Christbaum

Termin

Der Christbaum wird meist zwei bis drei Tage vor Weihnachten aufgestellt und bleibt in den meisten Haushalten bis Heilig Drei König stehen.

Einstiegsinformation

Der Christbaum – auch geläufig unter dem Namen Weihnachtsbaum – ist der ästhetische und besinnliche Mittelpunkt des privaten Weihnachtsfestes. Er spielt dort ganz besonders an Heiligabend eine zentrale Rolle. Der „aufgeputzte Baum der in der Lage ist, Groß und Klein in „paradiesische Entzückung“ zu versetzen war schon 1774 in Johann Wolfgang von Goethes Briefroman „Die Leiden des Jungen Werther“ ein Thema. Der Artikel beschäftigt sich mit der Entstehungs- und Verbreitungsgeschichte des Brauches im deutschsprachigen Raum.

Ablauf

Der Christbaum im Familienkreis

Traditionell-Familiärer Christbaum in Schwabmünchen, größtenteils mit  gesammeltem, selbstgemachten Schmuck.

Ein immergrüner Nadelbaum, meist Tannen- Fichten- oder Kiefernarten, wird in einem Zeitraum zwischen dem ersten Advent und dem Heiligen Abend geschlagen oder gekauft und bevorzugt in den Wohnräumen der Familie aufgestellt. In manchen Häusern steht ein geschmückter Christbaum schon in der Adventszeit im Haus. Sehr weit verbreitet ist es allerdings, den Baum erst am Mittag des 24. Dezembers ins Haus zu holen und die Zugänge zum jeweiligen Raum bis zur Bescherung verschlossen zu halten, um die Kinder schließlich mit dem reich geschmückten Christbaum zu überraschen. Dieser bleibt der Familie dann über einen unterschiedlich langen Zeitraum erhalten. Während bei Protestanten oft noch der 6. Januar als traditionelles Datum für die Entsorgung genannt wird, darf der Baum in katholischen Häusern häufig bis Maria Lichtmess (2. Februar) stehen bleiben.

Das Schmücken ist eine jährlich wiederkehrende Aktion, die je nach Familientradition einem oft über Jahre beibehaltenen Ablauf folgt. Jeder hat seine Aufgabe: Vater holt den Baum, stellt ihn auf, Mutter schmückt ihn oder alle schmücken ihn gemeinsam sind häufige Varianten. Zum traditionellen Festritual gehört weiter:Das Entzünden der Baumkerzen hinter verschlossener Tür durch den Vater, das Läuten des Glöckchens als Signal für die Bescherung, das Singen von Weihnachtsliedern und das Aufsagen der erlernten Gedichte und schließlich das Auspacken der Geschenke. Größtenteils liegen die Weihnachtsgeschenke unter den Baum. Alle stehen oder sitzen während des Singens von Weihnachtsliedern vor dem Baum. Die gesamte Weihnachtszeit hindurch spielen sich besinnliche, weihnachtliche familiäre Aktivitäten in der Nähe des Christbaumes ab.

Marktanalyse 2007

Eine repräsentative Umfrage der GFK Marktforschung Nürnberg unter fast 2000 Bundesbürgern ab 14 Jahren ergab 2007, dass trotz erheblicher Veränderungen im Konsum- und Freizeitverhalten ein Weihnachtsfest ohne geschmückten Baum für die meisten Deutschen nicht vorstellbar war. Knapp 80 % der Frauen und 66 % Männer hielten den Christbaum für einen festen und unersetzlichen Bestandteil von Weihnachten. Nach einer anderen Befragung durch das Forsa-Institut kauften sich etwa 37% der Bundesbürger niemals einen Christbaum. 13% gaben an, speziell im Jahr 2007 auf den Baum zu verzichten und nannten die in diesem Jahr um 10 – 15% gestiegenen Preise als Grund. Meist waren es Rentner und Alleinstehende, die zu Weihnachten keinen Baum aufstellten. Die Marktanalysen gingen davon aus, dass im genannten Jahr ca. 26 Millionen Christbäume in deutsche Wohnungen kamen.

Aktuelle Trends

Moderner Christbaum in Schwabmünchen eines bekannten Einrichtungshauses.

Sicherlich unterliegt die äußere Form des Christbaums heute stärker denn je aktuellen Trends. Jährlich kommen neue Schmuckkollektionen auf den Markt, die

Der etwas andere Christbaum – in einer Familie mit erwachsenen Kindern aus Langerringen erfüllte dieser Weihnachts-Kaktus alle Funktionen eines herkömmlichen Christbaums.

bereits im nächsten Jahr wieder völlig „out“ sein können. Ausschlaggebend ist, dass Christbaumschmuck teilweise sehr billig in Fernost produziert wird und so auch ein Wegwerf-Artikel geworden ist. „Heute ist wieder alles erlaubt, familiäre Tradition, eigener Einfallsreichtum und Orientierung am vorherrschenden Trend laufen nebeneinander her“, beschreiben Richilde und Paul Werner die derzeitige Situation (siehe Literatur unten). Die beliebteste Baumart zu Weihnachten ist heute die Nordmanntanne. Es werden kleinere Bäume gekauft, als noch vor 10 Jahren und immer öfter wandern sie auch mit Wurzeln, also eingepflanzt in die Wohnzimmer.

Außerdem ist eine weitere Verstärkung des Trends zum Zweitbaum feststellbar. Viele Familien kaufen sich bereits im Advent einen Baum für Terrasse oder Vorgarten, den sie mit Lichtern illumieren. Das prägt in der Vorweihnachtszeit das Bild von Dörfern und städtischen Wohnsiedlungen. Unabhängig davon wird zu Heiligabend dann ein weiterer Baum mit Christbaumschmuck im Wohnzimmer aufgestellt.

Man kann im Rahmen des allgemein wachsenden Interesses an spirituellen und religiösen Themen in unserer Zeit in vielen Familien auch Versuche der Rückbesinnung auf einen tieferen Sinn des Weihnachtsfestes beobachten. Die Bemühungen, dies auch in sichtbaren formalen Äußerungen zu demonstrieren, sind vielfältig.

In und um Augsburg

Durch einen Bericht des Landgerichts Zusmarshausen ist der Zeitraum recht genau markiert, in dem sich der Christbaumbrauch dort durchsetzte. Im Jahr 1861 wurde notiert: Den Christbaum kannte man früher nicht: Jetzt aber hat er sich, durch die Beamten veranlasst, eingebürgert. Unter der Veranlassung durch die Beamten darf man jedoch keinesfalls eine Anordnung verstehen. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, handelte es sich auch hier vielmehr um das Phänomen der Nachahmung eines Beispiels. Die Beamten, königstreue Staatsdiener, übernahmen den Brauch ihrerseits vom Münchner Hof und anschließend ahmten die einfachen Bürger nach, was ihnen wohlhabendere Familien vorlebten. In der Stadt Augsburg kam der Christbaums etwa zur selben Zeit auf, jedoch muss der Ursprung des Brauchs wohl eher in der evangelischen Bevölkerung statt im Beamtentum vermutet werden. Kontakte zu protestantischen Glaubensbrüdern, die ihn bereits ausübten, beispielsweise aus Nürnberg, sorgten für die Verbreitung.

Für den Atlas der Deutschen Volkskunde wurden 1932 Umfragen im Augsburger Landkreis durchgeführt. Unter anderem wurden die Bewohner verschiedener Dörfer gefragt, wann der Christbaumbrauch in ihrer Ortschaft eingeführt wurde. Hier wurden die Interessierten mit einem weit verbreiteten Problem konfrontiert, welches in den meisten Fällen auftaucht, wenn man nach dem Alter von Bräuchen forscht: Man erhält schwammige und vor allem stereotype Angaben, die meisten Bräuche werden, so auch hier, als uralt bezeichnet (Gennach, Mittelneufnach, Schwabmünchen, Ustersbach). In Gabelbach hieß es schon lange, in Gessertshausen von jeher. Die erwähnte Propaganda zugunsten des Christbaums während des 70er Krieges schlug sich nieder in Antworten wie ca. 1870, 1875 oder seit ca. 50 Jahren. Kaum einer berichtete, ob und wie lange schon in der eigenen Familie, in der eigenen Wohnung ein Christbaum aufgestellt wurde. Als Termin für die Entsorgung der Christbäume ergaben die Umfragen des ADV in Kleinaitingen bis Dreikönig, manchmal auch länger, in Schwabmünchen und Herbertshofen in manchen Häusern bis Lichtmess. Die Angabe aus Thierhaupten, Neujahr, fällt aus dem Rahmen.

In jedem Fall hatte nur in rund einem Drittel der katholischen Kirchen der Christbaum bis 1932 Einzug gehalten. In Gennach war seit 1917 die Sitte verbreitet, Gräber mit kleinen Bäumchen auszustatten. In Langerringen und Gersthofen wurden seit 1931 Christbäume auf öffentlichen Plätzen aufgestellt. Erst in den 60er Jahren bestimmten solche öffentlichen Tannenbäume mehr und mehr die Adventszeit im Landkreis.

Hintergrund-Infos

Was es vor dem Christbaum gab

Mitwinterbräuche

Weit verbreitet ist die Ansicht, man könne den Christbaum direkt mit dem Mittwinterbrauchtum älterer Kulturen, wie derjenigen der Römer oder Germanen in Verbindung bringen. Die Rückführung von Bräuchen auf einen uralten keltisch-germanischen Ursprung ist leider recht populär. Auch in vermeintlich seriöser Forschungsliteratur gibt es solche rein spekulativen Ansätze.

Vom 17. bis zum 24 Dezember, feierten die Römer ein Fest zu Ehren ihres Fruchtbarkeitsgottes Saturn, in dessen Verlauf Mispeln, Efeu oder Lorbeer eine Rolle spielten. Ebenfalls um die Jahreswende pflegten die Germanen Tannengrün über ihren Haustüren, im Stall und in den Wohnräumen anzubringen. Dies war verbunden mit der Hoffnung auf das Wiedererwachen der Natur im kommenden Frühjahr: Man muss wohl diesen winterlichen Grünschmuck in die Kulturgedanken einer agrarischen Welt einordnen, in das logische Weltverständnis landwirtschaftender Menschen und damit im weiteren Sinne in ein Wunschsystem für neue Lebenskraft und Fruchtbarkeit.

Der geschmückte Christbaum wird heute von christlicher Seite bisweilen mit archaischem Symbolgehalt aufgeladen und zugleich auf Jesus Christus bezogen: „Die der ganzen Natur durch Christus zukommende Hoffnung, die in die dunkle, kalte und unerlöste Welt gekommen war, wurde damit verdeutlicht“, schreibt beispielsweise der Kölner Theologe Dr. Manfred Becker-Huberti. Und weiter: „Das Immergrün symbolisiert den noch nicht als Erlöser erkannten Neugeborenen, in dem die Heilszusage Gottes personifiziert ist. So wie im immergrünen Baum im Winter das Leben präsent ist, ist Gott noch unerkannt in seinem neugeborenen Sohn in dieser Welt schon wirksam“.

Was auf jeden Fall unter Christen frühen verbreitet war, ist das Ausstecken oder Aufhängen sogenannter Weihnachtsmaien. Das sind grüne Zweige (früher Maien genannt), mit denen man Kirche und Häuser in der Weihnachtszeit festlich geschmückt wurden, lange bevor es den Christbaum gab.

Der „Baum der Erkenntnis“

Der Baum spielt in mehreren Kulturen und Religionen eine besondere Rolle, auch in der christlichen Liturgie sowie in der Bibel. Traditionell wurden im späteren Mittelalter als Auftakt zum Weihnachtsfest neben Krippen- und Hirtenspielen auch sogenannte Paradiesspiele in der weihnachtlichen Zeit vorgeführt. Man inszenierte meist vor den Portalen der Kirche die Geschichte des Sündenfalls von Adam und Eva. Das Bühnenbild musste natürlich auch den „Baum der Erkenntnis“ (auch „Paradiesbaum“ oder „Adamsbaum“) zeigen. Dessen Frucht führte zu der folgenschweren Übertretung der göttlichen Gesetze. Je nach Kulturkreis stellte man sich einheimische Bäume als „Baum der Erkenntnis“ vor, so in Deutschland nach zeitgenössischem Denken einen Apfelbaum mit dem Apfel als „verbotene Frucht“. Einen früchtetragenden Apfelbaum im Dezember zu finden, war jedoch ein aussichtsloses Unterfangen und so entschied man sich meist für die immergrüne Tanne, an deren Zweigen Äpfel als Symbol für die erste Sünde befestigt wurden. Vielerorts wurde am 24. Dezember ein „Sündenfallbaum“ errichtet, der mit Äpfeln und Naschwerk geschmückt und am Weihnachtstag zur Veranschaulichung des Erlösungsgeschehens abgeschüttelt wurde.

Aus einem Beschwerderegister des niederbayerischen Dorfes Schwarzach ist Folgendes zu entnehmen:

Dort soll ein recht jähzorniger Pfarrer am heiligem Abend des Jahres 1590 mit „ainem Tannen Peimel, daran Öpfl gesteckht gewest um sich geschlagen haben.“

Gabenbäume – Tannenbäume

Für städtische Handwerker und vornehme Bürger

Die ältesten Dokumente, die einen geschmückten Tannenbaum innerhalb eines Hauses belegen, stammen aus dem Umfeld der Festbräuche des städtischen Handwerks. 1419 stellte die Bäckerzunft in Freiburg schon einen weihnachtlichen Gabenbaum für die Armen im Heilg-Geist-Spital auf. 1570 wird in einer Bremer Zunftchronik erstmals ein „Dattelbäumchen“ erwähnt, eine kleine Tanne, geschmückt mit Äpfeln, Nüssen, Datteln, Brezen und Papierblumen, das die Kinder der Zunftgenossen am 6. Januar abschütteln durften. Aus dem Jahre 1604 stammt ein Dokument, welches solche Weihnachtsbäume in den Stuben des vornehmen Bürgertums in Straßburg bestätigt. Es besagt: „Auff Weihnachten richtet man Dannebäum zu Straßburg in der Stuben auf, daran henckett man rosen aus vielfarbigem Papier geschnitten, Äpfel, Oblaten, Zischgold, Zucker etc….“ . Der in der Stube stehende Weihnachtsbaum, ein geschmückter Nadelbaum, wie er heute internationel üblich ist, verbreitete sich vom Elsass ausgehend. Dort findet sich in etwa seit 1600 ein Vielzahl von Schriftstücken, welche die örtlich starke Verbreitung eines veritablen Tannenbaums belegen.

Für den Adel und bei Hofe

Im 17. und 18. Jahrhundert fand der Christbaum Eingang in das adlige und höfische Milieu. Deutschgebürtige Adlige, führten ihn meist an den christlichen, europäischen Höfen ein, in die sie einheirateten. Für den kaiserlichen Hof in Wien ist belegt, was für viele andere reiche Fürstenhäuser angenommen wird: Jedes Familienmitglied fand seine Geschenke unter einem eigenen Baum. In Anlehnung an die tonangebenden Lebensgewohnheiten am Fürstenhof, wurde der Weihnachtsbaum seitdem auch in sehr wohlhabenden Kreisen unter den Bürgerlichen ein. In einfacheren Verhältnissen spielten mancherorts weiterhin mit Gaben behängte Zweige eine Rolle. Ganze Bäume konnte sich breite Bevölkerung – falls sie diesen Brauch überhaupt schon einmal gesehen hatte – noch lange nicht leisten.

Verbreitung im 19. Jahrhundert

Erst allmählich wurde der Weihnachtsbaum in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zum „Mittelpunkt eines biedermeierlichen Kinderbescherfestes und auch das nur im gehobenen Bürgertum. Eine wichtige Rolle spielte anfangs die Konfession. Der Weihnachtsbaumbrauch verbreitete sich zunächst hauptsächlich in protestantischen Haushalten. Der Baum galt sogar schon bald „als weihnachtliches Symbol `rechtgläubiger´ Protestanten. Er wurde zum konfessionellen Gegensymbol der (katholischen) Weihnachtskrippe“. Eine katholische Zeitung bezeichnete den Protestantismus im Jahr 1896 sogar abfällig als „Tannenbaum-Religion“. Ausgehend von protestantischen Rettungs- und Waisenhäusern verbreiteten sich z.B. auch Adventskranz und Adventsbaum. An einem Adventsbaum wurde – im Gegensatz zum Christbaum, der zu Heiligabend gehörte – an jedem Tag im Advent ein weiteres Licht entzündet. Der erste Adventsbaum wurde in einem Knaben-Rettungshaus in Duisburg 1846 aufgestellt. An der Art, wie man Advents- und Weihnachtszeit außerhalb der Kirchen beging, war also lange die konfessionelle Zugehörigkeit zu erkennen. Die Katholiken feierten im 19. Jahrhundert eine Krippenfeier, evangelische Familien eine Weihnachtsbaumfeier.

Für die Entwicklung des Christbaumbrauchs von einer exklusiven Erscheinung, die distinguierten Familien vorbehalten war, hin zum populären Ausdruck familiärer Innigkeit, war der Deutsch-Französische Krieg von 1870 / 71 maßgeblich. Im Kriegswinter wurden die Voraussetzungen für eine allgemeine Verbreitung des Christbaumes als „echt deutschem“ Festsymbol geschaffen. Am Heiligen Abend dieses Jahres ließ die Heeresleitung in Quartieren, Unterständen und Lazaretten Christbäume aufstellen: „Heimweh und Familiengefühl, Friedenssehnsucht und nationaler Stolz, ja: Deutscher Chauvinismus, das alles waberte nun im weihnachtlichen Lichterglanz“. Das gemeinsame Erleben der Soldaten mag den entscheidenden Impuls gegeben haben: „Die heimgekehrten Soldaten sorgten dafür, dass bald in jedem deutschen Haus ein Christbaum erstrahlte wie im Schloß des Kaisers. So wurde er in jener Zeit eine Art Symbol für deutsche Siege und Frieden, für deutsches Wesen, verbunden mit der bürgerlichen Utopie von einer heilen Welt“. Das Weihnachtsfest wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend zum Familienfest. Der Weihnachts- oder Christbaum als ästhetischer Dreh- und Angelpunkt und Zentrum für Besinnlichkeit im Familienkreis verbreitete sich erst seit den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts allmählich auch bei den einfachen Leuten. Andere Weihnachtsbräuche, wie das Aufstellen oder Aufhängen geschmückter Zweige oder Gestelle in Form eines Baumes, Sterns oder Leuchters mit oder ohne Kerzen, waren ihnen bereits früher geläufig.

Allgemeingut im Verlauf des 20. Jahrhunderts

Mit der weiteren Verbreitung des Weihnachts- bzw. Christbaums in Deutschland sind allmählich kaum mehr konfessionelle Unterschiede auszumachen. Katholiken wie Protestanten nehmen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Baum und Krippe in ihre Art, die Advents- und Weihnachtszeit zu gestalten mit auf.

In München und im Voralpenland

Eine Art Kalenderblatt des Jahres 1816 zeigt einen öffentlichen Christbaum auf der Residenzstraße in München, noch Jahre bevor die Gemahlin König Ludwigs I., Therese, den Brauch an der Münchner Residenz eingeführt haben soll. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es auch Christbäume in den ärmeren Familien Münchens, die einem Bericht zufolge die enormen sozialen Unterschiede in der Stadt wiederspiegelten. Erst knapp vor der Jahrhundertwende drang der Brauch allmählich bis zur bäuerlichen Bevölkerung Berchtesgadens vor. In manchen Gebieten Österreichs und Tirols dauerte die Etablierung sogar noch bis in die 20er Jahre hinein. Eine besonders beliebte Attraktion ist vom Walchensee bekannt. Im Gasthof zur Post fand dort jährlich eine Christbaumversteigerung statt, wobei der feil gebotene Baum nur als indirekter Mittelpunkt fungierte. Es waren eher die Ausgelassenheit einer fröhlichen Gesellschaft und der für die Popularität von periodisch wiederkehrendem Brauchtum so entscheidende Aspekt des Nicht-Alltäglichen, welche die Bauern und Burschen jedes Jahr wieder zur Auktion lockten. Der Christbaum auf der Post zu Walchensee ist eben der einzig gesellige Anlass, der das einsame Winterleben der Bauern im Hochland festlich unterbricht. Die Sitte, auch auf den Gräbern kleine Bäumchen auf zu stellen, ist ab den 30er Jahren in Berchtesgaden belegt.

Von Deutschland nach Amerika und wieder zurück

Der erste Weihnachtsbaum in Amerika soll von einem deutschen Auswanderer im Jahre 1847 in Ohio aufgestellt worden sein. Er brachte den beschaulichen, familiären Brauch in seine neue Heimat. Doch dessen familiärer Charakter fiel wohl der in Amerika bereits beginnenden Kommerzialisierung, Industrialisierung und einer gewissen Schwärmerei anheim, sodass nach dem Ersten Weltkrieg ein „riesengroßer, öffentlicher Christbaum“ über den Atlantik zurück kam: „Von nun an strahlten seine elektrischen Kerzen von der ersten Adventwoche an auf allen großen Plätzen, bei Weihnachtsfeiern in Schulen und Betrieben, in Kaufhäusern und Ämtern, in Gefängnissen und Krankenhäusern“.

Lebensbaum und Jultanne der NS-Zeit

Zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland gab es mehrere Versuche, das Weihnachtsfest politisch zu instrumentalisieren und zu nazifizieren. „Unter Ausnutzung ihrer Emotionsgeladenheit, christlichen Inhalte, Besinnlichkeit und Traditionen“ sollte die Weihnachtszeit in den Dienst der NSDAP gestellt werden. Die Nationalsozialisten nutzten die mit dem Fest verbundenen Emotionen als Einfallstor für ihre Ideologien, postulierten die „Volksweihnacht“, die „Deutsche Volksgemeinschaft“ und lösten dazu das christliche Fest aus seinen religiösen Zusammenhängen.

Im Jahr 1935 wurde erstmals das sogenannte „Julfest“ zur Wintersonnwende begangen. Die Nationalsozialisten rückten die alten Germanen wieder in den Mittelpunkt der Festlichkeiten. „Nächtliche Feierstunden im Freien“, aufgeladen mit mystizistischer Licht- und Feuersymbolik, boten auch Platz für neue altgermanischen Pflanzenkulte zur Mittwinterzeit. Der Christbaum wurde zum „Lebensbaum“ stilisiert. Dabei wurde die durch das Tannengrün symbolisierte Hoffnung auf das Wieder-Erwachen der Natur gleichgesetzt mit der Hoffnung auf die Auferstehung und Stärkung des Deutschen Reiches.

Auch in den nicht-öffentlichen Raum wirkte die Propaganda der Machthaber hinein. Vorschläge zur häuslichen Gestaltung des Weihnachtsfestes sollten die Verbreitung germanischer Mythen garantieren. Der Christbaum erfuhr eine Umdeutung zum „Lichtbaum“ oder zur „Jultanne“, zum „immergrünen Symbol ewigen Lebens“. Die Familien erhielten Anweisungen zu „angemessenem“ Baumschmuck, der die Wiederbelebung angeblich verschütteter, urgermanischer Bräuche bezwecken sollte und „zumeist das Hoheitszeichen der Partei ins Wohnzimmer“ brachte. Zeitschriften und Weihnachtsbücher sorgten für eine völlige Uminterpretation des Festes im Sinne eines Gedenkens an die gefallenen Soldaten. „Der eigentliche Kern des Weihnachtsfestes wurde nun hart attackiert: Statt der Geburt Christi stand der Tod der gefallenen ‘Helden‘ im Mittelpunkt“. Man gedachte der Toten außerdem häufig durch eigens für sie am Tannenbaum entzündete Kerzen oder an den Zweigen befestigte Portraits. Als der Krieg die eigene Zivilbevölkerung erreichte, wurden immer weniger Bäume in den Familien aufgestellt und man musste sich dürftigerer Mittel zur Dekoration bedienen. 1943 wurde die Herstellung von Baumschmuck und Spielwaren verboten, da Material und Arbeitskräfte für die Rüstung und andere kriegsrelevante Bereiche gebraucht wurden.

Die Bedeutung dieses furchtbaren Zeitraums für den Christbaumbrauch und sein Einfluss auf das Festverständnis müssen diskutiert werden. Nach Angela Brown „war das Beharrungsvermögen von Traditionen in der Feiergestaltung des Familienfestes schlechthin mit seinen über Generationen weitergegebenen Bräuchen und Gegenständen wohl besonders groß. Bei Richilde und Paul Werner heißt zur Zeit des Nationalsozialismus: „Der Weihnachtsbaum war so fest mit dem Bewusstsein von Weihnachten verbunden, dass ihm auch die Zeit des Nationalsozialismus nichts anhaben konnte. Alle Bemühungen, ihn zur germanischen Jultanne und zum mythischen Lebensbaum zu erklären, blieben propagandistische Versuche und berührten kaum das familiäre Festverständnis“ .

Nach dem Zweiten Weltkrieg

1945 „erreichte das erste gemeinsame Weihnachtsfest mit seinem noch so bescheidenen Bäumchen und dem kargen Gabentisch eine nie zuvor gekannte Innigkeit“. Dennoch darf man sich nicht vorstellen, das jede Familie einen eigenen Christbaum hatte, zumal wenn sie ärmer war und sich mit beengten Wohnverhältnissen abfinden musste. Weihnachten blieb in der Wirtschaftswunder-Zeit nicht von kommerziellem Werberummel verschont. In diesem Kontext zeugte speziell der Christbaum für die frisch gebackene Wohlstandsgesellschaft und wurde zum „bürgerlichen Schaustück“. Es kam nun bereits in Mode, einen mit Lichterketten geschmückten Weihnachtsbaum auf Balkonen oder im Vorgarten aufzustellen. Zugleich betrachtete man den Baum im Wohnzimmer gewissermaßen als Statussymbol. Auch heute ist ein sehr wichtiger Punkt z.B., wie groß so ein Baum ist. Manche Freudeskreise oder Vereine pflegen sogar das sogenannte Christbaumloben. Dabei werden Vergleiche hinsichtlich der Pracht des Christbaums angestellt.

Das Weihnachts-Geschäft ist gerade im Einzelhandel entscheidend. Die Zeit um das Gabenfest herum ist in vielen Wirtschaftszweigen die Umsatz stärkste des ganzen Jahres. Um den christlichen Symbolwert des Christbaums wird schwer gerungen, seitdem er als öffentlicher Werbeträger in Kaufhäusern, Prospekten und Medien meist bereits viele Wochen vor dem Fest durchweg präsent ist. Dies führt zweifelsohne zu einer gewissen Abstumpfung. Seit den 70er und 80er Jahren ist auch der Familien-Christbaum immer mehr modisches Accessoire und ein Dekorationsstück, „das sich nahtlos einreiht in die Blumengestecke und Deko-Elemente, die heute einen Teil der ‘Wohnlandschaft‘ ausmachen“. Nicht auszublenden ist jedoch die Tatsache, dass vielerorts der Christbaum hilft, in einer so dynamischen und unpersönlichen Zeit dennoch private Andacht zu halten. In Verbindung mit den oben geschilderten familiären Ritualen kann er Zusammenhalt fördern und Anlass für besinnliche Momente sein.

Weblinks

Literatur

  • Werner, Richilde und Paul: Weihnachtsbräuche in Bayern. Berchtesgaden 1999.
  • Pötzl, Walter: Brauchtum, in: Der Landkreis Augsburg. Augsburg 1999.
  • Nagy, Sigrid: Der Adventsbaum. Würzburg 1998.
  • Wirths, Gudrun: Es glitzert und funkelt. Mainfränkisches Museum Würzburg 2007.