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Termin
Der Brauch findet vom 27. Februar bis zum 05. März 2025 statt.Einstiegsinformation
Der Faschingsumzug findet in der Gemeinde Neubeuern statt, der Ort liegt im Landkreis Rosenheim (Oberbayern) und hat 4200 Einwohner. Jedes Jahr finden sich am Sonntag vor dem Unsinnigen Donnerstag, die Einwohner Neubeuerns und der umliegenden Dörfer zum Umzug ein. Der Umzug findet alle zwei Jahre im Wechsel mit der Gemeinde Flintsbach am Inn statt.Kurzbeschreibung der Beobachtungssituation
Die Dokumentation bezieht sich auf den Faschingsumzug in Neubeuern am 23.02.2014. Mit der Feldforschung wurde um 13.00 Uhr auf dem Marktplatz begonnen und um 15.00 beendet. Es war schönes Wetter mit blauem Himmel und Sonnenschein, die Temperatur war angenehm bei circa 13 Grad Celsius. Die Stimmung auf dem Platz war ausgelassen.Ablauf
Die Hauptaktion besteht aus dem circa einstündigen Umzug auf dem Marktplatz in Neubeuern, der um 14.00 Uhr am Marktplatz beginnt. Bevor man auch den Schauplatz gelangt, muss eine Gebühr von 3,- Euro gezahlt werden, man bekommt dafür einen kleinen Anstecker. Der kleine Platz war geschmückt mit bunten Bändern, die von Haus zu Haus gespannt. Einige Gruppen waren schon vor Beginn des Umzugs, um 13.00 Uhr circa, auf dem Marktplatz anwesend, darunter eine Gruppe von Flamenco- Tänzerinnen, die ihre Choreographie noch einmal durchgingen. Zu sehen war auch ein Gruppe von Quallen und Sangiriaeimern, die laut Musik hörten und dazu tanzten. Unter anderem war auch ein riesiger Bierkasten zu sehen, in dem eine Kapelle als Bierflaschen verkleidete, ihre Lieder spielten. Einige Schaulustige waren auch bereits zu sehen, die meisten waren verkleidet. Nachdem nach und nach auch Tänzer der Garden eintrafen und sich auf dem Platz aufhielten, wurde das Motto des Umzuges deutlich: Spanien. Um 13.30 Uhr hatten sich schon eine Menge gebildet, die sich langsam auf die besten Plätze verteilte. Zwei junge Frauen liefen auf und ab und verkauften die Faschingszeitung und lautem Rufen, ob denn jemand eine Zeitung kaufen möchte. Einige Feuerwehrmänner spannten an kritischen Stellen ein Tau, damit die Zuschauer nicht auf die Strasse gedrängt wurden. Die Gruppen zogen eine nach der anderen zu einem Tor hinaus, wo sie sich ordneten. Um 14.00 Uhr begann scheinbar der Umzug, es zogen einige Gruppen auf den kleinen Platz. Dort drehten sie eine kleine Runde und verschwanden dann wieder hinter dem Torbogen. Nach 15 Minuten ging es dann wirklich los und unter großem Hallo zogen fünf Männer in Frack und Zylinder als erstes auf den Platz. Dem folgte die als Bierflaschen verkleidete Kapelle und der grüne Bierkasten, in dem auch noch einige Musikanten mitgingen. Danach kam eine kleine Gruppe, die als Schotten verkleidet waren, sie waren die ersten Bonbons in die Menge. Dahinter war gleich eine Faschingsgarde zu sehen, sie trugen blaue Samtkostüme. Drei der Mädchen wurden stehend auf den Schultern von drei Männern getragen. Dem folgte ebenfalls eine Garde, die Mädchen trugen eine weiße Felljacke, einen goldenen Rock, weisse Stiefeletten und einen weißen Hut. Die Männer waren in schwarzem Anzug und Krawatte gekleidet, einige trugen Sonnenbrillen. Es folgte die Faschingsgarde aus Prutting, hier führte eine Rasenmäher die Truppe an. Die Verkleidung bestand aus einem braunen Daunenmantel, schwarzen Ohrschützern und Pilotenbrille, bei den Frauen. Die Männer folgten in Anzug und Strohhüten. Bei der nachfolgenden Garde, schritt ein Mann mit einem roten Umhang und einer Uniform voraus. Die Garde war allerdings nicht verkleidet, sondern in Vereinskleidung mit weißen Hüten mit grünen Federn. Die letzte Gilde folgte, diesmal in weißen Felljacken, schwarzem Kleidchen, Zylinderhütchen und Stöcken. Es waren nur Frauen in dieser zu sehen. Gleich darauf kam eine Frau in bodenlangem türkisen Ballkleid, die sehr einer Prinzessin ähnelte, da sie ein Diadem trug. Hinter ihr spazierten einige Narren in verschiedenartigen Kostümen, die nicht weiter benannt werden sollen. Es folgten einige „Pilger“ in rotem Gewand und einem Schild, auf dem es hieß: „Auf dem Jacobsweg“. Hinter den Pilgern wurde der Prinzenwagen von zwei Pferden gezogen, dem Motto passend in gelbrot gehalten. Auf dem Wagen tanzten ausgelassen einige „Spanierinnen“, der Wagen selbst war verziert mit einem großen sich aufbäumenden Stier. Die Rückseite des Wagens war in eine Bar umgewandelt worden, an der Sangria von einem „Torero“ ausgeschenkt wurde. Völlig aus der Reihe tanzte das Zebra, das hinter dem Prinzenwagen seinen Platz hatte. Dem folgte eine undefinierbare Gruppe von pelzigen Tieren, die einen Wagen mit dem spanischen König zogen. Hinten dran das Schild: „WWF und Hallali, der König von Spanien schiasst olle viacha hi!!!“ (WWF und Hallali, der König von Spanien schießt alle Tiere tot). Dem König und seinem Gefolge fuhr die „Friedensmission“ hinterher, dargestellt von Engeln und Teufeln. Thema der Truppe war der Streit um die Abholzung von Bäumen auf dem Marktplatz, die für heftige Diskussionen sorgte. Dahinter fuhr ein Wagen, der die Veranstaltung „Red Bull Fensterkönig“ zum Thema hatte, die 2013 in Neubeuern stattfand. Der Traktor, der den Wagen zog, war als riesige Red Bull Dose gestaltet. Auf dem Wagen mussten die Kandidaten über ein Hindernis klettern, Nägel in einen Baumstamm schlagen und anschließend auf einer kleinen Leiter zu einem Mädchen hochklettern. Gekleidet waren die Leute auf dem Wagen in Tracht. Der Spruch, der auf einem großen Holzschild geschrieben war, lautete „Der Bayern-Sepp macht se zum Depp - So ein Scheiss“. Da anscheinend der richtige Firmenname nicht genannt werden wollte, hieß es statt „Red Bull“ „Bed Rull“. Im Anschluss kam ein Kindergarten: Die Erzieherinnen und Kinder waren als Früchte verkleidet. Denen folgte ein Wagen zum Thema „ADAC“, hier wurde der Skandal um die Verfälschung der Ergebnisse bei der Preisverleihung des „Gelben Engels“ und „Lieblingsauto der Deutschen“ als Thema gewählt. Vorne auf dem Traktor stand „ADAC Roulette“ und ein Banner auf dem Wagen verkündete: „Der Autofahrer wird verschaukelt - Der ADAC mit zahlen schaukelt“. Die Verkleidung war ganz in Gelb gehalten und ein Mann trug eine gelbe Warnweste und einen Bauhelm. Gefolgt wurde der ADAC-Wagen von einem pinken Panzer, auf dem es hieß: „Familienfreundliche Bundeswehr“. „Tarnanzug und Teddybär, das ist die neue Bundeswehr“ stand auf einem Schild. Auf dem Wagen hielten sich ein „Baby“, mehrere Männer in Tarnanzug sowie zwei Frauen auf. Auf einem weiteren Schild hieß es: „Bei der Bundeswehr tut Nachwuchs Not...“. Nach dem Bundeswehrwagen kamen drei Männer, als Spielmänner verkleidet, wobei das Kostüm an Robin Hood erinnert. Hinterher fuhr das „Papamobil“, Thema war der Aufruhr um den Bischof Tebartz von Elst. Darauf ein Schild: „Vorsicht diebischer Elst - Nur mit Spenden füttern“. Auf dem Wagen waren Mönche und Nonnen zu sehen, ebenso wie ein Beichtstuhl unter dessen Vorhang man ein paar Lackstiefel sowie eine Mönchskutte erkennen konnte. Nach dem „Papamobil“ fuhr das „Ballamobil“, ein kleiner Dreiräder mit einem großem Sangria-Eimer auf der Ladefläche. Zu dem „Ballamobil“ gehörte auch eine Gruppe von „Mallorca-Touristen“, gekleidet in Badehose und Bikini. Dahinter folgte eine Sangriabar. Ausgeschenkt wurde von Frauen, die sich als Sangria-Eimer verkleideten. Der nächste Wagen passte nicht zum Thema Spanien, hatte aber auch mit Ländern zu tun. Thema des Wagens war die Einwanderungspolitik der Schweiz, unten am Wagen stand: „Du kannst haben Schweizerpass und dazu noch Fremdenhass“. Auf einer kleinen Bank auf der Rückseite des Wagens, saßen zwei Männer in Badehose, womit die Werbung für ein Schweizer Hustenbonbon auf die Schippe genommen wurde. Nach dem “schweizerischen“ Wagen fuhr ein FC-Bayern-Wagen, auf dem in großen Buchstaben stand: „Der nächste Transferhammer: Uli H. wechselt zur JVA München und bekommt einen Zweijahresvertrag“. Ein kleiner Anhänger hing noch am Wagen dran, auf dem ein kleines Gefängnis abgebildet war, in dem „Häftlinge“ saßen. Nebenher marschierte ein Franz Beckenbauer. Hinterdrein kamen circa 20 Quallen, die ein Schild mit der Aufschrift: „Badeverbot! Quallenalarm“ hochhielten. Diesen folgte die „Bolizei“ mit dem Thema: „De Mauterweiterung is a Komplott drum fahnma de Landstrass zu Schrott“, was sich auf die Diskussion bzw. die Änderung der Mautregelung an der Grenze zu Österreich direkt nach Kiefersfelden bezog. Direkt dahinter kam die „grupo las diosas de flamenco“, eine Gruppe von Frauen und Männern in spanischen Kleidern und Anzügen gekleidet. Als Nächstes folgte ein weiterer Wagen mit dem Thema der Baumfällung auf dem Neubeurer Marktplatz. Das Motto lautet: „Werden Sie Baumpate“. Auf dem Wagen selbst war eine Holzhacker-Meisterschaft dargestellt, wobei einige der Personen eine Warnweste trugen, die mit „Gemeinde“ gekennzeichnet war. Am Ende hing ein Schild mit der Aufschrift: „Schauts eichane Bam guad o, sonst hengt de Gmoa mid da Kettensog dro…“ (Schaut eure Bäume gut an, sonst hängt die Gemeinde mit der Kettensäge dran…). Es folgte ein kleiner Wagen mit einer Windmühle, auf deren Flügel „Guttenberger Windkraft macht Ärger“ stand. Der nächste große Wagen bezog sich auf einen Nachbarort – Samerberg – mit dem Titel: „Samer, habts es no ned kapiert? Bei eich werd jetzt gscheid obkassiert! Bumshackevoi ins Auto eine, Samer de MPU is deine!“ (Samer habt ihr es noch nicht kapiert? Bei euch wird jetzt richtig abkassiert! Hackedicht ins Auto rein, Samer die MPU ist dein!). Dies war auch der letzte Wagen.Akteure
Der Beobachtung zufolge wird der Brauch von unterschiedlichsten Altersgruppen verfolgt. Sowohl die Teilnehmer des Zuges als auch die Zuschauer waren gemischten Alters. Vorwiegend waren aber Familien mit Kindern zu sehen, öfter auch mit den Großeltern zusammen. Bei den Hauptakteuren war kein Geschlecht stärker vertreten, mit Ausnahme der Garden, von denen einige keine männlichen Akteure dabei hatten. Von den Hauptakteuren waren alle verkleidet, wenn auch eine Gruppe ihr Kostüm durch die Vereinskleidung verdeckte, der Grund hierfür war nicht ersichtlich. Die Zuschauer waren auch größtenteils verkleidet, allerdings nicht so aufwendig wie die Hauptakteure. Die Interaktion der Teilnehmer des Zuges und dem Publikum bestand aus dem Ausschenken von alkoholischen Getränken und dem Werfen von Bonbons in die Menge. Teilnehmer waren weit mehr als 1000, um den Gaudiwurm zu sehen. Die Interaktion der Hauptakteure und der Akteure war das Ausschenken von Schnäpsen, das Werfen von Bonbons und das Anheizen der Stimmung durch das Ansprechen der Zuschauer.Veranstaltungsort
An den Häusern auf dem Marktplatz waren bunte Girlanden mit verschiedenfarbigen Wimpeln befestigt, die von Haus zu Haus gespannt waren. Ebenso war der Brunnen auf dem Platz mit Fähnchen dekoriert. Die Kulisse kann man als ländlich bezeichnen, also Holzverzierungen an den Häusern, wie sie im Alpenvorland häufig zu finden sind. Außer der Dekoration an den Häusern, gab es keine weiteren Requisiten. Die Kulisse war der Markplatz und die daran vorbeiführende Straße. Das komplette Areal war abgeriegelt, da ein Eintritt verlangt wurde. Auf Grund des im Anschluss stattfindenden Faschingsballs, könnte der Perfomanzraum in zwei Räume aufgeteilt werden, da der Ball noch Teil des Brauches ist.Brauch- und Rollenverständnis
Der beschriebene Brauch scheint eine Konstante im Jahreslauf der Region zu sein. Zwar ist der Umzug nicht das Einzige, was in der Faschingszeit rund um Neubeuern angeboten wird, dennoch markiert er den Anfang der letzten bzw. eigentlichen Faschingswoche und spielt somit eine große Rolle. Der Brauch scheint für die Teilnehmenden, die sich aus den umliegenden Dörfern zusammenfinden, einen festen Platz im Jahreslauf zu haben. Der Umzug repräsentiert das Faschingstreiben in der Umgebung und der anschließende Kehraus ist ein vorgemerkter Termin für die Jugend.Hintergrund-Infos
Den Brauch des Umzugs in Neubeuern gibt es seit 1909, im Ersten Weltkrieg jedoch wurden Umzüge und Musik im Freien verboten. In Neubeuern war dies kein Grund, das Faschingsfeiern ausfallen zu lassen. So wurde beispielsweise im Gasthaus das Fenster offen gelassen, damit die Musik draußen zu hören war. Auf der Straße spazierten dazu Maskierte im Abstand von 10 Metern, damit es nicht gegen das Verbot verstieß. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand bereits 1949 wieder der Umzug in Neubeuern statt, bis 1953 jedes Jahr im Dorf selbst. Seitdem findet der Fasching im Wechsel mit Flintsbach am Inn im Zweijahresrhythmus statt. Über die Genese des Brauches ist kein Beleg in der Literatur zu finden.Allgemeine Verbreitung des Brauches
Der Faschingsumzug in Neubeuern bildet eine Konstante im Faschingstreiben der Region, vor allem aber in Neubeuern selbst. Die meisten der Besucher kommen aus den umliegenden Dörfern, der Brauch ist also höchstwahrscheinlich nicht über den Landkreis hinaus bekannt. Viele der Kostüme werden privat hergestellt und kommen beispielsweise nicht aus Asien, was den regionalen Charakter des Brauches unterzeichnet. Ebenso die vielen Faschingsgarden in der Region, die am Brauch teilnehmen, zeugen von der regionalen Verbreitung. Weiterhin ist die Beteiligung der Besucher an der Ausführung des Brauches zu bemerken, da der Großteil der Menge verkleidet teilnimmt und somit aktiv mitwirkt. Faschingsumzüge allgemein sind in Deutschland fester Bestandteil des Faschings und finden meist am Rosenmontag statt. Besonders bekannt sind die Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz, die Fasching als fünfte Jahreszeit feiern und riesige Umzüge veranstalten, die auch in den deutschen Medien thematisiert werden.Forschungsstand allgemein
Der beobachtete Brauch ist nicht in der Fachliteratur zu finden, allerdings kann man sich auf der Seite des ortsansässigen Faschingsvereins und der Homepage des Ortes über das Faschingstreiben informieren. Über die Quellenlage für Faschingsumzüge in Bayern lässt sich sagen, dass beispielsweise der Schembartlauf in Nürnberg gut erforscht ist. Ebenso gibt es Literatur zu Faschingsumzügen in Ostbayern, über Oberbayern finden sich weniger Quellen.Weblinks
- http://www.kulturdorf-neubeuern.de/grusswort-des-buergermeisters_35.html
- http://www.kulturdorf-neubeuern.de/faschingsgesellschaft-neubeuern-ev_266-kategorie_33.html?bbid=20&source=266&pid=14