Inhalt
Termin
Dieser Brauch findet am 11.11.2023 statt.Einstiegsinformation

Ablauf
Die empirische Dokumentation bezieht sich auf den Martinsumzug in Furth im Wald am 9.11.2012. Die Feldforschung startete um 16.30 Uhr in der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt, umfasste den Gottesdienst, den Umzug von der Kirche zum Kindergarten und endete mit der abschließenden Martinsfeier auf dem Areal des Kindergartens gegen 20.00 Uhr. Bei der Dokumentation des Martinsumzugs ist die Vorbereitungsphase nicht zu vernachlässigen, da diese ein elementarer Bestandteil des Brauchs ist. Organisiert und durchgeführt wurde die Veranstaltung vom katholischen Kindergarten Sankt Elisabeth. Deshalb wurde in den einzelnen Gruppen des Kindergarten ca. eineinhalb Wochen vor dem Termin begonnen, Laternen zu basteln. Auch wurden in diesem Zeitraum mit den Kindern die Lieder „Sankt Martin, Sankt Martin“, „Da draußen weht der Wind so kalt“, „Laterne, Laterne“ und „Ich gehe mit meiner Laterne“ einstudiert. In der Vorbereitungszeit wurde den Kindern die Geschichte des heiligen Martin von Tours anhand von Kinderbüchern mit den Titeln „Das ist Sankt Martin“ oder „Mein Buch von Sankt Martin“ vermittelt, welche die jeweilige Erzieherin den Kindern vorlas, währende die Kinder in einem Sitzkreis um sie herumsaßen.
Akteure

Veranstaltungsort
Der Performanzraum lässt sich grob in drei Teile untergliedern: 1.) Die Kirche, mit Sitzreihen und Altar, 2.) die Route des Martinszuges und 3.) das Gelände des Kindergartens. In der Kirche spielten sich die meisten Aktionen im Altarbereich ab. Von dort aus sprach der Pfarrer zu den Anwesenden, wurden die Fürbitten gelesen und das fünfminütige Martinsspiel aufgeführt. Die Kinder und Eltern in den Sitzreihen fungierten hierbei nur als Zuschauer und konnten am Geschehen nicht aktiv partizipieren. Der Altarraum war beleuchtet und es brannte im seitlichen Bereich eine Kerze. Für das Martinsspiel wurde keine Kulisse aufgebaut oder Requisiten gereicht, lediglich die beiden Darsteller waren kostümiert. Auch während des Umzugs war auf der Route keine besondere Dekoration der Häuser oder Straßen erkennbar. Auf dem Gelände des Kindergartens war im Eingangsbereich ein Lagerfeuer entzündet, die am Kindergarten angebrachten Außenbeleuchtung, das im Haus eingeschaltete Licht und die sich auf dem Gelände befindenden Straßenlaternen dienten als Beleuchtung.Brauch- und Rollenverständnis
Der Martinsumzug bildet vor allem für die Kinder im Kindergartenalter eine feste Komponente im Jahreslauf der Stadt Furth im Wald. Für die Kinder scheint der Umzug der wichtigste Teil des Brauchs zu sein. Beim Umzug können sie ihre beleuchteten Laternen präsentieren, dürfen die vorher gelernten Lieder singen und ziehen in einem gemeinsamen Zug hinter dem Martinsreiter her. Auch die Person des Heiligen Martin war für die Kinder von großer Bedeutung. Sie kennen die Geschichte um ihn und finden es spannend, diese Person zu sehen. Allerdings gilt hier auch zu berücksichtigen, dass viele Kinder vor allem wegen dem Pferd zum Martinsreiter wollten, um dieses streicheln zu dürfen. Auch war in Furth im Wald vielen Kindern bewusst, dass der Martindarsteller zugleich den „Ritter Udo“ verkörperte, was auf viele eine große Begeisterung ausübte. Das Ritterpaar wird jedes Jahr von einer Jury neu gewählt, das Paar übernimmt während der Amtszeit zahlreiche repräsentative Aufgaben der Stadt, so dass diese zwei Personen während dieser Zeit stark im Interesse der Öffentlichkeit stehen. Die Rolle ist mit einer hohen sozialen Wertigkeit belegt und besitzt eine Statusfunktion. Somit ist die Rolle des Martinsreiters nicht frei zugänglich, sondern dem Ritter des jeweiligen Jahres vorbehalten, was auch zu einer Aufwertung der Rolle des heiligen Martins führt. Der Gottesdienst scheint für die Kinder nur von geringem Interesse, sicherlich auch bedingt durch die fehlende Einbindung der Kinder in das Geschehen und die Dauer. Die Zeitspanne von 45 Minuten schien gerade für die kleineren Kinder doch deutlich zu lang. Die Aufmerksamkeit der Kinder steigerte sich kurzzeitig während des Martinsspieles, aber aufgrund der Kürze und der eher eintönigen Darbietung kehrte auch hier nach kurzer Zeit wieder Unruhe ein. Für den Pfarrer standen klar der Gottesdienst und die Vermittlung der Geschichte des heiligen Martins in Vordergrund. Für die Kindergärtnerinnen bilden die Aktionen rund um den Martinstag ebenfalls einen festen Bestandteil im Kindergartenjahr. Das Basteln der Laternen und das Einstudieren der Lieder ist jedes Jahr fest eingeplant und hat eine zyklische Funktion im Jahr. Durch wiederholtes Erzählen der Geschichte soll sich die Legende in den Köpfen der Kinder verfestigen, so dass ihnen die Thematik für den Gottesdienst und den Umzug bereits bekannt ist. Auch dient die Geschichte des heiligen Martins und das Ausüben des Brauchs als pädagogisches Instrument der Vermittlung moralischer Werte. So wird mit diesen Aktionen den Kindern auf spielerische Weise die Wichtigkeit von Respekt, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe nähergebracht. Auch für die Eltern schient dies oft eine sehr wichtige Komponente zu sein, allerdings ist der Tag für die Eltern oft mit sehr viel Stress und hohem organisatorischem Aufwand verbunden. So meinte eine Mutter sie sei immer froh, wenn der Martinsumzug vorüber ist, da sie in der Kirche ständig versuchen muss ihr Kind zu beruhigen, es während des Umzug ihr Kind an der Hand führen und zusätzlich die Laterne tragen muss. Auch zu Ende des Umzugs hörte man eine Gruppe von Eltern sagen: „So geschafft, da oben gibt’s jetzt einen Glühwein, den haben wir uns heute auch mehr als verdient.“ In den zwei lokalen Zeitungen erschien zum Martinstag nur ein kurzer Artikel, worin dieser als fester Bestandteil des Jahres beschrieben wurde. Ein weiteres mediales Interesse gab es auch in den Vorjahren beim Martinsumzug nicht.Organisation der Brauchveranstaltung
Offizieller Veranstalter des Martinsumzugs in Furth im Wald ist der katholische Kindergarten St. Elisabeth, welcher der katholischen Pfarrgemeinde obliegt. Organisiert wird der Brauch von den Kindergärtnerinnen. Es existiert eine bestimmte Gruppe von Erzieherinnen, welche den Martinstag jährlich organisieren und gestalten. Beworben wurde die Aktion mit Plakaten, die im Schaukasten der Kirche und in etlichen Geschäften in Furth im Wald aushängen. Zudem fand man in den Zeitungen einen kurzen Veranstaltungshinweis und den Eltern der Kindergartenkinder wurde der Termin von den jeweiligen Erzieherinnen genannt.Hintergrund-Infos
In Furth im Wald taucht das erste Mal im Jahr 1977 ein Hinweis auf einen Martinsumzug im Pfarrbrief auf. Eingeführt wurde der Brauch durch den damaligen Stadtpfarrer Sebastian Werner. Von diesem Zeitpunkt an fand der Brauch jährlich immer um den 11.11. herum statt.Allgemeine Entwicklungsgeschichte des Brauches
Der Martinstag steht im Zusammenhang mit Fastenzeit vor Epiphanias der „quadragesima sancti Martini“. Um das Jahr 480 n. Chr. wurde diese Fastenzeit erstmals durch den Bischof Perpetuus von Tours angeordnet. Ab dem Martinustag sollten wöchentlich drei Fastentage bis Weihnachten eingehalten werden. Im Jahr 581 n.Chr. wurde diese Fastenzeit bei der Synode von Macon bestätigt. Der Martinstag selbst ist belegbar seit der Amtszeit von Papst Gelasius zwischen 492 n. Chr. und 496 n. Chr. Die Fastenzeit umfasste zu damaliger Zeit das Fasten im Bezug auf Nahrung, aber auch den Ausschluss von Rechtsgeschäften. So galt der Martinstag zum einen als letzter Schlachttag vor der Fastenzeit, an welchem viele Gänse geschlachtet wurden, um die Vorräte für den Winter zu sichern und zum anderen als wichtiger Zins- und Handelstag, an welchem es noch möglich war, dringliche Geschäfte zu erledigen. Im Rheinland wurde bereits seit dem Mittelalter am 11. November zu Ehren des Heiligen Martin, dem Schutzpatron des Weins immer auch der neue Jahrgangswein verköstigt. Die Protestanten schafften den Brauch nicht ab, sondern versuchten ihn auf ihren Reformer Martin Luther zurückzuführen, was heute noch an einigen Martinsliedern erkennbar ist. Der Martinstag kennzeichnete zugleich den Beginn eines neuen Wirtschaftsjahres. An diesem Tag fanden der Gesindewechsel sowie der Almabtrieb statt und es war zudem ein wichtiger Markttag, welcher mit Tanz und Festessen gefeiert wurde. So soll der Heischebrauch am Martinstag bereits im Mittelalter praktiziert und mit der Legende um den Heiligen Martin begründet worden sein. Hier bettelten allerdings arme Leute um die Reste des Festtagsessens. Das Schenken der Reichen an die Armen am Martinstag lässt sich noch bis ins 18. Jahrhundert nachweisen und verschwand erst mit der Aufklärung. Der heilige Martin von Tours war der erste „Bekenner“, also der erste geheiligte Nichtmärtyrer. Er wurde 316/317 in Pannonien als Sohn eines römischen Tribuns geboren und wendete sich den Überlieferungen zufolge sehr früh dem Christentum zu. Trotzdem wurde er zuerst römischer Soldat und ließ sich erst später taufen. Um 370 gründete er das Klosters Ligugé bei Poitiers und 371 wurde er durch einen Volksentscheid zum Bischof von Tours ernannt. Er starb um das Jahr 400. Das zentrale Element seiner Legende bildet die Mantelteilung, welche Suplicius Severus in seinem Werk „Vita Sancti Martini“ festgehalten hat. Er soll vor dem Tor Amiens seinen Mantel mit dem Schwert in zwei Hälften geteilt haben, um die eine Hälfte einem frierenden Bettler zu geben. Wenig später soll sein Mantel der Legende nach wieder ganz und unversehrt gewesen sein. Der Heiligen Martin von Tours ist vor allem in Frankreich Patron vieler Kirchen. „In der Brauchpraxis des Martinstages besitzt Licht – sei es in Form von Lampen, Feuer oder Laternen – seit Jahrhunderten eine zentrale Bedeutung.“ Aus Liedern lässt sich das Martinsfeuer im Rheinland bis ins 16. Jahrhundert zurück nachweisen. Es wurde durch Jugendliche entzündet und führte des Öfteren zu Streitigkeiten und Raufereien zwischen verfeindeten Gruppen, weil sie gegenseitig versuchten, das Feuer der anderen verfrüht zu entzünden.Das Hinzuziehen von Licht am Martinstag ist einer der ältesten überlieferten Brauchkomponenten, durchlebte allerdings einen Funktionswandel. Die Laternenumzügen sind allerdings nicht auf die Legende des Heiligen Martins zurückzuführen, sondern auf die Lucerna-Perikope am Martinstag. In der Perikopenordnung des Missale Romanum werden die Gläubigen dazu aufgefordert, Kerzen und Laternen zu entzünden, um sich durch das Symbol des Lichts zu Gott bekennen. So kam es im Laufe der Zeit zu einer Verknüpfung zwischen der Verehrung des Heiligen Martins und der Lucerna-Perikope. Eine Kontinuität der Laternenzüge vom Mittelalter bis heute lässt sich allerdings nicht herstellen. Zur flächendeckenden Verbreitung des Laternenzugs am Martinstag kam es vermutlich erst im Zuge der Restauration im 19. Jahrhundert. Während er Nazi-Zeit wurde der Brauch untersagt, da er als nicht ideologisch galt. Erst nach 1945 wurde der Brauch am Martinstag wieder aufgegriffen, jetzt war und ist er allerdings in erster Line ein Kinderfest, verbunden mit einem pädagogischen Charakter.Allgemeine Verbreitung des Brauches
Am längsten ist der Brauch des Martinsumzugs innerhalb Deutschland im Rheinland nachweisbar. Dort wurde er ab Beginn des 20. Jahrhundert durch Vereine und Schulen von seinen teilweise exzesshaften Ausuferungen zu einem „pädagogisch wertvolle(n) Brauch“ umfunktioniert. Im südlichen Teil Deutschlands wird er zum großen Teil erst seit den 1970er Jahren praktiziert, hervorgerufen durch die Pädagogik-Debatte. Nachverfolgen lässt sich die Verbreitung der Bräuche am Martinstag, wie das Martinslied oder der Martinssegen, innerhalb Deutschlands auch im Atlas der deutschen Volkskunde. Im Süden und im Südosten des deutschen Sprachgebiets sind im Bezug auf den Martinstag andere Bräuche belegbar, so wurde vom 17. bis ins 20. Jahrhundert in diesen Gebieten der Martinssegen ausgesprochen. Er diente zum Schutz des Viehs, da der Heiligen Martin auch als Schutzpatron bei Viehseuchen gilt. In diesem Zusammenhang muss auch das „Wolfauslassen“ im Bayer- und Böhmerwald am Vorabend oder am Martinstag selbst gesehen werden.Forschungsstand allgemein
Die historische Genese und den Ursprung des Brauchs des Martinsumzugs ist in der Literatur sehr gut abgehandelt und nachvollziehbar. Über die Ausübung des Brauchs in der heutigen Zeit findet sich in der Literatur allerdings sehr wenig und wenn, dann wird nur eine sehr allgemein gefasste Beschreibung des Brauchs gegeben; regionalspezifische Praktiken und Unterschiede werden nicht beachtet. Auch werden weder die einzelnen Trägergruppen vorgestellt noch die Funktion des Brauchs für diese analysiert.Literatur
- Becker-Huberti, Manfred: Der heilige Martin. Leben, Legenden und Bräuche. Köln 2003.
- Cüppers, Dorothea/Meyer, Birgit: Mein Buch von Sankt Martin. Münster 2003.
- Daniel Drascek:... eure Lampen sollen brennen. Zum Bedeutungswandel der Lichtermetaphorik von Martinsbräuchen im Kontext von Perikopenforschung und Predigtliteratur. In: Michael Prosser-Schell (Hg.): Szenische Gestaltung christlicher Feste. Beiträge aus dem Karpatenbecken und aus Deutschland. Münster u.a. 2011 (Schriftenreihe des Johannes-Künzig-Instituts, hg. von Werner Mezger, Bd. 13), S. 11-28.
- Happ, Martin: Alte und neue Bilder vom Heiligen Martin. Brauchtum und Gebrauch seit dem 19. Jahrhundert. Köln 2006.
- März, Lene/ Janßen Rilke: Das ist Sankt Martin. Stuttgart/Wien 2009.
- Mezger, Werner: Der Martinstag. Brauchtum im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Katechese. In: Ritt, Hubert (Hg.): Gottes Volk. Bibel und Liturgie im Leben der Gemeinde 8. Stuttgart 1988, S. 116-128.
- Moser, Dietz-Rüdiger: So leuchte Euer Licht vor den Menschen. In: Ders.: Bräuche und Feste durch das ganze Jahr. Freiburg 2002, S.23-36.
- Zender, Matthias: Atlas der Deutschen Volkskunde. Neue Folge. Erläuterungen Band 1 zu den Karten NF1-36. Marburg 1959-1964.
Guten Abend, ich wollte mich darüber informieren, ob auch in diesem Jahr der Martins Umzug statt findet. Wir würden sehr gerne daran teilnehmen
M f G
Andrea Werner
Sehr geehrte Frau Werner,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Am besten fragen Sie bei den Veranstaltern in Furth in Wald nach. Die Kommunalverwaltung sollte Ihnen hier weiterhelfen können.
Aufgrund der aktuellen Coronasituation entscheiden die jeweiligen Veranstalter das immer direkt vor Ort.