Fensterln

Einstiegsinformation

Fensterln ist eine Art der Brautwerbung, bei der die Männer nachts in das Fenster der auserwählten Damen einstiegen, um mit ihnen eine Liebesnacht zu verbringen. Verbreitet ist dieser Brauch hauptsächlich im historischen süddeutschen Raum, einschließlich des heutigen Österreich, wobei er heutzutage kaum noch praktiziert wird, da sich junge unverheiratete Paare mittlerweile in der Öffentlichkeit zeigen können und viele junge Leute auch vor der Hochzeit schon alleine und nicht mehr im Elternhaus wohnen.

Ablauf

Fensterln ist ein Brauch aus der Zeit, in der sich junge unverheiratete Paare noch nicht ohne Weiteres in der Öffentlichkeit zeigen konnten, da dies verpönt war.

Junge Frauen arbeiteten oft als Magd auf privaten Bauernhöfen, sodass der Bauer, welchem der Hof gehörte, es nicht gerne sah, wenn sich seine Magd mit jungen Männern traf, anstatt ihre Arbeiten zu verrichten. Des Weiteren hatten die Eltern der jungen Leute ein großes Mitspracherecht daran, wen die Tochter oder der Sohn einmal heiraten sollte, da durch eine solche Ehe meist nebenher noch weitere Geschäfte abgeschlossen wurden, wie zum Beispiel die Zusammenlegung von Eigentum an Grundstücken der Familien. Außerdem übernahm meist der Schwiegersohn, sofern kein eigener leiblicher Sohn vorhanden war, den Bauernhof oder das private Geschäft des Schwiegervaters, weshalb der Schwiegervater sich seinen Nachfolger selbst aussuchen wollte.

Außerdem gab es zu dieser Zeit im Strafgesetzbuch den sogenannten ,,Kuppelparagraphen“. Danach machte sich strafbar, wer es ermöglichte, junge unverheiratete Leute Unzucht treiben zu lassen. Wer also damals ein Zimmer zur Verfügung stellte, zum Beispiel das Zimmer für eine Magd, machte sich strafbar, wer nicht peinlich genau darauf achtete, dass ein Herrenbesuch wieder rechtzeitig verschwand, bevor Gelegenheit zur sogenannten Unzucht entstehen konnte. Was Unzucht dabei genau bedeutete bestimmte sich nach den damaligen herrschenden Sitten. Das Strafmaß wurde damals auf eine Freiheitsstrafe festgesetzt.

Da also ein öffentliches Treffen somit nicht in Frage kam, mussten sich verliebte unverheiratete Paare heimlich treffen. Bester Zeitpunkt hierfür war nachts, da dann meist die Eltern oder der Bauer schliefen.

In älteren Bauernhäusern waren die Schlafzimmer meist im ersten Stock angesiedelt, wobei sich Küche und Arbeitsräume und nicht-private Zimmer im Erdgeschoss befanden. Deshalb mussten die meisten jungen Männern sich einer Leiter bedienen und durch das Fenster in das Zimmer der Geliebten einsteigen, da das Risiko zu groß war durch das Haus zu laufen und so vielleicht entdeckt zu werden. Da natürlich auch die Bauern oder die Eltern diesen Brauch kannten, wurden Leitern, die am Hof gelagert waren, nachts weg gesperrt, damit die jungen Männer keinen Zugriff darauf haben. Deshalb brachten die Männer ihre Leitern selbst mit oder versteckten sie tagsüber in der Nähe, um später darauf zugreifen zu können.

Ziel des Ganzen war es, die Angebetete zu umwerben. Meist wurde am Fenster geschmust, manchmal erhielt der junge Mann jedoch auch Einlass in das Schlafgemach, sodass eine gemeinsame Liebesnacht erlebt werden konnte.

Die Werber mussten sich leise verhalten und meist an das Fenster der Angebeteten heranschleichen. Schleichen deshalb, da bei übermäßigem Lärm die Gefahr bestand, dass die Tiere in den Ställen der Bauernhöfe sich erschrecken oder aufwachen könnten und so durch Schreie oder andere Geräusche, die Eltern der Angebeteten, oder den Hausherrn wecken könnten.

Wenn mehrere hübsche Töchter in einem Bauernhaus lebten, bildeten die Werber meist eine Gemeinschaft zur Durchführung des Fensterlns. Dabei versammelten sie sich an einem bestimmten Treffpunkt und halfen sich gegenseitig Einlass in das Gemach der jeweiligen Dame zu erlangen.

War eine junge Dame besonders attraktiv oder begehrt, so kam es öfter vor, dass sich mehrere Werber zeitgleich am Fenster der Angebeteten versammelten. Dann entbrannte entweder eine tätliche Auseinandersetzung zwischen den Rivalen oder die Angebetete suchte sich einen Werber aus und machte ihm oder allen klar, dass die Gefühle nicht auf Gegenseitigkeit beruhten.

Durch das Fensterln entstanden auch einige Streiche. Zum Beispiel konnte man einem Feind oder einem ungeliebten Nebenbuhler die Leiter, nachdem er durch das Fenster der Dame ins Schlafgemach eingestiegen war, weg nehmen, sodass dieser, wenn er das Zimmer wieder durch das Fenster verlassen wollte, nicht mehr einfach die Leiter runter steigen konnte. Dann blieb nur noch das Hinausschleichen durch die Gänge des Hauses oder, was sehr gefährlich war, an der Hauswand hinunter zu klettern oder zu springen.

Durch den Brauch des Fensterlns wurden auch einige ungewollte Kinder gezeugt. Da die Damen damals meist nur mit einem Werber das Fensterln betrieben, war die Vaterschaft meist eindeutig.

Eine Schwangerschaft lässt sich aufgrund der auftretenden äußerlichen Merkmale nicht sehr lange verbergen, weshalb das Mädchen den Eltern oder dem Hausherrn alles beichten musste. Da in der damaligen Zeit uneheliche Kinder sehr verpönt waren heiratete das junge Paar meist sofort bevor das Kind auf die Welt kam. Natürlich gab es auch hiervon Ausnahmen, zum Beispiel wenn das Mädchen mehrere Werber ungefähr im gleichen Zeitraum empfing. Denn zu der Zeit des Fensterlns gab es noch keine Genforschung, weshalb ein Vaterschaftstest unmöglich war und die Beteiligten oft bis heute nicht wissen, wer der wirkliche Vater des Kindes ist. Dann mussten die Damen mit den unehelichen Kindern hoffen, einen Mann zu finden, der sie trotz des unehelichen Kindes heiratete und für sie und das Kind sorgte.

Hintergrund-Infos

Bayerisches Volkslied über das Fensterln

Über den Brauch des Fensterln gibt es auch ein altes bayerisches Volkslied, welches in den 1930er Jahren auf einer Schellackplatte nach dem Gesang der Brüder Wastl und Jackl Roider aus Weihmichl bei Landshut aufgenommen wurde.

Das Lied heisst ,,Znachst bin i spat aussiganga“.

Das Lied handelt von einem jungen Burschen, der in der Ich-Perspektive erzählt. Er ist nachts hinaus zu seinem Mädchen gegangen. Dort muss er leider feststellen, dass diese bereits Besuch von einem anderen jungen Burschen empfangen hat, sodass er vor dem Fenster stehen bleiben muss und nicht hinein in ihr Gemach kann.

Das Lied handelt von unerfüllter Liebe und dem jungen Burschen, der sich in seinem Mädchen getäuscht hat und sich daraufhin schwört, dass so etwas ihm nie wieder geschehen wird.

Das Fensterln macht den Hauptinhalt der ländlichen Jugendpoesie aus. Es gibt noch zahlreiche andere volkstümliche Lieder und Geschichten, die sich um das Thema Fensterln drehen. Jedoch sind dies meist Lieder, die nur einem bestimmten Tal oder in einem bestimmten ländlichen Raum gesungen wurden und meist den Weg über die Grenzen nicht geschafft haben.

Dabei werden alle Stadien des Fensterlns besungen, von dem Erbitten um Einlass bis hin zum Abschied nach einer erlebten Liebesnacht.

Ein altes Sprichwort, das unter Vätern hübscher Töchter sehr bekannt und beliebt war, lautet: ,,Eher hütet man eine Star Flöhe als zwei Verliebte.

Das Fensterln heute

Heutzutage sollte man den Brauch des Fensterlns besser nicht mehr praktizieren.

Laut einem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main ist das Einsteigen gegen den Willen der Angebeteten nicht nur als harmloser Streich, sondern als nachhaltige Störung des Hausfriedens zu betrachten.

Zwar gilt das Fensterln in bestimmten Regionen, vorallem in den oben angegebenen, als Bestandteil des kulturellen Erbes und werde dort auch meist toleriert. Rein rechtlich gesehen ist Fensterln jedoch als Hausfriedensbruch nach dem Strafgesetzbuch zu qualifizieren.

Interview

Das Interview wurde geführt mit einem Einwohner Bad Wimsbachs in Oberösterreich.

1. Haben Sie selbst aktiv am Brauch des Festerlns Teil genommen?

Ja, als ich noch jung war, also so um die 20 Jahre alt, war dies ein gängiger Brauch und beinahe jeder junge Bua praktizierte diesen um sein Diandl zu verführen. Auch ich ging nachts auf den Hof meines Madls und klopfte an ihr Fenster, damit sie mir dieses öffnet und ich zu ihr in die Kammer steigen konnte.

2. Warum musste dies nachts und heimlich geschehen?

Naja, damals waren die Eltern der jungen Leute sehr konservativ und sahen es nicht gerne, wenn in der Öffentlichkeit angebandelt wurde. Ebenso sollte unterbunden werden, dass die jungen Paare vor der Ehe körperliche Nähe austauschten, da die Gegenden, in denen der Brauch praktiziert wurde, sehr gläubig geprägt sind. Außerdem kennt in einem Dorf wie Bad Wimsbach jeder den anderen und wenn sich das Fenster des Diandls nicht öffnete war es doch eine ziemliche Blamage und dadurch, dass alles heimlich geschah war es doch eine kleine Erleichterung, dass nicht jeder direkt davon erfuhr.

3. Wird der Brauch heute noch praktiziert?

Ja, durchaus. Jedoch nicht mehr so wie früher. Die Zeiten haben sich verändert. Heutzutage klnnen sich die jungen Leute öffentlich zeigen und auch wenn der religiöse Glaube immernoch sehr stark ausgeprägt ist, sind die Leute einfach toleranter im Umgang mit der jungen Liebe geworden.

4. Sind Sie damals bei Ihrer jetzigen Ehefrau auch durch das Fenster gestiegen?

Ja natürlich. Eine andere Möglichkeit um sich körperlich näher zu kommen gab es ja nicht. Vielleicht war dies auch auf einer Art gut, denn so war das Werben um das Diandl immer sehr spannend und man wusste ja nie ob es dieses Mal gut geht oder der Vater uns erwischt. Wir sind auch heute noch verheiratet und ich habe mittlerweile 3 Enkelkinder.