerdem werden Rosinenbrötchen vorbestellt und Requisiten hergerichtet. Am 11.11.2012 selbst begannen die Vorbereitungen schon um 16.00 Uhr auf dem Willy-Brandt-Platz. Der Männerkreis der Pfarrei St. Martin bereitete den Rathausplatz mit Feuerstelle, Lautsprecheranlagen und Absperrung vor. Um 17.00 Uhr standen die Straßenabsperrungen an den Kreuzungen und Straßenübergängen der späteren Route des Zuges. An manchen Stellen entlang der Route standen Polizeiwägen. Ab 17.30 Uhr wurden die letzten Vorbereitungen in der Kirche getätigt. Sechs Kinder im Grundschulalter wurden mit Martinskleidung (roter Umhang), Rüstung, Schwert, Helm und einer Spendendose ausgestattet und zwei Frauen aus der Kirchengemeinde verteilten die Liedblätter auf dem Martinsplatz. Das weiße Ross und St. Martin erreichte den Kirchenhof um 17.55 Uhr und wurden für ihren Auftritt als St. Martins mit Ross hergerichtet. Währenddessen füllte sich der St-Martins-Platz mit Besuchern. Zeitlicher Ablauf des Brauches
Route des Martinszugs.
Der Brauch beginnt mit dem Treffen am Martinsplatz um 18.00 Uhr und endet am Willy-Brandt-Platz um 19.20 Uhr mit dem Austeilen der „Martinsbrötchen“. 18.00 Uhr: Auf dem St.-Martins-Platz haben sich viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene versammelt. Vor allem Kindergarten- und Grundschulkinder halten ihre teilweise selbstgebastelten Laternen in den Händen. Die Besucher und Teilnehmer bilden einen Kreis am zur St. Martinskirche gelegenen Rand des Platzes. 18.07 Uhr: Pfarrer Keller betritt den Martinsplatz und stellt sich in die Mitte des Kreises. Er bittet alle Kinder nach vorne zu ihm zu kommen, damit er die Geschichte des St. Martin erzählen kann. Er erklärt die Begriffe kindgerecht und sichert Verständnis, indem er nachfragt und die Kinder ihm antworten. Dann beschreibt er den genauen Ablauf und verweist auf die Spendenaktion. Es soll für bedürftige Kinder und Familien der Stadt Kaiserslautern gesammelt werden. Er sensibilisiert die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen für das Thema. Danach fordert Pfarrer Keller die Kinder auf, ganz laut nach St. Martin zu rufen. 18.17 Uhr: Kinder und Jugendliche rufen mehrmals hintereinander im Chor „St. Martin“. Daraufhin kommt St. Martin auf einem weißen Pferd herangeritten, der Bettler läuft direkt neben ihm aus der Steinstraße heraus und alle schauen nach den Beiden. 18.20 Uhr: St. Martin reitet am Martinsplatz vorbei und bildet den Anfang des Zuges. Pfarrer Keller fordert alle auf ihm zu folgen. Die Besucher setzen sich mit ihren selbst gebastelten Laternen in Bewegung. Pfarrer Keller folgt St. Martin und mischt sich unter die Menschen. St. Martin mit Ross und der Bettler bilden die Spitze. Dahinter läuft die katholische Kirchenjugendgemeinde „KJG“, die St. Martinskirchen-Laterne tragen. Die Kolping-Kapelle folgt der Laterne und danach kommen die Teilnehmer und Besucher des Martinszuges. Während des Umzugs vermischen sich teilweise die einzelnen Gruppen. 18.25 Uhr: Während des Umzuges stimmt die Kapelle das Lied „Ich geh mit meiner Laterne“ an und Kinder, Jugendliche und Erwachsene singen dazu, während der Martinszug sich weiter fortbewegt. Der Umzug bewegt sich vom St.-Martins-Platz 20m der Steinstraße folgend und er überquert dabei Spittelstraße und Burgstraße. Er folgt dann der Marktstraße 240 m durch die Fußgängerzone der Innenstadt. Dann biegt er an der Schneiderstraße rechts ab und folgt dieser 230 m gegen die Einbahnstraße. Am Ende der Schneiderstraße überquert der Umzug die Fruchthallenstraße und folgt der Burgstraße für 20m in östliche Richtung. Danach biegt er links auf den Willy-Brandt-Platz ab. Nach 50m in nördlicher Richtung biegt er erneut links ab und kommt auf dem Platz vor dem Rathaus zum Stehen . Alle Kreuzungen und Übergänge sind durch Polizeiwagen und Straßenabsperrungen gesichert. 18.36 Uhr: Auf dem Rathausplatz ist ein kreisförmiger Bereich mit Seilen abgesperrt. Zwischen den Seilverbindungen sind Lautsprecherständer aufgebaut. In der Mitte des Kreises ist ein 3m hoher Holzhaufen für das Martinsfeuer aufgebaut. Nachdem St. Martin mit seinem Ross, der Bettler und die Kirchenjugend mit Laterne den abgesperrten Kreis betreten haben wird dieser wieder geschlossen. Die Besucher platzieren sich um die Absperrung herum und Pfarrer Keller positioniert sich vor dem Mikrofon. 18.39 Uhr: Pfarrer Keller begrüßt erneut die Teilnehmer und bedankt sich für alle Helfer, die mitwirken. Daraufhin fragt Pfarrer Keller in die Menge: „Sind denn schon alle Kinder da?“ und die Kinder antworten im Chor: „Ja“. Danach verweist er auf den heiligen Martin auf seinem Pferd. Alle Augen folgen St. Martin auf seinem Pferd, der im Kreis um den Holzhaufen reitet. Währenddessen wird das Lied „St. Martin, St. Martin“ gesungen.
Auftritt des St. Martin.
18.42 Uhr: Eine Frau aus der Gemeinde liest die Mantelteilung des St. Martin vor, während die Darsteller St. Martins und der Bettlers das Szenario nachspielen. „Ein Reiter ritt im Frankenland der Weg war unbekannt, kein Haus, kein Dach kein Sternenschein, der Reiter ritt im Schnee allein. [Martin reitet auf seinem Ross im Kreis] Doch hat er Angst und Bange nicht. Ein tapferer Mut ist gutes Licht. Ein Bettler lag zur gleichen Nacht am Weg vom Frost halb umgebracht, kein warmes Kleid, kein wollenes Kleid. [Bettler bewegt sich in entgegengesetzter Richtung und bleibt vor Martin stehen] So sah er den Reiter von weitem im Leid und sprach: Reit vorüber nicht, ein gutes Herz ist helles Licht. Der Bettler rief: Ich geh zu Grund, der Tod holt mich noch diese Stund, Herr hilf, ein Stückchen warmes Tuch ist mir in meiner Not genug. Der Reiter sieht was ihm gebricht, sein Herz sieht mehr die Nacht wird Licht. Der Reiter hat kein wollenes Kleid, doch einen Mantel warm und weit, den teilt er schnell mit Schwertes hieb, genug das er ihn halb noch liebt. [St. Martin schneidet mit seinem Schwert den Mantel entzwei und gibt dem Bettler eine Hälfte] Den Bettler rettet er vom Tod, aus Liebestat war Licht die Not. [Gemeinsam bewegen sie sich im Kreis um den Holzhaufen, St. Martin auf dem Pferd und der Bettler im Mantel eingehüllt neben ihm.] Ein Reiter ritt im Frankenland Trist unsern Herrn erfrierend fand, trist unsern Herr das Kleid er gab, er gab ihm drum den Hirtenstab und hat den Himmel ihm bestellt, ein Hirt in Armen aller Welt.“ 18.45 Uhr: Das Wort wird wieder an Pfarrer Keller übergeben, dieser verweist auf die Geschichte und leitet das Lied „Ein bisschen so wie Martin“ ein. St. Martin und der Bettler laufen währenddessen weiterhin im Kreis. 18.47 Uhr: Es wird erneut angemerkt, dass das eingesammelte Geld für notdürftige Kinder und Familien der Stadt Kaiserslautern gespendet wird. Pfarrer Keller appelliert an die Botschaft des Liedes, „ein bisschen so wie Martin“ zu sein. Es wird das Wort weitergegeben an einen Vertreter des Nothilfefonds. Dieser bedankt sich und berichtet über den Einsatz der Spenden: „Wir werden dafür beispielsweise Schulbücher anschaffen, Kinder und Familien unterstützen mit einem Kühlschrank oder einer Waschmaschine, die daheim nichts haben.“ Pfarrer Keller ruft erneut dazu auf in diesem Sinne zu spenden, um damit anderen zu helfen, so wie es Martin getan hat. 18.49 Uhr: Das Lied „Ich geh mit meiner Laterne“ wird gesungen. Dabei wird die große Laterne der St. Martinskirche von der katholischen Kirchenjugendgemeinde um den Platz getragen. Pfarrer Keller sagt, dass die Laterne in den nächsten Tagen über dem Altar hängend zu sehen sein wird. Er erwähnt ausdrücklich, dass diese Laterne die größte Laterne sei und dass er nicht glaubt, dass es eine größere als diese gäbe. Auf den vier Seiten der Laterne wird die Geschichte des St. Martin bildlich dargestellt. In dieser Zeit wechseln die Darsteller des St. Martin. Martin I verlässt mit Pferd den Kreis und übergibt die Kleidung außerhalb der Sicht der Beteiligten an Martin II, der sie anzieht. 18.54 Uhr: Pfarrer Keller erzählt die Geschichte wie Martin Bischof wurde. Er verweist auf die Gänse, die auf der Laterne zu sehen waren und darauf, dass sie in dem Teil der Geschichte, den er jetzt erzählen wird allerdings nicht vorkommen. Es folgt die Erzählung: „Martin hat die Begegnung mit dem Bettler nicht vergessen. Martin hat gelernt. Ich habe eine Verantwortung gegenüber den Menschen. Als Soldat soll ich gegen andere kämpfen, aber durch Krieg wird die Welt nicht besser. Martin will kein Soldat mehr sein. Martin legt das Schwert weg. Martin zieht den Helm ab. Er zieht die Rüstung aus. [Der St. Martinsdarsteller II entledigt sich der genannten Kleidung] Martin will jetzt als armer Mönch leben. Er zieht das Mönchsgewand an [Martin zieht sich ein blaues Gewand an]. Als armer Mönch hilft er den armen Leuten. Mit allen Fragen und Problemen kommen die Menschen zu Martin [Bettler läuft auf ihn zu und sie laufen gemeinsam im Kreis]. Martin lebt jetzt in einer Höhle. Eines Tages, da stirbt der Bischof der Stadt Tour in Frankreich. Da rufen alle: Martin soll unser Bischof werden. Wollen wir das jetzt mal gemeinsam Rufen? [Kinder und Jugendliche rufen im Chor: Ja]. Martin soll unser Bischof werden! Und jetzt ganz laut. [Kinder/Jugendliche/Erwachsene rufen: Martin soll unser Bischof werden]. [Pfarrer Keller:] Hat er das gehört? Wir rufen es noch einmal! [Erneutes rufen: Martin soll unser Bischof werden]. Und Martin wird Bischof in der Stadt Tour. Auch als Bischof ist er ein Freund der Menschen. Martin hilft den Armen. Und hier sehen wir, wie er sein Bischofsgewand anzieht. Natürlich hat der Bischof auch etwas umhängen, wie der Pfarrer das auch hat, eine Stola heißt das und der Bischof braucht noch eine…? [Publikum antwortet: Mütze]. Genau, die kennt ihr ja vom Bischof Nikolaus. Außerdem fehlt auch noch der…? [Jugendliche antwortet: Bischofstab. Währenddessen zieht der Martinsdarsteller die genannten Gegenstände an]. Jetzt ist Martin Bischof und er bleibt ein Freund der Menschen und er hilft den Armen [Martin läuft erneut mit Bettler im Kreis]. Martin war so gut, dass wir heute noch an ihn denken und dass wir heute noch sein Fest feiern, dabei ist Martin schon seit 1600 Jahren gestorben und im Himmel. Eine so lange Zeit, aber er bleibt ganz unvergessen. Und hier in der Stadt und das wissen vielleicht die Allerwenigsten, hier in Kaiserslautern, da wird Bischof Martin schon seit dem 7. Jahrhundert gefeiert. Die ersten Kirchen, die es hier gab in Kaiserslautern, die waren dem Bischof Martin geweiht und wenn der Kaiser hier in Kaiserslautern vorbeikam, dann hatte der Kaiser etwas dabei und das weiß jetzt wirklich niemand. Was hat der Kaiser wohl hier dabei gehabt, wenn er in Kaiserslautern in seiner Burg war? Ob das jemand weiß? Weiß das jemand? Der Kaiser hatte noch den halben Mantel dabei gehabt des Martin, denn dieser Mantel war für die Kaiser ganz wichtig. Diesen Mantel haben sie mitgetragen und dieser halbe Mantel des Martin, der war schon vor über tausend Jahren hier in Kaiserslautern und zwar der echte, der richtige Mantel, der Mantel, den Martin geteilt hat. Als die Reichsreliquie der Merowinger und Karolinger, die hier die erste Burg bauten.“
Brennendes Martinsfeuer.
19.01 Uhr: Das Lied: „Zündet alle Lichter an“ wird von der Kolping-Kapelle angestimmt und von den Zuschauern gesungen. Die Männer des Männerkreises präparieren währenddessen den Holzhaufen mit Anzündern. 19.04 Uhr: Das Feuer wird von einem Mann aus dem Männerkreis angezündet. Der Pfarrer weist auf den Funkenflug hin und mahnt, aufzupassen. 19.06 Uhr: Das Lied „Flamme empor“ wird von der Kolping-Kapelle musikalisch untermalt. Pfarrer Keller bedankt sich bei der Kolping-Kapelle, dem Männerkreis, den Maltesern und der freiwilligen Feuerwehr für ihre bereitwillige Hilfe. 19.08 Uhr: Das Lied: „Alle Kinner sin uff Trab“ wird angekündigt mit der Anmerkung, dass man jetzt richtig pfälzisch singen kann. Nach dem Singen berichtet Pfarrer Keller, dass Schwester Petrunia dieses Lied geschrieben hat, die selbst vor vielen, vielen Jahren im Kindergarten St. Martin war und dass es deswegen dieses Lied nur in Kaiserslautern gibt. 19.12 Uhr: Es wird das Lied: „Komm wir wollen Laterne laufen“ gesungen. 19.16 Uhr: Pfarrer Keller verweist auf die Spendenaktion und die Spendensammler. Sechs Kinder aus der Gemeinde, die eine Spendendose in der Hand halten, sind wie der heilige Martin mit Rüstung, Helm und Umhang gekleidet. Danach bedankt er sich bei allen Helfern und lädt zum Helferessen im Edith-Stein-Haus ein. 19.20 Uhr: Offizielles Ende des Martinszuges. Rosinenbrötchen werden aus dem Auto heraus verteilt an alle Menschen mit der Bitte zu teilen, falls man jemand anderen sieht, der kein Rosinenbrötchen hat. Die Menschenmenge löst sich langsam auf. Nachbereitungsphase Nach offiziellem Ende des Martinsumzugs bauen die Männer aus dem Männerkreis die Absperrungen, Lautsprecher und Scheinwerfer ab und die freiwillige Feuerwehr Kaiserslautern löscht das Martinsfeuer um 19.39 Uhr. Um 20.00 Uhr ist zum Essen für alle Helfer in das Edith-Stein-Haus in Kaiserslautern eingeladen. Am nächsten Morgen steht eine kurze Anmerkung über den Martinszug in der Rheinpfalz Zeitung.

Teilnehmer und Beteiligte des Martinszuges

Die Teilnehmer und beteiligten Personen des Martinszuges lassen sich in drei Gruppen unterscheiden:
  • Personen, die am Brauch teilnehmen und als Zuschauer mitwirken
  • Personen, die im Hintergrund aktiv beteiligt sind und Vorbereitungen treffen
  • Personen, die im Vordergrund aktiv am Brauch teilnehmen und durch das Geschehen führen
Am 11.11.2012 nahmen geschätzt ca. 200 Personen am Martinsumzug teil. Diese waren in dicke Winterjacken gehüllt und trugen Handschuhe und Mützen, da der Abend sehr windig und frisch war. Sie hielten teils selbstgebastelte, teils gekaufte Laternen in den Händen. Die Laternen zeigten Motive wie Sonne, Dinos, Frösche oder Ballons und waren aus Pappmaschee oder dünnem Papier gebaut. Die meisten Laternen waren an einem dünnen Stock aus Holz oder Plastik mit einer dünnen Metallstange zur Laterne befestigt. Die meisten Laternen waren mit LED-Birnen als Lichtern ausgestattet. Etwa die Hälfte der Beteiligten, vorwiegend Kinder und Jugendliche, trugen Laternen. Unter diesen ca. 200 Personen waren die Hälfte Jugendliche im Alter von 11 – 16 Jahren. Etwa 25% der Teilnehmer waren Kindergarten- und Grundschulkinder im Alter von ca. 3 – 10 Jahren. Diese wurden von Erwachsenen, vorwiegend ihren Eltern, begleitet. Die restlichen Personen waren vorwiegend Erwachsene und ältere Jugendliche zwischen 16 – 25 Jahren. Sieben verschiedene im Hintergrund aktiv beteiligte Personen oder Gruppen sind zu nennen. Eine dieser Gruppen ist der Männerkreis der Pfarrei St. Martin. Er war hauptsächlich für die Kulisse am Willy-Brandt-Platz zuständig. Die rund zehn aktiven Männer bauen laut eigener Aussage seit 20 Jahren das Feuer und die Absperrung mit Lautsprechern auf. Einer von ihnen zündet das Martinsfeuer an und die restlichen bewachen das Feuer und schauen, dass keiner die Absperrung überschreitet. Die Männer sind in ihre dunklen Winterjacken gehüllt. Als zweites ist die Polizei zu nennen, die für die Absperrungen an den Straßenübergängen zuständig war. An jeder Kreuzung standen ein Polizeiauto und Straßensperren. Mindestens 5 Polizeiautos waren an den verschiedenen Übergängen des Martinsumzugs positioniert. Auch die freiwillige Feuerwehr Kaiserslautern war mit einem Feuerwehrwagen und einer ganzen Mannschaft am Willy-Brandt-Platz vertreten. Sie ist für das Löschen des Feuers zuständig und bei eventuellem Ausbreiten des Feuers bereit, einzuschreiten. Zudem stellte sie zwei große Scheinwerfer zur Verfügung und war verantwortlich für Auf- und Abbau. Auch die Malteser standen mit einem Rettungswagen und einer Mannschaft am Rathausplatz bereit, um Erste Hilfe und die medizinische Versorgung zu gewährleisten. Des Weiteren ist noch das Pfarramt St. Martin aufzuzählen, welches Hauptorganisation und Planung übernommen hat. Es meldete den Umzug bei der Stadt und der Polizei an, organisierte Feuerwehr und Malteser und benachrichtigte Kindergärten und Schulen. Zudem ist das Pfarramt für das Erstellen der Liedblätter zuständig. Diese Arbeit wurde von 5 Personen ausgeführt. Die nächste Gruppe sind sechs Kinder im Grundschulalter, die wie St. Martin eingekleidet wurden. Sie trugen Mantel, Rüstung, Helm und ein Schwert. Zudem erhielt jedes dieser Kinder aus der Gemeinde eine Spendendose in Form eines runden Behälters mit Griff und Schlitz zum einwerfen. Diese Kinder waren für das Einsammeln der Spenden für den Nothilfefonds zuständig und mischten sich unter die Zuschauer. Die Spendenmartinskinder wurden von drei Frauen aus der Gemeinde hergerichtet. Auch die große Pfarreilaterne wurde im Voraus von 5 Frauen gebügelt und zusammengebaut. Die Laterne besteht aus vier Stofffeldern und Eisenstangen, die die Felder zusammenhalten. Als im Vordergrund aktiv beteiligte Personen sind weitere sechs Personen oder Gruppierungen zu nennen. Als erstes die Personen mit Redeanteil vor dem Publikum. Dazu zählen eine Frau aus der Gemeinde, die die Legende von Martin und dem Bettler erzählte, ein Mann als Vertreter des Nothilfefonds, der sich für die Spenden bedankte und Pfarrer Keller, der als Hauptmoderator durch das Geschehen führte. Er trug ein Mikrofon bei sich und war mit einem schwarzen Pullover und einer schwarzen Hose bekleidet. Des Weiteren ist die Gruppe der aktiven Darsteller zu nennen, die eine spielende Rolle übernommen haben. Insgesamt waren es drei Personen, die als Darsteller agierten. Darunter befanden sich zwei St. Martin-Darsteller und ein Bettler-Darsteller. Der erste St. Martin war der Besitzer des weißen Pferdes und ritt dieses während des Zuges in Gestalt des Martin. Er hatte eine weiße Hose, einen goldenen Brustpanzer, ein Schwert, ein Helm mit einem roten Kamm und einen langen roten Mantel an. Der zweite St. Martin übernahm die Rolle in dem Moment, indem der erste Martin mit Pferd den Willy-Brandt-Platz verließ. Sie tauschten die Kleidung. Erst beim Erzählen der Geschichte wie Martin zum Bischof wurde, wurden die Klamotten erneut gewechselt. St. Martin wurde in eine blaue Bischofsrobe mit weißer Stola, rot-weißer Bischofsmütze und goldenem Stab gekleidet. Der zweite St. Martin wurde von einem engagierter Erwachsenen aus der Gemeinde gespielt. Tristan, 22 Jahre alt, schlüpfte die letzten 6 Jahre in die Rolle des St. Martin. Tristan ist zudem zur Zeit Jugendvertreter für sechs Gemeinden in der Projektpfarrei St. Martin. Es gibt zwei Darsteller des Martin, da vor ca. sieben Jahren das Pferd beim Martinszug gestürzt ist und sich seitdem niemand mehr getraut hat das Pferd zu reiten. Damit nicht erneut solch ein Unfall passiert, reitet nun der Besitzer des Pferdes selbst als St. Martin beim Umzug voran. Der Bettler, mit dem St. Martin I seinen Mantel teilt, wurde ebenfalls von einem Erwachsenen aus der Gemeinde gespielt. Er begleitete St. Martin I mit seinem Pferd durch den Umzug und blieb auf dem Willy-Brandt-Platz weiterhin präsent, wenn der Darsteller des St. Martin ausgetauscht wird. Er trägt als Bettler eine hellblaue Jeans, dunkelgrauen Pullover, Turnschuhe und über allem einen dunkelgrauen, zerpflückten Bettlerumhang und eine Mütze. Zudem trägt er einen dicken Wanderstock, auf den er sich beim Gehen stützt. Eine weitere Gruppierung ist die katholische Kirchenjugendgemeinde „KJG“. Diese hatte die Aufgabe die Pfarreilaterne der Martinskirche zu tragen. Es halfen 10-12 Jugendliche, die abwechselnd die Laterne trugen. Es waren sowohl Mädchen als auch Jungen vertreten, die in normaler Kleidung am Martinszug teilnahmen. Vier Personen trugen die Laterne an den vier Ecken. Die Laterne war quaderförmig mit quadratischer, zwei Meter breiter Grundfläche und drei Meter hoch. Am oberen Ende schloss sie mit einer Spitze ab. Auf den vier flächigen Seiten wurde durch Bilder die Geschichte des heiligen Martin geschildert. Zwei Seiten zeigten die Mantelteilung, auf der einen Seite Martin auf dem Pferd und auf der anderen Seite den Bettler, kniend zu Boden, den Mantel entgegennehmend. Die beiden anderen Seiten zeigten eine Kerze mit vielen Händen im Hintergrund und Gänse vor einem Stall. Die Laterne wurde von innen beleuchtet. Die letzte Gruppe die zu nennen ist, ist die Kapelle „Kolping-Blaskapelle“, die musikalisch den Umzug und die restliche Veranstaltung begleitete. Sie spielten die Lieder und untermalten das Geschehen. Alle Mitglieder der Blaskapelle trugen dunkle Jacken. Zu allen Mitwirkenden, sowohl im Hintergrund, also auch aktiv am Geschehen beteiligten, ist zu sagen, dass diese laut eigener Angabe freiwillig mithalfen. Ihr Engagement und Aufwand wurden nicht bezahlt.

Hauptveranstaltungsorte

Übersicht über den Veranstaltungsort.
Die Hauptveranstaltungsorte des Martinszuges sind in drei Bereiche einzuteilen. Erstens der St.-Martins-Platz von dem aus der Umzug beginnt. Zweitens die Route des Umzuges und drittens der bedeutendste Raum, der Willy-Brandt-Platz, das Ziel des Martinszuges. Dort findet das eigentliche Ereignis statt. Auf dem Willy-Brandt-Platz wurde eine kreisförmige Absperrung errichtet in der sich Lautsprecherständer und Eisenstangen befanden, durch die eine Seilkordel gezogen wurde. Der geschätzte Durchmesser der kreisförmigen Absperrung lag bei 30 Meter. Das Holz für das Martinsfeuer wurde in der Mitte des Kreises platziert. Der Stapel aus aneinander-gelehnten und zusammengebundenen Holzbrettern war drei Meter hoch und hatte einen Durchmesser von einem Meter. Außerhalb der Absperrung wurde ein Mikrofon aufgestellt. Hinter dem Mikrofon wurden von der Feuerwehr zwei große Lichtscheinwerfer aufgebaut. Zudem befanden sich auf dem Platz drei Wagen: ein Feuerwehrauto, ein Krankenwagen der Malteser und ein privates Auto, in dem die Rosinenbrötchen lagerten. Aufgrund der Abenddämmerung waren die Lichtverhältnisse bescheiden. Einzig die Straßenlaternen und die gebastelten Martinslaternen dienten als Lichtquelle in den ersten beiden Aktionsräumen. Der dritte Aktionsraum war durch zwei große Scheinwerfer und durch das Martinsfeuer beleuchtet.

Brauch- und Rollenverständnis

Teilnehmer beim Martinszug.
Die Bedeutung des Brauches ist individuell geprägt, so auch das Brauch- und Rollenverständnis jedes Einzelnen. Im Folgenden werden verschiedene Auffassungen von befragten Personen geschildert.
St. Martin im Bischofsgewand.
Pfarrer Keller sieht im Handeln des heiligen Martins ein Vorbild. Mit St. Martin werde stets Teilen, Teilnahme und Helfen assoziiert, sagt er, denn durch sein gutes Handeln erwärme er die Herzen der Menschen und bringe Licht in ihre missliche Lage. Deswegen werde beim Martinszug auch ein großes Martinsfeuer angezündet, um Licht in die Dunkelheit zu bringen, erklärt Pfarrer Keller. Die Dunkelheit stehe hier beispielsweise für Einsamkeit, Trauer, oder Armut. Der Brauch des Martinszuges habe den Zweck an gutes Handeln und Warmherzigkeit zu appellieren und den Kirchenpatron zu ehren. Für die Pfarrei St. Martin habe der heilige Martin noch eine andere Bedeutung. Er war der Reichsheilige der Kranken seit der Zeit der Merowinger und Karolinger und wurde somit schon vor 1000 Jahren in der Stadt verehrt. Die Kaiserpfalz Kaiserslautern hatte seit dieser Zeit den heiligen Martin als Stadtpatron. Nach dem Motto: „Ein bisschen so wie Martin“ sein, erhält der Martinszug zudem noch einen besonderen Charakter. Zu diesem Anlass wird auch jedes Jahr für bedürftige Familien und Kinder Spenden gesammelt. 2012 wurde der Nothilfefond der Stadt Kaiserslautern unterstützt. Für Tristan, der den zweiten St. Martin spielte, ist es etwas Besonderes den heiligen Martin zu spielen. „Es ist schön, so einen wichtigen Heiligen zu repräsentieren und den Kindern seine Geschichte näher zu bringen“, meinte Tristan. Das schönste für ihn war, als die Kinder riefen: „Der Martin soll unser Bischof werden“.
Die Martinslaterne der Pfarrei.
Der Pferdebesitzer und erste Darsteller des St. Martins freut sich jedes Jahr als Martin zu reiten, weil er damit den Kindern eine große Freude bereiten kann. Die Männer des Männerkreises melden sich freiwillig für die Betreuung des Willy-Brandt-Platzes. Für diese 10 Männer ist es das schönste, in die strahlenden Kinderaugen zu sehen, wenn das Feuer angezündet wird. Zudem empfinden sie die aufkommende Stimmung als eine angenehme Atmosphäre, bei der der Aspekt des Teilens und der Teilnahme deutlich zum Vorschein kommt. Für die Jugendlichen und Kinder waren das Martinsfeuer und das Martinsspiel von großer Bedeutung. Für sie waren die Höhepunkte das Anzünden des Martinsfeuers und die Rosinenbrötchen zum Schluss. Für die Eltern war es ein schöner Anlass, um zusammen zu kommen und ihre Kinder mit dem heiligen Martin und seinen Taten vertraut zu machen. Vereinzelte Erwachsene liefen aus Nostalgiegründen beim Martinszug mit, da sie das seit ihrer Jugend praktizieren und sie sich mit dem Martinszug sehr verbunden fühlen. Die Jugendlichen aus der katholischen Kirchenjugendgemeinde haben sich freiwillig gemeldet, um die Laterne zu tragen. Sie freuten sich, ein Teil des Martinszuges zu sein.

Organisation der Brauchveranstaltung

Der offizielle Veranstalter des Martinszuges ist die katholische Martinskirche. Die Organisation übernahmen zum größten Teil die Pfarrei St. Martin und freiwillige Helfer. Der Martinszug wurde rein durch Spenden finanziert. Einzige Kostenfaktoren stellten die Rosinenbrötchen und das Helferessen im Edith-Stein Haus dar. Alle sonstigen Materialien und Utensilien, wie zum Beispiel das Feuerholz, wurden gespendet. Auch die Liedblätter und Kostüme wurden von der Kirchengemeinde und vom Pfarreiamt gestellt. Die Spenden, die eingesammelt wurden, wurden an einen Nothilfefond für bedürftige Kinder der Stadt Kaiserslautern weitergeleitet. Der Martinszug wurde am 7. November in der Rheinpfalz Zeitung mit anderen Umzügen der Region angekündigt. Am 12. November wurde erneut über den Martinszug berichtet. Es wurden kurz der Ablauf und die Stimmung beschrieben. Des Weiteren wurde in knappen Sätzen das Augenmerk auf die bedürftigen Menschen der Stadt Kaiserslautern gelegt, jedoch wurde der Nothilfefonds nicht erwähnt.

Historische Genese - Verbreitung und Forschungsstand

Entwicklung des Martinszuges der Stadt Kaiserslautern

Die Entwicklung des Martinszuges der Stadt Kaiserslautern kann nicht ohne Spekulationen beschrieben werden. Vermutlich wird er seit ca. 30 Jahren ähnlich wie heute durchgeführt. Der Männerkreis beispielsweise ist seit ca. 20 Jahren mit der Organisation des Martinsfeuers beauftragt. Anwohner berichten den Martinszug der Stadt Kaiserslautern seit ca. 30 Jahren so zu kennen, wie er heute abläuft. Diese Zeitzeugenberichte können allerdings nicht durch schriftliche Belege bestätigt werden.

Allgemeine Entwicklung des Brauches

Bereits im „Perikopenbuch aus Monte Cassino, das dem 10. oder 11. Jahrhundert angehört“ werden bezüglich des Martinstages „brennende Lampen“ genannt. Dies bedeutet keineswegs, dass zu dieser Zeit bereits Laternenumzüge stattfanden. Man vermutet, „daß erst die katholische Restauration der erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer allgemeineren Einführung des Laternenzuges am Martinstag geführt habe.“ Die dem exemplarischen Beispiel in der empirischen Dokumentation ähnlichen Martinszüge existieren daher wohl erst seit dem 19 Jahrhundert. Um 1900 entwickelte sich „ein gemeinsamer Martinszug von Kindern mit Laternen […]. Lieder und Gedichte bezogen sich auf den Heiligen […] Die Mantelteilung wurde nachgespielt, ein Martinsfeuer abgebrannt.“ In der Zeit des Nationalsozialismus gab es eine kurzzeitige Unterbrechung des Brauches, der 1945 allerdings direkt wieder aufgegriffen wurde: „Überpfarrlich, schulübergreifend, stadtteilbezogen wurden nun die Martinszüge organisiert, die – religiös und sozial orientiert – das mitmenschliche Helfen stärker in den Vordergrund rückten.“

Allgemeine Verbreitung

Die allgemeine Verbreitung des Martinsbrauches kann man den ADV-Karten 39-42 entnehmen. Der Brauch ist in vielen Regionen Deutschlands vorzufinden, vor allem im Rheinland und am Niederrhein. Aber auch außerhalb von Deutschland ist der Brauch durchaus bekannt, so wird er in der Schweiz, Österreich und den Niederlanden gelebt.

Forschungsstand

Der Forschungsstand scheint in Bezug auf die allgemeine Entwicklung des Brauches sowie deren Teilelemente, z.B. Laternenumzüge, sehr aktuell. Eine gute Übersicht geben z.B. die Nachlagewerke von Moser  und Becker-Huberti. In diesen werden detailliert die verschiedenen typischen Elemente der Martinstagbräuche beschrieben und deren Entwicklung aufgezeigt. Die sehr umfangreiche Literatur zum Martinstag befasst sich allerdings fast ausschließlich mit dem allgemeinen Brauch und sehr wenig mit regionalspezifischen Besonderheiten.

Literatur

  • Becker-Huberti, Manfred: Der heilige Martin. Leben, Legenden und Bräuche. Köln 2003.
  • Döring, Alois: Rheinische Bräuche durch das Jahr. Köln 2007. Moser, Dietz-Rüdiger: Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf. Brauchformen der Gegenwart in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen. Graz, Wien, Köln 1993.
  • Pörnbacher, Hans: Der heilige Martin von Tours. Soldat, Mönch und Bischof. Regensburg 1997.
  • Zender, Matthias: Atlas der deutschen Volkskunde. Neue Folge. Erläuterungen Band 1 zu den Karten NF 1- 36. Marburg 1959-1964.

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