Fischerstechen in Donauwörth

Termin

Dieser Brauch findet im Juni 2023 statt.

Einstiegsinformation

Das Fischerstechen war ein traditioneller Fischerbrauch. Besonders bekannt sind heute die regelmäßigen Fischerstechen in Bamberg, Ulm, in Seeshaupt am Starnberger See, in Seehausen am Staffelsee oder auch auf der Wörnitz in Donauwörth. Dort findet das Fischerstechen seit einigen Jahren im Rahmen von gut besuchten Sommerfesten eingebettet in Marketingaktionen der City Initiative Donauwörth statt. In Neuburg an der Donau treten beim Fischerstechen Mannschaften mehrerer Städte gegeneinander an. 2009 waren dies Donauwörth, Stepperg, Ingolstadt, Bamberg und Laufen an der Salzach.

Ablauf

Inselfest und Reichsstraßenumzug als festlicher Überbau

 Donauwörther Fischerstecher in der traditionellen Stecher-Tracht in den Stadtfarben Schwarz, Gelb und Blau.
Vor dem Turnier ziehen die Teilnehmer begleitet von einem Fanfarenzug durch die Reichsstraße auf die Riedinsel. Seit der Übernahme der Vermarktung durch die City Initiative Donauwörth ist das historische Fischerstechen auf der Wörnitz eingebunden in ein zweitägiges Stadtfest, das meist am Freitag Vormittag mit einer feierlichen Eröffnung durch den Oberbürgermeister eingeleitet wird. Etliche Konzerte und die Verpflegung durch die örtliche Gastronomie vertreiben den Besuchern die Zeit, bis am Nachmittag die Fischerstecherjugend und die Ortsvereine zum Turnier antreten. Nach der Siegerehrung durch den Oberbürgermeister ist der Abend wieder dem gemeinsamen Feiern gewidmet. Der Samstag, der zunächst wiederum mit einem Frühschoppen und Musik eingeleitet wird, hält den Höhepunkt des Spektakels bereit. Am frühen Nachmittag werden die Fischerstecher aus den konkurrierenden Gemeinden offiziell begrüßt. Es folgt der Reichsstrassenumzug, bei dem alle Mannschaften in ihren regional spezifischen Gewändern, ausgestattet mit Lanzen und Rudern, zur Marschmusik eines historischen Fanfarenzuges durch die Altstadt zum Ufer der Wörnitz ziehen. Nach dem eigentlichen Fischerstechen, das weiter unten detaillierter erklärt wird, findet erneut eine feierliche Siegerehrung statt und abends klingt das Inselfest mit Konzerten, Tanz, Speis und Trank auf der Riedinsel aus.

Das historische Fischerstechen im Bayerischen Stil

Nachdem die Teilnehmer und Zuschauer das Ufer der Wörnitz erreicht haben und sich auch Blaskapelle und Moderator eingefunden haben beginnt das historische Fischerstechen mit einer Vorstellung aller antretenden Teams. Jede Mannschaft stellt sich in ihrer Zille (=Boot) dem Publikum vor, wobei ein selbstgewähltes Lied durch die Lautsprecher ertönt (oft eine pompöse Hymne, ähnlich der beim Einmarsch von Profi-Boxern in den Ring). Das an ritterlichen Lanzenturnieren orientierte Fischerstechen in Donauwörth wird im bayerischen Stil ausgetragen, der sich vom französischen Stil hauptsächlich dadurch unterscheidet, dass die Stecher direkt auf einer Plattform in der Zille und nicht auf einem dort zusätzlich angebrachten Podest stehen. Ein Team besteht aus einem Steuermann, einem Ruderer und zwei Stechern, die sich abwechseln. Gekämpft wird Jeder gegen Jeden in zwei Runden, das heißt: treten acht Mannschaften an, so gibt es zwei mal 28 Durchgänge. Ein Stecherteam startet stromabwärts, das andere stromaufwärts. Die Zillen werden knapp aneinander vorbeigesteuert und sobald sich die Heckseiten, wo die Stecher mit ihren Lanzen stehen, auf gleicher Höhe befinden, versuchen diese, den Gegner so am Oberkörper zu treffen, dass er das Gleichgewicht verliert und ins Wasser fällt.
Die Stecher der beiden konkurrierenden Teams treffen aufeinander.

Hintergrund-Infos

Geschichte zur Fischerei in Donauwörth

Donauwörth ist eine traditionelle Fischerstadt, in der die Fischerei in früherer Zeit die Haupteinnahme und -ernährungsquelle darstellte. Eine alte Familiensage, die heute noch erzählt wird, erklärt, warum Kaiser Sigmund den Donauwörther Fischern im Jahre 1434 urkundlich das Fronfischlehen in den Fischgründen der nahen Donau- und Wörnitzgebiete verliehen hat: als er nämlich auf seiner Reise von Ulm nach Regensburg in Schwäbischwerd Halt machte, sollen die Schiffmeister Claus und Martin Härpfer ihn vor Raubrittern gewarnt haben, die dem Kaiser vor Ingolstadt auflauerten. Daraufhin entschied sich Sigmund, statt in seinem Prunkschiff in einem Härpferkahn weiterzureisen und erhielt von den Fischern auch Schifferknechtkleidung zur Tarnung vor den Räubern. Der Legende nach soll das Prunkschiff des Kaisers, das weiter donauabwärts fuhr, nachher überfallen worden sein, wobei Sigmund selbst unversehrt an sein Ziel gelangte. Ob die Raubritter dem Kaiser auch nach dem Leben trachteten ist nicht sicher, dennoch soll dieser seinen Helfern so dankbar gewesen sein, dass er der alten Fischerfamilie das Fronfischlehen mit einer Urkunde offiziell verlieh. Die heute als Fischerstechen bekannte Turnierform zu Wasser, bei der die sich begegnenden Kontrahenden versuchen, sich gegenseitig von ihren Kähnen ins Wasser zu stoßen, soll sich entwickelt haben, weil es mit steigender Anzahl der Fischerfamilien und Verwischung der familiären Linien im Laufe der Zeit in Donauwörth zu Unstimmigkeiten gekommen sei und damit ein Wettbewerb um die besten Fischgründe wäre.

Fischerstechen in Donauwörth im 18. und 19. Jahrhundert

Unabhängig vom Kampf um die besten Fischgründe regelmäßig stattfindende, inszenierte Fischerstechen sind seit dem Jahr 1737 urkundlich nachgewiesen. Von da an fand das Turnier des kleinen Mannes üblicherweise alle sechs bis sieben Jahre, jeweils zu Kirchweih oder Nachkirchweih, natürlich nur mit obrigkeitlicher Bewilligung statt. 1791 schrieb Johann Baptist Schön in seinem Kurze(n) Beytrag zur Geschichte der hießigen Schiffsmeisterzunft bey dem damaligen Fischerstechen 1791:
Vor Zeiten schrieb das deutsche Reich Dem jungen, biedern Adelsstande Zum Unterhalt Turniere aus; - Und mancher tapfre Ritter trug In seinem ersten Kampfgewande Schon Freude, Ehr und Lohn nach Haus.- Auch wir (sind unsre Wappen gleich Nur Fischernetze, Schiff, und Kähne,) Auch wir turnieren wieder hier Zwar nicht mit Lanze oder Schwert; - Doch glaubt mirs: viele Kiegessöhne Besitzen nicht den Muth wie wir. -
Aus einem 1813 erschienenen Bericht im Donauwörther privilegierten Wochenblatt Nr. 37 erfahren wir mehr über Handlungsort, Trägerschaft und Publikum:
Am 13. September gaben hier unsere bürgerlichen Schiffer auf der Donau ein Fischerstechen, wobei sich eine Menge Volkes aus allen Ständen befand. Unter anderen hohe Herrschaften geruhten diesem ergötzlichen Schauspiele auch Ihre Exzellenz die Frau Gemahlin des k. b. Premierministers (...) beyzuwohnen.
Einige Jahre später berichtete das selbe Blatt wieder über das Fischerstechen. Bereits hier ist zu entnehmen, dass das etwas Ermüdende Einerley des herkommlichen Wasserturniers durch komische und unterhaltsame Nebenszenen gewürzt wurde. Außerdem bildete ein großes Volksfest auf den Weidenwiesen zwischen Wörnitz und Donau, mit dem üblichen Zauber der Marktbuden, Karussels und des Trinkgelages den Abschluss des Fischerstechens. Das vorerst letzte Fischerstechen ist für September 1850 bezeugt. In den Folgejahren schrumpfte die Fischerzunft in Donauwörth um mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder und da die verbleibenden Schiffmeister den Brauch nicht mehr aufrecht erhielten, verfiel er in einen Dornröschenschlaf.

Belebung durch den Verein Donauwörther Fischerstecher e.V. seit 1983

1951 erschien im Heimatfreund, einer Beilage der Donauwörther Zeitung, eine Art Nachruf auf das Spektakel, verbunden mit dem Vorschlag, das Fischerstechen wieder aufleben zu lassen. Nach einer historischen Darstellung des Brauches gibt der Autor bekannt: Zweck dieses Berichtes ist die Anregung, es möchte bei unsern nun alljährlich abgehaltenen Sommerfesten am Wörnitzbad auch ein Fischerstechen verbunden werden. Leider fehlt es an jungen Fischern, aber die Schwimmriege des Sportklubs könnte gewiß die Durchführung übernehmen. Es wäre zu begrüßen, wenn diese Zeilen dazu beitragen würden, diesen alten Brauch wieder aufleben zu lassen. Diese Darbietung würde gewiss viele Zuschauer aus der engeren uns weiteren Umgebung anlocken. Ein tatsächlicher Neubeginn stand für das Fischerstechen allerdings erst nach 135-jähriger Pause am 13. Juli 1985 wieder an, nachdem 1983 der Verein Donauwörther Fischerstecher e. V. gegründet worden war. Seither findet das Wasserturnier wieder regelmäßig alle zwei Jahre auf der Wörnitz statt. Seit einigen Jahren steht das Donauwörther Fischerstechen unter der Schirmherrschaft der City Initiative Donauwörth.

Das Donauwörther Fischerstechen - ein Marketing-Brauch?

In einem Gespräch mit Leonhard Reiter, dem 2. Vorstand des Vereins Donauwörther Fischerstecher, wurde durchaus deutlich, dass eine gewisse Orientierung am heute geforderten Event-Charakter auch, oder gerade, für eine althergebrachte Tradition wie das historische Fischerstechen überlebensnotwendig ist. Dem Ausbleiben von Gästen in den letzten Jahrzehnten musste mit der Einbindung des Brauches in ein größeres, spektakuläreres Ganzes begegnet werden. Sowohl das Alter als auch die Bedeutung des tief in der Donauwörther Stadtgeschichte und Identität verwurzelten Fischerbrauches steht völlig außer Frage. Hier wird also offensichtlich eine traditionelle Handlung aus marketingtechnischen Gründen in einen sehr modernen, öffentlichkeitswirksamen Kontext gestellt. Beispiel dafür ist nicht nur das bunte Treiben des Inselfestes drum herum, die Buden, Biergärten und Konzerte, sondern auch die Begleitung des Fischerstechens an sich durch einen animierenden Moderator, der, verstärkt durch Mikrophon und Lautsprecher, das Geschehen kommentiert und pausenlos versucht, das Publikum bei Laune zu halten. Doch was wird hier vermarktet? Anders als bei Events wie dem Sautrogrennen, wo ein Produkt in den kontextuellen Mittelpunkt gestellt und mit Hilfe von vermeintlich tradiertem bayerischem Brauchtum beworben wird, spielt beim Fischerstechen sicherlich die Stadt Donauwörth selbst die Hauptrolle. Auf die Attraktivität als Touristenziel und Wohnort soll werbewirksam hingewiesen werden, wofür natürlich hauptsächlich die seit Kurzem bestehende Schirmherrschaft der City Initiative Donauwörth spricht. Laut Leonhard Reiter deckt sich diese Übernahme zeitlich ziemlich genau mit dem Beginn der Eventisierung des Fischerstechens. Die oft zitierte Spaß-Gesellschaft wäre in dieser Annahme Grund und Trägerschaft dieser Tendenz. Wie neu diese Spaß-Gesellschaft allerdings wirklich ist, bleibt fraglich, wenn man die letzte Strophe des anfangs zitierten Gedichts von Johann Baptist Schön aus dem Jahr 1791 liest, die das Ende eines damals zu Kirchweih ausgetragenen Fischerstechens schildert:
Dann eilet unter Jubelschall Der Zug in Massen, bunten Reihen, Der nächst bestimmten Schenke zu Wo wir bei fettem Abendschmauß Und muntern Tänzen laut uns freuen; - Erst späte taummeln wir zur Ruh.

Gewährsperson

Interview mit Leonhard Reiter, 2. Vorstand des Vereins Donauwörther Fischerstecher e.V.

Literatur

  • Burgmair, Jakob / Herdin, Günther: 265 Jahre Donauwörther Fischerstecher - Von Fischern, Schiffern und Fischerstechern. Donauwörth, 2002. (Chronik mit Quellen aus dem Donauwörther Stadtarchiv, aus Hauptrechnungen der Stadt Donauwörth und dem Archiv des Donauwörther Wochenblatts)
  • Die alten Rivalen treten zum 35. Fischerstechen an. In: Donaukurier, 21./22.05.2009.

Karte und Video