Faschingsumzug in Pliening

Termin

Der Brauch findet am 12.02.2024 statt.

Einstiegsinformation

Der Faschingsumzug findet in der Gemeinde Pliening statt. Der Ort liegt im Landkreis Ebersberg im Osten Münchens (Oberbayern) und hat circa 2475 Einwohner. Der Umzug findet jedes Jahr am Faschingsdienstag statt und hat sich nicht nur für die Bewohner Plienings zu einem festen Brauch in der Faschingszeit entwickelt. Untergliedert wird er in zwei Teile: zum einen der Umzug und zum anderen der anschließend stattfindende Kehraus. Teilnehmen kann und darf jeder, der möchte.

Ablauf

Die Dokumentation bezieht sich auf den Faschingsumzug in Pliening am 04.03.2014. Mit der Feldforschung wurde um 14.00 Uhr im Herdweg Ecke Geltinger Straße begonnen und mit dem Kehraus um 00.00 beendet. Das Himmel war stark bewölkt, die Sonne kam nicht durch und die Temperatur lag bei 4 Grad Celsius. Die Vorbereitungsphase bezieht sich auf ein Treffen der Organisatoren inklusive Gemeindemitglieder, bei dem geklärt wird, welche Vereine am Umzug teilnehmen, und wie viele Wagen mitfahren werden. Nach Abschluss der Besprechungen muss der Umzug bei der Gemeinde angemeldet werden. Werbung wird für diesen Umzug nur bedingt gemacht: Die Familie Sterzer (Organisatoren) hängt sechs handgeschriebene Plakate im Ort auf und es gibt eine Anzeige im Gemeindeblatt von Pliening. Die Hauptaktion besteht aus dem circa zweistündigen Umzug durch den Ort Pliening, der um 14.00 Uhr im Herdweg beginnt. Dort sammeln sich alle teilnehmenden Wagen, hierbei gibt es keine festgelegte Reihenfolge. Aus dem Herdweg hörte man die Hupe des ersten Wagens, die zum Start aufrief im Rhythmus des Liedes „In the Summertime“. Danach ziehen die Wagen los, die Polizei riegelt die Straße immer abschnittsweise ab. Es waren mehrere Polizeiwagen da, sowie die Feuerwehren von Pliening und Gelting mit Feuerwehrautos und ein Krankenwagen. Der Zug bog ab auf die Geltinger Straße und dann wieder links in die fast parallel verlaufende Lindenstraße, danach in den Brunnenweg, wo ein kurzer Stopp von circa 20 Minuten eingelegt wurde. Dies bot Zeit für Gespräche, Blödeleien, Spiele der Kinder und Umtrünke. Um 14.50 Uhr zogen die Narren weiter, Der Zug bog wieder rechts auf die Geltinger Straße und nochmals rechts in die Raiffeisenstraße, dann links in die Straße „Am Seelkopf“. Am Ende Straße hielt der Zug 30 Minuten, abermals bot dies Zeit für Gespräche und kleine Trinkspiele. Um 15.30 Uhr ging es weiter links auf die Poinger Straße bis zum Ende und wiederum links auf die Geltingerstraße. Der Straße wurde bis zum Ende gefolgt und dann links auf die Müncherstraße und schräg rechts in den Weidachweg. Nach der Abbiegung auf den Dornbichlweg zog die ganze Truppe hinter zum „Eberl“, wo der Faschingskehraus begann. Die Ankunft auf dem Eberlhof war um circa 16.20 Uhr. Die Organisatoren des Umzugs blieben nicht auf der Party und zogen wieder nach Hause. Die Dorfjugend feierte bis 12.00 Uhr ausgelassen und unter reichlichem Alkoholkonsum wurde der Fasching verabschiedet. Während des Umzugs herrschte eine heitere und gemütliche Stimmung, es gab keine Auseinandersetzungen oder Unfälle. Die Kinder freuten sich über die Süßigkeiten und sammelten sie eifrig ein, sobald etwas herunterflog. Die Konfettispritze und eine Serviettenkanone sorgten für gute Stimmung, ebenso wie die Musik von den größeren Wagen. Gespielt wurden Titel aller Faschingsgenerationen, von „Skandal im Sperrbezirk“ zu den neuesten Liedern war alles dabei. Später setzte Theodor Sterzer ein tanzendes Spielzeughuhn auf die Straße und wird sofort fotografiert und umringt.

Akteure

Dieser Brauch wird von Menschen allen Alters ausgeführt, hauptsächlich sind jedoch Familien mit Kindern dort. Dazu kommen die Leute auf den Wagen, die teilweise nach bestimmten Themen verkleidet sind. Kaum ein Akteur oder ein Zuschauer ist nicht maskiert und gute Stimmung ist bei allen zu sehen. Dieses Jahr (2014) waren circa 500 Personen anwesend, von Einzelpersonen, über Gruppen, Familien, Behinderten im Rollstuhl, vom Säugling bis zum Greis, war das Publikum gut gemischt. Ingesamt sehr viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene mittleren Alters. Der Zug hatte zehn mitwirkende Wagen, die nach verschiedenen Themen gestaltet waren. Zuerst der Zauberwald von der Familie des Organisators, dicht gefolgt von der „Bierwilligen Feuerwehr“, mit einem kleinen selbst gebauten Feuerwehrwagen mit einer Konfettispritze. Hinterher fuhren ein „Kükenwagen“ und „Die Coolen“, gefolgt von der AWO und dem „ADAC-Pannendienst“. SPD und die Parteifreie symbolisiert durch einen Blumenstrauß und ein Gärtner sollte die Bürgermeisterkandidatin Eva Strauss darstellen. Darauf folgte „Wirtewagen“ mit Todesengel, was das Aussterben der Wirte zeigen sollte. „Die wuidn Bixn“ mit einem rosa Leiterwagen fuhren direkt dahinter. Die „Pleaninga Dorfnarren“ verteilten Wodka Bull und Eierlikör, um die Stimmung einzuheizen. Als letztes folgte der Wagen der „Burschen Arbeiter Landsham 1097“.

Veranstaltungsort

Den Performanzraum kann man grob in zwei Räume teilen: die Route des Umzugs und der Eberlhof, einer Scheune in Pliening, in der der Kehraus stattfindet. Auf der Route haben einige Leute vor ihren Häusern oder in den Garagen Tische aufgebaut, auf denen Bonbons und Süßigkeiten für die Kinder und auch Schnaps für die Erwachsenen verschenkt werden. Darüber hinaus gibt es kostenlose Krapfen vom ortsansässigen Bäcker sowie Wiener mit Semmeln von der Metzgerei. Von den Wagen fliegen Lollis, Popkornpäckchen, Kaugummis und Gummibärchen. Die Kinder haben Taschen und Beutel mitgebracht um die Süßigkeiten einzusammeln. An ein paar Häusern sind kleine Tische mit Getränken und Süßigkeiten und sogar Krapfen und Wurstsemmeln aufgebaut.

Brauch- und Rollenverständnis

Der Brauch scheint für die Teilnehmenden, die sich aus den umliegenden Dörfern zusammenfinden, einen festen Platz im Jahreslauf zu haben. Der Umzug repräsentiert das Faschingstreiben in der Umgebung und der anschließende Kehraus ist ein vorgemerkter Termin für die Jugend. Für die Familie Sterzer hat der Brauch zudem noch die Funktion eines Familientages, der gemeinsam mit Bekannten und Freunden vollzogen wird. Sie bezeichnen sich selbst nicht als Faschingsnarren, für sie ist Fasching gleichgesetzt mit dem von ihnen ins Leben gerufenen Faschingsumzug. In der Ebersberger Zeitung erscheint alljährlich ein Artikel über den Umzug, ein weiteres mediales Interesse ist nicht bekannt.

Organisation der Brauchveranstaltung

Der offizielle Veranstalter und zugleich Organisator des Faschingsumzuges ist Theodor Sterzer. Die Organisation beinhaltet eine Gemeindesitzung, bei der geklärt wird, welche Vereine am Umzug teilnehmen. Die Gemeinde Pliening trägt die Veranstaltungskosten, wie beispielsweise die Versicherung, darüber hinaus gibt es kein Sponsoring. Werbung für den Faschingsumzug findet man nur im Gemeindeblatt von Pliening sowie einen Tag vorher in der Ebersberger Zeitung, ansonsten werden im Ort sechs Plakate von der Familie Sterzer aufgehängt. Der Bau der Wagen oder das Aussuchen der Kostüme finden jeweils intern statt. Am Tag des Umzugs sammeln sich alle Teilnehmer vor Theo Sterzers Haus, und sobald alle Teilnehmer bereit sind, geht es los. Gegangen/Gefahren wird ohne feste Reihenfolge, lediglich Theo Sterzer und Familie sind mit ihrer umgebauten Rikscha am Anfang des Zugs.

Hintergrund-Infos

Der erste Faschingsumzug in Pliening fand 1982 statt und konnte als solcher noch nicht bezeichnet werden. „Die Kinder wollten sich verkleiden und in Pliening gabs ja sonst nichts…“, so beschreibt der 66-jährige Theo Sterzer kurz und knapp die Entstehungsgeschichte des Faschingsumzugs. So entschloss sich der damalige dreifache Vater kurzerhand, einen kleinen tragbaren Kassettenrekorder an den Kinderwagen seiner Jüngsten zu schnallen, sich und seine Familie zu maskieren und einen ausgedehnten Faschings-Spaziergang durch Pliening zu machen. Ein paar Nachbarn gingen schon im ersten Jahr mit der Familie Sterzer mit. Befreundete Familien und weiteren Nachbarn gefiel die Idee und so fand man sich auch in den Jahren darauf am Faschingsdienstag zu einem Faschingsspaziergang mit musikalischer Begleitung und Verkleidung zusammen. Der Spaziergang wurde mehr und mehr zu einem kleinen Umzug. 1984 gab es dann auch schon erste private Stände, an denen kostenlos Schnaps und Limonade angeboten wurden. Von Bäckerei und Metzgerei des Ortes gab es schon bald Krapfen und Wiener, ebenfalls kostenlos. Im Jahr 1988 kam erstmals das große Rad dazu, das seither den Umzug anführt. Circa 100 Menschen nahmen in diesem Jahr am Umzug teil. Das große Rad ist eine Rikscha aus Italien, auf welche die Stereoanlage der Sterzers geschnallt wird. Der Kehraus im Anschluss findet ebenfalls seit 1988 statt, zunächst in der eigenen Garage und mit steigender Teilnehmerzahl schließlich im Eberlhof. Start des Umzugs ist seit Beginn der Herdweg, direkt vor dem Haus der Familie. Eine weitere Konstante ist das Kostüm von Theodor Sterzer: Er geht in jedem Jahr verkleidet als Affe, Ausnahmen gab es bisher nur zwei. Der Umzug wuchs von Jahr zu Jahr, die ersten großen Wagen kamen allerdings erst 1996 dazu. Im Jahr darauf fanden sich die ersten Vereine ein, die am Umzug teilnehmen wollten und auch selbst Wagen gestalteten. Ebenfalls meldeten sich Privatpersonen an, die nicht im direkten Bezug zur Familie standen. Eine Besonderheit des Plieninger Faschingsumzug ist, dass das Publikum häufig mitzieht und nicht nur am Straßenrand stehen bleibt. Durch den Bau von verschiedenen Wagen und die Zunahme an Beteiligten, musste der Umzug 1998 bei der Gemeinde angemeldet und versichert werden lassen. Die Kosten hierfür übernimmt seit jeher die Gemeinde. Durch den Wachstum des Umzugs, sprengte die Teilnehmerzahl die Kapazitäten der Garage der Sterzers, in der im Anschluss der Kehraus stattfand. Wegen schlechten Wetters wurde er 1998 spontan in den Bauhof der Gemeinde verlegt, in dem er auch 1999 stattfand. Auf Grund des weiterhin großen Andrangs organisiert die Freiwillige Feuerwehr Pliening seit 2000 den Kehraus im Eberlhof, wo er bis heute für manchen Jugendlichen im Umkreis von 20 km das Highlight des Jahres darstellt. Auch hier hat sich eine kleine Tradition eingeschlichen: Der jährliche Auftritt der ‚Crazy Dreams‘, der Showtanzgruppe des Ortes. Begleitet wird der Umzug seit einigen Jahren auch von der Polizei, die für die Sicherung auf den Straßen sorgt. Seit 2000 hat sich keine weitere Veränderung im Verlauf des Brauchs abgezeichnet.

Allgemeine Verbreitung des Brauches

Der Brauch beschränkt sich auf die Region um Pliening, teilweise kommen die Schaulustigen aus bis zu 20 km Entfernung, um am Umzug teilzunehmen. Hierbei ist allerdings nicht geklärt, ob es sich eventuell um weggezogene Plieninger handelt. Literatur für diese Veranstaltung ist nicht vorhanden, die einzigen Quellen sind private oder professionelle Fotografien, Zeitungsartikel und natürlich die Erzählungen der Familie Sterzer und anderen Teilnehmenden. Faschingsumzüge allgemein sind in Deutschland Bestandteil des Faschings, meist finden diese am Rosenmontag statt. Bekannt sind die Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz, die Fasching als fünfte Jahreszeit feiern und riesige Umzüge veranstalten.

Forschungsstand allgemein

Literatur zum beobachteten Brauch gibt es keine, Ursprung und Genese sind durch die Gewährsperson Theodor Sterzer gut nachvollziehbar. Zu Faschingsumzügen allgemein ist die Forschungs- und Quellenlage nicht sehr dicht. Gut belegt und erforscht ist beispielsweise der Nürnberger Schembartlauf, im Gegensatz dazu sind kaum Quellen für Faschingsumzügen in Oberbayern allgemein zu finden. Es wirft sich die Frage auf, ob Faschingsumzüge in Oberbayern eher ein modernes Phänomen sind und deshalb noch keine Erforschung betrieben wurde.

Weblinks

Literatur

Interview (geführt von Michaela Berger und Sophie Ta, Studentinnen der Vergleichenden Kulturwissenschaft) mit Tochter von Theodor Sterzer am 01.02.2014.

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