Hutzelfeuer

Einstiegsinformation

Das Hutzelfeuer ist ein traditioneller Brauch im Gebiet der Rhön, also dem Grenzgebiet der Länder Bayern, Hessen und Thüringen. Am ersten Sonntag in der Fastenzeit lodern bei Einbruch der Dunkelfeuer die Hutzelfeuer in vielen Dörfern und Gemeinden der Rhön und Umgebung, um den Winter zu vertreiben.

Ablauf

Durchführung des Hutzelfeuers

In diesem Dorf ist der typische Ablauf des Brauchs wie folgt:

Bereits im November sammeln die „Hutzeljungs“ einmal die Woche Holz im Wald. Nach der Weihnachtszeit, wenn die Dorfbewohner ihre Tannenbäume entsorgt haben, werden diese ebenfalls eingesammelt. Sobald im Frühjahr die ersten Gartenabfälle anfallen, fahren die „Hutzeljungs“ und die Landwirte durchs Dorf und laden das Brennmaterial aus dem Garten und die Holzabfälle auf die Anhänger der Traktoren auf. Diese Vorgehensweise erfolgt drei- bis viermal die Woche, sodass am Ende genug Feuerholz vorhanden ist. Das gesammelte Holz wird auf einer vorher freigegeben Fläche zu einem „riesen Haufen aufgeschichtet“. Meist ist die Fläche ein Acker eines Landwirtes aus dem Dorf. Die „Formen des Holzhaufens variieren je nach Dorf“. In dem Dorf Wiesn, wird jedes Jahr ein großer „Würfel“ aufgeschichtet mit einer „gebastelten Holzpuppe als Hutzel-Hex“, an der Spitze des Haufens. Am Vortag des „Hutzelfeuers“ halten die „Hutzeljungs“ Nachtwache, um den aufgeschichteten Haufen zu bewachen. Sie teilen sich in Gruppen auf und jede Gruppe übernimmt eine Schicht. Am ersten Sonntag in der Fastenzeit wird der Brauch mit Einbruch der Dunkelheit durchgeführt. Morgens wird zuvor der „Holzhaufen“ mit Stroh präpariert, sodass er am Abend ohne Komplikationen entflammt werden kann.  Um die Mittagszeit ziehen die „Hutzeljungs“ durchs Dorf, von Tür zu Tür und sammeln Geld als „Belohnung für ihre tüchtige Arbeit“. Am Abend, kurz vor 19 Uhr, versammeln sich die ganzen Dorfbewohner und Gäste aus den naheliegenden Dörfern um das „Hutzelfeuer“. Für Getränke und deftiges Essen ist gesorgt. Um Punkt 19 Uhr, werden Fackeln angesteckt und den „Hutzeljungs“ übergeben. Diese versammeln sich um den aufgetürmten Holzhaufen, laufen drum herum und beten dabei das „Vater Unser“. Auf lautem Schrei: „Feuer“ vom „Hutzelbock“, wird der Holzhaufen entflammt. Die Besucher warten gespannt darauf, bis die „Hutzel-Hex“ abgebrannt ist und lassen den Abend mit gutem Essen und Trinken ausklingen, bis das „Hutzelfeuer“ nur noch lodert.

Akteure

Die Hauptakteure dieses Brauchs sind die sogenannten „Hutzeljungs“. Die „Hutzeljungs“ sind überwiegend Jungs aus der Dorfjugend im Alter zwischen 10 und 20 Jahren, die sich auf freiwilliger Basis um die Organisation und den Aufbau des Hutzelfeuers kümmern. Die „Hutzeljungs“ sind keine festgelegte Gruppe. Jeder der möchte darf sich ihnen anschließen, oder wieder austreten. Häufig sind es auch die Ministranten, die den „Hutzeljungs“ beitreten. Bei den „Hutzeljungs“ ist die klare Dominanz der Männer deutlich zu erkennen. Kaum ein Mädchen bzw. eine Frau tritt den „Hutzeljungs“ bei. Meist lösen sich die „Hutzeljungs“ mit dem Schulabschluss auf und werden durch die nachfolgende Dorfjugend ersetzt. Der Älteste von den „Hutzeljungs“ wird als „Hutzelbock“ bezeichnet. Er wird als Autoritätsperson anerkannt und akzeptiert. Der Hutzelbock nimmt eine wichtige Rolle ein, da er in der Hierarchie ganz oben steht und „das Sagen hat“. Der „Hutzelbock“ trägt die Verantwortung für die Organisation des Brauchs und das Zusammenspiel der „Hutzeljungs“. Die „Hutzeljungs“ sind normalerweise unter den Dorfbewohnern bekannt und benötigen keine extra Kennzeichnung, durch Kleidung oder ähnliches. Die meisten Dorfbewohner pflegen einen guten Umgang mit den „Hutzeljungs“, da diese ihre verwertbaren Holzabfälle übernehmen und sie einen wichtigen Teil des Brauchs darstellen. Weitere wichtige Akteure bei der Vorbereitung des Brauchs sind die Landwirte, „ohne die das „Hutzelfeuer“ nicht möglich wäre“. Auch die Landwirte stellen sich und ihre Traktoren freiwillig zur Verfügung, um das Feuerholz zu transportieren und aufzuschichten. Meist sind daran mehrere Landwirte beteiligt, die sich untereinander abwechseln und gemeinsam helfen. Das Publikum ist sehr heterogen und nicht genau definiert. Neben den ganzen Dorfbewohnern, kommen auch viele Gäste aus den naheliegenden Dörfern, um das „Hutzelfeuer“ mit zu erleben. Ob Jung oder Alt, Familien oder Alleinstehende, alle sind vertreten und herzlich willkommen. Die Besucherzahl variiert zwischen 100-150 Personen.

Brauch- und Rollenverständnis

Die Rollen bei der Organisation des Brauchs sind klar verteilt. Die „Hutzeljungs“, die Landwirte und alle freiwilligen Helfer bilden die Hauptakteure, um den Brauch beständig zu halten. Unter den „Hutzeljungs“ gibt es eine klare hierarchische Ordnung. Der sogenannte „Hutzelbock“ übernimmt die Verantwortung und führende Rolle bei der Organisation und Durchführung des Brauchs. Der „Hutzelbock“ wird bestimmt durch sein Alter. Er ist der Älteste und somit erfahrenste der Gruppe. Innerhalb der Gruppe hat er Ansehen und wird als Führender akzeptiert. Die Hauptakteure habe im Dorf allgemein ein hohes Ansehen und werden für ihr Engagement geschätzt. Die Allgemeine Bedeutung des Brauchs liegt in der Vertreibung des Winters. Die „Hutzel-Hex“ symbolisiert dabei den Winter, der nun „verbrannt“ wird. Der Brauch wird von den Akteuren und Besuchern jedoch auch sehr individuell wahrgenommen. Für meinen Interviewpartner beispielsweise steht vor allem das Beisammensein mit allen Dorfbewohner im Vordergrund. In seinen Augen wird ein „gemütlicher Abend mit dem gesamten Dorf am Feuer verbracht, die Gemeinschaft wird gestärkt und alle kommen in Kontakt“. Desweiteren betont mein Interviewpartner die Veränderung des Brauchs im Dorf. Der eigentliche Brauch weicht immer weiter zurück und im Mittelpunkt steht die Attraktion des großen Feuers, v.a. für die jüngere Generation. Auch die Besucheranzahl nimmt immer mehr ab und die „Hutzeljungs“ sind nicht mehr so „engagiert und fleißig wie früher“, als mein Interviewpartner selbst noch einer der Hauptakteure war. Der typische Ablauf des Brauchs variiert heut zu Tage ebenfalls. Vor einigen Jahren war die Einkehr der „Hutzeljungs“ bei den Landwirten, sobald das Hutzelfeuer abgebrannt war, Tradition. Dort wurden sie mit den „selbstgemacht Spezialitäten versorgt“. Diese Tradition verlor an Bedeutung und wird zur jetzigen Zeit nicht mehr praktiziert. In den Medien (Fuldarer Nachrichten) wird der Brauch weiterhin als besonders betrachtet. Der Landrat Woide und Erster Kreisbeigeordneter betonen, „Hutzelfeuer sind Teil unserer Identität im Landkreis Fulda. Wird sind den engagierten Feuerwehren, Messdienern und allen anderen Ehrenamtlichen sehr dankbar dafür, dass sie diese Tradition mit Leben erfüllen“ (Januar, 2014)

Organisation der Brauchveranstaltung

Die Brauchveranstaltung zeichnet sich dadurch aus, dass es mehr oder weniger eine „Selbstorganisation innerhalb des Dorfes“ ist. In früheren Zeiten hatte der „Hutzelbock“ die alleinige Verantwortung für die Organisation und die Durchführung des Brauchs gehabt. Mittlerweile treten neben den „Hutzeljungs“ und den Landwirten auch Vereine und z.T. die Feuerwehr in Kraft, um den Brauch weiterhin mit Leben zu befüllen.

Varianten

Bei weiteren Recherchen, unter anderem im Internet, habe ich interessante Informationen über ähnliche Feuerbräuche in anderen Regionen entdeckt.

Das sogenannte Hutzelfeuer gehört zur den Fastnachts- bzw. Frühlingsfeuern, die in verschiedenen Gegenden Mittel- und Südwestdeutschlands zu Beginn der Fastenzeit aufloderten. Die Fastnachtsfeuer führen je nach Gegend verschiedene Namen. Die Bezeichnung „Hutzelfeuer“ findet man nur in der Rhön und um Fulda. Die ersten Spuren des Hutzelfeuers in Deutschland reichen bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts. Ursprünglich erschien das Feuer am Hutzelsonntag in den fuldischen Dörfern in mehreren Formen, unter anderem als am Berghang angezündete Scheiterhaufen, als brennende Bläse (Fackeln) oder als vom Berg hinuntergerollte Feuerräder. In der schwäbischen Region ist diese Feuerzeremonie auch als Funkenfeuer bekannt. Am Funkensonntag (erster Sonntag der Fastenzeit) wird auf einer Berghöhe ein großer, hoher Haufen Abfallholz aufgestapelt. In der Mitte des Holzhaufens wird die „Funkenhexe“ an einer langen Stange aufgesteckt. Nach altem Volksglauben, soll die Verbrennung der „Funkenhexe“ den Winter vertreiben.

Hintergrund-Infos

Entwicklungsgeschichte

Eine weitere, sehr alte Quelle dieses Artikels, ist das Taschenbuch „Rhönspiegel“, aus dem Jahre 1892. In diesem Taschenbuch werden kulturgeschichtliche Arbeit, Sitten und Bräuche der Rhöner beschrieben, u.a. auch das „Hutzelfeuer“.
In dieser Quelle heißt es, am ersten Fastensonntag, wenn es Abend geworden ist, ziehen die Schulknaben mit langen „Strohfadeln“ auf den nächstgelegenen Berg. Bei Anbruch der Dunkelheit entflammen sie ihre „Strohfadeln“. In langer Reihe, kreisförmig, in „Windungen“ oder die „Fadeln“ um sich schwingend, so dass ein „feuriger Kreis gezogen wird, laufen die Schulknaben herab ins Dorf.
Dort gehen sie von Haus zu Haus und „haischen“ Eier, Hutzel (gedörrte Zwetschken, Birnen und Apfelschnitz) und Fleisch, indem sie für diese dreifache Spende je einen Spruch haben, nämlich für die Hutzeln:

Hutzelstielie, he,
Macht mer Feuer in ` Ofe,
Stoßt mer net die Kachel i,
Es räucht mer in die Stube.
Von der Stube bis in Er`n,
Die kleine Maje hon ich gern,
Die große noch viel lieber.
Ich bin der kleine König,
Gebt mer net zu wenig.
Laßt mich net so lange stehn,
Denn ich muß noch weitern gehen.

Ziljes kalle Ärbes,
Mit Huitzelbrüh geschmälzt!
Wollt eu´ons kei Huitzel gä´;
Soll euch der Boum kei´Birn mehr trä´;
Hat´ons die Huitzel mit sammt dem Stiel,
Es senn´r unser gar zu viel.
Schäba hi´, Schaba her,
Gat´r ons die beste Huitzel her. Für das Fleisch:
Dobe im Firscht
Hange die lange Würscht,
Dob´n Schornstei´
Hänge die alte Säubei´
Ga´t uns die lange,
Laßt die kurze Hange! Für die Eier:
Dönge in´m Käller
Steht a Korb voll Eier,
Ga´t uns die frösche,
Laßt die alte wösche. Wenn sie ihren Anteil erhalten haben, rufen sie:
Habt ihr uns gegeben,
Behüt euch Gott das Leben,
Und übers Jahr-da kommen wir
Und haischen wieder vor eurer Thür.

Wenn ihnen die „Beute“ nicht groß genug ist, oder wenn sie die Leute „ärgern wollen“, dann kommt ein Spottvers, der nicht „brudjähig“ ist und der so beginnt:

Hops, Gretel, hops,
Wie schlappert dir der Motz`,

und mit einem „langgedehnten Dürrhof endigt“.

Wenn sie sich dabei erwischen lassen, bekommen sie ein „Kübel Wasser über den Kopf- was aber den kleinen Freibeutern unendlich Spaß bereitet“. Das was erbeutet wurde, wird untereinander aufgeteilt.
Da dieser Brauch in allen Dörfern und „Weilern geübt wird und zwar trotz des schlimmsten Wetters, so ist es in einer „schönen Winternacht ein ganz anreizender Anblick“.
Die Rhönbürschlein haben keinen anderen „Gedanken dabei, als an Hutzel, Fleisch und Eier und darum die Zähigkeit, mit der sie „diesen Brauch festhalten“.
Die Bedeutung dieses Brauches ist jedoch eine andere: So will der alte Jäger einen vielleicht aus heidnischer Zeit stammenden Aberglauben darin erblinden, indem der böse Säemann von den Feldern vertrieben werden soll. Wahrscheinlich ist es, dass sie auf die in diese Zeit fallende Frühjahrs-Sonnenwende Bezug hat.

Gewährspersonen

Mein Artikel basiert auf einem Interview von einem Bewohner des Dorfes Wiesen, in dem der Brauch seit Jahren traditionell durchgeführt wird. Der Bewohner des Dorfes ist 23 Jahre alt und ist mit diesem Brauch groß geworden ist. In seiner Jugend war er ein wichtiger Akteur dieses Brauches. Ich erfuhr viele persönliche Eindrücke und interessante Informationen zum Ablauf, zur Durchführung und zur Entwicklung des Hutzelfeuers in seinem Dorf. Zusätzlich, habe ich mir auch selbst ein Bild von dem Brauch gemacht und besuchte das Hutzelfeuer in diesem Jahr.

Mein Interviewpartner ist mit diesem Brauch aufgewachsen. Jeden ersten Sonntag zur Fastenzeit ging er, seit „er denken kann“, gemeinsam mit seiner Familie zum Hutzelfeuer. Sowohl in der Familie, als auch im Dorf, war der Besuch des Hutzelfeuers jedes Jahr Tradition. Mein Interviewpartner konnte mir leider keine Auskunft darüber geben, seit wann dieser Brauch durchgeführt wurde, aber er betonte, dass es den schon „immer geben würde und er eine sehr lange Geschichte hat“.

Weblinks

Literatur

  • Höhl, Leopold: Rhön. Kulturgeschichtliche Bilder aus der Rhön. Würzburg, 1892.