Machtübernahme der Narren

Einstiegsinformation

Vielerorts wird zu Beginn der Fastnachtszeit das Rathaus von den Narren symbolisch erstürmt. Sie „zwingen“ damit die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister, den Rathausschlüssel zu übergeben. Dadurch wird die Ordnung auf den Kopf gestellt, denn die Narren übernehmen während der sogenannten „fünften Jahreszeit“ das Regiment.

Der Rathaussturm, das Krawattenabschneiden und der Narrenbaum

Protagonistinnen und Protagonisten des Rathaussturms sind regional verschieden, ebenso der genaue Ablauf.

In der Rhön wird das Spektakel beispielsweise mit einem Kanonenschuss eingeleitet. In Oberelsbach stürmen die Narren mit Hilfe eines Rammbocks das Rathaus und reißen die Regierung an sich. In Düsseldorf sind es die sogenannten „Möhnen“, also die Frauen. Der Oberbürgermeister muss den Rathausschlüssel an die „Prinzessin Venezia“ abgeben, die diesem darüber hinaus auch noch die Krawatte abschneidet. Die Krawattenjagd ist ein Brauch, der seit den 1960er Jahren in Deutschland flächendeckend verbreitet ist. Die Frauen schneiden hier, meist zur „Weiberfastnacht“ (Donnerstag vor Rosenmontag), den Männern die Krawatten ab. Auch dieser Brauch ist als Machtübernahme zu verstehen, hier kommt allerdings auch die Bedeutung der weiblichen Machtdemonstration zum Tragen. Manche sprechen hier gar von einer symbolischen Kastration des Mannes, da die Krawatte ein typisch männliches (phallisches?) Kleidungsstück ist. In Bonn-Beuel ist der Rathaussturm der Wäscherinnen, dem ersten Damenkomitee (gegründet 1824), bereits im Jahr 1949 belegt. In Köln eröffnet das Dreigestirn, bestehend aus Bauer, Jungfrau und Prinz, die Session. In Weißensberg (Bodensee) beginnt das närrische Treiben mit der Entmachtung des Stadtrats, der aus dem Rathaus vertrieben wird. Zugleich wird ein „Narrenbaum“ aufgestellt. In Mindelheim (Unterallgäu) könnten Bürgermeister und Angestellte den Rathaussturm abwehren, indem sie zehn närrische Forderungen erfüllen. Die Aufgaben sind vielfältig gewählt, dienen aber immer der Belustigung. Doch bisher ist es nie gelungen, den Ansturm tatsächlich zu vereiteln. Gesang, Tanz und das gemeinsame Essen und Trinken gehört hier zur Fastnacht dazu. Auch in Mindelheim wird ein Narrenbaum aufgestellt. Der Brauch, zur Fastnacht als Zeichen des närrischen Regiments, einen Narrenbaum zu errichten, stammt vermutlich aus dem Raum Stockach und Konstanz (Bodensee) und wird seit dem 19. Jahrhundert mancherorts praktiziert. Der närrisch verzierte Baum, an einen Maibaum erinnernd, wird von den Narrenzünften in einem festlichen Akt aufgestellt.

Weblinks

Literatur

  • Böhm, Elke: Masken. Volkskunst und Brauchtum der Rhön. München 2002.