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Termin
Dieser Brauch findet am 27. Februar 2025 statt.Einstiegsinformation
Mit Einbruch der Dunkelheit verwandelt sich am Gumpigen Donnerstag jedes Jahr die Lauinger Innenstadt in einen Hexenkessel. Am Rathausplatz findet das Fastnachtsspiel unter der Leitung der Narrenzunft „Laudonia“ statt: Die Winterhexen kämpfen mit den Frühlingsnarren und verlieren, worauf symbolisch die Oberhexe verbrannt wird. Dieser Sieg wird anschießend in zahlreichen Lokalitäten der Stadt ausgiebig gefeiert. Verkleidete Hexen verschiedener Altersgruppen, die beim Spektakel zuschauten, amüsieren sich noch ein letztes Mal, bevor sie endgültig dem „Frühling“ weichen.Ablauf
Gegen 19.00 Uhr treffen sich viele als Hexen verkleidete Schaulustige rund um die Tribüne am Rathausplatz. Während dessen treffen sich bis 19.30 Uhr alle Hexen der Narrenzunft Laudonia vor der nicht weit entfernten Stadthalle. Von dort zieht die Hexenschar angeführt von einem Fanfarenzug, gefolgt von der Winterhexe „Barbara Schwertgoschin“, dem „Herrn der Jahreszeiten“, den Frühlingsfeen und zuletzt den Lauingern Hexen los. Bis um 20.00 Uhr erreicht der Zug den Rathausplatz, auf dem sich nun zahlreiche Hexen in verschiedenster Maskerade tummeln. Barbara Schwertgoschin sitzt in einem Eselskarren und rüttelt dabei an den Sei-tenwänden als Zeichen für die Verliese im Schimmelturm und ihr bevorstehendes Ende. An der Tribüne angekommen, folgt nun das Lauinger Fasnachtsspiel von Alois Sailer: Der „Herr der Jahreszeiten“ tritt als Richter und Prologsprecher auf und urteilt über den Streit mit der Oberhexe der Winterhexen, Barbara Schwertgoschin, und den Frühlingsfeen. Dabei vertritt er die Meinung der Frühlingsfeen und bestimmt, dass der Winter sich verabschieden muss. Über dieses Urteil ärgern sich die Winterhexen und bedrängen den Richter. Da durch Wortgefechte keine Einigung erreicht wird, bestimmt der „Herr der Jahreszeiten“, dass sich beide Parteien durch ein Kräfte messen am Seil beweisen müssen. Die Frühlingsfeen gewinnen dieses Tauziehen worauf die Winterhexen fliehen wollen. Doch ihr Fluchtplan wird durchschaut und schnell sind die Hexen von den Frühlingsgeistern umzingelt. Der „Herr der Jahreszeiten“ fällt nun folgendes Urteil: (Auszug aus dem Spiel nach Alois Sailer)„Ich, der Herr von warm und kalt spreche aus mit Rechtsgewalt: Winter, deine Hexenmacht wird zum Schimmelturm gebracht und im selben ungeniert von dem Frühling inhaftiert. Schwertgoschin, hier ortsbekannt, wird erhängt und gleich verbrannt. Alle andern bösen Druden werden in den Donaufluten so ertränkt, wie die Mäuse. Doch als Gnad für ihre Läuse wird gewährt eine Frist, bis das Wasser wärmer ist.“ Symbolisch bricht der Richter einen Stab entzwei und ruft: „Aus ist`s mit der Hexerei!“Die Oberhexe, Barbara Schwertgroschin, wird ins Rathaus abgeführt.Anschließend wird vom Schimmelturm eine Stoffpuppe hinabgelassen, nachgeahmt in Hexenverkleidung, die an einem beweglichen Seil über den Rathausplatz fliegt. In der Mitte des Platzes lodert inzwischen ein großes Feuer, die Attrappe fängt Feuer und verbrennt. Dabei triumphieren die Frühlingsgeister über ihren Sieg, aber auch die Winterhexen feiern ihren „letzten Abend“ und die Verabschiedung des Winters mit dem verkleideten Publikum in den örtlichen Lokalitäten. Dieser Brauch erfreut sich bei Alt und Jung großer Beliebtheit, besonderes unter Jugendlichen ist die Verkleidung im Hexenkostüm und mit Larve ein Muss. Jeder Teilnehmer des Lauinger Hexentanzes schlüpft gerne in die Hexenrolle und somit kommt der Schabernack unter den Hexen auch nicht zu kurz und vor allem Nichtmaskierte müssen sich in Acht nehmen.
Heutiges Aussehen der Hauptfiguren
Barbara Schwertgoschin trägt einen langen gelben Rock, besetzt mit einem schwarzen Kater, sowie ein türkisfarbenes Schultertuch mit schwarzen Fransen. Der sprechende Nachname setzt sich aus „Schwert“ und „Gosch“ zusammen, was so viel bedeutet, wie „Weib mit spitzer Zunge“, ein „Schandmaul“. Die Lauinger Hexen stellen ihr Gefolge dar, so tragen beide auch die gleiche aus Lindenholz geschnitzte und braun gebeizte Maske. Eine Gesichtshälfte sieht sehr Furcht einflößend aus, der andere Teil zeigt ein listiges Lächeln. Umrahmt wird die Maske von zwei geflochtenen Zöpfen aus Hanf, die hinter dem roten Kopftuch verschwinden. Die Hexen tragen ein grünes Kleid mit einem bunten Dreieckstuch anstelle einer üblichen Schürze. Unter dem Kleid wird eine weiße Bombel - Hose getragen, die bis zu den Knien reicht. Als Stümpfe dienen rot-weiß gestreifte Ringelsocken, die Schuhe sind aus einem Strohgefecht. Jede Hexe trägt schwarze Fingerhandschuhe und einen Reisigbesen mit sich. Um der Figur des alten Weibes mit buckligem Rücken noch näher zu kommen, wird mit Hilfe eines Kissens der Rücken als Buckel ausgestopft. Für Männer, die in die Rolle der Hexe schlüpfen, gilt die Tragepflicht eines BHs.Hintergrund-Infos
Gesicherte Quellen der Tradition
Dem damaligen Darsteller der Schwertgoschin und dem Zunftmeister zufolge (nach Eggenmüller, Petra: Die Geschichte der Lauinger Fasnacht, S. 66), gab es von 1952 bis 1975 eine Vorform des heutigen Hexentanzes. Der Umzug bestand aus „einem Mohr“ das Symbol der Stadt, hunderten „Hexen“, „Schinderknechte“, „Ratsherren“ und die in einem Karren gefahrene Barbara Schwertgoschin. (nach Bachter, Stephan: „Hexenverbrennung“ als „Winteraustreiben“, S. 180) An der Tribüne angekommen, erfolgte zugleich die Verurteilung vor einem Richter im Anzug. Dieser verkündete mit dem Bruch des Stabes sein Urteil und der Schauspieler der Schwertgoschin wurde in den Schimmelturm geführt und dort mit der Stoffattrappe mit Besen getauscht. Diese wurde an einem gespannten Seil, das vom Schimmelturm direkt in den Scheiterhaufen führte, hinabgelassen. Anschließend wurde von einer Gruppe aus Teufeln ein Tanz aufgeführt (nach Eggenmüller, Petra: Die Geschichte der Lauinger Fasnacht, S. 67), währenddessen verbrannte die ins Feuer gelassene Hexenattrappe unter dem Jubel der maskierten Bevölkerung. 1959 stellte hinsichtlich des Brauches eine Besonderheit dar: Aufgrund des Ereignisses des Sputnikfluges, wurde die Attrappe in eine gebaute Rakete gesetzt und in Richtung Himmel geschossen. (nach Eggenmüller, Petra: Die Geschichte der Lauinger Fasnacht, S. 67)1976 gab es eine Überarbeitung, da der Heimatpfleger, Alois Sailer, durch seinen Kollegen, dem Kreisheimatpfleger und Gründungsmitglied der Faschingsgesellschaft Laudonia(nach Bachter, Stephan: „Hexenverbrennung“ als „Winteraustreiben“, S. 186), Hermann Josef Seitz, angeregt wurde, ein Fasnachtsspiel zu schrieben, das den „Kampf des Winters mit dem Sommer“ darstellt. (nach Bachter, Stephan: „Hexenverbrennung“ als „Winteraustreiben“, S. 180) Dieses Kräftespiel wird durch die Szene des Tauziehens der „Winterhexen“ mit den „Frühlingsfeen“ verdeutlicht. Dadurch wird auch deutlich, dass der Posten des Richters reformiert wurde: Statt im eleganten Anzug ist der „Herr der Jahreszeiten“ im „fransigen Jutegewand“.(nach Bachter, Stephan: „Hexenverbrennung“ als „Winteraustreiben“, S. 182) Seit der Einführung des Spiels änderte sich nur noch die Gestalt der Frühlingsfeen - waren sie zu Beginn im Minirock- wurden sie im Laufe zu „Frühlingsgeister“ in weißen Larven mit weißen Anzügen verziert mit großen Blumendrucken. Die Faschingsgesellschaft – Laudonia übernahm die Organisation des Hexentanzes und übergab dann die Verantwortung der Narrenzunft - Laudonia.Kontroverse: „Hexenverbrennung“ oder „Winterphänomen“?
Kritiker sehen in dem Spektakel der „Lauinger Hexenverbrennung“ Anklang an die mittelal-terlichen Szenarien der Hexenverbrennung, da auch in Lauingen Frauen diesem Aberglaube zum Opfer fielen. (nach Bachter, Stephan: „Hexenverbrennung“ als „Winteraustreiben“, S. 184) Seitz äußerte dazu schon 1954, dass die Hexe mit einem „alten Weib“ gleichzusetzen sei, die den „Winterdämon“ darstellt und er wiedersprach der Auffassung der Gegner, dass die Bevölkerung das Schicksal der Frauen missbrauche, um eine Faschingsgaudi zu etablieren und zu motivieren. Durch das Faschingsspiel von Alois Sailer wurden auch die Elemente Oberrichter, Hoher Rat, der das Urteil verkündet und an eine historische Hexenver-brennung erinnert, abgeschafft. Dass dieser Gedanke über die Jahre hinweg nicht an Aussage-kraft verlor, zeigt das Programmheft der Lauinger Faschingsaison von 2003/2004: „Dabei verlieren schließlich die Wintergeister, welche durch die Hexen verkörpert werden, und der Frühling kann Einzug ins Land halten. Danach wird zum Abschluss des Spieles der Winter in Form einer Puppe, die die Winterhexe darstellt, symbolisch verbrannt.“ (aus Lauingen und sein Hexentanz. In: Programmheft Lauinger Fasching 2003/2004, S. 44)Weblinks
Literatur
- Bachter, Stephan: „Hexenverbrennung“ als „Winteraustreiben“, Seite 179-187 in Kommission für bayrische Landesgeschichte: Bayrisches Jahrbuch für Volkskunde 2005, München 2005
- Eggenmüller, Petra: Die Geschichte der Lauinger Fasnacht mit besonderer Berücksichtigung der Fasnachtsverbote von 1956 bis 1804 und der „Hexenverbrennung“ am Gumpigen Donnerstag, Nicht veröffentlichte Zulassungsarbeit, Eichstätt, 1984
- Lauingen und sein Hexentanz. In: Programmheft Lauinger Fasching 2003/2004, S. 44
Der Brauch mit der Verbrennung einer Strohgestalt den Winter zu vertreiben, wird hier mit mittelalterlichen Kostümen ausführlich dargestellt. Warum diese Strohgestalt trotz verschiedener Veränderungen dieses Spektakels in den letzten Jahren, noch immer eine Hexe Namens Schwertgoschin darstellt, geht aus dieser Geschichte nicht klar hervor. Mit Begeisterung und Gejohle und Klatschen sehen hier eine Menge Menschen und Kinder zu, wie eine weibliche Hexe verbrannt wird. Es ist verantwortungslos das Verbrennen von Menschen zu einem Spektakel zu machen, obwohl in diesem Fall ein Strohballen denselben Zweck erfüllen würde. In diesem Ort gab es anscheinend im Mittelalter eine Hexenverbrennung. Da könnte man doch aus Gründen der Verurteilung solcher Geschehnisse ein Strohbündel ohne menschlichen Bezug verwenden. Die „Hexen“ waren sicher m Mittelalter ein Begriff, hatten aber eher mit Heilkräutersammelnden armen ausgestoßenen Frauen zu tun, als mit dem Winterwetter. Sie wurden nur für jede Katastrophe und Unbill die die Menschen traf als Verursacher angesehen. Dass in der Schweiz auch heute noch ähnliche Darstellungen zu sehen sind, soll nicht daran hindern, hier eine Änderung anzustreben. Die Hexen könnten noch immer als Statisten präsentiert werden.