Begrüßungsrituale

Einstiegsinformation

Tagtäglich wenden wir unterbewusst verschiedenste Arten von “’Begrüßungsritualen“‘ an. Im Folgenden soll der Gruß als eine weltweite Erscheinungsform der sozialen Welt im Sinne eines gesellschaftlichen Zeremoniells analysiert werden.

Das Wort „Grüßen“

Unser heutiges ‚Grüßen‘ entstammt dem Westgermanischen ‚grotjan‘ (“ zum Reden bringen, sprechen machen“), welches sich im Althochdeutschen zu ‚gruoʒen‘ („anreden, herausfordern“) entwickelte und schließlich im Mittelhochdeutschen zu ‚grüeʒen'( „anreden, jmd. ansprechen um zu grüßen“) wurde. Zunächst hatte das Wort ‚Grüßen‘ noch nicht den Sinn freundlichen Entgegenkommens, sondern bedeutete lediglich anreden, um jemanden ‚zum Reden zu bringen‘. Die Entwicklung führt also von einem neutralen Sinn zu einem positiven Sinn, in dem wir das Wort heute noch benutzen.

Die Funktion des Grüßens

In der Regel wird der Ursprung des Grüßens wie auch einzelner Grußgebärden aus dem friedlosen Zustand früherer Epochen hergeleitet : Um sich unnötige Konflikte zu ersparen, haben sich Begegnende einander durch Grußgebärden ihrer friedlichen Absicht versichert. Zu solchen Grußgebärden kann zum Beispiel das Reichen der rechten Hand gezählt werden; der Grüßende bestätigt dadurch sein Vertrauen in die Friedfertigkeit seines Gegenübers, indem er ihm seine waffenlose Rechte darbietet. Folglich ist die Eigenschaft, zu versöhnlichen Umgangsformen beizutragen, ein grundsätzliches Wesensmerkmal des Grußes. Aus soziologischer Sicht dient der Gruß auch als eine Art Eröffnungsakt menschlichen Kontakts, mit dem wir unser Einverständnis zu den übrigen gesellschaftlichen Konventionen geben und uns verpflichten unseren Umgang den geltenden zivilisatorischen Regeln anzupassen. Ferner erleichtert man durch das Grüßen sich und seinem Gegenüber die Kontaktsituation: durch einen wohlwollenden Gruß schaffen wir ein Stück Sicherheit; dementsprechend tragen die meisten gesprochenen Grußformeln positive Inhalte.

Der Gruß als Ehrbezeugung

In damaliger Zeit wurde durch verschiedene Grußgebärden auch die soziale Stellung der Begegnenden signalisiert, so waren viele Grußriten ursprünglich dafür gedacht, die Ergebenheit mit der zum Beispiel ein Diener seinem Lehnsherren gegenübertrat zu bekräftigen. Das Knien, Verneigen oder Niederfallen galt als ein Zeichen der Unterwerfung und Unterwürfigkeit, mit welchem man eine Person nach ihrem Wert und ihrer Würde in entsprechenden Grußformen ehrte. Durch ehrfurchtsvolle Verbeugungen näherten sich beispielsweise die Hofangestellten respektvoll dem König als ihrem Vorgesetzten. Bis in das 20. Jahrhundert hat sich die Verbeugung erhalten, etwa im „Diener“ den der kleine Junge vor Erwachsenen machen musste oder in der Verbeugung des Herrn beim Begrüßen einer Dame. Heutzutage wird die Verbeugung – wenn überhaupt – nur noch durch ein leichtes Neigen des Kopfes angedeutet. Der äußere Grußgestus, der einen Vorgesetzten, eine Frau oder auch einen Fremden ehren soll ist heute wohl eher im sich Erheben bei der Begrüßung zu finden. Das Knien und Niederfallen zur Ehrerbietung lässt sich heute nur noch im liturgischen Gebrauch finden. Eine symbolische Form des Grußes im religiösen Bereich war zum Beispiel noch lange Zeit der Fußkuss beim Papst als Ehrung des Stellvertreter Gottes. Der römische Kaiser Caligula soll angeblich der erste gewesen sein, der verlangt habe, dass seine Untertanen ihm den kaiserlichen Fuß küssen sollten, diese Geste ging in das römisch-byzantinische Hofzeremoniell über und wurde von dort in die Liturgie übernommen. Die Gebärden, die durch die Betonung der Standesunterschiede Hochachtung ausdrücken sollten, wurden mit entsprechenden sprachlichen Wendungen unterstützt. Im 15. und 16. Jahrhundert redete man z.B. Würdenträger im Plural und mit einem Titel an( ‚Euer Gnaden‘ ) und bis Anfang des 20. Jahrhunderts war es vielerorts üblich auch seine Eltern respektvoll zu siezen. Die noch heute bestehende Vielfalt der Grußformen liegt somit auch in der Differenziertheit der sozialen Verhältnisse untereinander begründet. Je nachdem ob uns jemand näher oder ferner steht, ob er unser Vorgesetzter ist oder relative Ranggleichheit besteht, versuchen wir also das richtige Register zu ziehen und ihm so zu begegnen, wie wir es für angemessen halten.

Der Gruß als gesellschaftlicher Faktor

Von Menschen, die in einem bestimmten Kulturkreis vereint sind und denen folglich auch gleiche oder ähnliche Verhaltensweisen zu eigen sind wird die Bereitschaft zur Einordnung gefordert. Das Befolgen der von der Gesellschaft vorgeschriebenen äußerlichen Regeln und festen Umgangsformen spielen im Zusammenleben der Menschen eine ordnende Rolle. Wer die festen Umgangsformen seiner Gesellschaft missachtet, läuft folglich Gefahr, sich dieser nicht nur zu entfremden sondern schlimmsten Falls von dieser nicht mehr als Teil derselben anerkannt zu werden. Der Gruß bei Begegnung und Abschied hat einen so stark verpflichtenden Charakter, dass meist sein Unterlassen oder auch sein nicht Abnehmen dort, wo man einen Gruß traditionellerweise erwarten darf, unter allen Umständen als eine Beleidigung gilt. Nicht zufällig wird der Ausschluss eines Menschen aus einem sozialen Beziehungsgefüge dadurch bekräftigt, dass man den Grußverkehr mit dem Ausgestoßenen abbricht. Hieraus lassen sich auch die verschiedenen Instrumentalisierungen des Grußes erklären. Grüßende bilden immer eine Gemeinschaft, eine sogenannte Grußgemeinschaft, deren Grußformeln sich auch dazu eignen, für religiöse, politische und andere Ziele bewusst eingesetzt zu werden. Radikal vollzogen ist die Instrumentalisierung des Grußes in den politischen Kampfgrüßen des 20. Jahrhunderts. Hier ist der eigentlich positive Sinn des Grußes auf politische Ziele und deren Verfechter beschränkt; für das Gegenüber ist er nicht mehr der Eröffnungsakt eines sozialen Kontaktes, sondern eine bewusste Kampfansage. Der Gruß kann als politische Parole so sehr verändert werden, dass er unter normalen Umständen nicht mehr verstanden werden kann, wie zum Beispiel die im ersten Weltkrieg entstandene Grußformel ‚Hiddekk‘ zeigt, die aus den Anfangsbuchstaben des Satzes „Hauptsache ist, dass die Engländer Keile kriegen“ ( Keile kriegen ist eine alte Redensart für verprügelt werden) zusammengesetzt wurde. In abgewandelter und friedlicher Form besteht diese Art des Grußes seit dem späten 19. Jahrhundert noch für die Anhänger verschiedener Sportarten oder Freizeitbeschäftigungen; solche besonderen Grußformeln sind zum Beispiel „Gut Holz“ für Kegler, „Petri Heil“ für Angler, „Gut Flug“ für Brieftaubenzüchter oder das bekannte „Weidmannsheil“ für Jäger. Aber auch in modernen Sportarten wie dem Surfen gibt es einen eigens geschaffenen „Surfergruß“ und beinahe jede jugendliche Clique („Gang“) bringt ihren eigenen Grußgestus hervor. Ein eigener Gruß, der wie eine Art Codewort fungiert bringt also ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der jeweiligen Gruppe mit sich. Durch seine genaue Kenntnis und Anwendung weisen sich die Grüßenden als Angehörige der Gruppe aus und sondern sich ferner von den anderen Menschen ab. Dass diese Art des Grußes jedoch nicht nur der meist als negativ empfundenen Abschottung dient, sondern durchaus praktische Gründe aufweisen kann, zeigen beispielsweise die in den Zeiten der Zünfte gebräuchlichen Handwerksgrüße. Trafen sich Handwerksgesellen unterwegs, konnten sie sich gegenseitig an ihrem Gruß erkennen; so grüßten zum Beispiel die Bäcker mit „ Hui, Schütz!“ oder auch „Löwenschütz!“, die Metzger mit „Katzof!“ oder „Ken!“ Auch war die Art der Begrüßung eine vorgeschriebene Formel mit der sich der wandernde Geselle den Angehörigen besonders den Altgesellen seiner Zunft bei seiner Ankunft in einem Ort vorstellte ; Der Gruß vertrat in Zeiten, als noch keine Wanderbücher ( eine Art erster Reisepass) gebräuchlich waren, den Ausweis des Fremden. Jedes Handwerk hatte seine eigene streng geheimgehaltene Begrüßungszeremonie, die in Liedform, in Form von Anrede oder Zwiegespräch getätigt wurde. Wollte der Geselle in die Zunftherberge eintreten, so musste er, falls die Türe offenstand, diese erst schließen, dann klopfen, hineingehen und seinen Gruß sprechen. Angeblich musste er sogar, wenn niemand zugegen war Tische und Bänke mit den festgelegten Formen ansprechen. Oftmals bestand die Zeremonie nicht nur aus dem richtigen Gruß, den ein Geselle zu tätigen hatte, sondern auch aus einer Art Frage-Antwort Spiel von Seiten der ansässigen Zünftler. Konnte der Fremde auf alle Fragen die richtigen Antworten entgegnen, wurde der wandernde Geselle in die Gemeinschaft aufgenommen.

Grußgebärden

Bevor wir zum verbalen Gruß ansetzen, demonstrieren wir das bereits mit unserer Körpersprache durch Mimik, Gestik oder auch den bloßen Blickkontakt. Neben den verbalen Grußformeln sind es also vor allem die gestischen und mimischen Möglichkeiten einen Gruß auszudrücken, welche wir, sofern wir und unser Gegenüber eine ähnliche kulturelle Prägung haben, zu deuten wissen und die uns eine erste Einschätzung des Grußpartners ermöglichen. Im Gegenzug wird der Grüßende seine Begrüßung (verbal oder non-verbal) in den allermeisten Fällen nicht spontan gestalten, sondern wird auf eine den Umständen entsprechende und ihm angemessen erscheinende Form aus seinem erlernten Begrüßungsrepertoire zurückgreifen.

Der Handgruß

Der Handgruß bzw. Handschlag oder Händedruck hat eine lange Tradition, er kann als Wiedersehensfreude, als Besiegelung eines Vertrags oder als Abschiedsgruß gelten. Wie eingangs bereits erwähnt, entstand der Handschlag wohl aus einer uralten Sitte, bei welcher durch das Darreichen der unbewaffneten, ungeschützten rechten Hand dem Gegenüber die Zusicherung der Friedfertigkeit gegeben werden sollte. Bezeugt ist der Händedruck als Grußform schon seit dem griechischen und römischen Altertum ( Grabreliefs, Münzen etc.). Dort wurde er jedoch den Überlieferungen nach als eine speziellere Geste angesehen als im heutigen Mitteleuropa, so blieb er auf besondere Situationen wie der Wiederkehr aus dem Kriege beschränkt. In Quellen des frühen und hohen Mittelalters ist das Darreichen der rechten Hand zwar oft bezeugt, aber immer im Sinne einer rechtsgültigen Gebärde ( Auch heute wird der Ausdruck des Handschlags im Rechtsleben benutzt). Die Entwicklung des Händedrucks bzw. Handschlags von der Rechts- zur Grußgebärde wurde möglicherweise dadurch erleichtert, dass er als rechtswirksame Gebärde dank der vordringenden Schriftlichkeit seit dem hohen Mittelalter mehr und mehr durch das Unterschreiben eines Vertrages abgelöst wurde. Jedoch wird auch heute noch ein unterschriebener Vertrag mit dem Handschlag besiegelt. >In der Abschiedsgrußhandlung gilt der Handschlag als eine Bekräftigung des sozialen Bündnisses zwischen den beiden Grußpartnern, auch wenn jene keine enge soziale Bindung haben. Eine diesbezüglich noch lebendige Tradition in Deutschland besteht beispielsweise bei den evangelischen Gottesdiensten. Der Pfarrer durchquert nach dem Gottesdienst den Kirchenraum und reicht am Hauptportal jedem der Kirchengemeinde die Hand zum Abschied. Als Geste der Begrüßung ist der Handgruß in vielen Kulturen verbreitet als Ausdruck von Verbundenheit. In Teilen des Irak gibt man sich wie bei einem uns bekannten Händedruck gegenseitig die Rechte, der Zeigefinger bleibt dabei jedoch ausgestreckt und berührt die Pulsader am Unterarm des Partners. Dann ziehen Beide ihre Hände langsam zurück, so dass die Innenseiten aneinander gleiten und sich nur noch die Fingerspitzen berühren. Abschließend hakt man die Fingernägel der rechten Zeigefinger ein, so dass bei der Trennung ein leichtes Klacken zu hören ist. Einen anderen Fingergruß kann man in Japan beobachten, er entwickelte sich dort jedoch aus der Notwendigkeit der Übernahme des Handschlags durch das Agieren mit der internationalen Geschäftswelt. Bedingt durch das feuchtwarme Klima und dem daraus resultierendem Schwitzen der Hände werden dort nur die Fingerspitzen berührt, statt die Handflächen ineinander zu legen. In China hingegen gilt insbesondere im Geschäftsleben, vor allem aus der überwiegenden Kooperation mit westlichen Firmen der kräftige Händedruck als westliches Statussymbol und Grußgeste. Ursprünglich wurde gerade in subtropischen Ländern der Körperkontakt aus hygienischen Gründen versucht zu vermeiden, so gilt in Asien die Verbeugung in Verbindung mit dem Klatschen der Hände als alltägliche Begrüßungsform; durch die Anpassung an westliche Konventionen zwecks besserer Handelsbeziehungen vollzog sich jedoch zwingender Maßen auch ein Wandel des Grußverhaltens. Mit den weltwirtschaftlichen Verbindungen vor allem durch westliche Kulturen wurde der Handgruß exportiert, er gilt als „westlich“, „schick“ und „weltgewandt“ und ist in der internationalen Geschäftswelt mehr oder weniger obligatorisch. Der bloße Handgruß unter Freunden, in der Familie und in enger sozialer Verbindung hingegen, scheint bei Begrüßung oder Abschied als zu unverbindlich. Zumindest in der europäischen Kultur wird dabei immer eine Kombination aus Handgruß und Umarmung oder einer anderen alternativen Grußform gewählt.

Umarmung zum Gruß

Die Umarmung entspricht dem Ausdruck einer inneren Verbundenheit, sie ist Zeichen der Sympathie und gilt oftmals auch als Aufnahme in einen bestimmten sozialen Kreis. Sie ist somit Erkennungszeichen einer Gruppenzugehörigkeit, sowohl in der Familie als auch unter Freunden. Die Umarmung als Grußgeste innerhalb einer Clique deutet zum Beispiel auf eine soziale Verbundenheit mit den anderen Gruppenmitgliedern hin. Sich zu Umarmen ist immer auch geprägt von dem emotionalen Bedürfnis nach Schutz; im sich gegenseitigen Festhalten entspricht die Geste auch jener, die bei Situationen der Gefahr und des Schutzsuchens eingenommen wird. Obwohl die lockere Umarmung mit anschließenden Wangenküsschen uns als alltägliche Grußgeste in Frankreich erscheint, steht sie auch dort einer engeren Umarmung mit Freunden, Intimpartnern oder der Familie gegenüber. Umarmen ist also auch hier nicht gleich Umarmen. In Deutschland hingegen, wo der körpernahe Gruß zwischen Fremden eher selten ist, wird eine Umarmung – welcher Art auch immer – sofort als vorwiegend typische Grußgeste zwischen engen Freunden, Familie und Intimpartnern bezeichnet. Besonders Grußgesten mit engem Körperkontakt stehen in ihrer Beurteilung in Abhängigkeit zur kulturellen Prägung. In Japan beispielsweise ist eine Umarmung unter Erwachsenen verpönt. In vielen Kulturen, in denen der Körperkontakt, insbesondere zwischen den Geschlechtern tabuisiert oder stark eingeschränkt ist, lässt sich der gehemmte Umgang bei der Begrüßung durch physische Gesten seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen finden. In Deutschland gilt die Umarmung als Grußgeste zwar als mögliche Ausdrucksform einer speziellen Verbundenheit und Herzlichkeit, wird allerdings im gleichgeschlechtlichen Bereich häufiger von Frauen als Grußform angenommen. Auch wenn Männer der jüngeren Generation unter Freunden immer häufiger diese Grußform wählen, ist die Umarmung unter Männern in der Öffentlichkeit ein eher seltener Anblick. Dies mag sich wohl darauf zurückführen lassen, dass in der Gesellschaft immer noch Vorurteile bezüglich der Homosexualität bestehen und somit ein gleichgeschlechtlicher Körperkontakt, gerade unter Männern als unangenehm empfunden wird.

Der Kussgruß

Bereits in der Bibel findet sich die Grußgeste des Kusses wieder, allerdings mit einem negativen Hintergrund, als nämlich Judas mit seinem Kuss Christus an die von den Hohepriestern ausgesandte Truppe verrät. Bis heute hat sich der Begriff des Judaskuss erhalten und bezeichnet einen geheuchelten Kuss oder eine andere derartige Geste hinter der sich nicht Freundschaft sondern Feindschaft oder eine böse Absicht verbirgt. Dass gerade der Kuss und nicht nur eine bloße Umarmung zum Sinnbild des Verrats wurde zeigt, dass besonders der Kuss als Ausdrucksmittel der tiefsten Verbundenheit dient. Zu finden ist er als Grussform in nahezu allen Kulturen vor allem zwischen Mutter und Kind ( bzw. innerhalb der Familie) oder auch je nach kulturellem Umfeld zwischen Intimpartnern. Die soziale Bedeutung des heute im europäischen Raum üblichen Kussgrußes auf die Wange vermutet man im Bruderkuss des Mittelalters. Die Umarmung und der Kuss durch den König galten als Symbol der Aufnahme in den Ritterorden. Er verfolgt heute den gleichen Zweck wie der frühere Bruderkuss, er ist Symbol der gegenseitigen Verbundenheit zwischen den Grußpartnern und Ausdruck des Gefühls der Eingebundenheit in eine Familie bzw. Gemeinschaft. Nicht in allen Kulturen jedoch hat der Kuss als Grußgeste eine Bedeutung, eine Alternative dazu stellt in einigen Kulturen das Nasenreiben oder auch des ’sich beschnüffeln‘ ( sog. Schnupperkuss) dar. Die Herkunft dieser Grußgesten ist allerdings nicht eindeutig belegbar. Beispiele des Schnupperkusses finden sich im asiatischen Grußverhalten. Beim malaiischen „cium“ oder auch beim „hom gäm“ in Thailand wird eine Seite der Nase leicht an die Wange des Gegenüber gehalten und geschnuppert bzw. mehrmals in kurzen Abständen ein und ausgeatmet.

Der Handkuss

Der Mann neigt sich über die von ihm leicht angehobene Hand der Frau und nähert mit einer kleinen Verbeugung seine Lippen dem Handrücken, ohne diesen jedoch zu berühren. Der Handkuss war früher nur verheirateten Frauen bzw. Frauen, die einen sogenannten höheren gesellschaftlichen Stand besaßen vorenthalten. Für die meisten Europäer gilt diese recht konservative Grußgeste heute jedoch als Relikt alter Zeiten und wird – wenn überhaupt – als übertrieben scherzhafte Begrüßung verwendet. Gegenüber besonderen Würdenträgern wie beispielsweise katholischen Bischöfen werden Handküsse jedoch noch immer getätigt, allerdings wird dabei nicht die Hand sondern der Ring geküsst und auch in anderen Kulturen findet sich der Handkuss noch als Ehrengeste, die ein Jüngerer einem Älteren ( z.B.: der Enkel dem Großvater) entgegenbringt. Zum Teil hat sich der Kussgruß auch dahin entwickelt, dass bei der Umarmung das tatsächliche Küssen unterblieb, stattdessen aber verbalisiert wurde. So wurde und wird vor allem in Österreich noch oftmals gleichzeitig auch „Bussi Bussi“ oder „Küss die Hand“ ausgerufen, auch wenn die Geste nicht mehr unbedingt praktiziert wird.

Verbale Grußformen

Ein Nomen oder Verb,welches die Grußhandlung benennt, lässt sich in einigen Sprachen auch im Grußwort selbst wiedererkennen. So leitet sich zum Beispiel das Grußwort „grüzi“ aus der Schweiz direkt vom Mittelhochdeutschen ‚grüeʒen‘ ab. Das russische Grußwort „Priwét“ ( i.S. von „Hallo“ „Grüß dich“) bedeutet in der wörtlichen Übersetzung „Gruß“. Auch das alltägliche Grußwort „Chào“ im Vietnamnesischen bedeutet wörtlich übersetzt Grüßen und wird im Sinne von „Guten Tag“ angewandt. Auch die Existenz der eigenen Person, die zum Gruß ansetzt, kann in der verbalen Grußform Ausdruck finden, so meint der Alltagsgruß der Swahili sprechenden Volksgruppen in Afrika „Jambo“ in seiner ursprünglichen Bedeutung „ Ich lebe, also kann ich sprechen“.

Tagzeitgrüße

Der Wunsch nach einer guten tageszeitlichen Phase wie beispielsweise beim deutschsprachigen „Guten Morgen/Tag/Abend“, findet sich auch in anderssprachigen Grußwörtern. Im Russischen heißt der Morgengruß „Dóbroje utro“. In Japan würde man am Nachmittag mit dem Tagesgruß „Konnichiwa“ grüßen, während in Italien schon ab 15 Uhr „Buona sera“ („Guten Abend“) als übliches Grußwort gilt. Die Kurzformen der Grußwörter werden im Gegensatz zu ihrer Vollform in den Kulturen unterschiedlich interpretiert. Während es in China durchaus möglich ist auch in formellen Angelegenheiten statt „Zăo ān“ („Guten Morgen“) nur „Zăo“ zu sagen, würde in Deutschland der Grüßende, welcher statt „Guten Morgen“ nur „ ‚Morgen“ sagt, Gefahr laufen, als Morgenmuffel oder sogar als unhöflich missverstanden zu werden. Im Japanischen unterscheidet man sogar im Morgengrußverhalten, ob die Grußhandlung unter Bekannten oder Freunden, innerhalb der Familie oder unter Fremden stattfindet. „Ohayō“ gilt demnach als freundschaftlicher, „Ohayō gozaimasu“ als höflich formeller Gruß am Morgen. Bei zunehmender Vertrautheit zwischen den Grußpartnern kommt die Sprache also mit immer geringeren Mitteln aus. Auffällig ist auch, dass bei den Tagzeitgrüßen – zumindest der Deutschen – der zu Grüßende selten persönlich angeredet wird. Im Mittelhochdeutschen hingegen enthielten die Grußformeln durchgehend das persönliche Fürwort: „ got gebe dir guoten tac“. Wenn in der Entwicklung die angeführte Formel zu guten Tag verkürzt wurde, so heißt das, dass der weniger betonte Teil der Formel – in diesem Fall das persönliche Fürwort und Gott gebe – weggefallen ist; dies ist möglicherweise der Grund, weshalb solche Formeln oftmals als sehr formell und unpersönlich wirken. Als besondere zeitliche Komponente findet man in zahlreichen Kulturen und Sprachen auch die Thematisierung der Essenszeit. Die elementare Handlung der Nahrungsaufnahme findet sich in vielen verbalen Grußwendungen wieder. In Vietnam würde man um die Mittagszeit den Gruß „Chúc anngon!“ (wörtl. „Ich grüße dich/Sie zum guten Appetit!) verwenden und auch in der deutschen Sprache gibt es einen speziellen Gruß zur Essenszeit. Ursprünglich wurde das Wort „Mahlzeit!“ nur zu beginn der Mahlzeit wie „Guten Appetit!“ verwendet, inzwischen ist es aber insbesondere in Büros aber auch an anderen Arbeitsplätzen ein alltäglicher Gruß zur Mittagszeit geworden.

Grußformeln mit religiösem Hintergrund

Viele Grußformen waren im Deutschen mit dem Wort „Gott“ verbunden. Die im oberdeutschen Sprachraum gebräuchliche Grußwendung „Griaß di God“ wurde zum verkürzten „Grüß Gott“, welche jedoch keinen Imperativ, sondern einen Wunsch im Konjunktiv Präsens im Sinne von „Es grüße dich Gott“ ausdrücken sollten. Dabei handelt es sich um die ursprünglichen „auf Gott vertrauenden“ Grußformeln, wie es auch die im bairischen Dialekt gebräuchliche Grußform „Pfüatdigod“ („Behüte dich Gott“) beinhaltet. Das englischsprachige „Good bye“ ist ebenfalls eine Verkürzung der Phrase „ God be with you“. In Pakistan verwendet man im Sinne von „Guten Tag“ die arabische Grußformel „salam-alaikum“ („Friede sei mit euch“); in Afghanistan, im Iran oder oder auch in islamischen Gesellschaften in Afrika begnügt man sich dagegen eher mit dem verkürzten „Salam“ als alltäglichen Gruß. Das indische Grußwort „Namasté“ stammt aus dem Altindischen und bedeutet „Erde Dir“ im Sinne von „Erde zu Dir“. Der Wortstamm „namas“ („Verbeugung“) weist auf die mit dem Grußwort stattfindende Grußgeste hin, bei welcher sich der Grüßende leicht verbeugt und die Hände nach oben richtend faltet. Körper- und Handhaltung entsprechen der religiösen Geste des buddhistischen Gebets, welche sich auch in den von der indischen Kultur geprägten südostasiatischen Ländern wiederfindet.

Hallo

Die Ursprünge des heutigen Ruf- und Grußwortes „Hallo“ werden im althochdeutschen Verb ‚halon, holon‘ („rufen, holen“) vermutet. Auch das althochdeutsche Rufwort „Holla!“, mit dem Hunde herbeigerufen oder Pferde angetrieben wurden, weist auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes hin. Vor allem durch die zunehmende Verbreitung des Englischen entwickelte sich „Hallo!“ bzw. das sprachverwandte „Hello!“ als internationales Rufwort zur Kontaktaufnahme (besonders am Telefon). Sprachräume: USA, GB, Commenwealth: Hello! Frankophone Länder: Allô! Deutschsprachiger Raum, Niederlande: Hallo! Russland, Polen (am Telefon): Allo! arabischsprachige Länder (am Telefon): Alu! Vietnamesisch (am Telefon): Alô!

Eine Abkürzung vom englischsprachigen „Hello!“ oder „How are you?“ ist das Grußwort „Hi!“ (im Finnischen und Schwedischen „Hej“). Die Verwendung dessen wird jedoch gegenüber älteren Grußpartnern und auf einer höheren Stilebene als unangebracht angesehen. In Deutschland gilt das Grußwort „Hallo“ in der Regel als eine unverbindliche Grußform, welche jedoch durch das Klangbild persönlich gestaltet werden kann.

Servus – Ciao

Diener bzw. Sklave ist dem Sinn nach die Bedeutung des lateinischen Wortes servus. Heute findet man diesen Gruß insbesondere im Süddeutschen Raum, in welchem „Servus“ sowohl als Begrüßung als auch beim Abschied verwendet werden kann. Anders verhält es sich mit dem Grußwort Ciao (nicht zu verwechseln mit dem aus dem norddeutschen „Adjüs“ entstandene „Tschüß“), welches sich aus dem venezianischen Gruß „Sciao“, einer Kurzform von „Sono vostro schiavo!“ („Ich bin ihr Diener“) entwickelte und im Italienischen als Begrüßungs- und Abschiedswort gilt. Durch den zunehmenden Italien-Tourismus der 60er und 70er Jahre fand es bald in Süddeutschland Verwendung, ist dort jedoch, anders als in Italien, als bloßer Abschiedsgruß zwischen miteinander bekannten Grußpartnern üblich. Der Gebrauch ein und desselben Grußwortes zu Beginn und Ende der Begegnung findet sich auch in anderen Kulturen wieder. „ Ayubowan“ (Leb‘ wohl) gilt im Singhalesischen sowohl zur Begrüßung als auch zum Abschied. Das deutsche Grußwort „Guten Tag“ ist ebenfalls ein Beispiel für die Anwendung sowohl für die Begrüßung als auch den Abschied, allerdings gilt es als Abschiedswort heute veraltet und kann sogar als Beleidigung empfunden werden, da es dazu verwendet werden kann, die Begegnung bzw. das Gespräch unhöflich und bestimmt zu beenden.

Literatur

  • Butt, Ilsegret: Studien zu Wesen und Form des Grusses, insbesondere des magischen Grusses. Würzburg 1968.
  • Knuf,Joachim/ Schmitz, H. Walter: Ritualisierte Kommunikation und Sozialstruktur (IKP-Forschungsberichte, Bd. 72). Hamburg 1980.
  • Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. 38. Aufl. Stuttgart 1992.
  • Otterstedt, Carola: Abschied im Alltag. Grußformen und Abschiedsgestaltung im interkulturellen Vergleich. München 1993.
  • Schürmann, Thomas: Tisch- und Grußsitten im Zivilisationsprozeß. Münster 1994.