Inhalt
Termin
Dieser Brauch findet vom 13. bis zum 24. Juni 2025 statt.Einstiegsinformation
Die Junifeste (Festas Juninas“) werden in Brasilien im gesamten Monat Juni gefeiert und haben eine lange Tradition. Besonders in den Regionen des Nordostens (hier ähnlich populär wie Karneval) werden die Feste zu Gedenken der römisch-katholischen Heiligen Santo Antônio (Heiliger Antonius von Padua am 13. Juni), São João (Heiliger Johannes am 24. Juni), São Pedro und São Paulo (Heiliger Peter und Heiliger Paul am 29. Juni) intensiv gefeiert. Das Fest zu Ehren des Heiligen Johannes (São João) am 24. Juni steht dabei im Fokus der Feierlichkeiten.Empirische Dokumentation München-Pasing



Durchführung des Programms
Zuerst wird ein kleines Theaterstück des Teatro Brasileiro de Munique“ mit dem Namen O Pássaro Junino“ (der Junivogel) von der brasilianischen Schriftstellerin Regina Drummond (Autorin der Geschichte) und Ricardo Eche (Kulturreferent des DBKV) vorgetragen: Von 14.35 bis 14.50 Uhr.


Interview mit einer Besucherin
Interviewer: Interviewer: Liebe Besucherin, sie sind vor etwa 20 Jahren aus der Stadt Americana (eine Stadt nahe der Stadt São Paulo) nach Deutschland gekommen, was bedeutet das „Festa Junina“ des DBKV für Sie? Antw: Soll ich ehrlich antworten? Interviewer: Ja, bitte! Antw: Nicht mehr so viel. Ich lebe sehr gerne in Deutschland und ich glaube, dass dieses Fest vor allem für diejenigen Brasilianer wichtig ist, die noch nicht so lange in Deutschland leben, bzw. für diejenigen, die sich in Deutschland noch einleben müssen und Anschluss finden möchten. Diesen Menschen bedeuten diese Zusammenkünfte mit anderen Brasilianern sehr viel, so war es zumindest bei mir. Interviewer: Sind Sie selbst Mitglied des DBKV?
Allgemeines
Die Dekoration auf den Festen orientiert sich an den Gebräuchen der ländlichen Bevölkerung, die häufig sehr gläubig ist. Auf dem Land (Campo) gibt es vielfach einen Festplatz unter freiem Himmel (Arraial), der wahlweise mit bunten Wimpeln (Bandeirinhas), Lampions und Palmenblättern geschmückt wird. Gegen Abend wird (im Unterschied zu Festen in großen Städten) in der Mitte des Festplatzes häufig ein Lagerfeuer entzündet (was an die europäischen Johannifeuer erinnert und bei denen für jeden der Heiligen das Holz in anderer Form gestapelt wird), um das getanzt oder über dem Maiskolben gegrillt werden. Dieses Feuer wird zu Ehren der Juniheiligen entzündet, soll die Festlichkeiten beschützen und wärmt die Menschen - je nach Region - auch vor Kälte. Vielerorts wird zudem ein großes Feuerwerk abgebrannt (Fogo de artifício), es werden Ballons in den Himmel aufsteigen gelassen und es gibt einen sogenannten. Ein glatter hoher Stamm an dem junge Männer ihre Kraft beweisen indem sie - oft in gemeinsamer Anstrengung - möglichst schnell hochklettern, um an einen Preis an dessen Ende zu gelangen.
Hintergrund-Infos (Historische Genese, Verbreitung)
Die Ursprünge der Feste (des Festes) liegen im europäischen Mittelalter (ca. 6. bis 15. Jahrhundert), wo seit der europäischen Christianisierung am 24. Juni (Sommersonnenwende) der Gedenktag zu Ehren Johannes des Täufers (São João) zelebriert wurde. Die christlich-europäische Tradition der Junifeste wurde im Zuge der spanisch-portugiesischen Kolonialisierung Lateinamerikas von portugiesischen Eroberern (seit Beginn des 16. Jahrhunderts) nach Brasilien gebracht. In Brasilien vermischten und veränderten sich die christlichen Liturgien und Bräuche mit Bräuchen und Ritualen in Brasilien heimischer Indianer und denen schwarzer Sklaven. Die neuen Einflüsse kommen besonders bei Kostümen, Tänzen, Musik und in spirituellen Aspekten zum Ausdruck. Das Fest bzw. die Feste veränderten sich seit Beginn des 16. Jahrhunderts in Performance und variieren mitunter auch innerhalb Brasiliens sehr. Hier spielen neben historischer Zeit und geographischem Raum auch die jeweiligen organisatorisch-finanziellen Möglichkeiten eine Rolle. Durch Migrationsbewegungen sind die Festas Juninas“ heute in ganz Brasilien bekann und werden gefeiert. Rekapituliert gibt es das Junifest (Festa Junina“) und die Entstehungsgeschichte, Kostüme oder Musik nicht. Festas Juninas weisen bestimmte wiederkehrende Merkmale und Abfolgen auf, die nach geschichtlichen Einflüssen, Regionen und Gegebenheiten differieren. Festas Juninas“ sind brasilianische Folklore: Ansammlungen von überlieferten Traditionen, vermischt mit Gläubigkeit, Legenden und Wissen. Visionen über die Welt finden in Tänzen, Musik und Verkleidungen Ausdruck. In wieweit auf den großen Festen in Städten die katholische Religion heute noch eine Rolle spielt ist schwer zu bestimmen. Vielerorts sind Festas Juninas“ Mischfeste aus Religion, Brauch und Modernität. Auf diesen wird getanzt, Alkohol konsumiert und Geld verdient (durch Medien wird überregional Öffentlichkeit hergestellt).Trio Nordestino
Das Trio Nordestino“ besteht traditionell aus einem Akkordeon, einer Trommel und einer Triangel. Die Musik aus dem Nordosten hat starke Rhythmen, ist oft aber langsamer als die Musik in anderen Teilen des Landes.Quadrilha
Es gibt Theorien, dass die Quadrilha“ ursprünglich aus Großbritannien stammt (13. und 14. Jahrhundert) und sich später im Zuge des Hundertjährigen Krieges (1337-1453) zwischen Großbritanien und Frankreich auch französische Einflüsse auf den Tanz ausbreiteten. Hierzu zählen Gruppenform, Tanzschritte, Figuren und Kommandos. Von Frankreich breitete sich die Quadrilha“ über Europa und Portugal aus. Die Quadrilha“ wurde traditionell in den Dörfern des Südens und mittleren Westens von gläubigen Bauern und Landarbeiter zu Ehren der Juniheiligen getanzt (Quadrilha Caipira); hier waren die Einflüsse Europas besonders stark (ebd.). Die Bauern bedanken sich und bitten u.a. für kommende ertragreiche Ernten. In den Städten duellieren sich Tanzschulen sowie einzelne Charaktere vor Juroren, die die unterschiedlichen Kostüme und Darbietungen bewerten. Tanzschulen üben das ganze Jahr und organisieren akribisch die Feste: Die Quadrilha Junina ist eine populäre Volkskultur, die durch ihre folklorische Praxis und mündliche Tradierung von Generationen zu Generationen weitergegeben wurde“. Je nach Region und Zeit unterscheiden sich Bedeutung und Performance der Quadrilhas Juninas“, die aus eigenen Legenden, Tänzen und Musik bereichert werden: Quadrilha Gruppen aus São Paulo sind anders als die aus Pará [...], da sie jeweils aus den regional bedingten kulturellen Traditionen schöpfen“. Die Quadrilha Junina“ wird von einem Vortänzer geführt, der die Schritte mit französischen und portugiesischen Wörtern ansagt. Es gibt zahlreiche Kommandos für eine Quadrilha Junina“. Jedes Jahr kommen neue Formationen und Tanzschritte hinzu, die aus gesellschaftlichen Ereignissen und der Kreativität von Gruppen entstehen. Die Tanzgruppen trainieren das ganze Jahr, üben Choreographien ein, schneidern Kostüme und komponieren eigene Musik, um sich bei den Wettbewerben darzustellen. Die besten Gruppen und Tänzer dürfen an den Veranstaltungen in den Städten teilnehmen und hoffen entdeckt zu werden. Schönheit und Können werden der Öffentlichkeit präsentiert: Der künstlerische Ausdruck der Quadrilha ist im Kern, Freude und Liebe am Leben zu zeigen und diese in einem möglichst vielfältigen und ausdrucksstarken Tanz darzubieten“ .Quadrilhas in Belém
In Brasilien werden die Quadrilhas“ in fast allen Regionen von mehreren Paaren getanzt. In Belém (Bundesstaat Pará) werden die jährlichen Festivals und Tanzwettbewerbe durch das Kultursekretariat des Bundesstaates Pará Fundação Cultural do Pará Tancredo Neves und Fundação Cultural do Município de Belém veranstaltet. Viele Jugendliche und Erwachsene tanzen die Quadrilhas Juninas“ in einer der zahlreichen Gruppen (zum 7.5.2013 waren in Belém über 113 Quadrilha Gruppen durch FUMBEL registriert). Bei den Wettkämpfen stellen die Gruppen ihr Können zur Schau, finden Ablenkung vom Alltag und lernen Selbstbewusstsein: Heute sind die Quadrilhas Tanzgruppen gerade in Belém sehr wichtig und genießen als Ausdruck der amazonischen Volkskultur ein hohes Ansehen. Einerseits beziehen die Kostüme und Choreografien ihre Ideen aus dem Reservoir von amazonischen Legenden, Bräuchen, typischen Speisen, Kleidungsstücken und paraensischen Kompositionen von Musikern und andererseits sind durchaus die Strukturelemente der ursprünglichen europäischen Quadrilha erkennbar. Es ist die Funktion der Quadrilha, die Bedürfnisse und Sehnsüchte der Bevölkerung widerzuspiegeln und alltägliche Lebenserfahrungen, bspw. einfacher Fischer am Amazonasfluss, in eine besondere Art von künstlerischem Ausdruck zu bringen“ . Insgesamt nahmen im Jahr 2013 aus 33 Gemeindebezirken Parás an den durch CENTUR organisierten Ausscheidungswettkämpfen teil. Die Wettkämpfe integrieren das Gedächtnisprojekt “São João do Pará” auf dem Festplatz zu Ehren aller Heiligen (Arraial de Todos os Santos). Insgesamt werden im Juni schließlich 47 Quadrilhas Juninas in verschiedenen Kategorien gegeneinander antreten. Die zehn Besten der Kategorie Adulto (erwachsen) und Mirim (kindlich) werden durch CENTUR mit einem Preis ausgezeichnet sowie die Besten drei Gruppen zusätzlich einen Pokal erhalten. Das gilt auch für Funktionen und Charaktere innerhalb der Tanzgruppen. Hier erhalten die besten drei der Kategorien: Marcador, Coreógrafo, Estilista sowie. Auf dem Arraial de Todos os Santos werden sich im Juni neben den Tanzwettkämpfen zahlreiche weitere Kulturvereine und Folkloregruppen (Grupos Parafolclóricos) aus Pará präsentieren: boi-bumbás, cordões de pássaros, cordões de bichos oder pássaros juninos. Neben regionaltypischem Essen gibt es shows de forró und músicas juninas.Bumba-meu-Boi
Zu vielen Festas Juninas“ gehört das Theaterstück Bumba-meu-Boi: „Der Bumba-meu-Boi ist das brasilianischste aller mündlich-praktisch überlieferten (Theaterstücke)“. Dieses Theater wird zumeist von nordbrasilianischen Tänzen und Musik begleitet. Es existieren eine Vielzahl teils sehr unterschiedlicher Versionen, Musikinstrumente und Namen des Theaterstücks . Hauptfiguren des Theaterstückes sind ein Harlekin (Arlequim) und ein Ochse (Boi), dessen Tod und Auferstehung das Geschehen bestimmt. Der Bumba-meu-boi hat als Bestandteil der „Festas Juninas“ vor allem in Parintins (Amazonas) einen überregionalen Volksfestcharakter. Jedes Jahr kommen gegen Ende Juni zirka 90 000 Besucher aus aller Welt in die Stadt Parintins, die 113 000 Einwohner hat. In Parintins dreht sich alles um einen Wettstreit um die gelungenste Aufführung des Tanzspiels, der alljährlich mit prächtigen Kostümen und Musik zwischen verschiedenen Parteien Boi Caprichoso mit blauen Kostümen gegen Boi Garantido mit roten Kostümen im Bumbódromo-Stadion ausgetragen wird. Es gewinnt der Block (bloco), der die Menge (jeweiligen Anhänger) mit Tanz, Musik und Kostümen mehr zum Toben bringt. Diese Aufführungen weichen von den kleineren Inszenierungen auf dem Land ab und besitzen Überschneidungen mit Karneval.Gewährspersonen
- Luciana M. (LL.M Human Rights and Environmental Law) die in Brasilien lebt und mit den Festas Juninas sowie deren nationaler Bedeutung auch aufgrund ihrer Arbeit vertraut ist,
- Rosanna F. G., die 1. Vorsitzende des Deutsch-Brasilianischen Kulturverein e.V. München und
- beobachtende Teilnahme des Autors an mehrtägigen Feierlichkeiten in Belém (Bundesstaat Pará/Nordbrasilien) in den Jahren 2011 und 2012.
Weblinks
Literatur
- Broughton, Simon/Ellingham, Mark/Richard, Trillo (ed.): World Music. Latin and North America, Caribbean, India Asia and Pacific. An A-Z of the music, musicians and discs.” Rough Guides, London 2010.
- Sadzio, Maik: Kulturwende. Transkulturelle und transreligiöse Identitäten – Auswertung einer empirischen Studie unter pädagogischen Multiplikatoren in Belém-Pará/Brasilien“. Transkulturelle Edition, München 2010.
- Scharlau, Birgit (Hrsg.): Bild – Wort – Schrift. Beiträge zur Lateinamerika-Sektion des Freiburger Romanistentages. Frankfurter Beiträge zur Lateinamerikanistik“. Gunter Narr Verlag, Tübingen 1989.
- Taubald, Helmuth: Brasilien. Dumont Reiseverlag, Köln 2006.