Hochzeitslader

Einstiegsinformation

Der Hochzeitslader, in verschiedenen Gegenden auch Prograder, Progoder, Schmuser, Ehrvater oder Hochzeitsbitter genannt, war zu Zeiten als es noch keine Postverbindung gab, derjenige, der mit einem geschmückten Rosenholzstock von Hochzeitsgast zu Hochzeitsgast zog und zu diesem Fest einlud.

Ablauf

Hochzeitslader in Bad Kötzting.

Früher hatte der Hochzeitslader, der vielerorts hauptberuflich Schulmeister oder Viehhändler war, noch vor der Hochzeit häufig eine wichtige Aufgabe: das „Heiratsmachen“, also das Brautpaar zu verkuppeln. Mit diesen hauptberuflichen Tätigkeiten kannte er die Höfe und das Vermögen der Bauern und konnte so die Paare einander zuordnen. Dazu kam er zur Familie der möglichen Braut und schlug den Bräutigam vor. Mit dem Mahl, das dem Lader daraufhin angeboten wurde, erhielt dieser zugleich die Antwort: lautete sie ja, wurden Würste serviert und bei einer Ablehnung gab es gestockte Milch. Durch diese zusätzliche Tätigkeit erhielt der Hochzeitslader den Namen Schmuser, was Kuppler bedeutet.

Vor der Hochzeit

Vorerst muss die zukünftige Braut eingeladen werden, die sich jedoch anfangs ziert und erst nach längerer Überzeugungsarbeit durch den Hochzeitslader über die Vorzüge des Bräutigams zusagt. Sie übergibt ihm dann die Liste der einzuladenden Personen und den, mit bunten Seiden- oder Papierbändern geschmückten Rosenholzstock. Die Farbe rot, blau, grün und weiß der Seiden- oder Papierbänder, mit denen der Stock geschmückt ist, symbolisieren, was sich die Braut für die Ehe wünscht: Liebe (rot), Treue (blau), Hoffnung (grün) und Jungfräulichkeit (weiß). In einem Knopfloch, auf dem Hut oder ebenfalls am Stock trägt der Hochzeitslader einen kleinen Rosmarinzweig oder –strauß, dessen starker Geruch böse Geister vertreiben soll. Mancherorts wird der Hochzeitslader beim Einladen vom Bräutigam begleitet oder von einem Musikanten und bei den großen (meist Bauernhochzeiten) bei denen bis zu 300 Gäste eingeladen wurden, zogen manchmal sogar zwei Hochzeitslader gleichzeitig zu den Gästen. Sie werden nämlich mit Bier, Schnaps oder Most, sowie einer kleinen Brotzeitals Dank für die Einladung in jedem Haus verköstigt. Dies ist auch der Grund dafür, dass ein Hochzeitslader mehrere Wochen unterwegs ist, bis alle Gäste eingeladen sind; pro Tag kann er deswegen nur wenige Personen einladen. An jedem Haus sagt er einen Spruch zur Einladung auf, wie beispielsweise:

Grüß euch Gott mit Herz und Mund!
Ihr seid wohl alle frisch und g`sund?
Auch ich bin froh und guter Ding,
weil ich euch eine Botschaft bring`,
Einen lieben Gruß in Gottesnam`
von der Jungfrau Braut und dem Bräutigam.
Sie haben mir geboten, ich soll gehen auf Reisen,
euch alle zur Hochzeit laden und heißen!

Danach zeichnet er mit Kreide einen Strauß an die Haustür und schreibt die Höhe des Mahlgeldes auf, sowie den Ort und die Zeit der Festlichkeit, damit niemand die Hochzeit vergessen kann.

Am Hochzeitstag

Am Morgen einer traditionellen Hochzeit werden die Gäste, das Brautpaar und der Hochzeitslader mit Musik auf den Hof der Brauteltern hereingespielt. Sobald alle Gäste eingetroffen und eventuell verköstigt sind, beginnt die Arbeit des Hochzeitsladers: Das Aussegnen, d.h. die Verabschiedung des Brautpaars von den Eltern. Dabei bedankt sich das Brautpaar bei den Eltern für die schöne Kindheit und Jugend und für alles was sie für sie getan haben. Daraufhin bittet das Brautpaar um den Segen der Eltern für die Hochzeit. Bevor dieser durch ein Kreuz aus Weihwasser auf der Stirn gegeben wird, spricht der Hochzeitslader noch ein Gedicht:

Brautpaar bei der Aussegnung.

Hochzeitsgedicht

An dem ihr scheidet aus
Ihr müsst Abschied nehmen
Von eurem Elternhaus.
Verlassen werdet ihr Eltern und Geschwister all
Und geht den neuen Weg dorthin zum Traualtar.
Sie haben für euch gesorgt jahrein, jahraus
Ja Tag für Tag bis zum letzten Stundenschlag.
An seine Eltern denkt einjedes Kind,
Auch wenn sie schon gestorben sind.
Das Wörtlein Vater, Mutter weckt einjedes Herz
Und stellt die Seele himmelwärts.
Bleibt gesund und ein langes Leben
Und bittet um eurer Eltern Segen.
Werdet glücklich und gute Eheleut,
Das wünsch ich euch von Herzen heut.

Nach diesem Gedicht fordert der Hochzeitslader alle anwesenden Gäste auf, gemeinsam ein „Vater unser“ zu beten. Anschließend findet der Elternsegen statt. Diese Zeremonie findet, je nach Wunsch des Brautpaares im engsten Kreise der Familie statt oder im Hof, wo alle Gäste dabei sein können. Danach bittet der Hochzeitslader zur Aufstellung für den Hochzeitszug zur Kirche, wobei er sehr laut sprechen muss, um die Aufmerksamkeit aller Gäste zu bekommen. Zuerst läuft die Musikkapelle, danach kommen die Fahnenabordnungen der Vereine, denen das Brautpaar angehört, dann die Kranzljungfern, das Brautpaar selbst mit den Trauzeugen, im Anschluss Eltern und Geschwister, als Nächstes die Großeltern und Onkel und Tanten, daraufhin die restliche Verwandtschaft und am Ende des Zuges Freunde des Brautpaars und weitere Gäste. Nach der Trauung führt der Hochzeitslader das Ehepaar aus der Kirche hinaus, wo schon Freunde mit Glückwunschritualen warten, wie Reis auf das Paar zu werfen, was Fruchtbarkeit bringen soll oder Spalier zu stehen, dessen Bedeutung es ist, dass das Brautpaar die ersten „Hindernisse“ in der Ehe überwinden muss. Es wird wieder durch den Hochzeitslader zur Aufstellung gebeten, wenn das Hochzeitsfest im Ort stattfindet, oder man fährt gemeinsam zur Wirtschaft. Ist ein Elternteil des Brautpaares verstorben, marschiert der Hochzeitszug vor der Wirtschaft noch zum Friedhof, wo für den Verstorbenen gebetet wird. Auch dies kündigt der Hochzeitslader an, wenn er zur Aufstellung bittet. In der Wirtschaft angekommen, hat der Hochzeitslader mehrere organisatorische Aufgaben: er bespricht mit Wirt und Brautpaar, wann der Ehrentanz stattfinden soll, koordiniert die Einlagen, die Freunde und Verwandte eventuell für das Paar vorbereitet haben, und muss die Gäste zählen, um dem Wirt für die Abrechnung die genaue Anzahl der erschienenen Gäste nennen zu können. Anschließend teilt er Kuverts aus, in die die Gäste das Mahlgeld stecken, oder er sammelt diesen Betrag bei allen Gästen ohne Kuverts ein. Für das gesamte Geld ist der Hochzeitslader den ganzen Tag über verantwortlich, sowie dafür, dass die Gäste immer guter Stimmung sind. Auch beim Brautverziehen ist der Hochzeitslader aktiv: Witze, Gstanzl´n, Trinksprüche und Lieder trägt er in Absprache mit der Band vor und macht Spiele mit den Gästen, bei denen sich häufig Gäste, sowie der Bräutigam etwas blamieren. Beispielsweise müssen sich bei einem Spiel einige Frauen auf eine Fahrradpumpe setzen und durch aufstehen und wieder darauf sitzen so schnell wie möglich Luftballons aufpumpen. Am Ende des Brautverziehens muss der Bräutigam nun entweder denen, die die Braut entführten oder dem Hochzeitslader Gründe nennen, warum er seine Frau liebt oder eine andere Aufgabe bewältigen, damit er die Braut wieder zurückbekommt und die Hochzeit mit dem Abendessen weitergehen kann. Nach dem Essen findet dann in den Tanzpausen die Übergabe der Geschenke an das Brautpaar statt. Mit einem Gedicht kann der Hochzeitslader zur Geschenkübergabe überleiten.

Wia hoaßt des Wort vom gschenkten Gaul?
Ma schaugt a’m soichern ned ins Maul,
Was eigentlich nur des bedeut’
ma prüft ned voller Kleinlichkeit
a Gschenk alloa nach Preis und Wert
so wia beim Handel um a Pferd.
Was Gschenktes soll oam Freud bescheren
Und ned bloß a’n Besitz vermehren. Doch jetz möcht i gern nüberlenka

Hochzeitslader mit Musikkapelle.

direkt zum Thema Hochzeitsgschenka!
Ned jeder Mensch muaß ma bedenken,
hat Kostbarkeiten zum verschenken,
und viele, de nia Krüsus waren,
müassen aa beim Verschenken sparen!
Doch sollt ma mia a’n Krimskrams geben,
mit dem ma gwiß koa Ehr aufheben!
Wenn ma was schenkt, buid i mir ei’,
sollts mindestens was Brauchbars sei’.
Was brauchbar is, fürs Hochzeitspaar,
no, des derfragt ma, leicht sogar!
Doch, wer nix woaß, koan Hinweis hat,
dem gib i gern a’n gscheiten Rat:
Schenk nur was her, was d’ ehrlich schätzt,
was d’ selber aa gern b’halten hätt’st!

Dieses Gedicht ist eine Möglichkeit die Gäste auf die Geschenkübergabe einzustimmen. Dabei gehen die Gäste einzeln und immer eine bestimmte Anzahl, die mit dem Brautpaar abgesprochen wurde, nacheinander zum Brauttisch und überreichen die Geschenke. Dazwischen kann immer wieder getanzt werden. Wenn eine Tanzpause ist und die Gäste zum Brauttisch laufen, „derbleckt“ der Hochzeitslader dabei diesen Gast. Ungefähr zwei Wochen vor der Hochzeit traf sich der Hochzeitslader sich mit dem Brautpaar, damit dieses ihm etwas Witziges oder Typisches über alle Gäste erzählt. Er schreibt diese Geschichten in Gstanzl´n (Lieder mit meist vierzeiligen Strophen) auf und trägt diese dann vor, was man derblecken nennt und meistens der Belustigung aller Gäste dient, jedoch nie beleidigend sein sollte. Schlagfertige Gäste antworten dem Hochzeitslader dann ebenfalls in Gstanzl´n. Je nach Anzahl der Gäste kann die Geschenkübergabe dadurch sehr lange dauern. Wenn das Paar das wünscht, kann der Hochzeitslader sie noch am Ende der Feier nach Hause begleiten . Damit ist die Hochzeit für den Lader beendet – für das Brautpaar häufig noch nicht. Die engsten Freunde werden oft noch nach Hause eingeladen, wo die Feierlichkeit mit Bier und Schnaps endgültig ausklingt.

Nach der Hochzeit

Am nächsten Tag wird der Hochzeitslader oft noch zur „Nachhochzeit“ eingeladen. In der Wirtschaft, in der die Hochzeit stattfand wird zu Mittag gegessen und im Anschluss der Wirt bezahlt, weshalb auch der Hochzeitslader dabei ist. Er sammelte ja das Geld ein und zählte die Gäste. Ist das Geld nicht genug, muss er dafür aufkommen. Er war ja den ganzen Tag über für dessen Sicherheit verantwortlich. Dieser Fall tritt jedoch kaum ein.

Varianten

Varianten dazu gibt es vielerlei. Es ist von Gegend zu Gegend verschieden, ob ein Hochzeitslader nur am Tag der Hochzeit Aufgaben übernimmt, oder ob er auch einlädt, was heutzutage aber kaum noch praktiziert wird – Einladungen geschehen jetzt hauptsächlich durch Karten, die persönlich oder per Post verteilt werden. Zusätzlich kann ein Hochzeitslader viel zur Organisation der Feierlichkeit beitragen. Manche Hochzeitspaare möchten den Hochzeitslader aber auch nur für die Aufstellung zum Hochzeitszug, andere nur zum „Derblecken“ usw.

Gewährsperson

Befragt dazu wurde ein Hochzeitslader, der seit den frühen 1980ern dieses Amt ausführt. Seit ca. 2005 ist er aus Zeitmangel nur noch für Bekannte für diese Tätigkeit verfügbar. Hauptsächlich war er in der Holledau (Gebiet zwischen Ingolstadt, Kehlheim, Landshut, Moosburg, Freising und Schrobenhausen) tätig, also in Teilen Ober- und Niederbayerns, sowie der Gegend um Thierhaupten. Jedoch wurde er sogar in Regensburg und am Gardasee beauftragt. Seine Aufgaben bestanden hauptsächlich aus denen am Tag der Hochzeit. Für die Einladungen war er nur selten zuständig.

Literatur

  • Walter Pötzl, So lebten unsere Urgroßeltern, Beiträge zur Heimatkunde des Landkreises Augsburg Band 10, 1988, Augsburg.
  • Susanne Seethaler, Unsere bayerische Lebensart: echtes Brauchtum von A-Z, 2004, München.
  • Leopold Kammerer, Hochzeit ist die schönste Zeit, Verserl und Geschichten zum Eintritt in den Ehestand, 1988, Dachau.

Weblinks