Fegen zum dreißigsten Geburtstag

Einstiegsinformation

Das “Fegen“ bezeichnet einen Brauch anlässlich zum dreißigsten Geburtstag eines unverheirateten Mannes, der Name bezeichnet dabei die ausgeübte Aktivität. In der Region Uelzen in Niedersachsen wird dieser Brauch rege praktiziert.

Ablauf

Der Ablauf kann je nach Ansicht der Beteiligten über den Brauch variieren.

Die Beteiligten

Der Fegende ist ein Mann, der zum Zeitpunkt seines dreißigsten Geburtstages ledig ist, dazu gehören alle Männer, die nicht verheiratet sind oder waren. Unerheblich ist es, ob der Fegende eine Partnerin hat oder verlobt ist, allein die rechtsgültige Eheschließung verhindert den Brauch des Fegens. Außer dem Fegenden gibt es noch andere Beteiligte, die die Aktivität planen und durchführen. Diese setzen sich üblicherweise aus Familie und Freunden zusammen.

Zeitungsanzeige

Das eigentliche Fegen findet am Tage des dreißigsten Geburtstages statt, zuvor wird in vielen Fällen von den Beteiligten eine Anzeige in der Lokalzeitung geschaltet. Sie enthält einen Vers über den Fegenden, der angibt, dass dieser noch unverheiratet ist und Bezug nimmt auf seine Interessen oder Hobbys, häufig wird sie durch ein Kinderfoto des Fegenden ergänzt. So ist ersichtlich wann und wo die Veranstaltung stattfindet und gilt als Einladung für Freunde und Bekannte, so erfahren auch Menschen, die keinen regelmäßigen Kontakt haben, dass dieses wichtige Ereignis stattfindet.

Das Fegen

Der Fegende hat meist keine Kenntnisse vom genauen Ablauf der Veranstaltung, weshalb er von den Beteiligten zu Hause abholt und zum eigentlichen Veranstaltungsort gebracht wird. Der Transport erfolgt häufig durch ein besonderes Transportmittel. So wird der Fegenden z.B. die letzte Strecke zum Veranstaltungsort in einem bunt geschmückten Handwagen gezogen.Der Ort des Fegens ist der Platz vor dem Rathaus. Wenn in kleineren Dörfern kein Rathaus zu finden ist, wird das Fegen an einen anderen sozial wichtigen Ort verlegt, wie z.B. das Freibad, die Schule, dem Vereinsheim oder dem Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr, wichtig ist dabei nur, dass dieser Ort öffentlich ist und die Menschen dort zusammen kommen können. Zum Fegen wird der Betreffende von den Beteiligten eingekleidet. Die meist lustige Verkleidung bezieht sich auf die persönlichen Interessen des Fegenden, wie z.B. eine alte Feuerwehruniform oder soll nur einen Unterhaltungswert haben, z.B. ein altes spitzenbesetztes Kleid.

Der Besen

Der Besen als wichtiges Utensil wird von den Beteiligten gestaltet, hier sind die Möglichkeiten vielfältig.

Es kann durchaus ein Handelsüblicher Straßenbesen verwendet werden, meist jedoch wird dieser speziell vorbereitet. Gerne wird der Besen bunt bemalt und geschmückt, außerdem wird er so präpariert, dass sich das Fegen schwieriger gestaltet. So wird z.B. ein Großteil der Borsten entfernt, oder der Besenstiel wird in der Mitte durch ein Stück Schlauch ersetzt, in einigen Fällen erhält der Fegende anfänglich auch nur eine Zahnbürste. Gefegt werden Sand, Kies, Sägespäne oder ein Gemisch daraus. Da unter den Zuschauern auch immer Kinder sind, ist es deren Aufgabe und auch Spaß, durch den zusammen gefegten Haufen zu laufen und den Sand zum erneuten Auffegen wieder weitläufig zu verteilen.

Das „Freiküssen“

Gefegt wird solange bis der Fegende „erlöst“ wird. Das bedeutet, dass die Veranstaltung solange andauert bis er „frei geküsst“ wird. Bis dies geschieht hat er weiter zu fegen, während die Beteiligten und Zuschauer gemütlich zusammen sind und ihm dabei zusehen. Im gesamten Zeitraum des Fegens hat der Fegende oder seine Eltern die Aufgabe alle Gäste zu bewirten. Das Freiküssen kann nur durch eine Jungfrau geschehen, hierbei ist die Auslegung nicht sehr großzügig, weshalb in der Praxis oft auf Kinder, meist die anwesenden Nichten, zurück gegriffen wird. Hierbei spielt Bestechung mit Schokolade für einen Kuss auf die Wange eine große Rolle. Mit dem Freiküssen hat der Fegende seine Aufgabe erledigt und kann sich den Zuschauern anschließen, die ihn bereits die ganze Zeit angefeuert, sich amüsiert und getrunken haben. Letztendlich ist auch das Feiern der Grund des Zusammenkommens.

Varianten

Es gibt außerdem einige unterschiedliche Betrachtungsweisen, wie genau der Brauch durchgeführt werden soll, so wird von manchen Menschen die Meinung vertreten, dass das Fegen nur am Tag des Geburtstages stattfinden kann. Während andere der Auffassung sind, dass das Fegen durchaus nachgeholt werden kann, z.B. am folgenden Wochenende. Einige Menschen geben an, dass der Mann mindestens ein Jahr vor seinem dreißigsten Geburtstag geheiratet haben muss, um nicht fegen zu müssen. Allerdings ist doch die Mehrheit der Meinung, dass selbst eine Eheschließung am Tage vor dem dreißigsten Geburtstag noch ausreichend wäre. Es sind auch regionale Unterschiede festzustellen, so wird z.B. in der Gegend um Celle das Freiküssen durch eine verheiratete Frau auch zugelassen.

Hintergrund-Infos

Die genaue Herkunft des Brauches in dieser Region kann nicht mehr rekonstruiert werden, da die Informationen zum Fegen seit Jahren nur mündlich weitergegeben werden und keine einheitlichen Regeln bestehen. Der Brauch wird ausschließlich durch Teilnahme am Fegen erlernt. Heutzutage stellt das Fegen zwar einen bestimmten Punkt im Leben eins Mannes dar, ist aber hauptsächlich ein feierliches Ereignis bzw. ein gesellschaftlicher Anlass. In früheren Jahren verfolgte das Fegen noch den Zweck, den Junggesellen mit Frauen bekannt zu machen, bestenfalls mit der Jungfrau, die ihn freiküsste, um gegebenenfalls eine Ehe anzubahnen.

Verbreitung/ Beliebtheit

Das Fegen erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit und wird als Brauch – insbesondere im ländlichen Bereich – sehr häufig begangen. So sind mehrfach im Monat Anzeigen zum Fegen in der Zeitung zu lesen, wobei zu berücksichtigen ist, dass nicht jede Veranstaltung inseriert wird. Die Beliebtheit liegt aber nicht zuletzt daran, dass es sich beim Fegen auch um eine ausgelassene Feierlichkeit handelt.

Literatur

  • Ehlert, Kerstin: Dreißig – ledig – lustig? Moderne Bräuche am 30. Geburtstag. Göttingen: Schmerse, 2005.
  • Marchetti, Christian: Dreißig werden. Ethnographische Erkundungen an einer Altersschwelle. Tübingen: Tübinger Vereinigung für Volkskunde, 2005.
  • Simon, Michael: Moderne Brauchinnovation. Geschichte und Funktion des Treppenfegens beim 30. Geburtstag. In: Brückner, Wolfgang; Grass, Nikolaus (Hr.): Jahrbuch für Volkskunde/21. Würzburg u.a.: Schöningh, 1998, S. 157-177.