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Termin
Dieser Brauch findet vom 13. bis zum 24. Juni 2025 statt.Einstiegsinformation
Die Junifeste (Festas Juninas“) werden in Brasilien im gesamten Monat Juni gefeiert und haben eine lange Tradition. Besonders in den Regionen des Nordostens (hier ähnlich populär wie Karneval) werden die Feste zu Gedenken der römisch-katholischen Heiligen Santo Antônio (Heiliger Antonius von Padua am 13. Juni), São João (Heiliger Johannes am 24. Juni), São Pedro und São Paulo (Heiliger Peter und Heiliger Paul am 29. Juni) intensiv gefeiert. Das Fest zu Ehren des Heiligen Johannes (São João) am 24. Juni steht dabei im Fokus der Feierlichkeiten.Empirische Dokumentation München-Pasing
München-Pasing: Es ist Sonntag, der 23.6.2013 und wir haben 12.51 Uhr. Die Außentemperatur ist 18,6° und es ist bewölkt - wobei die Sonne es immer wieder schafft kurz durch die Wolkendecke zu brechen. Temperaturen von über 30° - wie in den vergangenen Tagen - werden heute nicht erreicht. Der DBKV München veranstaltet sein Festa Junina“ dieses Jahr offiziell von 13 bis 19 Uhr im Saal der Kirche St. Willibald. Vor dem Festsaal sind bereits einige Erwachsene und Kinder zu sehen. Ich trete über einen Hof in das vom Verein gemietete Nebengebäude der Kirche ein, gehe eine Etage nach oben und passiere den Eingangsbereich zum Festsaal. Im Eingangsbereich sitzen einige Damen des Vereins an einem Tisch, ich bezahle den Eintritt von 4,- Euro und erhalte dafür einen Stempel auf meine Hand. An der Kasse werden Bons für Getränke (Bebidas), Süßes (Doces) und eine Verlosung (Rifa) verkauft. Im Saal wird auf einem langen Tisch Süßes wie Canjica (eine aus einer Art süßen Mini-Popcorn (Canjica), Milch und Zucker bestehende brasilianisches Speise, welche typischerweise zum Festa Junina gekocht wird) angeboten. Angebotene Süßigkeiten bestehen vor allem aus Erdnüssen und Mais (wird im Juni geerntet) und werden wechselnd von 2-3 Personen der 50 Mitglieder des DBKV verkauft. Auch gibt es Butter- Milch- Kokoskuchen (Bolo de Côco), Apfel- Walnusskuchen (Bolo de Maçã e Nozes), Bananenstreuselkuchen (Cuca de Banana), Maismehl- Kokosmilchkuchen (Bolo de Fubá e Leite de Côco) und Mais- Kokoskuchen (Bolo de Milho e Cocô). Mir fallen zudem ein Schokokuchen und ein Kuchen mit gelber Farbe auf, deren Zutaten ich ohne vorhandene Namensschilder allerdings nur erraten kann. Neben Kaffee, Wasser und verschiedenen Erfrischungsgetränken (Refrigerantes), wird auch das in Brasilien sehr bekannte Erfrischungsgetränk Guaraná (der Name leitet sich von der gleichnamigen koffeinhaltigen Pflanze ab) verkauft. Der Guaraná wurde in seiner traditionellen Zubereitung bereits von den indigenen Ureinwohnern Brasiliens getrunken bzw. gegessen. Um 14.20 Uhr beginnt die Vorsitzende des Vereins Rosanna F. G. die zirka 80 anwesenden Gäste zu begrüßen und die Lautstärke im Saal nimmt kurzzeitig ein wenig ab. Jeder Gast ist hier willkommen, aber die zu diesem Zeitpunkt zirka 80 Personen setzen sich überwiegend aus Mitgliedern des Vereins, deren Familien und Freunden zusammen, die zumeist auch die portugiesische Sprache verstehen – wie ich im Laufe des Tages feststellen werde. Die Vorsitzende des DBKV fragt, ob sie die Präsentation auf deutsch oder portugiesisch halten soll und erfragt dann auf deutsch, welcher Juniheilige an welchem Tag im Juni gefeiert wird. Sie erklärt zirka 2 Minuten die historischen Hintergründe der Festas Juninas“ und gibt einen Überblick über das weitere Tagesprogramm bis 19.00 Uhr. Im Laufe des Tages gibt die Vorsitzende zu den einzelnen Programmpunkten immer wieder kurze Einführungen, Erklärungen und Anweisungen. Geschichte und/oder Rollencharaktere der Aufführungen werden so verständlich; die Sprache wechselt hierbei immer wieder zwischen deutsch und portugiesisch.Durchführung des Programms
Zuerst wird ein kleines Theaterstück des Teatro Brasileiro de Munique“ mit dem Namen O Pássaro Junino“ (der Junivogel) von der brasilianischen Schriftstellerin Regina Drummond (Autorin der Geschichte) und Ricardo Eche (Kulturreferent des DBKV) vorgetragen: Von 14.35 bis 14.50 Uhr. Anschließend wird das Theaterstück BUMBA-MEU-BOI (Volkstheater um einen Ochsen) vom Teatro Brasileiro de Munique, unter der Leitung von Ricardo Eche, aufgeführt: Von 15.50 bis 16.10 Uhr. Es folgt die Casamento Caipira (Bauernhochzeit), bis schließlich - unter Kommandoansagen - eine traditionelle Quadrilha von den Darstellern des Theaterstückes getanzt wird: Von 16.30 bis 17.00 Uhr. Die traditionelle Quadrilha wird nach einiger Zeit zusammen mit den anwesenden Gästen und unter der Leitung der 2. Vorsitzenden des Vereins Mary L. S. K. durchgeführt: Von 17.00 bis 17.25 Uhr. Als letzter Programmpunkt wird um 17:50 Uhr das Ergebnis der Verlosung (Rifa) eines Korbes (Cesta) mit typisch brasilianischem Essen, Trinken und weiteren Gegenständen bekanntgegeben. Außerdem werden an die anwesenden Kinder Kinderbücher in brasilianischer Sprache und von brasilianischer Autoren verlost. In den Pausen zwischen Programmpunkten und am Ende des Tages spielt zudem immer wieder eine brasilianische Band, die aus zwei Personen besteht (eine Person singt und trommelt und die andere spielt Gitarre und singt), Música de Forró ao vivo (Forró-Musik live). Neben den Theateraufführungen gibt es für Kinder außerdem die Möglichkeit für Pintura de desenho e sorteio de prêmios para crianças (Malen für Kinder und Verlosung von Preisen). Über den ganzen Tag wird brasilianisches Essen wie Feijoada für 8,- Euro und Salgados (je Stück für 2,- Euro) von den Besuchern des Festes gekauft. Hierzu gibt es Caipirinha für 5,- Euro und Bier für 3,- Euro. Das Geld wird direkt an die Küche – die von externen Freunden des DBKV organisiert wird - entrichtet.Quadrilha mit Gästen. Um zirka 15.00 Uhr hatte es begonnen zu regnen, was bis zum Ende des Festes um 19.30 Uhr so bleibt. Der Stimmung im im Saal tut dies allerdings keinen Abbruch und es kommen über den Tag etwa 240 Besucher auf das Fest. Die meisten Besucher sind - im Gegensatz zu den Vereinsmitgliedern und TheaterspielerInnen - nicht in den typischen Kostümen der Festas Juninas“ gekleidet und geschminkt. Die Stimmung ist entspannt und das Rollenverständnis ist, außer bei der Vorsitzenden des DBKV München, nicht sehr ausgeprägt. Neben der Vorsitzenden zeichnen sich weitere Hauptakteure lediglich durch ihre Funktionen (Verkauf und/oder Theateraufführende) aus. Während des Festes erreicht die Stimmung von 16.45 bis 17.30 Uhr ihren Höhepunkt, sodass der kleine Festsaal sich aufheizt und Fenster an den Seiten des Raumes geöffnet werden müssen. Gegen 17.50 Uhr beginnt sich der Festsaal allmählich zu leeren und die Menschen verabschieden sich überschwänglich.Interview mit einer Besucherin
Interviewer: Interviewer: Liebe Besucherin, sie sind vor etwa 20 Jahren aus der Stadt Americana (eine Stadt nahe der Stadt São Paulo) nach Deutschland gekommen, was bedeutet das „Festa Junina“ des DBKV für Sie? Antw: Soll ich ehrlich antworten? Interviewer: Ja, bitte! Antw: Nicht mehr so viel. Ich lebe sehr gerne in Deutschland und ich glaube, dass dieses Fest vor allem für diejenigen Brasilianer wichtig ist, die noch nicht so lange in Deutschland leben, bzw. für diejenigen, die sich in Deutschland noch einleben müssen und Anschluss finden möchten. Diesen Menschen bedeuten diese Zusammenkünfte mit anderen Brasilianern sehr viel, so war es zumindest bei mir. Interviewer: Sind Sie selbst Mitglied des DBKV? Antw: Nein, ich kenne aber viele der hier anwesenden Personen und komme (unregelmäßig) immer mal wieder gerne zu verschiedenen Veranstaltungen des DBKV oder anderen brasilianischen Veranstaltungen. Denn auch wenn ich mich sehr wohl in Deutschland fühle und meine Familie und Freunde mich sehr in Anspruch nehmen, so liebe ich doch die brasilianische Kultur. Interviewer: Was meinen Sie damit? Antw: Ich empfinde große Emotionen, wenn ich z.B. die typischen brasilianischen Lieder höre, das berührt mich jedes Mal wieder sehr tief in meinem Herzen und ich kann das gar nicht genau erklären. Wenn ich bspw. auf dem Oktoberfest bin (Ich lebe in München!) und dort bayrische Volks- und Blasmusik höre, dann finde ich diese zwar auch sehr schön, aber sie berührt mich nicht im Herzen. Diese Emotionen, die empfinde ich nur hier, auf solchen Festen, wie dem „Festa Junina“ des DBKV. Interviewer: Ich danke Ihnen für ihre Offenheit.Allgemeines
Die Dekoration auf den Festen orientiert sich an den Gebräuchen der ländlichen Bevölkerung, die häufig sehr gläubig ist. Auf dem Land (Campo) gibt es vielfach einen Festplatz unter freiem Himmel (Arraial), der wahlweise mit bunten Wimpeln (Bandeirinhas), Lampions und Palmenblättern geschmückt wird. Gegen Abend wird (im Unterschied zu Festen in großen Städten) in der Mitte des Festplatzes häufig ein Lagerfeuer entzündet (was an die europäischen Johannifeuer erinnert und bei denen für jeden der Heiligen das Holz in anderer Form gestapelt wird), um das getanzt oder über dem Maiskolben gegrillt werden. Dieses Feuer wird zu Ehren der Juniheiligen entzündet, soll die Festlichkeiten beschützen und wärmt die Menschen - je nach Region - auch vor Kälte. Vielerorts wird zudem ein großes Feuerwerk abgebrannt (Fogo de artifício), es werden Ballons in den Himmel aufsteigen gelassen und es gibt einen sogenannten. Ein glatter hoher Stamm an dem junge Männer ihre Kraft beweisen indem sie - oft in gemeinsamer Anstrengung - möglichst schnell hochklettern, um an einen Preis an dessen Ende zu gelangen. Das Essen der Feste basiert vor allem auf gekochten Erdnüssen, Reis und Mais der zur Jahreshälfte geerntet in unterschiedlichen Variationen als Kuchen, Pudding und in Form verschiedener Süßigkeiten angeboten wird. Hinzu kommen Krebs- und Krabbensuppen, traditionelle Früchte, Liköre und Essen, welches Jahreszeit und Region entspricht. Typisches Essen heißt auf Portugiesisch: Pamonha, Canjica, Milho cozido, Bolo de Milho (Verde), Mungunzá, Curau, Lelê Comida, Arroz Doce, Bolo de Aipim, Mingau de Milho, Baba de Moça, Biscoito de Polvilho, Pipoca, Batata Doce Assada, Bolo de Fubá, Bom-bocado, Broa de Fubá, Cajuzinho, Doce de Abóbora, Doce de Batata-doce,Maria-mole, Pastel Junino, Pé de moleque, Pinhão, Cuzcuz,Quebra Queixo, Quindim oder Rosquinhas de São João (Comida típica). Typische Getränke sind u.a. Vinho Quente, Suco de Milho Verde oder Quentão. In den großen Städten haben Festas Juninas heute Volksfestcharakter. Es wird gegessen, gefeiert und viel getanzt. Konkurrierende Tanzgruppen treten auf Tanzwettbewerben gegeneinander an. Die einzelnen Gruppen setzen sich (neben Tanzcharakteren innerhalb der Gruppen) aus unterschiedlichen Menschen (auch Transvestiten) und verschiedenen Religionen zusammen. Die Kostüme sind traditionell an die Bekleidung der Landbevölkerung angelehnt. Typischerweise zerrissener Strohhut, kariertes Hemd, Hose mit Flicken oder falsche Zahnlücken für Jungen und Männer sowie weite Kleider, Sommersprossen und Zöpfe für Mädchen und Frauen. Einer der Höhepunkte der Feste (besonders) auf dem Land ist die Quadrilha Caipira (brasilianischer Bauerntanz). Musik und Tanzstil fußen auf dem aus dem Nordosten Brasiliens stammenden Forró, der von einem Trio Nordestino“ live gespielt wird. Im zweitgrößten Bundesstaat Pará im Norden Brasiliens finden sich in den Tänzen neben Forró Elemente von Carimbó oder Lundu wieder. Im Nordöstlichen Bundesstaat Ceará u.a. von Pastoril. Neben den traditionellen Trios Nordestinos“ treten auf großen städtischen Veranstaltungen inzwischen auch professionelle Bands auf oder die Musik kommt vom Tonband. Zu Festas Juninas“ gehört das Theaterstück Volkstheater um einen Ochsen/pt.: Steh auf, mein Ochse!). Ein lustiger Umzug in variierenden Ausführungen, den etwa ein Paar als fiktive Verlobte anführen und bei dem ein scheinbar wütender Vater versucht seine schwangere Tochter mit ihrem Verlobten zur Heirat zu bewegen. Auch werden Spiele wie u.a. Sackhüpfen (Corrida do Saco), Eierlaufen (Corrida do Ovo na Colher), Dosenwerfen (Derrubando Latas) oder Fischeangeln gespielt.Hintergrund-Infos (Historische Genese, Verbreitung)
Die Ursprünge der Feste (des Festes) liegen im europäischen Mittelalter (ca. 6. bis 15. Jahrhundert), wo seit der europäischen Christianisierung am 24. Juni (Sommersonnenwende) der Gedenktag zu Ehren Johannes des Täufers (São João) zelebriert wurde. Die christlich-europäische Tradition der Junifeste wurde im Zuge der spanisch-portugiesischen Kolonialisierung Lateinamerikas von portugiesischen Eroberern (seit Beginn des 16. Jahrhunderts) nach Brasilien gebracht. In Brasilien vermischten und veränderten sich die christlichen Liturgien und Bräuche mit Bräuchen und Ritualen in Brasilien heimischer Indianer und denen schwarzer Sklaven. Die neuen Einflüsse kommen besonders bei Kostümen, Tänzen, Musik und in spirituellen Aspekten zum Ausdruck. Das Fest bzw. die Feste veränderten sich seit Beginn des 16. Jahrhunderts in Performance und variieren mitunter auch innerhalb Brasiliens sehr. Hier spielen neben historischer Zeit und geographischem Raum auch die jeweiligen organisatorisch-finanziellen Möglichkeiten eine Rolle. Durch Migrationsbewegungen sind die Festas Juninas“ heute in ganz Brasilien bekann und werden gefeiert. Rekapituliert gibt es das Junifest (Festa Junina“) und die Entstehungsgeschichte, Kostüme oder Musik nicht. Festas Juninas weisen bestimmte wiederkehrende Merkmale und Abfolgen auf, die nach geschichtlichen Einflüssen, Regionen und Gegebenheiten differieren. Festas Juninas“ sind brasilianische Folklore: Ansammlungen von überlieferten Traditionen, vermischt mit Gläubigkeit, Legenden und Wissen. Visionen über die Welt finden in Tänzen, Musik und Verkleidungen Ausdruck. In wieweit auf den großen Festen in Städten die katholische Religion heute noch eine Rolle spielt ist schwer zu bestimmen. Vielerorts sind Festas Juninas“ Mischfeste aus Religion, Brauch und Modernität. Auf diesen wird getanzt, Alkohol konsumiert und Geld verdient (durch Medien wird überregional Öffentlichkeit hergestellt).Trio Nordestino
Das Trio Nordestino“ besteht traditionell aus einem Akkordeon, einer Trommel und einer Triangel. Die Musik aus dem Nordosten hat starke Rhythmen, ist oft aber langsamer als die Musik in anderen Teilen des Landes.Quadrilha
Es gibt Theorien, dass die Quadrilha“ ursprünglich aus Großbritannien stammt (13. und 14. Jahrhundert) und sich später im Zuge des Hundertjährigen Krieges (1337-1453) zwischen Großbritanien und Frankreich auch französische Einflüsse auf den Tanz ausbreiteten. Hierzu zählen Gruppenform, Tanzschritte, Figuren und Kommandos. Von Frankreich breitete sich die Quadrilha“ über Europa und Portugal aus. Die Quadrilha“ wurde traditionell in den Dörfern des Südens und mittleren Westens von gläubigen Bauern und Landarbeiter zu Ehren der Juniheiligen getanzt (Quadrilha Caipira); hier waren die Einflüsse Europas besonders stark (ebd.). Die Bauern bedanken sich und bitten u.a. für kommende ertragreiche Ernten. In den Städten duellieren sich Tanzschulen sowie einzelne Charaktere vor Juroren, die die unterschiedlichen Kostüme und Darbietungen bewerten. Tanzschulen üben das ganze Jahr und organisieren akribisch die Feste: Die Quadrilha Junina ist eine populäre Volkskultur, die durch ihre folklorische Praxis und mündliche Tradierung von Generationen zu Generationen weitergegeben wurde“. Je nach Region und Zeit unterscheiden sich Bedeutung und Performance der Quadrilhas Juninas“, die aus eigenen Legenden, Tänzen und Musik bereichert werden: Quadrilha Gruppen aus São Paulo sind anders als die aus Pará [...], da sie jeweils aus den regional bedingten kulturellen Traditionen schöpfen“. Die Quadrilha Junina“ wird von einem Vortänzer geführt, der die Schritte mit französischen und portugiesischen Wörtern ansagt. Es gibt zahlreiche Kommandos für eine Quadrilha Junina“. Jedes Jahr kommen neue Formationen und Tanzschritte hinzu, die aus gesellschaftlichen Ereignissen und der Kreativität von Gruppen entstehen. Die Tanzgruppen trainieren das ganze Jahr, üben Choreographien ein, schneidern Kostüme und komponieren eigene Musik, um sich bei den Wettbewerben darzustellen. Die besten Gruppen und Tänzer dürfen an den Veranstaltungen in den Städten teilnehmen und hoffen entdeckt zu werden. Schönheit und Können werden der Öffentlichkeit präsentiert: Der künstlerische Ausdruck der Quadrilha ist im Kern, Freude und Liebe am Leben zu zeigen und diese in einem möglichst vielfältigen und ausdrucksstarken Tanz darzubieten“ .Quadrilhas in Belém
In Brasilien werden die Quadrilhas“ in fast allen Regionen von mehreren Paaren getanzt. In Belém (Bundesstaat Pará) werden die jährlichen Festivals und Tanzwettbewerbe durch das Kultursekretariat des Bundesstaates Pará Fundação Cultural do Pará Tancredo Neves und Fundação Cultural do Município de Belém veranstaltet. Viele Jugendliche und Erwachsene tanzen die Quadrilhas Juninas“ in einer der zahlreichen Gruppen (zum 7.5.2013 waren in Belém über 113 Quadrilha Gruppen durch FUMBEL registriert). Bei den Wettkämpfen stellen die Gruppen ihr Können zur Schau, finden Ablenkung vom Alltag und lernen Selbstbewusstsein: Heute sind die Quadrilhas Tanzgruppen gerade in Belém sehr wichtig und genießen als Ausdruck der amazonischen Volkskultur ein hohes Ansehen. Einerseits beziehen die Kostüme und Choreografien ihre Ideen aus dem Reservoir von amazonischen Legenden, Bräuchen, typischen Speisen, Kleidungsstücken und paraensischen Kompositionen von Musikern und andererseits sind durchaus die Strukturelemente der ursprünglichen europäischen Quadrilha erkennbar. Es ist die Funktion der Quadrilha, die Bedürfnisse und Sehnsüchte der Bevölkerung widerzuspiegeln und alltägliche Lebenserfahrungen, bspw. einfacher Fischer am Amazonasfluss, in eine besondere Art von künstlerischem Ausdruck zu bringen“ . Insgesamt nahmen im Jahr 2013 aus 33 Gemeindebezirken Parás an den durch CENTUR organisierten Ausscheidungswettkämpfen teil. Die Wettkämpfe integrieren das Gedächtnisprojekt “São João do Pará” auf dem Festplatz zu Ehren aller Heiligen (Arraial de Todos os Santos). Insgesamt werden im Juni schließlich 47 Quadrilhas Juninas in verschiedenen Kategorien gegeneinander antreten. Die zehn Besten der Kategorie Adulto (erwachsen) und Mirim (kindlich) werden durch CENTUR mit einem Preis ausgezeichnet sowie die Besten drei Gruppen zusätzlich einen Pokal erhalten. Das gilt auch für Funktionen und Charaktere innerhalb der Tanzgruppen. Hier erhalten die besten drei der Kategorien: Marcador, Coreógrafo, Estilista sowie. Auf dem Arraial de Todos os Santos werden sich im Juni neben den Tanzwettkämpfen zahlreiche weitere Kulturvereine und Folkloregruppen (Grupos Parafolclóricos) aus Pará präsentieren: boi-bumbás, cordões de pássaros, cordões de bichos oder pássaros juninos. Neben regionaltypischem Essen gibt es shows de forró und músicas juninas.Bumba-meu-Boi
Zu vielen Festas Juninas“ gehört das Theaterstück Bumba-meu-Boi: „Der Bumba-meu-Boi ist das brasilianischste aller mündlich-praktisch überlieferten (Theaterstücke)“. Dieses Theater wird zumeist von nordbrasilianischen Tänzen und Musik begleitet. Es existieren eine Vielzahl teils sehr unterschiedlicher Versionen, Musikinstrumente und Namen des Theaterstücks . Hauptfiguren des Theaterstückes sind ein Harlekin (Arlequim) und ein Ochse (Boi), dessen Tod und Auferstehung das Geschehen bestimmt. Der Bumba-meu-boi hat als Bestandteil der „Festas Juninas“ vor allem in Parintins (Amazonas) einen überregionalen Volksfestcharakter. Jedes Jahr kommen gegen Ende Juni zirka 90 000 Besucher aus aller Welt in die Stadt Parintins, die 113 000 Einwohner hat. In Parintins dreht sich alles um einen Wettstreit um die gelungenste Aufführung des Tanzspiels, der alljährlich mit prächtigen Kostümen und Musik zwischen verschiedenen Parteien Boi Caprichoso mit blauen Kostümen gegen Boi Garantido mit roten Kostümen im Bumbódromo-Stadion ausgetragen wird. Es gewinnt der Block (bloco), der die Menge (jeweiligen Anhänger) mit Tanz, Musik und Kostümen mehr zum Toben bringt. Diese Aufführungen weichen von den kleineren Inszenierungen auf dem Land ab und besitzen Überschneidungen mit Karneval.Gewährspersonen
- Luciana M. (LL.M Human Rights and Environmental Law) die in Brasilien lebt und mit den Festas Juninas sowie deren nationaler Bedeutung auch aufgrund ihrer Arbeit vertraut ist,
- Rosanna F. G., die 1. Vorsitzende des Deutsch-Brasilianischen Kulturverein e.V. München und
- beobachtende Teilnahme des Autors an mehrtägigen Feierlichkeiten in Belém (Bundesstaat Pará/Nordbrasilien) in den Jahren 2011 und 2012.
Weblinks
Literatur
- Broughton, Simon/Ellingham, Mark/Richard, Trillo (ed.): World Music. Latin and North America, Caribbean, India Asia and Pacific. An A-Z of the music, musicians and discs.” Rough Guides, London 2010.
- Sadzio, Maik: Kulturwende. Transkulturelle und transreligiöse Identitäten – Auswertung einer empirischen Studie unter pädagogischen Multiplikatoren in Belém-Pará/Brasilien“. Transkulturelle Edition, München 2010.
- Scharlau, Birgit (Hrsg.): Bild – Wort – Schrift. Beiträge zur Lateinamerika-Sektion des Freiburger Romanistentages. Frankfurter Beiträge zur Lateinamerikanistik“. Gunter Narr Verlag, Tübingen 1989.
- Taubald, Helmuth: Brasilien. Dumont Reiseverlag, Köln 2006.