Hennanacht in Deutschland

Einstiegsinformation

Auftragung von Henna auf die Hand.

Die Henna-Nacht, “Kina“ genannt, ist ein unter Muslimen verbreiteter Brauch. In der Türkei treffen sich am Vortag der Hochzeit die engsten Verwandten und Freundinnen der Braut, um ihre Handflächen und Finger mit „Henna“ zu bemalen. In dieser letzten Nacht vor der Hochzeit wird die Braut als alleinstehende Frau gefeiert, die zum Tag der Hochzeit das Elternhaus verlässt. Symbolisch ist Kina daher ein sehr trauriger Brauch. An diesem Abend steht die Farbe Rot für Fruchtbarkeit, Wohlstand, große Liebe und Nachwuchs. Die Braut trägt traditionell zur Brauchausübung einen roten Schleier oder eine rot verzierte Tracht, um der Symbolik nachzukommen.

Islamische Glaubensrichtung Aleviten

Der im weiteren Artikel aufgeführte, beobachtete Brauch wurde von Aleviten gefeiert, welche Mitglieder einer auf das 13./14. Jahrhundert zurückgehenden islamischen Glaubensrichtung sind. Entstanden ist die Konfession Alevitentum durch das historische Ereignis der Schlacht von Kerbela am 10. Oktober 680, woraufhin sich die islamische Gemeinschaft aufgrund von Streitigkeiten in einige Gruppen aufspaltete. Die beiden bekanntesten Gruppen sind die Schiiten, und die Sunniten, deren Ansichten sich gegenüberstehen. Die Aleviten kann man in den schiitischen Kontext einfügen.

Die Anzahl der Aleviten ist nicht genau feststellbar, da es keine verlässlichen Zahlen gibt. Dies liegt auch daran, dass sich viele Aleviten nicht öffentlich zu ihrem Glauben bekennen wollen. Die aktuellen Zahlen reichen von 10 bis zu 25 Millionen weltweit. Die meisten Aleviten sind Türken und Turkmenen, wie auch eine Minderheit der Kurden oder Zaza und Aserbaidschaner.

Der alevitische Glaube unterscheidet sich von den sunnitischen Anschauungen, da die „Gottesliebe“ und die „Liebe zu Gott“ vor der „Gottesfurcht“ steht. Das Ziel des Lebens im Alevitentum ist es, die Erleuchtung zu erreichen. Dies gelingt einem, wenn man sich an die Regeln der 4 Tore, 40 Pforten, welche vom Koran inspiriert wurden, hält und dabei Geduld, Nächstenliebe, Bescheidenheit und viele andere Werte pflegt und anwendet.

Ablauf

Die folgende Dokumentation bezieht sich auf die Beobachtung am Freitag, dem 20.12.2013, in der Jahnhalle Geislingen, Baden-Württemberg.

Da die Henna-Nacht kein gesetzlicher Feiertag ist und in keinem jährlichen, monatlichen oder wöchentlichen Turnus verläuft, ist es somit ein speziell vom Brautpaar festgelegter Tag.

Vor der Henna-Nacht

Der eigentliche Festtag der hier beschriebenen Henna-Nacht ist der 20.12.2013, der “Kina“ genannt wird. Die Hände und Finger der Braut werden mit Henna bemalt, welches aus dem gleichnamigen Hennastrauch “(türkisch: kina)“ erhalten wird. Eine Woche vor dem Festtag werden bereits Vorbereitungen für die Henna-Nacht getroffen. Hier werden, vor allem von den Familien des zukünftigen Brautpaares, die Speisen gekocht und angerichtet, die Dekoration vorbereitet und die weitere Organisation für den kommenden Brauch konfektioniert. Die Eigenorganisation wird für diesen Abend von den Familien selbst übernommen, da die Zahl der eingeladenen Gäste für türkische Verhältnisse gering und erfüllbar ist.

Am Tag des Brauches wird die Braut für das Fest geschminkt und frisiert. Dies ist gewöhnlich sehr aufwendig und hat hier drei Stunden in Anspruch genommen. Das Brautpaar trifft früher in den Örtlichkeiten ein und hält sich, während die Gäste eintreffen, in einem weiteren, der Lokalität zugehörigen Raum auf. Beim Brautpaar befinden sich noch die Trauzeugen, deren die Rolle der Hilfe und Unterstützung der Braut oder des Bräutigams zukommen.

Eintreffen der Gäste

Beginn der Feier ist um 17.00Uhr. Die Gäste werden von den Eltern des Brautpaares begrüßt und begeben sich auf ihre Plätze. Eine Platzzuweisung gibt es nicht, da sich die Gäste, familienweise an Runde Tische (für 8 Personen) setzen. Auf den Tischen befinden sich bereits Gläser und alkoholfreie Getränke. Eine Band sorgt für musikalische Untermalung. Die Gäste machen einen entspannten und feierlichen Eindruck und tanzen “ Halay,“ einen traditionellen türkischen Rundtanz, bei dem gesungen wird. Mitgetanzt wird nach Belieben.

Begrüßung des Brautpaares

Begrüßung des Brautpaares.

Eine Stunde nach Beginn der Feier sind alle Gäste eingetroffen, begrüßt worden und haben einen Platz.

Die Band stellt die Musik ein und geleitet das Brautpaar und ihre Trauzeugen mit einer großen Trommel und türkischen Flöte in den Saal. Die Konzentration liegt auf dem hereinkommenden Brautpaar. Die Band läuft vor und die Trauzeugen hinter dem Brautpaar in den Saal zum zentral platzierten, pompös geschmückten Brauttisch. Braut und Bräutigam sind festlich gekleidet.

Die Begrüßung, in der das Brautpaar ihre Gäste willkommen heißt, sich über ihr Erscheinen freut und sich eine ausgelassene Feier wünscht, erfolgt auf Türkisch.

Kulinarische Verpflegung und Tanz

Nach der offiziellen Begrüßung wird das Essen, welches eigenhändig von der Verwandtschaft vorbereitet wurde, serviert. Servierkräfte bringen für jeden Gast einen großen Teller, auf dem die verschiedenen kalten Speisen angerichtet sind. Bei musikalischer Untermalung wird gegessen und getrunken.

Anschließend eröffnet die Band die Tanzfläche mit geräuschvoller Musik. Die Gäste tanzen Halay oder orientalische Tänze mit Bauchtanzelementen. Es wird viel fotografiert und das Brautpaar steht im Mittelpunkt der Feier. Die Band sorgt für begeisternde Unterhaltung.

Der Henna-Brauch

Rückzug des Brautpaares

Während die Gäste weitertanzen, begeben sich Braut und Bräutigam mit ihren Müttern und den Trauzeugen zurück in ihren Raum und werden für die Henna-Zeremonie vorbereitet. Hierfür zieht die Braut eine traditionelle Tracht aus rotem, verziertem Stoff an, die einen Schleier besitzt, der das Gesicht der Braut während des Brauches bedeckt. Der Bräutigam trägt einen grünen Schal oder ebenfalls eine Tracht in Grün. Die Trauzeugen passen sich farblich dem Brautpaar an, d.h. die Freundin der Braut trägt einen roten und der Freund des Bräutigams einen grünen Schal.

Die Mütter des Brautpaares rühren das Hennapulver mit Wasser in einer dafür vorgesehenen Schale an. Die Schale wird auf einem mit roten Rosenblüten verzierten, großen silbernen Tablett platziert, das die Trauzeugin beim Eintritt in den Saal trägt.

Einmarsch Brautpaar in traditioneller Tracht

Das Brautpaar mit Gästen.

Kurz bevor das Brautpaar erneut in den Saal einmarschiert, wird das Licht gedimmt und alle Mädchen der Gesellschaft stellen sich am Saaleingang auf und warten mit je einer Kerze in der Hand auf das Brautpaar. Die Band spielt traurige Musik und verleiht dem Saal, in dem gerade noch gefeiert und getanzt wurde, eine sehr melancholische Stimmung. Das Brautpaar wird von den Mädchen und ihren Kerzen geleitet und, gefolgt von allen weiblichen Gästen, den Trauzeugen und den Vätern des Brautpaares, an ihren Platz in mitten des Raumes geführt. Während das Brautpaar sich setzt, wird es von den Frauen mehrmals tanzend und singend umkreist. Das geschmückte Tablett wird von Frau zu Frau weitergegeben. Brautmutter, Braut und einige Frauen weinen.

Henna-Zeremonie

Für den Henna-Brauch stellen sich alle Frauen um das Brautpaar. Eine Frau, die der Braut sehr nahe steht, kniet sich vor das Brautpaar nieder und betet für ewiges Glück, Erfolg, Liebe und Wohlstand. Die Gebete sind auf türkisch. Die Auswahl jener Frau hat die Braut bereits vor dem Festtag getroffen und um ihr Einverständnis gebeten. Für diese Frau ist es eine große Ehre. Meistens sind dies Tanten der Braut. Das Henna soll in die Handfläche der Braut gemalt werden, doch bevor dies geschieht, ist es Brauch, dass die Braut die Hand nicht sofort öffnet. Symbolisch steht dies dafür, dass die Braut zeigt, etwas Besonderes zu sein. Die kniende Frau sagt daraufhin zur Mutter des Bräutigams, dass die Braut die Hand nicht öffnet und bekommt dafür ein Goldstück der Schwiegermutter in die andere Hand.

Nun öffnet die Braut diese und bekommt mit Hennafarbe einen Kreis in die Handfläche gemalt. Persönlichen Informationen aus Interviews zufolge, wird hier aus Zeitmangel nur ein Kreis gemalt, welcher wiederrum die Bedeutung von Einigkeit und Glück besitzt. Die Handfläche des Bräutigams wird ebenso mit einem Kreis bemalt, dies geschieht gewöhnlich sehr schnell und ohne traditionelle Abhandlung. Die Hände des Brautpaares werden nun in Handschuhe gehüllt, um das Henna nicht unkenntlich zu machen. Der Schleier der Braut ist nun nach hinten gelegt. Braut und Brautmutter und viele weitere Gäste weinen. Dennoch wird geklatscht und dem Brautpaar gratuliert, indem es von den Gästen umarmt und geküsst wird. Der Bräutigam lächelt glücklich und freut sich über die Glückwünsche. Die Braut hingegen trocknet ihre Tränen und wirkt traurig und noch nicht offen für Glückwünsche.

Beginn der Feier

Gäste beim Halaytanz.

Nach der Zeremonie verlässt das Brautpaar mit Trauzeugen wieder den Saal. Es entkleidet sich der Trachten und zieht die vorherige Kleidung an. Je nach Wunsch des Brautpaars können diese auch die Tracht anbehalten. In diesem Fall behielten Braut und Bräutigam die Tracht an. Hier gibt es keine strenge, traditionelle Richtlinie.

Die Braut muss erneut geschminkt und frisiert werden. Hierfür gibt es meistens im Bekanntenkreis eine Cousine, welche Friseurin ist und das Make-Up und die Frisur der Braut erneut drapiert und ausbessert. Die Musik spielt wieder lauter und festlicher. Alle Gäste können nach Belieben ihre Hände und Finger mit Henna bemalen. Nun entstehen geschwungene Motive und eleganter Fingerschmuck. Erst nach der Henna-Zeremonie wird mit alkoholischen Getränken gefeiert. Es gibt türkisches Bier (Efes), Raki mit Wasser und als kulinarische Verpflegung Käse mit Jogurt-Creme und Knoblauch.

Akteure am Festtag

Akteure an diesem Festtag sind das Brautpaar, seine Trauzeugen und die engen Familien.

Die Trauzeugen sind Freund und Freundin des Brautpaares, die lange Zeit vor der Feier für dieses Amt gefragt und ausgewählt wurden. Trauzeugen können dieses

Amt auch verneinen, was normalerweise nur selten vorkommt. Oft sind die Trauzeugen selbst ein Paar und somit Freund und Freundin von Braut und Bräutigam zugleich. Persönlichen Informationen aus einem Interview mit der Trauzeugin der Braut zufolge, ist dieses Amt sehr anstrengend und kräftezehrend. Da dieser Brauch symbolisch sehr traurig ist, wird sehr viel geweint und die Tränen der Braut werden von einem Taschentuch, welches die Trauzeugin bei sich hat, aufgefangen. Die Trauzeugin ist demnach den gesamten Abend damit beschäftigt, das Ansehen und die Frisur der Braut nachzurichten und aufrechtzuerhalten, sich um alle Wünsche zu kümmern, um der Hauptperson des Abends eine schöne Feier zu bereiten.

Die Eltern des Brautpaares, wie auch andere enge Verwandte, werden zum Henna-Brauch eingeladen. Obwohl zur Brauchausübung nur die weiblichen Gäste anwesend sein dürfen, werden die männlichen Verwandten auch eingeladen. Diese bleiben zur Zeremonie auf ihren Plätzen und warten. Die Gästeliste beträgt, obwohl es eine Feier im engen Verwandtenkreis ist, ungefähr 150 Gäste.

Die Aufteilung von weiblichen und männlichen Gästen während des Brauches ist nicht in allen Regionen des muslimischen Glaubens üblich. Die Aleviten des beobachteten und besuchten Brauches trennen nur zur Brauchausübung die Geschlechter. Hier ist es geregelt, dass nur Frauen, die Väter des Brautpaares und die Trauzeugen am Henna-Brauch teilnehmen dürfen. Die Sunniten feiern die Henna-Nacht nur unter Frauen mit Anwesenheit des einzigen männlichen Gastes, nämlich dem Bräutigam.

Die Gäste waren festlich oder einfach gekleidet. Trotz winterlichen Temperaturen im Dezember waren die Gäste in sommerlicher Kleidung erschienen, da das Fest ausschließlich im Saal stattfand.

Akteure während des Brauches

Während des Henna-Brauches sind alle weiblichen Gäste, die Trauzeugen, die Mädchen und der Vater des Bräutigams (Vater der Braut bereits verstorben) versammelt. Sie stehen in einem Kreis um das Brautpaar und verfolgen die Zeremonie.

Die ausgewählte Hennamalerin ist eine der Braut nahe stehende Familienangehörige oder Freundin. Die Braut erfragt einige Wochen vor dem Brauch das Einverständnis dieser Person und erhält nur in den seltensten Fällen eine Absage, da diese Rolle für die jeweilige Person eine große Ehre ist. Die Gebete, die gesprochen werden, stehen für Liebe, ewiges Glück, Erfolg und Wohlstand des Brautpaars.

Die männlichen Gäste, z.B. Onkel, Jungen, Freunde, bleiben während der Zeremonie auf ihren Plätzen und verhalten sich ruhig.

Eine Liste der wichtigsten Akteure:

Die Braut beim Halaytanz.
  • Braut: Sevda A.K., 26 Jahre alt;
  • Bräutigam: Vedat K., 28 Jahre alt;
  • Mutter der Braut: Esma A., 55 Jahre alt, alleinstehend nach Tod des Ehemanns;
  • Mutter des Bräutigams: Reyhan K., 58 Jahre alt, schwer krank;
  • Trauzeugin: Aylin A., 20 Jahre alt, Cousine der Braut;
  • Trauzeuge: Cagdas E., 25 Jahre alt, Freund des Bräutigams;
  • Henna-Malerin: Essengül A., 45 Jahre alt, Tante der Braut und Mutter der Trauzeugin;

Veranstaltungsort

In den Sommermonaten wird der Henna-Brauch im Garten eines Familienmitglieds oder der Brautfamilie abgehalten. Hierfür wird er festlich dekoriert und mit Stühlen und Tischen ausgestattet. Das vorbereitete Essen wird zur Gastgeberfamilie gebracht. Servicepersonal wird hier nicht benötigt, dies übernimmt die Verwandtschaft.

In den Wintermonaten wird der Henna-Brauch in einem angemieteten Saal in näherer Umgebung der Braut abgehalten. Hierfür übernimmt das Servicepersonal die festliche Dekoration des Saals. Die selbst zubereiteten Speisen werden zur Lokalität gebracht, wo wiederum die Servierkräfte die Speisen auf Tellern anrichten.

Die Lokalität des hier beobachteten Brauches war ein Festsaal, die Jahnhalle in Geislingen, Baden-Württemberg. Diese wurde für drei Tage angemietet, um Saaldekorationen anzubringen und um diese am Tag nach der Feier wieder abzuhängen.

Henna-Tablett

Das Henna-Tablett.

Eines der wichtigsten Requisiten für diesen Brauch ist das festlich geschmückte Tablett mit der Hennafarbe darauf. Dies wird von den Müttern des Brautpaares organisiert, da es oft bereits in der Familie  extra dafür vorgesehenes Tablett gibt. Das Hennapulver und die dafür benötigten Utensilien werden ebenfalls von den Müttern gekauft und mitgebracht, sowie die Zierde für das Tablett.

Eine Band oder ein DJ sorgt für Stimmung und musikalische Untermalung. Beim hier beobachteten Brauch war es eine Band, die für passende musikalische Untermalung und Späße zur Unterhaltung sorgte. Die große Trommel und türkische Flöte, welche für die Begrüßung des Brautpaares und für den Einmarsch zur Henna-Zeremonie eingesetzt werden, besitzen eine türkische Band für gewöhnlich.

Persönliches Brauch- und Rollenverständnis

Allgemeines

Anhand einiger geführter Interviews mit dem Brautpaar, der Trauzeugin und der Mutter der Braut ist es möglich, einige persönliche Brauch- und Rollensituationen zu erklären.

Wichtig ist es, erneut zu erwähnen, dass hier eine muslimische Feier der “Aleviten“ dokumentiert wurde, welche sich von der eher strengeren Kultur der “Sunniten“ unterscheidet. Es lassen sich einige Parallelen vermerken, dennoch ist zu betonen, dass diese beiden Kulturen nicht gleich anzusehen sind.

Brauch- und Rollenverständnis des Brautpaares

Das Brautpaar in Tracht.

Dem Brautpaar ist der Schritt in eine gemeinsame Zukunft bewusst. Sie sind sich ihrer kulturellen Aufgaben und Verpflichtungen im Klaren, eine Verlobungsfeier, Henna-Nacht und Hochzeit zu veranstalten. Erst nach der Hochzeit wird der Braut erlaubt, aus dem Elternhaus auszuziehen. Früher war es für einen Mann Pflicht, bevor eine Verlobung stattfand, die Eltern der zukünftigen Braut um die Hand ihrer Tochter zu bitten. Heute wird dies bei den “Aleviten“ als höfliche Geste, aber nicht verpflichtend angesehen.

Brauchverständnis Henna-Nacht

Henna-Zeremomie.

Die Henna-Nacht ist nach Tradition ein trauriger Brauch, da die Tochter das letzte Mal als alleinstehende Jungfrau gefeiert wird. Nach dieser Nacht verlässt die zukünftige Braut das Elternhaus und zieht zur Familie des Bräutigams oder in ein gemeinsames Heim. Die Mutter der Braut und die Braut selbst weinen an diesem Abend sehr viel. Durch persönliche Gespräche habe ich erfahren, dass es nicht Brauch oder gar ein Muss ist, zu weinen, dennoch herrscht während der Henna-Zeremonie eine sehr melancholische Stimmung. Die Tränen, die vergossen werden, sind authentisch, da die Tatsache, dass die Tochter nun das Haus verlässt, die Herzen der Eltern berührt. Im Falle des beobachteten Brauches, war die Mutter der Braut bereits verwitwet und hinzukam, dass es die erste Tochter der Familie war, welche nun geheiratet hat.

Das Gesicht der Braut ist mit einem roten Schleier bedeckt, um den Kummer darin nicht zu sehen. Lächeln oder Freude im Gesicht der Braut wäre zum Zeitpunkt der Henna-Zeremonie nicht angebracht. Nach persönlichen Gesprächen mit der Braut ist bekannt, dass sie zur Zeremonie sehr nervös und aufgeregt war. Die Freude über die Eheschließung war stets präsent, dennoch war sie in diesem Moment traurig, dass sie ihre Mutter verlassen wird. Die Farbe Rot steht für Fruchtbarkeit, Liebe, Erfolg und Nachwuchs, wofür auch während des Brauches gebetet wird.

Brauch- und Rollenverständis der Henna-Malerin

Die ausgewählte Frau, welche der Braut und dem Bräutigam das Henna aufmalt, ist sich ihrer Rolle stets bewusst. Neben der Ehre, die ihr zukommt, muss sie den genauen Ablauf und Besonderheiten der Zeremonie wissen. Die Gebete müssen in Wahrheit gesprochen werden und von Herzen kommen. Der Kreis, der jeweils in die Handfläche des Brautpaares gemalt wird, bedeutet bei dieser Gesellschaft Einigkeit und Glück. Verzierte und großräumige Henna-Bemalungen werden in dieser Kultur nicht vorgesehen. Das Brautpaar beschreibt den Geruch von Henna als „feuchte Erde nach einem Regenschauer“, und mag diesen sehr.

Brauch- und Rollenverständnis der Trauzeugen

Die Trauzeugen sind sich ihrer Rolle als Hilfe und Unterstützung des Brautpaares bewusst, wohingegen der Trauzeugin viel mehr Arbeit zukommt als dem Trauzeugen. Die Trauzeugin, hier Cousine der Braut, beschreibt diesen Abend als sehr stressig und ruhelos. Auch sie war sehr nervös, da sie das Amt als Trauzeugin noch nie ausüben durfte und Angst hatte etwas Falsches zu machen. Die Aufgabe an diesem Abend ist es, der Braut immer zur Seite zu stehen. Zum Zeitpunkt der Zeremonie trägt sie, farblich passend, einen roten Schal und das Henna-Tablett – “kina“  „çeyiz“ (türk.: Aussteuer, Mitgift) – hinter dem Brautpaar in den Saal herein. Die Nacht vor der Henna-Nacht und danach verbringt die Trauzeugin mit der zukünftigen Braut.

Die Braut erinnerte sich nach der Henna-Nacht daran, dass sie vor Aufregung nichts essen konnte und alles wie im „Rausch an ihr vorbeizog“. Der Bräutigam erinnerte sich an seine Frau in der traditionellen Tracht und an seine nun verstorbene Mutter, die das Fest noch miterleben konnte. Das Brautpaar hat sich den Abend so vorgestellt, wie er dann auch statt gefunden hatte.

Organisation der Brauchveranstaltung

Offizielle Veranstalter sind das Brautpaar und dessen Eltern. Enge Freunde und Verwandte bekommen eine Einladung des Brautpaars, worin sie über Grund der Einladung sowie Ort und Zeit informiert werden.

  • 17 .00 Uhr: Eintreffen der Gäste; Tanzen “Halay“
  • 18.00 Uhr: Brautpaar betritt den Saal; Begrüßung der Gäste durch Brautpaar; Essen kalter Speisen, Trinken antialkoholischer Getränke; Tanzen “Halay“
  • 20.00 Uhr: Henna-Zeremonie; Einmarsch des Brautpaares; Henna-Malerei; Glückwünsche an Brautpaar
  • 21.00 Uhr: Tanzen “Halay“; Essen kalter Speisen, Trinken alkoholischer Getränke
  • 00.00 Uhr: Ende der Henna-Nacht

Finanziell ist es üblich, dass eine Aufteilung zwischen Verlobungsfeier, Henna-Nacht und Hochzeitsfeier stattfindet. Die Eltern des Bräutigams übernehmen gewöhnlich die Verlobungsfeier, während die Brauteltern die Henna-Nacht bezahlen. Die Hochzeitsfeier wird von beiden Elternpaaren gemeinsam gezahlt. Zu früheren Zeiten war diese Aufteilung streng festgelegt, heute kann dies individuell unter den Eltern des Brautpaares vereinbart werden. In diesem Fall war die klassische Aufteilung unter den Eltern des Brautpaares, wie zu Beginn angegeben, festgelegt worden.

Hintergrund-Infos

Begriffserklärung Henna

Das Wort Henna stammt aus dem Arabischen, in Indien wird der Ausdruck “Mehndi“ für Henna gebraucht. “Mehndi“ oder “Mehendi“ ist die in Pakistan genannte kunstvolle Körperbemalung mit Henna. Diese wird aufgrund von kosmetischen und rituellen Zwecke durchgeführt und ist schon seit dem Altertum bekannt. Bereits seit Beginn der Menschheitsgeschichte in der Urzeit war das Bemalen des Körpers ein Ritual. Auch bei den Indianern besaß die Körperbemalung, als Wertschätzung innerhalb der Gruppe, große Bedeutung.

Henna ist ein Naturprodukt, welches aus einer Pflanze namens “Lawsonia Inermis“ gewonnen wird, die im Orient schon seit Jahrhunderten bekannt ist. Um den Farbstoff zu gewinnen, werden die Pflanzblätter getrocknet und zermahlen. Das sich daraus ergebende Pulver ist wasserlöslich. Vermischt man dieses mit Wasser ergibt sich eine dickflüssige bis feste Masse.

Heute gewinnt Henna immer mehr an Bedeutung, nicht allein wegen den Farben von brauch bis roten Tönen, sondern auch weil Henna als Naturprodukt medizinisch als unbedenklich eingestuft wird. Das Produkt ist in Deutschland in indischen, chinesischen, arabischen und/oder orientalischen Läden zu kaufen.

Entwicklungsgeschichte von Henna

Hennapulver.

Der Ursprung dieser Bemalung ist in Persien. Von dort aus verbreitete sich dieser Brauch über Indien, die arabische Halbinsel bis nach Nordafrika. In Persien, Indien, den arabischen Kernländern, Marokko, Tunesien, Ägypten und dem Sudan erhält die Braut vor der Hochzeit eine kunstvolle Bemalung mit Henna auf ihren Händen, Unterarmen oder auch Füßen. In manchen Ländern bekommt der Bräutigam ebenso ein “Mehendi“ welches weniger prachtvoll ist, aufgemalt.

Auch in Deutschland ist die Henna-Bemalung nicht unbekannt. Diese heißen Henna-Tattoos, da sie einer Tätowierung ähneln. Im Gegensatz zu Tätowierungen verblasst die Henna-Bemalung innerhalb von zwei bis drei Wochen, da die Farbe nicht in die Hautschichten eingearbeitet wird.

Allgemeine Verbreitung von Henna

Beispiel für Hennabemalung.
  • Im Orient setzt man Henna-Malerei heut noch bei traditionellen Festen, Hochzeiten oder spirituellen Anlässen zur Verschönerung des Körpers ein. Muster und Symbole variieren nach Gegend, Kultur und Art der Veranstaltung.
  • In Indien ist es typisch, dass die Henna-Malereien Gesichter, Tiere, Linien und Strukturen sind, welche auf ganze Körperteile gemalt werden.
  • Bei den Arabern werden meistens nur Hände und Füße bemalt, während im Sudan sehr großflächige Motive aufgetragen werden.
  • Die afrikanische Henna-Malerei ist bekannt für breite Konturen, welche geometrische Figuren und Zeichen darstellen, wohingegen in Nordafrika kunstvolle Motive an Händen und Füßen gewöhnlich sind.
  • In den Golf-Ländern sind harmonische, feine Motive aus der Natur an Händen und Füßen angebracht.
  • Henna wurde bereits im alten Ägypten zum Färben verwendet.

Literatur

  • Dr. Mohamend Abdel Aziz, 2013: Henna-Tattoo. Geschichte, Tradition, Herstellung und Kultur; 2. Auflage, Diwan Orientalisches Kulturzentrum, Verlag, Zürich, S. 3-4.
  • Glosbe, 2014: Türkisch-Deutsch-Wörterbuch.
  • Wiktionary, Wikimedia Foundation Ins., 2014: Türkisches Wörterbuch.