Hochzeit in Polen

Einstiegsinformation

Speisen zur polnischen Hochzeit.

Eine „Hochzeit in Polen“ ist wie auch deutsche Hochzeiten von den Geschenken bis hin zur Wahl der Räumlichkeiten für die Feierlichkeiten mit etlichen Bräuchen verbunden. Beteiligt an den Feierlichkeiten sind neben dem Brautpaar die Hochzeitsgäste – in ländlichen polnischen Gebieten laden Brautpaare beispielsweise immer noch bis zu 200 Freunde, Bekannte und Familienmitglieder zu ihrem Jawort ein.

Ablauf

Partnerwahl

Polnisches Brautpaar.

Bei der Partnerwahl vor einer Hochzeit änderten sich die Ansprüche polnischer Männer und Frauen an einen Lebensgefährten im Laufe der Zeit erheblich. Klare Präferenzen hatten im Zuge einer Untersuchung interviewte Frauen in Polen in den 1960er Jahren: Sie bevorzugten Männer mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Außerdem waren ein zum Wesen der Frau passender Charakter sowie ausgeprägter Fleiß von Bedeutung. Auch die Fähigkeit, die alltäglichen Lebensaufgaben zu bewältigen, sahen die jungen Frauen als wichtige Eigenschaft an. Bei ähnlichen Untersuchungen zehn Jahre später legten die Frauen bei der Wahl ihres Partners steigenden Wert darauf, dass ein Mann Bereitschaft zur Mithilfe im Haushalt zeigte. Auch sprachen sich die Interviewten gegen einen Gewalt gegen Frauen anwendenden Partner aus.

Andere Erwartungen hatten die Befragten des männlichen Geschlechts in den 1960er Jahren: Für die Männer waren die Fähigkeit Ordnung im Haushalt zu halten, sich um das eigene Aussehen zu bemühen und Lebensoptimismus die meist gewünschten Eigenschaften an der zukünftigen Partnerin. In den 1970er Jahren kamen zusätzlich Treue und die Fähigkeit zur Kindererziehung ganz oben auf der Wunschliste der polnischen Männer. Zu dieser Zeit schrieben aufgeregte Männer an populäre Zeitschriften, die es nicht zeitgemäß fanden, dass Frauen Männern wegen ihres niedrigen Einkommens eine Absage erteilten. Unabhängig vom Geschlecht stieg im Laufe der Jahre das Interesse am Aussehen des Partners – früher äußerst selten genannt.

Trauung in den 60er Jahren.

Als geeigneter Ort zur Gründung einer Familie erfreute sich ein Dorf geringer Akzeptanz. Für viele junge Frauen war die Perspektive, einen Landwirt zu heiraten, wenig ansprechend. Nach landläufiger Meinung hatte ein Landwirt lediglich Interesse an seiner Arbeit und war nicht fähig zu romantischer Liebe. Der Beruf des Landwirts erschien schwer und lustlos. Nach attraktiven Partner suchten viele Frauen von daher in der Stadt oder zumindest unter denen, die in der Stadt arbeiteten. Ein Grund dafür war auch die Rückständigkeit der ländlichen Gebiete und die Meinung, in der Stadt ließe es sich einfacher leben. Frauen, die keine Chance sahen, vor der Landwirtschaft zu fliehen, versuchten zumindest, den ganz großen Betrieben zu entkommen: Denn hier wurde Einsatz rund um die Uhr verlangt.

Der Heiratsantrag

Mit der Zeit erlangten die jungen Polen größere Freiheit in der Gestaltung der Zeit vor der Hochzeit. Geringere Kontrolle seitens der Familie war besonders bei der Dorfjugend zu beobachten, die außerhalb des Wohnortes arbeitete und lernte. Eine Lockerung des Sittenkodex verleitete zur Suche nach Sexualpartnern, mit denen man keine formelle Bindung eingehen wollte. Größere gesellschaftliche Akzeptanz hatten Paare, die die Absicht hatten, eine Familie zu gründen oder durch Liebe verbunden waren. Die Eltern spielten eine immer kleinere Rolle bei der Partnerwahl. Die jungen Leute trafen selbst die Entscheidung bezüglich der Heirat. Erst darauffolgend wurden die Eltern informiert, die im Allgemeinen von der Situation in Kenntnis gesetzt waren und nicht davon überrascht wurden. Der Brauch, den Vater um die Hand der Frau zu bitten, machte einer von Kennern der guten Manieren empfohlenen Formel Platz: „Wir wollen heiraten“. Die Verlobung wurde getrennt vom Heiratsantrag gefeiert: In der Regel eine gute Gelegenheit für die Eltern der zukünftigen Eheleute, sich gegenseitig kennenzulernen.

Die Zivilehe

Der Veranstaltungsraum.

Eine Reform und Laizisierung des Eherechts bedeutete 1946 die Einführung einer obligatorischen Zivilehe. Paare, die die neuen Gesetze ignorierten und sich nur auf die Hochzeit in der Kirche beschränkten, wurden nicht mehr in standesamtlichen Archiven registriert. Ab 1958 schrieb das Gesetz eine standesamtliche Trauung vor der kirchlichen Heirat vor. Die Hochzeit in der Kirche verlor ihre gesetzliche Gültigkeit, erst 1998 gewann sie diese zurück. In den meisten katholischen Familien hatte jedoch die Zivilehe einen weit niedrigeren Rang als die kirchliche Hochzeit, sie wurde als „Zivilvertrag“ bezeichnet. Bei der standesamtlichen Hochzeit gab es für das Paar eine größere Freiheit in Bezug auf die Auswahl der Kleidung. Aufgrund der niedrigen Akzeptanz der Zivilehe gab es in Schlesien in den 1950er Jahren Fälle, bei denen die Eheleute auf der eigenen Hochzeit in Arbeitskleidung erschienen. Erst nach Aufforderung des Beamten wechselten sie die Kleidung. Auch kam es vor, dass man zum Standesamt mit der Straßenbahn kam und die Beamten angetrieben wurden, die Prozedur schnellst möglichst zu beenden. Bevor die Standesämter in geeigneten Gebäuden untergebracht wurden, erfolgten die Zermonien unter partisanenähnlichen Bedingungen und die Beamten waren oft Personen, die einen Schnellkurs absolviert hatten. Als Erfolg galt es, die Hochzeit in den Nachmittagsstunden zu „erledigen“, so dass die Verlobten nicht im Arbeitsbetrieb fehlten.

Erst in den 1970er Jahren wurde das Fest professioneller gestaltet und das Standesamt als „Palast der Hochzeit“ bezeichnet. Die ersten Glücklichen, denen es gelang, am Tag der Einweihung des „Bytomer Palastes der Hochzeit“ ([http://de.wikipedia.org/wiki/Bytom Bytom]: Stadt in der Oberschlesien, der Palast wurde 1963 erbaut) zu heiraten, waren erstaunt, als sie Pförtner mit weißen Handschuhen und in eleganten Anzügen, die mit dem Stadtwappen versehen waren, sahen. Einen romantischen Charakter sollten den Innenräumen große Spiegel und riesige Palmen verleihen, dem Fest selbst geeignete Musik. Den Anfang machte ein lyrischer Titel, zum Beispiel „Der Walz“ von Brahms oder „Der Traum“ von Schumann. Zum Abschluss der Zeremonie gab es einen fröhlichen Titel, z.B. „Der Hochzeitsmarsch“ von Mendelssohn oder „Der Sonntagschor“ aus der „Halka-Oper“. Gleich nach der Hochzeit im Standesamt folgte für das Brautpaar die Hochzeit in der Kirche, die mit enormen Ausgaben verbunden war.

Die Hochzeitseinladungen

Mit der Zeit zur Norm wurden in Polen Einladungen zum Fest in schriftlicher Form. Anfangs benutzte man universelle Drucke, die man mit entspechendem Inhalt füllte, aber mit der Zeit fing man an, sie für den konkreten Anlaß auszuwählen. Man konnte selbst das grafische Muster und die Form der Einladung bestimmen. Die schriftlichen Einladungen erleichterten die Angelegenheit für die Verlobten, die nun die über das ganze Land verstreute Familie per Post von der bevorstehenden Hochzeit benachrichtigen konnten. Eine ungemeine Erleichterung: In früheren Zeiten war die Einladung durch persönliche Besuche überbracht worden. Es gab Unterschiede bei den Einladungen, je nachdem, ob man eine große Hochzeit, oder doch eher eine ruhige und bescheidene Hochzeit veranstalten wollte. Eine Besonderheit war, dass es in der Regel in den Einladungen keine Informationen über den Ort, an dem die Hochzeit stattfand, gab.

Die Hochzeitsbekleidung

Mit der Zeit wurde die Hochzeitsbekleidung des Brautpaares standartisiert. Das Kleid für die kirchliche Hochzeit wurde der aktuellen Mode angepasst. Bei Familien auf dem Dorf wurde – nach einem Verzicht auf die Regionaltracht – eine konservative Haltung bei der Wahl der Kleidung beibehalten. Das Kleid der Ehefrau musste weiß sein: ein Symbol für die Reinheit der Frau. Der Mann erschien bei der Hochzeit im dunklen Anzug, seit den 1980er Jahren wurden auch andersfarbige Anzüge akzeptiert.

Der Weg zur Kirche

Das Brautauto.

In den ersten Jahren nach dem Krieg kamen die Verlobten mit einem Pferdefuhrwerk oder zu Fuß zur Kirche. Mit der fortschreitenden Motorisierung wurde der PKW zum Standard, für die Gäste mietete man oft einen Bus. In Vergessenheit geriet der Brauch, dass die Verlobten getrennt zur Kirche fuhren. Das Brautpaar bestritt nun gemeinsam in einem dekorierten Wagen den Weg zur Trauung.

Das Hochzeitspaar beim Brautauto.

Auswahl der Gäste

Zu einer klassischen Hochzeit wurden Verwandte mit Familie sowie Freunde und Nachbarn eingeladen. Die Größe einer durchschnittlichen Wohnung in der Stadt erlaubte es nicht, eine große Hochzeit zu organisieren. Dies hätte bedeutet etwa 70 unterbringen zu müssen. Wegen des Platzmangels wurde es zur Norm, Hochzeitsfeiern in Gaststätten zu organisieren. Zu diesem Zweck wurden Clubräume, Restaurants oder – für die Sparsamen – Gemeinschaftsräume von Schrebergärten und Ferienzentren angemietet.

Für eine eher kleine und ruhige Hochzeit gab es verschiedene Gründe: Manchmal wurde die Ehe gegen den Willen der Eltern geschlossen, die Braut war bei der Hochzeit schwanger oder es gab einen Trauerfall in der Familie. Teilweise hatte das Brautpaar auch Pläne für eine Hochzeitreise, für die die gemeinsamen Ersparnisse verwendet wurden. Zu einer kleinen Hochzeit wurde nur die engere Familie, also Eltern, Geschwister mit Kindern und Großeltern, eingeladen. Auf dem Dorf wurden die meisten bescheidenen Hochzeiten im Haus der Frau veranstaltet. Die Entscheidung, ob jemand eingeladen wurde, hing von seinem Vermögen und gesellschaftlichem Rang ab. Im Südosten Polens fand eine solche Selektion nicht statt und es wurden oft zwischen 500 und 600 Gäste eingeladen. Bei einer so großen Anzahl von Gästen feierte das Brautpaar seine Hochzeit meist im Haus und einer dafür errichteten Hütte – seltener in einer Gaststätte.

Die Hochzeitsgeschenke

Anschneiden des Hochzeitkuchens.

Bei den Hochzeitsgeschenken bekam das Paar von der näheren Familie oftmals Möbel oder eine Waschmaschine. Zu den geschmackvollen Geschenken wurden Kristall, Tischbesteck oder eine Tischgarnitur gerechnet. Töpfe und Teller wurden vor allem in den Nachkriegsjahren verschenkt, in späteren Zeiten erhielt das Brautpaar oftmals auch einen Briefumschlag mit Wodka und Geld. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Geschenke mit der Zeit immer aufwändiger und kostspieliger wurden. Ein neuer Brauch, der seine Verbreitung gegen Ende des 20. Jahrhunderts fand, wurde die Erstellung einer Liste mit erwünschten Geschenken durch die Verlobten. Beliebt waren auch Geschenke zur Verschönerung der Wohnung, Haushaltsartikel sowie Bargeld. In der Realität der Volksrepublik Polen war der Lebensstart der jungen Eheleute äußerst schwierig. Glücklich waren diejenigen, die sich eine eigene Wohnung leisten konnten. In den Erinnerungen junger Ehepaare aus den 1960er Jahren kann man nachlesen, dass die Mitgift der jungen Frau oft nur aus Bettwäsche und ein paar Töpfen bestand. In einem anderen Fall war „das ganze Vermögen des Mannes […] ein Motorrad, ein Becher, ein Wasserkocher, ein Elektroherd sowie ein Tonbandgerät – ein gemeinsames Eigentum mit einem Freund“. Eine Ehe brachte oft Personen aus verschiedenen Ecken des Landes, von verschiedener Herkunft mit verschiedener Mentalität zusammen. Der Umzug eines Ehepartners von der Stadt aufs Dorf konnte zum Albtraum werden. Besonders schwierig war dieses Erlebnis für Menschen mit hohem Bildungsstand: Sie waren an die großstädtische Atmosphäre gewohnt, und mussten nun teilweise Arbeit verrichten, die nicht ihrem Bildungsgrad entsprach.

Literatur

  • Czajkowski, Z.: Relacja ze wsi rzeszowskiej. Warszawa 1964.
  • Kantowicz, A.: „Polska love story“. in: Kultura 1971/35.
  • Kosowska-Syczewska, Z./Jakubczak, F.: Rodzina o rodzinie. Warszawa 1967.
  • Parzynska, M./Horodecka, J.: Mlodzi po slubie. Warszawa 1966.
  • Parzynska,M./Horodecka, J.: Rodzice, dzieci, rodzice. Warszawa 1967.
  • Chwalba, A.: Obyczaje w Polsce. Od sredniowiecza do czasow wspolczesnych. Warszawa 2006.