Lindauer Kinderfest

Termin

Dieser Brauch findet am 24. Juli 2024 statt.

Einstiegsinformation

Das Lindauer Kinderfest ist das größte Heimatfest und eine Art „Nationalfeiertag“ in Lindau am Bodensee und in den Herzen der Lindauer Bewohner fest verankert. Es ist längst nicht nur ein Fest der Kinder, ehemalige Lindauer aus aller Welt kommen zu diesem Tag in ihre Heimatstadt zurück. Auch heute noch soll das Fest ein Bekenntnis zur Heimat und zum Vaterland sein. Die Bindung zur Heimat soll gestärkt und die Liebe zur Stadt vertieft werden. Das Kinderfest findet immer am letzten Mittwoch vor den bayrischen Sommerferien statt und 2005 wurde es zum 350. Mal gefeiert.

Ablauf

Das Kinderfest findet heute immer noch nach traditionellem Ablauf statt. Morgens um 06.00 Uhr werden Böllerschüsse von der Thierschbrücke abgeschossen. Anschließend marschieren die Musikkapellen zum Rathaus. Dort spielen sie ein kurzes Platzkonzert, bevor sie gemeinsam mit den Trommlerzügen und Spielmannszügen über die Insel marschieren, um die Bewohner zu wecken. Die Schulkinder und ihre Lehrer und Betreuer versammeln sich in ihren Stadtteilen, um gemeinsam zum Gottesdienst zu gehen. Im Anschluss daran machen sie sich gemeinsam auf den Weg zur Insel. Dort reihen sich die Kinder aus den Inselschulen in den Festzug ein. Der Weg des Festzuges geht durch die Ludwigstraße, über den Reichsplatz zur Seehafenpromenade und von dort über den Bahnhofsplatz durch die Maximilianstraße zum Bismarckplatz vor dem alten Rathaus. Alle Kinder sind festlich angezogen, die Mädchen haben Blumenkränze im Haar und tragen Blumenkörbe oder Blumenbogen, die Jungen tragen Fahnen (Lindauer Fahne, Bayernfahne, Deutschlandfahne oder Europafahne), die an der Spitze ebenfalls mit Blumen geschmückt sind. Die Bewohner, deren Häuser zum Festzug hin zeigen, werden gebeten, ihre Fassaden mit Fahnen oder Fähnchen zu schmücken. Auf dem Bismarckplatz findet dann um 09.30 Uhr der Festakt vor dem Rathaus statt. Die Oberbürgermeisterin/der Oberbürgermeister von Lindau hält eine Ansprache. Jedes Jahr ist außerdem ein anderer Stadtteil an der Reihe, aus dem meist zwei Kinder einer Schule ein Dankgedicht vortragen. Außerdem singen alle versammelten Kinder und Erwachsene gemeinsam das Kinderfestlied „Lindau hoch“. Beendet wird der Festakt vor dem Rathaus mit der dritten Strophe des Deutschlandliedes (Nationalhymne). Immer wieder lassen die Kinder und Erwachsenen ihre Stadt hochleben. Dazu antwortet die versammelte Menge auf ein zugerufenes „Lindau“ mit einem lauten „Hoch!“. Die Fahnen und Blumenbögen werden dabei in die Höhe gehalten. Alle Kinder marschieren nach Beendigung des Festaktes vor dem Rathaus gemeinsam ab und gehen zu verschiedenen Ausgabestellen, an denen jedes Kind eine Tasche erhält, die eine Butschelle, einen Schübling, etwas zu Trinken und Gutscheine für die Festplätze enthält. Die Kinder gehen anschließend zum Mittagessen nach Hause, bis der zweite offizielle Teil des Kinderfestes beginnt. Um 14.00 Uhr versammeln sich die Schüler erneut mit ihren Lehrern in ihren Stadtteilen, was wiederum durch Böllerschüsse eröffnet wird. Sie gehen gemeinsam zu den Kinderfestplätzen in den jeweiligen Stadtteilen, wo ab etwa 14.30 Uhr organisierte Spiele wie beispielsweise „Würstleschnappen“ oder „Garnwickeln“ stattfinden. Auf den Festplätzen gibt es Fahrgeschäfte wie Autoscooter oder Kettenkarussel, Buden und Bewirtung durch die Musikvereine. Zur Unterhaltung spielen Musikvereine, Trommlerzüge und Spielmannszüge. Abends lassen die „großen Kinder“, die Erwachsenen, das Kinderfest gemütlich bis etwa Mitternacht ausklingen. Das Fest findet bei jedem Wetter statt und wird nicht verschoben, die Eltern haben bei ihren Kindern für angemessene Kleidung zu sorgen. Bei sehr schlechtem Wetter wird das Programm vor dem Rathaus an das Wetter angepasst.

Hintergrund-Infos

Geschichte

Das Lindauer Kinderfest entstand nach dem 30-jährigen Krieg, als Lindau nicht mehr durch Schweden belagert wurde. Der 30-jährige Krieg endete aufgrund des Westfälischen Friedens und Lindau erhielt die politische und konfessionelle Eigenständigkeit wieder, was zu einem großen Teil Verdienst von Valentin Heider war. Valentin Heider war zu dieser Zeit Ratsherr von Lindau und Vorsitzender des Kirchen- und Schulrates. Er vertrat Lindau außerdem bei den Friedensverhandlungen in Osnabrück. Nach Valentin Heider ist das Valentin-Heider-Gymnasium in Lindau benannt. Entstehungsjahr des Kinderfestes ist das Jahr 1655. Es gibt zwei Ereignisse, die sich zum Lindauer Kinderfest vereinigten: Einerseits die Feier zum 100-jährigen Religionsfrieden in Augsburg, andererseits die von Valentin Heider eingeführten Schulpredigten und Schulspeisungen: Die Stadt Lindau wurde durch ihre Insellage vor größerer Zerstörung im 30-jährigen Krieg geschützt, allerdings verwahrloste die Schuljugend über die lange Kriegszeit. Der Stadtsyndikus Valentin Heider führte daraufhin Schulpredigten und Schulspeisungen ein. Die Schulpredigten richteten sich nicht nur an die Kinder, sondern auch an deren Eltern, die an eine pflichtbewusste Erziehung erinnert werden sollten und ihre Kinder daraufhin dazu bringen sollten, ihre Lehrer zu achten und regelmäßig in die Schule zu gehen. Ziel war also, die Schüler wieder auf den rechten Pfad der Tugend zu führen. Diese Schulpredigten und Schulspeisungen sind heute noch Kern des Festes. Statt einer Schulpredigt hält das derzeitige Stadtoberhaupt, die Oberbürgermeisterin oder der Oberbürgermeister eine Ansprache und statt den Schulspeisungen werden Butschellen und Schüblinge an die Kinder verteilt. Bereits im Jahr 1662 gibt es zum ersten Mal einen Bericht im Ratsprotokoll über den Ablauf des damaligen Kinderfestes, das dem heutigen Kinderfest bereits sehr ähnlich ist. Beschrieben wurde das Wecken morgens um 06.00 Uhr, der Festgottesdienst, der feierliche Umzug durch die Stadt, die mit Blumen geschmückten Mädchen, Unterrichtsbefreiung in der ganzen Stadt und die Ausgabe der Butschellen. In der Zeit zwischen diesem Jahr und heute musste das Kinderfest allerdings oft ausfallen, beispielsweise in Kriegsjahren oder bei Geldmangel. Auch wurde zwischenzeitlich überlegt, das Kinderfest ganz aufzuheben oder in anderer Art und Weise weiterzuführen. Es ist also etwas ganz Besonders, dass es das Kinderfest in der heutigen Form immer noch gibt. Seit 1945 findet das Lindauer Kinderfest jedes Jahr statt und seit 1965 feiern jedes Jahr Kinder aus Lindaus Partnerstadt Chelles (Frankreich) mit. Im Jahr 2005 fand das Lindauer Kinderfest zum 350. Mal statt. Bereits im März wurde eine Kinderfestlinde am Kleinen See gepflanzt. In diesem Jahr erhielten alle Kinder, Betreuer und Helfer eine Jubiläumsmedaille. Diese Medaille sollte am Tag des Festes von allen getragen werden. Außerdem gab es eine große Ausstellung mit Bildern und Gedichten von Schulkindern, die im Rahmen eines Malwettbewerbs 2004 entstanden. In der Maximilianstraße in Lindau gibt es einen Kinderfestbrunnen, auf dem ein Kinderfestpaar mit Fahne und Blumenbogen zu sehen ist.

Organisation und Finanzierung

Finanziert wird das Lindauer Kinderfest überwiegend aus Spenden der Lindauer Bürger, Betriebe und Banken. Jedes Jahr gehen dazu Kinderfestsammler von Tür zu Tür, um für das Fest zu sammeln. Vormittags wird das Kinderfest ausschließlich von der Stadt organisiert. Die Gestaltung des Nachmittags liegt jedoch in der Verantwortung der einzelnen Kinderfestausschüsse, die es für jeden der Stadtteile von Lindau (Altstadt, Aeschach-Hoyren, Zech, Ober-/Unterreitnau und Reutin) gibt. Ohne diese Ausschüsse, die freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen und die Spenden der Lindauer Bürger könnte das Kinderfest nicht jährlich stattfinden.

Rolle der Lehrkräfte

Da das Lindauer Kinderfest seit seiner Entstehung ein Schulfest ist, bleibt die Schule nicht unberührt. Schon vor dem Festtag nehmen Grundschullehrer im Heimat- und Sachunterricht die Geschichte des Kinderfestes durch. Dafür steht innerhalb der normalen Unterrichtszeit genügend Zeit zur Verfügung, um die Vorfreude auf das Fest zu wecken und zu vergrößern. Außerdem üben die Lehrkräfte gemeinsam mit den Schülern das Kinderfestlied „Lindau hoch“ ein. Am Tag des Kinderfestes begleiten die Lehrkräfte die Kinder zum Gottesdienst und während des Festumzugs. Ihre Aufsichtspflicht endet erst am Nachmittag mit Beginn der organisierten Spiele.

Kinderfestlied

Erstmals abgedruckt wurde das Kinderfestlied 1845 in einem kleinen Heft „Das Kinderfest zu Lindau nach Entstehung, Bedeutung und Schicksalen“. Bis heute ist nicht geklärt, wer der Verfasser des Kinderfestliedes ist oder woher es kommt. Der Text des Liedes geht folgendermaßen:
Lindau Hoch Wie beglückst du doch! Wenn wir deinen Namen nennen wird das Herz so froh bewegt. Wenn wir deinen Wert erkennen unsre Brust noch höher schlägt. Gott mit dir, für und für! Seine Segenshand sei dir zugewandt. Lindau Dir danken freudig wir! Wo der Jugend frohe Tage seltne Liebe festlich schmückt, wo uns frei von Sorg und Plage Jugendlust so hoch entzückt. Lindau dir danken wir! Gottes Segenshand sei dir zugewandt. Lindau Hoch Lange Jahre noch weile Gottes Huld und Frieden über dir - dies schöne Los sei vom Himmel dir beschieden mache glücklich dich und groß! Gott mit dir, für und für! Seine Segenshand sei dir zugewandt.

Butschelle

Die Butschelle ist ein süßes Gebäck mit Rosinen, das nur am Kinderfesttag in Lindauer Bäckereien erhältlich ist. Der Name leitet sich vom lateinischen Wort „buccela“ bzw. „bucella“ ab, was übersetzt „kleiner Bissen“ heißt. Schon vom allerersten Kinderfest gibt es Berichte von der Verteilung dieses Gebildbrotes, damals auch noch als Mutschelle bekannt. Die Butschelle selbst gibt es aber schon weitaus länger, sie wurde bereits im 16. Jahrhundert als milde Gabe an arme Kinder verteilt.

Weblinks

Literatur

  • Festschrift zum Jubiläum 350 Jahre Lindauer Kinderfest, herausgegeben vom Kinderfest-Hauptausschuss 2005, verantwortlich: Sternbeck, Peter. Lindau 2005. S. 11-17 (Rückblick auf 25 Jahre Kinderfest von Peter Sternbeck) und S. 48-66 (Geschichte des Lindauer Kinderfestes von Werner Dobras) und S.67 (Kinderfestlied).
  • Festschrift zum 325-jährigen Bestehen des Lindauer Kinderfestes, herausgegeben vom Kinderfest-Hauptausschuss 1980, verantwortlich: Hans Vogel, Texte von Walter Götzger, Manfred Maurer, Werner Dobras. Lindau 1980.
  • Bachmann, Karl: Lindauer Chronologie. Lindau 1978. S. 49-53

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