Fischertag in Memmingen

Termin

Dieser Brauch findet am 21. Juli 2023 statt.

Einstiegsinformation

Jedes Jahr im Sommer findet ein großes Memminger Heimatfest satt, der Fischertag in Memmingen. Gruppen in historischen Kostümen stellen u.a. Fischer dar, die den Memminger Stadtbach abfischen, wobei am Ende der Fischerkönig gewählt wird.

Ablauf

Festteile

Der Memminger Fischtag ist ein Heimatfest, das sich als eine Art historisches Stadtspiel bezeichnen lässt. Es hat feste Bestandteile, wie Vorabendprogramm, Fischerzug, Fischerspruch, Ausfischen des Stadtbaches und Krönungsfrühschoppen. Das ganze Fest über treten viele Einzelpersonen in historischen Kostümen auf, die Leute und Typen früher Zeit darstellen. Sie schlüpfen in bestimmte Rollen, die Raum für individuelle Spielfreude geben, aber, je nachdem zu welcher Darstellergruppe man gehört, auch mit festgelegten Aufgaben verbunden sind. Was sich im Einzelnen abspielt und was zu sehen ist, kann man der Beschreibung der Darsteller-Gruppen und Personen entnehmen. Um die Durchführung des Festes kümmert sich ein 1900 eigens hierzu gegründeter Verein.

Darsteller-Gruppen

Die Sieben Schwaben Die Sieben Schwaben eröffnen zu Ehren des neuen Fischerkönigs den Umzug am Abend des Memminger Fischertages. Seit 1925 gehört diese Gruppe zum Festumzug. Literarisch wurde eine Gruppe von Schwaben im 15. Jahrhundert erstmals erwähnt, wobei aber lediglich von drei Schwaben dei Rede war. Die Sieben Schwaben sind aus so genannten Spottsagen bekannt, in denen die Abenteuer der Gruppe von sieben Schwaben erzählt werden, die sich eher tollpatschig verhalten. Der Höhepunkt ihrer Abenteuer besteht im Kampf mit einem Ungeheuer, wobei sich später herausstellt, dass es sich bei dem Ungeheuer lediglich um einen harmlosen Hasen gehandelt hat. Einer dieser sieben Schwaben kommt aus Memmingen, nämlich der so genannte Spiegelschwab. Deshalb spielen die Sieben Schwaben auch beim Fischertag eine Rolle. Trommler und Pfeifer Die Trommler und Pfeifer, auch Trommlerbuaba genannt, marschieren am Fischertag beim Zapfenstreich, beim Weckruf und bei den Umzügen mit. Die Gruppe gehört schon seit über 100 Jahren zum Festgeschehen. Sie ging aus einer Knabenkapelle hervor. Landsknechte Das heutige Landsknechtefähnlein wurde 1959 gegründet. 1968 stießen dann die ersten Frauen als Marketenderinnen dazu, und seit 1980 gehören Frauen und Kinder allgemein zur Gruppe. Die Gruppe der Landsknechte stellt beim Fischertag das Lagerleben des 16. Jahrhunderts mit historischen Kostümen, Waffen usw. dar. 1884 trat das erste Mal eine Gruppe von Landsknechten beim Memminger Fischertag auf. Die Tradition der Landsknechte geht einige Jahrhunderte weiter zurück. So war es Georg von Frundsberg, der Vater der Landsknechte, der 1504 die Memminger aufforderte, ihm ein Fähnlein Landsknechte zu stellen, um dieses im bayerischen Erbfolgekrieg einzusetzen. Später wurde Georg von Frundsberg von Kaiser Maximilian I. zum Ritter geschlagen und stand lange Zeit in dessen Dienst. Gefeiert wird um diese historischen Persönlichkeiten beim Frundsbergfest in Mindelheim und beim Kaiserfest in Füssen. Kanoniere Breuner Die heutige Gruppe besteht aus 84 Mitgliedern und wurde 1972 gegründet. Benannt ist der Trupp nach dem Generalfeldzeugmeister und obersten Artillerieführer Graf Johann Phillipp von Breuner. Zu den Aufgaben der Kanoniere gehören unter anderem Exerzierübungen wie der Umgang mit Kanonen, Musketen, Spießen, aber auch historisches Lagerleben. Bereits 1925 wird eine Artilleriegruppe beim Fischertag erwähnt. Fischergruppe Die heutige Fischergruppe hat 70 Mitglieder und besteht seit 40 Jahren. Die Gruppe bildet das Gefolge des Fischerkönigs. Bereits am Abend vor dem Fischertag ist es deren Aufgabe, den Schrannenplatz und den Fischerbrunnen schön herzurichten. Hierbei werden sie musikalisch durch das Schmotzlied und die Trommlerbuben begleitet. Nach dem Ausfischen des Baches am Fischertag selbst haben die Fischergesellen schließlich noch die Aufgabe, die letzten übriggebliebenen Forellen aus dem Bach zu fischen. Schon beim Festzug im Jahr 1878 waren auf einer Zeichnung Fischersleute dargestellt, die den Meeresgott Neptun begleiten. Stadtgarde Die Stadtgarde des Memminger Fischertages wurde 1950 gegründet und zeigt alles andere als stramme Soldaten. Seit dem Mittelalter stellte man zur Verteidigung gegen Feinde Truppenkontingente aus wehrfähigen Bürgerssöhnen zusammen. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden die Bürgerssöhne aber dann durch besoldete Soldaten abgelöst. Diese Soldaten waren allerdings oft Landstreicher oder Veteranen, die gegen Bezahlung Kriegsdienst leisteten, und daher teilweise nicht mehr so schlagkräftig waren. So wird die Stadtgarde heute eher lustig und mit spöttischem Blick auf die Geschichte dargestellt. Die Schmotzgruppe Bei den Schmotzer handelte es sich früher um Werk- und Armenhäusler, die nach Ablassen des Bachwassers das Bachbett von allem Schmutz und Unrat reinigen mussten. Die Schmotzgruppe des Fischertages erinnert an die Tätigkeit dieser Leute indem sie immer noch mit Karren und Schippen den Unrat aus dem Bach fischen, den die angeblich zivilisierten Bürger dort hineinwerfen: Fahrräder, Töpfe, Autoreifen, Bettgestelle, usw. Das älteste Dokument, welches die Beteiligung der Schmotzer am Fischertag bescheinigt, stammt aus dem Jahr 1878. Die Schmotzgruppe dieser Art wurde wohl in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts gegründet. Der Vers der Schmotzgruppe lautet: Schmotz, Schmotz, Dreck auf Dreck, Schellakenig, wiaschte Sau. Die Stadtbachfischer Die heutige Gruppe der Stadtbachfischer wurde 1992 gegründet und umfasst ca. 1.900 Mitglieder. Die Aufgabe der Stadtbachfischer ist es, am Fischertag den Memminger Stadtbach auszufischen. Aus dieser Gruppe geht dann schließlich auch der Fischerkönig hervor, nämlich derjenige, der am Ende die größte und schwerste Forelle ausgefischt hat. Am Ausfischen dürfen nur Jungen und Männer teilnehmen. Die Theatergruppe Die Theatergruppe gibt es seit ca. 70 Jahren, sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründet. Insgesamt zählt sie um die 100 Mitglieder. Die Beutelschneider Die Beutelschneider sind dafür verantwortlich, die Eintrittsgelder zum Memminger Fischertag von den Besuchern zu kassieren sowie Eintrittskarten zu den Festspielen und Festabzeichen zu verkaufen. Daher auch der Name Beutelschneider, was soviel bedeutet wie den Leuten das Geld aus dem (Geld-)Beutel ziehen. Die Gruppe wurde 1980 eingeführt und zählt 120 Mitglieder. Die Nähmädla Die Nähmädla stehen unter Aufsicht der Schneidermeister und ihre Aufgabe ist es, Kostüme nach historischen Vorlagen zu schneidern. 1979 wurde die Nähstube des Fischertagsvereins gegründet. Die Bevölkerung Die Aufgabe dieser Gruppe ist es, Memminger Bevölkerung im Jahr 1630 darzustellen, und zwar mit allen üblichen gewerblichen Tätigkeiten dieser Zeit, wie beispielsweise Schriftenmalerei, Spinnen, Korbflechten, Lederbearbeitung usw. Der Gruppe gehören 270 Mitglieder an.

Besondere Rollen

Der Nachtwächter Seit 1959 zieht während dem Fischertag ein Nachtwächter seine Runden durch die Straßen von Memmingen. Ab 22.00 Uhr beginnt er mit seinem Rundgang und verkündet jede geschlagene Stunde. Hört, ihr Herrn, und lasst euch sagen, unsre Glock hat ... geschlagen. Der Stadtbüttel Seit dem Mittelalter war der so genannte Büttel Vollstreckungsbeamter der Herrschaft und zudem Gerichtsbote. Beim Memminger Fischertag gibt es einen Büttel, der den Vollstreckungsbeamten des Rates darstellt. Begleitet wird er von der Stadtgarde, wobei die Soldaten eine Uniform des späten 18. Jahrhunderts tragen. Er selbst ist mit einer Uniform aus der Zeit des wilhelminischen Kaiserreichs bekleidet. Seine Aufgabe ist es, am Vorabend den Fischertag anzukündigen: Raut ond Bürgermoischter dont bekanntgeba, dass mora d`r Fischertag isch! Mundschenk und Truchsess Seit 1937 gibt es Darsteller eines Mundschenk und eines Truchsess beim Fischertag. Sie stellen die ständigen Begleiter des Fischerkönigs dar- Zudem gehört es zu ihren Aufgaben, den alten Fischerkönig mit einem Fußtritt vom Thron zu stoßen. Der Oberfischer Der Oberfischer wird von der Vorstandschaft berufen und hat die Aufgabe, den Fischerspruch zu erstellen, und diesen am Vortag des Fischertages auf dem Schrannenplatz vorzutragen. Bereits seit 1906 gibt es das Amt des Oberfischers. Das Ausfischen Nachdem nun der Büttel am Vorabend den Beschluss des Rates zum Fischertag verkündet hat, beginnt das Ganze dann am Samstag Morgen mit einem Weckruf verschiedener Kapellen durch die Straßen der Stadt. Anschließend ziehen im Fischerzug alle Fischer zum Stadtbach, wo dann der Oberfischer seinen Fischerspruch verkündet. Auszug aus dem Fischerspruch 2007
Dr schenschte Dag, es isch gwies woar, und des scho viele hondert Joahr, - onsr Fischerdag isch heit! Mir feirat wieas dr alte Brauch A Fescht fir s Hira ond d Bauch, Wo auf dr Welt sonscht neana geit. ... Auf den nobla Kenigsposchta, gschenkt fiar oi Joahr ohne Koschta, lurad sogar eisr OB. Der all Joahr mit Huat und Bära, duad gegs Schmotznond Wassr wehra, sich ond fendats grad au no sche. ... Auf jetzt, gant an uire Schtella, jedem gonn i sei Forella, lant hera tausndfach drei Höh! Schättra muaß es en de Ohra, alle dene Dünnbrett bohra, weil onsr Fescht macht koinr he! Höh! Höh! Höh!
Zudem werden dort auch noch jeweils drei besonders originell gekleidete Fischer und Jungfischer ausgesucht, die dann beim Krönungsfrühschoppen vom Oberfischer ausgezeichnet werden. Anschließend geht mit einem Böllerschuss um 08.00 Uhr das Fischen los. Derjenige, dem nun die größte und schwerste Forelle, die Königsforelle, ins Netz geht, wird zum neuen Fischerkönig gekürt. Sein Vorgänger wird mit einer gscheiten Brotzeit entlohnt und anschließend mit einem Fußtritt vom Thron gestoßen.

Zusätzliche Programmpunkte

Zum Fischertag gehört auch ein kulturelles Rahmenprogramm. Seit den 1950er und 60er Jahren werden am Vorabend des Fischertages in den Innenhöfen der Altstadt Serenaden von Memminger Vokal- und Instrumentalgruppen vorgetragen. Ein weiterer Programmpunkt ist die Heimatstunde. Im Mittelpunkt steht dabei die Verleihung des Memminger Fassadenpreises sowie ein Festvortrag des Heimatpflegers mit Themen zur Geschichte Memmingens. Unter anderem wird die Bedeutung der [http://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Memminger_Wahrzeichen sieben Wahrzeichen] sowie der Tore und Türme der Stadtbefestigung erläutert. Umrandet wird das Ganze von verschiedenen Instrumentalensembles und der Theatergruppe des Fischertages. Die Theatergruppe führt Stücke in Memminger bzw. heimischer Mundart vor.

Hintergrund-Infos

Geschichtliches

Vor einigen hundert Jahren wurde aus dem Benninger Ried ein kleiner Bach in die nahegelegene Siedlung Mammingin geleitet, um als Antrieb für Mühlräder, aber auch Bäckern, Bierbrauern und generell den Bürgern als Trinkwasserversorgung zu dienen. Dieser Bach, die Memminger Ach, musste jedoch einmal im Jahr gereinigt werden. Dazu musste das Wasser abgelassen, vorher aber alle Forellen aus dem Wasser gefischt werden. Das Ausfischen wurde gemeinschaftlich von den Gesellen aller Handwerkerbetriebe verrichtet, was bereits seit dem 16. Jahrhundert schriftlich überliefert ist. Außerdem wurde im 16. Jahrhundert die Reinigung des Bachbettes als Abschlagen des Baches bezeichnet. Das Ausfischen ist nun der Kern des Memminger Fischertages. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm man das Ausfischen zum Anlass, den Fischertag zu einem Fest zu gestalten, und in diesem Zusammenhang gab es Festumzüge und Bälle, die die Memminger Bürger erfreuen sollten. Seit 1900 wird der Fischertag schließlich von einem eigens gegründeten Verein, dem Memminger Fischertag Verein e.V., organisiert. In diesem Zusammenhang findet sich in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Fischertagsvereins Memmingen im Jahr 2000 ein Auszug aus dem Protokollbuch des Comités für die Fischertagsfeier von 1900, in dem über die Gründung nachgedacht wird. Dort heißt es: Am Fischertag des Jahres 1899 besuchten mehrere Herren, des um das Zustandekommen des Fischerzuges vor 9 Jahren so erfolgreich thätig gewesenen Comités, den althergebrachten Frühschoppen im Rabenkeller [...]. Sie thaten sich noch gleichen Ortes als provisorisches Comités zusammen und in aller Stille wurde der Plan ausgearbeitet, der nicht allein in einem Festzug gipfelte, sondern schon den kühnen Gedanken barg: Etwas Bleibendes zu schaffen. In einer Bürgerversammlung am 8. September 1900 wurde schließlich der Antrag auf Gründung des Vereins angenommen.

Entstehungssage

Über die Entstehung des Fischertages gibt es mehrere Sagen, wobei in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Fischertagsvereins im Jahr 2000 folgende Sage zu finden ist: Ein reicher Memminger Kaufherr hatte ein Dienstmädchen, das wegen seiner Sittsamkeit und Frömmigkeit von allen geliebt ward. Eines Tages vermißte nun der Kaufherr ein Ringlein, das ihm als Andenken von Vater und Mutter gar teuer war. Böse Zungen brachten das Mägdlein in Verdacht, daß es den Ring gestohlen habe; es kam vor Gericht und wurde zum Strang verurteilt. Da geschah es, daß an dem Tage, an welchem die Hinrichtung sein sollte, der Bach ausgefischt wurde, da dessen Bett gereinigt werden sollte. Dabei wurden viele Forchen gefangen. Eine derselben kam in das Haus des Kaufherrn. Zur Verwunderung aller fand sich das Ringlein im Magen des gefräßigen Fisches. Die Kinder des Hauses hatten damit gespielt und den Ring in den vorüberfließenden Stadtbach geworfen. Das Mägdlein war gerettet und aus Freude darüber wurde alljährlich am Bartholomäustage arm und reich das Fischen im Stadtbach erlaubt.

Fischertag in Nigeria

In der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Fischertagsvereins ist von einem Fischertag in Nigeria die Rede, von welchem das Süddeutsche Zeitung Magazin am 23. August 1991 berichtet hat. So gibt es anscheinend in Nigeria am Fluss Rima ebenfalls eine Art Fischertag. Die Zeitung schreibt dazu: In der Frühe hatte sich der Fluss noch ganz ruhig und friedlich präsentiert, menschenleer und verlassen - bis es um 9.30  Uhr plötzlich krachte und das braune Wasser zu brodeln begann: Ein Gewehrschuss gab das Startsignal zum traditionellen Wettfischen im Rima. Dieser Contest gilt als Höhepunkt des sieben Tage dauernden Festivals von Argungu, bei dem außerdem Bogenschießen, Tanzen, Kamelrennen und das Fangen wilder Elefanten auf dem Programm stehen. Dem Ruf ins Wasser folgen jedes Jahr Tausende tapferer Männer: Mit Stangen, Netzen und ausgehöhlten Kürbissen ausgestattet, stehen sie dicht an dicht und jagen nach den größten Fischen, die der Strom beherbergt. Am begehrtesten ist ein Barsch, den die Nigerianer Giwan Ruwa nennen - Wasserelefant. Damit die Festivalgäste in Zukunft nicht erfolglos im Trüben fischen, kehrt nach dem Sturm auf die Elefanten gleich wieder Ruhe ein: 51 Wochen im Jahr besteht für den Rima absolutes Fisch- und Badeverbot.

Weblinks

Literatur

  • Fischertagsverein Memmingen e.V.: 100 Jahre Fischertagsverein Memmingen. 1900 bis 2000. Festschrift. Memmingen 2000.