El dia de los muertos – Tag der Toten in Mexiko

Termin

Dieser Brauch findet immer am 01. November statt.

Einstiegsinformation

Totenaltar beim Dia de los muertos.

Jedes Jahr wird in Mexiko Allerheiligen (“el“ “día de los muertos“) auf ganz besondere Weise zelebriert: Familien und Freunde feiern an den ersten beiden Novembertagen bei Essen, Musik und Tanz den jährlichen Besuch ihrer Verstorbenen. Das offene Verhältnis der Mexikaner zum Tod wird dabei nicht nur nach außen hin sichtbar (Dekorationen aus Totenköpfen, Skeletten, etc.), sondern kommt auch in der heiteren, jahrmarktähnlichen Stimmung in Häusern, Straßen und Friedhöfen zum Ausdruck.

Ablauf

Geschmücktes Kreuz beim Tag der Toten.

Der sogenannte Tag der Toten, wird in Mexiko jedes Jahr am 1./2. November gefeiert und zählt zu den Höhepunkten der mexikanischen Feiertage. In diesen Tagen – so besagt der mexikanische Volksglaube – kehren die Seelen der Verstorbenen zurück, um den Lebenden bzw. Hinterbliebenen einen Besuch abzustatten. Von Trauer, die an Allerheiligen bzw. Allerseelen z.B. in Deutschland auf den Friedhöfen vorherrscht, ist dabei nichts zu spüren – vielmehr dominiert hier Fröhlichkeit und Feierlaune im Umgang mit den Verstorbenen.Bereits Wochen vor dem día de los muertos sind die Vorbereitungen in vollem Gange: Familien verzieren ihre Häuser mit Blumen, errichten vor und in den Häusern “ofrendas “(Totenaltäre), backen das “pan de muerto “(Totenbrot) und schmücken die Friedhofsgräber und Straßen mit “cempasúchil“-Blumen (gelbe Tagetes). Aber auch Geschäfte und Straßenstände überbieten sich in ihrem Angebot an Plastik- und Pappmaché-Skeletten, farbenprächtigen Papiergirlanden mit Motiven der berühmten Skelett-Dame “La Catrina “sowie “calaveras de dulce “(Totenköpfe aus Zuckerguss).

Innerhalb dieser Feierlichkeiten nimmt die Nacht vom 1. auf den 2. November eine besondere Stellung ein: Die Verstorbenen kehren in dieser Nacht zunächst in die Häuser der Angehörigen ein. Anschließend feiern Familien und Freunde auf dem Friedhof den Abschied der Totenbesuche bei Essen, Trinken, Musik und Tanz.

Die jüngere – vor allem städtische – mexikanische Generation mischt die eigene Tradition seit einigen Jahren mit einer Anderen: Sie feiert am 31. Oktober “Halloween “und fährt am 1./2. November mit den traditionellen mexikanischen Feierlichkeiten des “día de los muertos “fort.

Hintergrundinformationen

‚Tod‘ und ‚Leben‘ im alten Mexiko

Der lockere Umgang der Mexikaner mit dem Tod scheint vielen Europäern zunächst befremdlich, bisweilen auch makaber und unverständlich. Um diesem seltsam anmutendem Verhältnis zwischen Mexikanern und dem Tod ein Stück näher zu kommen, lohnt ein Blick zurück in die Geschichte Mexikos vor der spanischen “conquista “(Eroberung). Leben und Tod im alten Mexiko stellten keine bedingungslosen Gegensätze dar, sondern waren in einen natürlichen Prozess eingebettet: „Der Tod war ein verlängertes Leben und umgekehrt. Somit war er nicht das eigentliche Ende des Lebens, sondern nur eine Phase im unendlichen Kreislauf. Leben, Tod, Wiederauferstehung waren Stadien eines kosmischen Vorgangs, der sich unaufhörlich wiederholte“.

Diese Sichtweise der mexikanischen Urvölker birgt viele positive Aspekte: Der Tod wurde nicht als Schlusspunkt des Lebens gesehen, auf den sich alles ausrichtet und der dadurch etwas Schreckliches und Bedrohliches annimmt: „Der Tod im präkolumbianischen Mexiko war kein Schreckgespenst. Als Mensch starb man (idealerweise) nicht jammernd, sondern frohen Herzens. Das Sterben bedeutete Hinübergleiten in das raum- und zeitlose Universum“ (Boll, S. 96). So führte die Vorstellung, dass der Tod nur eine Übergangsphase im Prozess des Fortbestehens der Schöpfung darstellt, vermutlich zu weniger Todesangst. Genauso tröstend mag auch der Gedanke der Fortdauer nach dem Tod gewesen sein: „Eine der grundlegenden Ideen der präkolumbianischen Welt, vielleicht der Schlüssel zu der Einstellung jener Völker zum irdischen und kosmischen Geschehen ist die Idee der Unsterblichkeit oder vielmehr der Unzerstörbarkeit der Lebenskraft, ihres Fortbestehen über den Tod hinaus“ (Westheim, S. 24).

Desweiteren prägten Naturphänomene wie Sonnenstand, Veränderung des Mondes, Umlaufbahn der Sterne, der Wechsel der Jahreszeiten, etc., denen Azteken und andere mexikanische Urvölker große Bedeutung beimaßen, das Verhältnis zum Tod entscheidend. Die intensive Beobachtung dieser Erscheinungen führte den beständigen Wandel des Bestehenden vor Augen, das nie gleich bleibt, aber dennoch ewig währt und auf dieselbe oder andere Art wiederkehrt.

Nicht zuletzt spielte auch die Bedeutung des Kollektivs im aztekischen Volk eine tragende Rolle in Bezug auf den Umgang mit dem Tod. Nicht das einzelne Individuum stand im Mittelpunkt, sondern die Gemeinschaft: „Unsere mexikanischen Ahnen glaubten weder, der Tod gehöre ihnen, noch glaubten sie, ihr Leben sei wirklich – im christlichen Sinne des Wortes – ihr Leben. (…) Der Azteke war ebenso wenig verantwortlich für seine Taten wie für seinen Tod“ (Paz, S. 60f). Damit wird sowohl dem Leben als auch dem Tod eines Azteken individuelle Bedeutung und persönliche Schicksalshaftigkeit abgesprochen. Der Glaube der Azteken und die daraus resultierende Gelassenheit gegenüber dem Tod spiegelt sich bis heute im mexikanischen Umgang mit Leben und Tod wieder.

Europa vor der “conquista“

Um die späteren kulturellen Gegensätze, Parallelen und Verschmelzungen zwischen dem altmexikanischen Glauben und dem Christentum besser verstehen zu können, sollte auch das Todeskonzept im alten Europa vor der “conquista “miteinbezogen werden.

Europa wurde vor der spanischen conquista in Lateinamerika, gegen Ende des 14. Jahrhunderts, wesentlich durch ein Ereignis überschattet: der Pest bzw. dem Schwarzen Tod, der bei der Bevölkerung Angst und Schrecken auslöste. Insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zum Tod blieb die Pest nicht ohne Folgen im Christentum. Dies zeigte sich „(…) in den Vorstellungen von Hölle und Teufel und dem Bestreben, dem Volk die Kürze des Erdenlebens klarzumachen und Gottesfurcht zu fördern. Die Todesvisionen, die damit einhergingen, schlugen in der neuen Umgebung bald Wurzeln“ (Reinshagen-Hernández, S.16). Die tief sitzende Angst vor dem Tod in der Bevölkerung schlug sich auch in künstlerischen Abbildungen nieder. Dabei stießen insbesondere die Bilder von ‚Totentänzen‘ auf große Begeisterung: Auf diesen waren Tänzer aller sozialen Schichten Hand in Hand im Kreis abgebildet, die aber nicht von Gott, sondern von einem personifizierten Tod angeführt wurden.

So prägten Todesangst, tiefe Gottesfurcht sowie Darstellungen von Totentänzen mit einem personifizierten Tod und der Gleichstellung aller sozialen Schichten die letzten zwei Jahrhunderte vor der spanischen “conquista “und hinterließen auch in der Neuen Welt ihre Spuren.

Die spanische “conquista “(Ende des 15. Jahrhunderts)

Als die spanischen Eroberer Ende des 15. Jahrhunderts im alten Mexiko Einzug hielten, kam der Christianisierung der mexikanischen Urvölker wesentliche Bedeutung zu. Viele europäische Vorstellungen, aber auch andere grundlegende christliche Konzepte von Leben und Tod wurden auf den neuen Kontinent mitgebracht. Während bei den Azteken das Kollektiv im Zentrum stand, steht bei den Christen das Individuum im Vordergrund, da der Tod Jesus‘ am Kreuz jeden einzelnen Menschen erlöst hat: „Beide Haltungen haben – so entgegengesetzt sie uns auch vorkommen – ein gemeinsames Merkmal: das Leben, des Kollektivs wie des Individuums, wird aus der Perspektive des Todes gesehen, der wiederum neues Leben bedeutet und seine Rechtfertigung und Transzendenz nur im Tod findet“ (Paz, S.62). Dennoch: „Für die Christen ist der Tod nur Durchgang, Sprung zwischen zwei Leben: vom zeitlichen zum überzeitlichen. Für die Azteken war er die erhabenste Form, an der ständigen Erneuerung der Schöpfungskräfte teilzuhaben (…)“ (Paz, S.62).

Obwohl viele Bestandteile, Riten und Bräuche der einheimischen Kultur im Laufe der spanischen conquista endgültig verschwanden, konnte sich ein erheblicher Teil der mexikanischen Kultur und Bräuche erhalten, vermischte sich mit christlichen Inhalten und führte in dieser Mischform in Mexiko bis heute zu einer sehr eigenen und einzigartigen Auffassung vom Tod.

Das Verhältnis der Mexikaner heute zum Tod

Das gegenwärtige Verhältnis der Mexikaner zum Tod ist nicht allein auf die Vorstellungen der altmexikanischen Hochkulturen zurückzuführen. Auch die Einflüsse des alten Europa bei der “conquista “als auch die Zeitereignisse des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts prägen die Vorstellung entscheidend: Sowohl das Erreichen der Unabhängigkeit Mexikos, die Trennung von Kirche und Staat, die mexikanische Revolution ab 1910 und andere Konflikte innerhalb des Landes beeinflussten die mexikanische Kultur und deren Auffassung vom Tod.

Mit diesen Ereignissen trat der Tod aus dem kirchlichen Kontext heraus und wurde auf vielerlei Weise verweltlicht: Er hielt Einzug in volkstümliche Liedtexte, in welchen er im “charro“-Kostüm (Straßenräuber) auftrat, und wurde fester Bestandteil in Karnevalsumzügen. Zudem war der Tod immer häufiger in volkstümlichen Kunstdarstellungen zu finden, die auch politische Kritik enthielten: „Die einstmals religiöse Botschaft der Bilder nahm laizistische Züge an, aus den moralischen Ermahnungen wurden Anklagen gegen soziale Missstände und korrupte Politiker. (…) So zeichneten ihn die Künstler, die das Genre der calaveras schufen, jener karikaturesken Darstellung Lebender in Gestalt von Totenschädeln und Skeletten“ (Reinshagen-Hernández, S. 22). Darüber hinaus wurde der Tod menschlicher und vertrauter. Er kehrte nun in den mexikanischen Alltag und sogar ins Familienleben ein.

Schmuck zum Tag der Toten.

Teil des Alltags ist auch der Gedanke (mit aztekischen Wurzeln), mit den Seelen der Verstorbenen in Kontakt treten zu können: Dies kann durch ein Medium wie einen indianischen Priester erfolgen, als auch durch einfaches Sprechen mit den Toten in der Kirche, indem man ihnen das Neueste berichtet oder ihre guten Ratschläge in Anspruch nimmt. Diese Nähe zum Tod mag uns verblüffen, erklärt sich bei den Mexikanern jedoch aus ihrer eigenen Geschichte heraus, nämlich „(…) dass diese Intimität mit dem Tod im Volksbewusstsein so tief verwurzelt ist und als so natürlich empfunden wird, dass die andere, die europäische Auffassung als fremdartig empfunden und nur auf dem Umweg über Bildung und Erziehung, Erziehung vor allem durch die Kirche, begriffen wird“ (Westheim, S.126). Vergleicht man diese Auffassung mit Deutschland, so stellt man fest, dass für die Mehrheit der Deutschen das Thema Tod ein großes Tabu darstellt: Der Tod wird im Alltag ausgeklammert, wenn nicht entsprechende Umstände im Familien- oder Freundeskreis eine konkrete Berührung damit erfordern. Er wird als Gegensatz zum Leben betrachtet, bedroht unser Leben mit Endlichkeit und löst Angst und Schrecken in uns aus. Deshalb räumen wir ihm in unserem Alltag keinen persönlichen Platz und keine Nähe ein. Für die meisten Mexikaner hingegen sind Leben und Tod eng miteinander verbunden und stellen keine Gegensätze dar. Vielmehr ist der Tod ein fester, vertrauter Bestandteil des mexikanischen Alltags: „Der Mexikaner dagegen sucht, streichelt, foppt, feiert ihn, schläft mit ihm; er ist sein Lieblingsspielzeug und seine treueste Geliebte. Vielleicht quält ihn ebenso die Angst vor ihm wie die anderen, aber er versteckt sich nicht vor ihm noch verheimlicht er ihn, sondern sieht ihm mit Geduld, Verachtung oder Ironie frei ins Gesicht“ (Paz, S.63).

Der mexikanische Autor Octavio Paz beschreibt darüber hinaus sehr treffend, wie eng die Vorstellung vom Tod mit der Vorstellung vom Leben zusammenhängt: „Unsere Lieder, Sprichwörter und Fiestas bezeugen unmissverständlich, wie wenig der Tod uns zu schrecken vermag, denn das Leben hat uns gegen Schrecken gefeit. Sterben ist natürlich, sogar wünschenswert: je früher, desto besser. Unsere Geringschätzung des Todes ist also die Kehrseite unserer Geringschätzung des Lebens“ (Paz, S. 63). Dennoch stellt diese Geringschätzung keinen Widerspruch zum mexikanischen Todeskult dar, denn der Tod ist ständiger Begleiter der Mexikaner im Alltag, sei es „(…) in riskanten Überholmanövern und Wettrennen im Straßenverkehr, (…), in Beleidigungen und Drohungen, die bis zum tödlichen Duell führen können, (…) in der Vorliebe vieler Mexikaner für den tödlich endenden Stierkampf und für den Hahnenkampf sowie im stoischen Ertragen von Katastrophen oder tödlichen Schicksalsschlägen im Freundes- und Verwandtenkreis“ (Boll, S. 102).

El día de los muertos

Der Besuch der Verstorbenen

Folgt man dem mexikanischen Volksglauben, so statten die Verstorbenen den Angehörigen, Familien und Freunden in der Nacht zum 2. November einen Besuch ab: „Schon die Auffassung, dass der Tote im Jenseits Urlaub bekommt, um in der Mitternachtsstunde seine auf Erden zurückgebliebenen Angehörigen zu besuchen, ist von charakteristischer Eigenart. Ein illustrer Gast, den man festlich empfangen und bestens bewirten muss“ (Westheim, S.127).

Zunächst werden die verstorbenen Seelen am Abend des 1. November im eigenen Haus an der eigens für den bzw. die Toten errichteten “ofrenda “ empfangen. Anschließend zieht man gemeinsam zum Friedhof und feiert dort die restliche Nacht essend, trinkend, tanzend und musizierend den Abschied der Verstorbenen – bis zum nächsten “día de los muertos “ den Höhepunkt im Rahmen des “día de los muertos “bildet, dienen bereits die ‚Tage davor dem Gedenken an Tote“, die unter bestimmten Umständen ums Leben kamen:

  • Die Nacht vom 28. zum 29.Oktober  wird den Seelen der Verstorbenen gedacht, die bei Unfällen, Selbstmord oder Mord  zu Tode kamen. Ihnen zum Gedenken wird eine Kerze aufgestellt.
  • Die Nacht vom 29. zum 30.Oktober  wird den Seelen der Verstorbenen gedacht, die ohne Taufe oder letzten Segen gestorben sind. Ihnen zum Gedenken wird eine Kerze aufgestellt.
  • Die Nacht vom 30. zum 31.Oktober  wird den Seelen der Verstorbenen gedacht, die keine Angehörigen haben. Ihnen zum Gedenken wird eine Kerze aufgestellt.
  • Die Nacht vom 31.Oktober zum 1.November  ist die Ankunft der angelitos, der als Engelchen bezeichneten toten Kinder. Für diese angelitos wird ein spezieller Altar mit “ofrendas “ (=Opfergaben) aufgebaut. Zu den ofrendas zählen: Kerzen, orange leuchtende “cempasúchil“ -Blumen, Weihrauch, ein Glas Wasser, Salz, die Totenköpfe aus Zucker, und die Lieblingsspeisen sowie das Lieblingsspielzeug der Kinder.
  • Die Nacht vom 1. zum 2.November  ist die Ankunft der Seelen der verstorbenen Erwachsenen. Für die verstorbenen Erwachsenen wird ebenfalls ein Altar mit speziellen Opfergaben (ofrendas) aufgebaut.

“La ofrenda “(Totenaltar) und andere Bräuche

Bereits in den letzten Oktobertagen kündigt sich in ganz Mexiko der “día de los muertos “an: Straßenhändler wie Geschäfte ‚spielen‘ mit dem Tod und bieten makabres Spielzeug wie bewegliche Plastik- und Pappmaché-Skelette, Skelettmasken und –umhänge, Miniatursärge zum Öffnen sowie Totenschädel und Knochen in verschiedensten Variationen feil. Außerdem werden sämtliche Schaufenster mit Skelett-Szenen, “calaveras de dulce “(Totenköpfe aus Zuckerguss) und bunten “papeles picados “(Scherenschnittbilder) mit Totenkopfmotiven dekoriert.

Gleichzeitig läuft in den Bäckereien die Herstellung des “pan de muerto“ auf Hochtouren (oder wird innerhalb der Familien selbst gebacken):

„pan de muerto“

Pan de muertos.

(sog. Totenbrot): ein runder süßer Hefefladen mit etwas Anis, der die Ewigkeit symbolisieren soll. In der Mitte des süßen Brotes ist eine Träne (für den Totenschädel) abgebildet, seitlich verlaufen die Knochen, die das Skelett darstellen sollen.

Darüber hinaus türmt sich in den Bäckereien und auf den Märkten das Angebot der “calaveras de dulce “(süße Totenköpfe), die bereits von den Azteken aus Amaranth und Honig hergestellt wurden:

„calaveras de dulce“

Calaveras dulces.

(süße Totenköpfe): kleine Totenköpfe aus Zuckerguss, Schokolade oder Marzipan mit grell-bunten Verzierungen. Sie werden oft – mit dem Namen des Beschenkten versehen – unter Freunden oder an Kinder verschenkt: „Dies hat jedoch nicht zur Bedeutung, dass die entsprechende Person bald sterben wird, sondern ist eine freundschaftliche Geste und dem Glauben nach ein Zeichen, dass die Freundschaft oder die Liebe über den Tod hinaus anhalten wird.“

Viele Straßenzüge in Mexikos Dörfern und Städten werden nun mit bunten papeles picados (Scherenschnittbilder) mit Totenkopfmotiven, Darstellungen der “La Catrina “(Skelettdame) oder anderen Ornamenten geschmückt und auf den Asphalt werden – als Wegweiser für die Toten – gelbe “cempasúchil“-Blumen (gelbe Tagetes) gestreut:

„cempasúchil-Blume“

(gelbe Tagetes): “(…) aus dem Nahuatl übersetzt „Blumen der 400 Blüten“, hat einen intensiven Geruch und ist im Monat November, speziell zum “día de los muertos“ , überall in Mexiko präsent. Im überlieferten Glauben geht man davon aus, dass Verstorbene die Farbe Gelb am besten erkennen können. Aus diesem Grunde werden zum “día de los muertos “ die Altäre und Gräber mit leuchtend gelben “cempasúchil “ –Blumen geschmückt. “Cempasúchil“ -Blumen gelten zudem als Lieblingsblume der aztekischen Göttin Xochiquetzal (übersetzt: „Blumen Quetzalfeder“ oder auch „Schöne Blume“). Xochiquetzal war bei den Azteken die Göttin der Erde und die Wächterin der Gräber.“

Mancherorts finden sogar kleine Umzüge statt, in denen Mexikaner in aufwändigen Skelett-Verkleidungen und bunt geschmückten Wägen – mit lustigen, bisweilen makabren Szenen zum Tod – durch die Straßen ziehen. Auch in den Familien werden die letzten Vorbereitungen für das große Fest getroffen. Das Haus wird für den Besuch des Toten herausgeputzt und in vielen Häusern wird meist am Vorabend des día“de los muertos “die “ofrenda “(Totenaltar) aufgerichtet. Sie soll dem Verstorbenen am Abend des 1. November einen willkommenen Empfang bereiten und Opfergaben darbieten:

„La ofrenda“

Totenaltar La Ofrenda.

(Totenaltar): meist von privaten Familien aufwändig errichtete Totenaltäre (im Haus, vor dem Haus oder auch an öffentlichen Plätzen) mit Opfergaben zu Ehren der Verstorbenen. Die Altäre werden regional sehr unterschiedlich geschmückt. Dennoch enthalten die meisten dieselben Grundelemente:

  • Tisch mit schön besticktem Tischtuch
  • „papeles picados “(Scherenschnittbilder) vorne, seitlich oder darüber aufgehängt
  • “cempasuchil“-Blüten (auf den Altar gestreut) bzw. auch Blumengirlanden aus cempasuchil-Blumen,
  • Kerzen, um den Verstorbenen anzulocken
    (rot = Schmerz, weiß = Hoffnung, lila = Feier)
  • “Copal “(Rauchharz aus Bäumen, ähnlich wie Weihrauch sehr geruchsintensiv)
  • in der Tischmitte stehen die Opfergaben für den Toten:
    (gekochtes) Lieblingsessen des Verstorbenen, “pan de muerto “(Totenbrot),
    “calaveras de dulce “(Totenköpfe aus Zuckerguss), “tamales “(Maispastete),
  • “mole “(Schokoladensoße), Früchte sowie Lieblingsgetränk(e) des Verstorbenen,
  • Kaffee, Kakao, aber auch Alkohol (Bier, “Mezcal, Tequila, pulque“)
  • Foto(s) und Gegenstände des Verstorbenen, z.B. Kleidung, etc.
  • Seife, Wasser, Handtuch (zur Erfrischung für den Verstorbenen nach seiner Reise)
  • Salz (Reinigungssymbol)
  • Stuhl für den Verstorbenen
Totenaltar La Ofrenda.

In den mexikanischen Großstädten werden weit weniger private “ofrendas “errichtet als in den Kleinstädten und auf dem Land. Häufig finden dort neben den traditionellen Dingen auch andere, konsumorientierte und exotische Dinge ihren Platz, wie beispielsweise ausländische Konservendosen, Hamburger von McDonalds, etc.: „Die fremden und für Mexikaner exotische Waren sind auch ein Mittel, um dem eigenen Wohlstand Ausdruck zu verleihen und nebenbei auch die Nachbarn, die sich an diesem Tag gegenseitig besuchen und die “ofrendas “bewundern, zu beeindrucken“ (Reinshagen-Hernández, S. 31).

Regierungskritischer Totenaltar.

“Ofrendas “werden an diesen Tagen aber nicht nur von Privatleuten aufgebaut: Viele Fakultäten von Universitäten, Schulklassen, Firmen, Hotels, Museen, Gemeindeverwaltungen, Vereine, usw. scheuen keine Mühen und errichten an öffentlich zugänglichen Plätzen farbenprächtige Altäre. Dabei wird nicht nur der Tod thematisiert, sondern es werden auch gesellschafts- oder regierungskritische Aspekte miteingeflochten oder in Szenen dargestellt.

Einige “ofrendas “nehmen sogar an sogenannten “concursos “(Wettbewerben) teil: „An diesen Wettbewerben können nicht nur handwerklich begabte Erwachsene, sondern auch Kinder ihr Können unter Beweis stellen. (…) Die Ergebnisse werden anschließend von Experten bewertet und Preise für die bestgelungenen ofrendas vergeben“ (Reinshagen-Hernández, S.32).

Der Friedhof – Ort der “fiesta “statt der Trauer

Nach dem Empfang der verstorbenen Seelen am Abend des 1. November zu Hause, ziehen die Mexikaner in der Dunkelheit gemeinsam mit den Toten auf die Friedhofsgräber, um dort bei den Toten Nachtwache zu halten. Die Familien nehmen ihre gekochten Speisen und Getränke auf den Friedhof mit, die den Toten als Opfergaben dargebracht und gemeinsam gegessen werden. Die Gräber werden teilweise schon am 31. Oktober oder am Abend des 1. November vor Ort hergerichtet und mit frischen “cempasúchil“-Blumen, Kreuzen, angezündeten Kerzen, “Copal “sowie mitgebrachten Gegenständen geschmückt. Viele Kinder springen dabei zwischen den Gräbern umher und spielen Fangen und Verstecken. Die Stimmung auf dem Friedhof ist ausgelassen und fröhlich: „Die Lichter der Kerzen und Lagerfeuer, die zum Wärmen angezündet wurden, und die sich ausbreitenden Schwaden des überall brennenden copals (Rauchharz) erzeugen eine Atmosphäre, die eher an ein freudiges Familientreffen, als an einen düsteren Ort des Todes erinnert“ (Reinshagen-Hernández, S.29).

Man isst und trinkt mit den Verstorbenen die mitgebrachten Speisen, das “pan de muerto“, die “calaveras de dulce“, “tamales “und “tacos “und bei “Tequila, Mezcal “oder “Pulque “werden intensive Unterhaltungen mit der Familie, den Freunden und den Toten geführt: „In dieser Nacht erinnert man sich besonders klar an die “difuntos“, die Verstorbenen, spricht über ihre Besonderheiten, ihre Vorlieben, ihre kleinen menschlichen Schwächen, über die Art, wie sie starben und erinnert sich an ihre nächsten Freunde“ (Boll, S.98). Dazu wird getanzt und musiziert – mit eigenen Instrumenten oder durch engagierte “Mariachi“-Gruppen. Die Festlichkeiten dauern bis in die frühen Morgenstunden. Dann wird (vorübergehend) Abschied von den Toten genommen und der Heimweg angetreten – bis zum nächsten “día de los muertos.“

 “La calavera Catrina“

La calavera Catrina.

Die berühmte Skelett-Dame “La Catrina “stellt eine bedeutsame Figur im Rahmen des “día de los muertos “dar: Mexikaner verkleiden und schminken sich mit den typischen Assessoires der “La Catrina, “spazieren auf den Straßen oder in den Parks damit herum, lassen sich fotografieren und stellen bestimmte Posen der “La Catrina “nach. Daneben ist “La Catrina “am ‚Tag der Toten‘ auf zahlreichen Bildern, “papeles picados “(Scherenschnitte), Spielzeugen und Süßwaren abgebildet.

Die Wurzeln der “La Catrina “liegen weit zurück und sind auf die ersten Künstler zurückzuführen, “(…) die das Genre der “calaveras “schufen, jener karikaturesken Darstellung Lebender in Gestalt von Totenschädeln und Skeletten. Die ersten dieser “calaveras “erschienen 1872 und enthielten direkte politische Bezüge“ (Reinshagen-Hernández, S. 22). “José Guadalupe Posada“  (1852-1913) gilt neben “Santiago Hernández“  und  “Manuel Manilla“ als einer der wichtigsten Vertreter dieses Genres und schuf zu seinen “calaveras literarias “ auch die berühmte Zeichnung der “calavera La Catrina “.

Charakteristisch für “La Catrina “ist die äußerliche Aufmachung, deren Ursprünge in der prähispanischen Kultur zu finden sind:

Hut
weiß, weit, mit Rüschen besetzt, Mohnblumen und Straußenfedern (symbolisch für ein „Mitbringsel“ aus dem Alten Kontinent als auch ein Zeichen des Adelsstandes zur prähispanischen Zeit)
Kleid
weiß, mit einem seitlichen schwarzen Streifen, mit Bestandteilen aus den Trachten aus Veracruz, Oaxaca und anderen Regionen
Schminke
weiß, mit schwarzer Farbe Augenhöhlen und Nasenöffnungen hervorgehoben, Mund eines Totenschädels mit entblößten Zähnen und sarkastischem Gesichtsausdruck dargestellt.

“Las calaveras literarias“

Ein wesentlicher Bestandteil des “día de los muertos “ist nicht nur die humorvolle und gleichzeitig intime Auseinandersetzung mit dem Tod und den Verstorbenen, sondern auch künstlerische und kritische Narrenfreiheit. Dieser Aspekt kommt am “día de los muertos “in den “calaveras literarias “zum Tragen: „An diesem Tag werden Verse, Romanzen und Lieder auf Freunde (auch auf Feinde und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens) gedichtet, als seien sie bereits gestorben, und bei Nennung der Todesursache kommen Tugenden und Mängel zur Sprache“ (Reinshagen-Hernández, S.25). Sämtliche Regeln der Zurückhaltung sind an diesen Tagen außer Kraft gesetzt: „Die Politik, die Wirtschaft, die Misswirtschaft, die Vordergrundfiguren der Öffentlichkeit, auch die ephemeren Gestalten, die für kurze Stunden die öffentliche Meinung und die Zungen der Mitbürger in Bewegung setzen – das und vieles andere noch wird gegeißelt. Es ist eine Kritik, die nicht mit der großen Entrüstung, mit pathetischen Protesten auftritt, sondern mit dem geistreichen Einfall, dem ironischen Lächeln, den satirischen Nadelstichen“ (Westheim, S. 125).

Als eine der bekanntesten calaveras literarias sei folgende genannt:

Mujeres juntas, ni difuntas!
dijo la catrina llevándose a su galán,
es más fácil que lloremos juntas
que éste se pase de patán!

Al fin que pa‘ morir nacimos
llegó la flaca y de un jalón
y nosotros ya la hicimos
vamonos para el panteón.

Una noche en el panteón
llegó la catrina y gritó
Ahí viene Mariano
con un palo en la mano.

Varianten

Mexiko besteht aus zahlreichen verschiedenen Regionen und Ethnien. Diese Verschiedenheit spiegelt sich auch in der unterschiedlichen Handhabe der Bräuche hinsichtlich des “día de los muertos “wieder. Das wohl bekannteste Beispiel mag der “’Lago Pátzcuaro “’sein, der von Fischerei geprägt ist und den “día de los muertos “auf ganz eigene Art feiert.  Mancherorts (“’Ocumicho“’/Michoacán und “’Metepec“‘) werden sogar eigens für den “día de los muertos “Skelette und Totenköpfe aus Keramik angefertigt und die Stadt “’Toluca “’ist mittlerweile berühmt für ihre größte “feria del alfenique “(Zuckermarkt), auf der eine unglaubliche Auswahl an “calaveras de dulce “und anderen Dingen angeboten wird. Daneben gibt es zahlreiche weitere Regionen, wo der Tag der Toten sehr individuell begangen wird. Beispielhaft seien hier nur die “’Chorti-Indios“‘, “’San Matteo del Mar“‘ in Oaxaca oder “Mexico City“ genannt.

Persönliche Eindrücke

Während meines Mexikoaufenthaltes 2001 hatte ich die Gelegenheit, den “día de los muertos “am 1. November in der Kleinstadt Puebla mitzuerleben. Zunächst erlebte ich die Fülle an angebotenen Skeletten und Totenköpfen als makaber und seltsam. Allerdings lässt man sich auch als Tourist schnell anstecken und faszinieren von der fröhlichen Volksfestatmosphäre, den bunten Dekorationen und Altären auf den Straßen, den geschmückten Innenhöfen und Foyers sowie einigen Mexikanern, die – als “La Catrina,“ Sensenmann oder Skelette verkleidet – durch die Straßen ziehen. Den größten Eindruck hinterließ jedoch abends das imposante Lichtermeer aus Kerzen und duftendem Rauch auf dem Friedhof.

Literatur

  • Boll, Klaus: Kulturschock Mexiko. 6. Auflage. Bielefeld: Reise Know-How Verlag, 2010.
  • Paz, Octavio: Das Labyrinth der Einsamkeit. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 1998.
  • Reinshagen-Hernández, Olivia: Das Tod in der mexikanischen Kultur. München: Trickster, 1993.
  • Westheim, Paul: Der Tod in Mexiko. Hanau/Main: Müller & Kiepenheuer, 1987.
  • Lomnitz-Adler, Claudio: Death and the idea of Mexico. Brooklyn, N.Y.: Zone Books, 2005.

Weblinks