Inhalt
Termin
Jedes Jahr in der Fasnacht, also in der Faschingszeit vom Dreikönigstag (06. Januar 2025) bis zum Aschermittwoch (05. März 2025) sind die Butzen an einem Wochenende in Hinterstein anzutreffen.Einstiegsinformationen
Beim Butzegong schlüpfen die Hintersteiner Buben in bestimmte Rollen und sagen an jedem Haus alte Sprüche auf. Als Dank bekommen sie Mehl, Zucker, Eier und Schmalz, was beim örtlichen Bäck zu „Butzenzöpfen“ verarbeitet wird. Diese werden dann am „Butzenfest“, das gewöhnlich eine Woche später stattfindet, neben einer Brätknödelsuppe und Kuchen gegessen. Der alte Brauch des „Hinterschtuinar Butzegongs“, wie es im Allgäuer Dialekt heißt, also des Butzen gehens ist nur im kleinen Allgäuer Bergdorf Hinterstein beheimatet. „Bayerisch Zermatt“ wie der Ortsteil von Bad Hindelang aufgrund der Höhenlage auf 866 Meter auch genannt wird, liegt mit seinen ca. 500 Einwohnern eingebettet in den Allgäuer Alpen. Dieser Abgeschiedenheit ist es unter anderem zu verdanken, dass sich hier jahrhundertalte Bräuche bis heute erhalten haben.Empirische Dokumentation
Ablauf des Butzegong


Die Rollen & Sprüche
Die Ältesten der jeweiligen Gruppe übernehmen meist die 5 wichtigsten Rollen, nämlich den „Butz“, das „Tapferwieb“, „Bumperniggl“, den „Fähnder“ und den „Rößlar“. Weitere Charaktere wie der „Riese Goliath“, dr „Bearglarbüe“, „Bodesea“ oder der „Hauptmann“ werden je nach Anzahl der Buben verteilt. Der Butzemeister ist die wichtigste Person, der Butz. 2014 waren im Mittleren Dorf folgende 12 Butze, die die jeweiligen Sprüche aufsagten:









I bi dr Butz us dr Wurz
Das Butzefest
Etwa eine Woche nach dem Butzegong findet das Butzenfest statt. Dafür ist hauptsächlich die Mutter des Butzenmeisters verantwortlich, die für den ganzen Butzenzug ihres Sohnes Brätknödelsuppe kocht. Je nach Appetit und Knödelgröße verspeist hier der ein oder andere Butz schon mal 20 Knödel. Nach der Suppe gibt es noch Kuchen oder Krapfen, die von den Müttern der restlichen Butzen beigesteuert werden. Zwischen den einzelnen Gängen verteiben sich die Buben die Zeit mit Spielen, Schneeballschlachten oder einer Rodelpartie. Früher, so lässt sich in einem Bericht von Josef Ilmberger aus Hinterstein nachlesen, gab es an diesem Fest neben der Suppe pro Person 15 Butzenküchlein mit Apfelmus oder Zwetschgenbrühe. Außerdem Kaffee, Brot und ein Glas voll Bier. Auf das Bier wird heute verzichtet, aber der Bauch eines jeden Butz ist dennoch bis zum platzen voll. Dieser Tag, meist der Samstag, ist für die Buben ein Highlight, weil hier auch die Butzenzöpfe und natürlich das verdiente Geld verteilt werden. So kommen die Buben jährlich mit einem vollen Bauch, einem vollbepackten Rucksack und viel guter Laune nach Hause.Brauch- und Rollenverständnis
Im Allgäu und auch besonders in Hinterstein wird großer Wert darauf gelegt, alte Bräuche zu erhalten. Die Liebe und der Bezug zur Tradition wird von Generation zu Generation weitergegeben und so ist jeder Bub stolz darauf, ein Butz zu sein.
- Mädchen dürfen bis jetzt nicht teilnehmen, obwohl wahrscheinlich Überlegungen aufgrund der geringen Bubenanzahl angestellt werden müssen.
- Die Buben müssen in Hinterstein wohnen. Hier wird eine Ausnahme für zugezogene Familien gemacht: Wenn die Buben der Dorfgemeinschaft angehören, dürfen sie auch mitmachen.
- Schulbuben: Butzegong dürfen nur die Buben im Schulalter, also von ca. 6 bis etwa 15 oder 16 Jahren. Kinder, die aufs Gymnasium gehen, hören auch in diesem Alter auf.
- Alle Butzen müssen im Herbst zuvor im Funkenholz gewesen sein, da jeder Butzenzug am Funkensonntag einen Funken baut. Hier wird natürlich um die Größe gewetteifert und welcher Holzturm am schönsten brennt.
Organisation des Butzegongs
Organisiert wird der Brauch von den Buben selbst und natürlich hauptsächlich vom Butzenmeister. Sie legen gemeinsam einen Termin fest, was bei den heutigen Hobbies und Aktivitäten der Kinder nicht immer einfach ist. Das festgelegte Datum wird nicht ausgeschrieben; es wird mündlich weitergegeben und so erfahren alle Bewohner rechtzeitig, wann die Butzen bei ihnen klingeln werden.Historische Genese, Verbreitung und Forschungsstand
Ursprung und Entwicklung des Butzegong
Der Brauch geht bis auf den 30jährigen Krieg (1618-1648) und die Franzosenzeit (1792-1815) zurück. Diese Einflüsse lassen sich auch deutlich an den Sprüchen erkennen. Die Rolle des Rumpe de bum, die 2014, möglicherweise auch wegen seiner Grausamkeit, nicht besetzt war, zeigt dies deutlich: Rumpe de bum bum, dr Kaiser gôht um, mit Händ und mit Fieß, mit fuirega Schpieß. Dr Schwed ischt kumme hôt alles gnômme, hôt Finschtre inggschlage, hôt s Blei üsgrabe, hôt Kugla drus gosse, hôt Büre verschosse, hôt dMeidle üfghenkt und Bieble vertränkt. Die Übersetzung für alle Nicht-Allgäuer: Rumpe de bum bum der Kaiser geht um. Mit Händen und Füßen mit feurigen Spießen. Die Schweden sind gekommen haben alles genommen. Haben Fenster eingeschlagen, das Blei ausgegraben. Haben Kugeln daraus gegossen und Bauern erschossen. Sie haben Mädchen erhängt und die Buben ertränkt. Die Schrecken des Krieges und die Auswirkungen auf die Bevölkerung werden hier deutlich sichtbar. Aber auch der Erhalt von Erinnerungen und Erfahrungen ist Teil eines Brauches und so ist es wichtig, dass auch die heutige Generation die Grausamkeit von Gewalt erkennt, um weitere schlimme Kriege zu verhindern. Sicher ist auch, dass das Butzegong seinen Ursprung als Bettelbrauch hat. Früher sind in der Fasnachtszeit die Kinder oft Mäschgerle gange. Sie haben sich also verkleidet und kleine Sprüche oder Aufführungen an den Häusern aufgeführt. Da die Freizeitmöglichkeiten in damaligen Zeiten sehr begrenzt waren, kam diese Abwechslung sowohl den Kindern als auch den Bewohnern sehr gelegen. Als Dank gab es etwas Geld oder einen Happen zu essen. Besonders in der armen Kriegszeit, in der es viel Not und Hunger gab, war so manche Familie um ein paar einfache Lebensmittel froh, die auf solche Weise den Weg in die hungrigen Mäuler der Kinder fanden. Natürlich macht auch die Modernisierung vor diesem Brauch nicht Halt. Da Hinterstein aber eine Gemeinde ist, die sehr auf den Erhalt alter Bräuche und Traditionen bedacht ist, sind die Veränderungen nur sehr gering. So sind die Sprüche seit Jahrzehnten unverändert, nur die vom Würschtle und vom Bearglarbüe sind nach dem 2. Weltkrieg dazugekommen. Selbstverständlich sind die Kostüme heute etwas moderner, aber der Grundcharakter ist unverändert. Die Fahne des Fähnder ist beispielsweise schon unzählige Male Butzen gegangen.Verbreitung
Hinterstein ist, wahrscheinlich auch durch seine Abgeschiedenheit bedingt, schon immer etwas Besonderes gewesen. Die Bewohner bleiben gerne für sich und früher gab es handfeste Rivalitäten zum einzigen direkt benachbarten Ortsteil Bad Oberdorf. Wenn auch diese Feindseligkeiten glücklicherweise durch die gemeinsame Schule in Bad Hindelang größtenteils niedergelegt wurden, besteht bis heute eine bestimmte Spannung, die unter anderem vom Stolz der jeweiligen Dörfer herrührt. So kommt es, dass sich das Butzegong nur in Hinterstein erhalten hat. Es wäre, früher wie heute, nicht denkbar, dass ein Bub aus einem anderen Dorf und schon gar nicht aus Bad Oberdorf an dem Brauch der Butze teilnimmt.Literatur
- Interview mit Beate Lipp
- Fasnacht ist Brauchtum in Bayern, Herausgeber: Regionalverband Bayerisch Schwäbische Fasnachtsvereine e.V., 1. Aufl., 2000
- Text Butz und Butzewible - ein Oberallgäuer Fasnachtsbrauch von Josef Ilmberger, Hinterstein (Allgäu), um 1900
Grüß Gott,
ich habe mit großem Interesse den
Artikel zum „Butzegong“ in Hinterstein gelesen.
Ich habe bei diesem Brauch selbst in den
60er Jahren 2x als „ Rößlar“ teilgenommen und
könnte zu diesem Spruch die Variante aus dieser
Zeit beisteuern, die sich an einigen Stellen vom
hier von Ihnen aufgeführten Spruch unterscheidet.
Herzliche Grüße
Armando Philipp Simon
In den 90ern war der Spruch des Rößlers auch noch anders. Ich würde mich sehr über die Variante aus den 60ern freuen. Danke dir!