Assyrische Hochzeit

Einstiegsinformation

Assyrische Hochzeiten sind traditionell an eine Reihe von Ritualen vor der Trauung gekoppelt und werden teils noch in der Diaspora praktiziert. Dazu gehören nicht nur spezielle Abläufe mit Braut und Bräutigam, sondern auch eine Vielzahl von Spielen.

Ablauf

Hochzeitsdauer

Eine traditionelle assyrische Hochzeit kann bis zu sieben Tage dauern. Dabei sind verschiedene Handlungsabläufe an die einzelnen Tage gebunden, wobei die Hochzeitsfeier selbst erst am letzten Tag (vorzugsweise ein Sonntag) stattfindet. Bei modernen assyrischen Hochzeiten in den Heimatregionen dauert die Hochzeit nur noch zwei bis drei Tage, bei Hochzeiten in der Diaspora meist nur noch einen bis zwei Tage. Voraus geht der Hochzeit eine Verlobungsfeier.

Verlobung

Bei der Verlobung des zukünftigen Brautpaares sind die Familien von Braut und Bräutigam bereits involviert. Die Eltern des Bräutigams schicken dabei einen kurzen Brief an das Haus der Braut mit dem Hinweis, an einem bestimmten Tag für die Verlobung zu Besuch zu kommen. Gleichzeitig werden die Eltern der Braut für einen Gegenbesuch in das Haus des Bräutigams eingeladen. Beim ersten Treffen im Haus der Braut wird zusätzlich der örtliche Geistliche eingeladen und präsentiert dann den Hochzeitsring der zukünftigen Braut. Dort wird dann auch das Anliegen des Bräutigams geäußert und die Braut steckt sich den Ring an, um ihr Einverständnis zu geben.

Danach werden vom Geistlichen das Vaterunser sowie andere Gebete gesprochen. Die zukünftigen Eheleute halten dabei ihre Hände und werden vom Priester nach der Einwilligung für die Hochzeit gefragt. Auch der Brautvater wird nach seinem Einverständnis gefragt. Im Anschluss finden dann Verhandlungen bezüglich der Mitgift statt, welche zum Schluss schriftlich von den Beteiligten beurkundet werden.

Beteiligte und Geschenke

An den Hochzeiten sind anders als Deutschland oftmals komplette Familien- und Dorfverbände beteiligt. Die Anzahl der Hochzeitsgäste kann somit mehrere hundert Personen betragen, welche mit kleineren Geschenken Braut und Bräutigam aufwarten. Solche Geschenke können sowohl materieller Art (z.B. Süßigkeiten, Tonkrüge, etc.) sowie finanzieller Art (Geldgeschenke) sein. Eine Besonderheit stellt der Brauch dar, dass die Eltern der Braut separat Geschenke an den Bräutigam geben und die Eltern des Bräutigams Geschenke an die Braut.

Vorbereitungen vor der Hochzeitsfeier

Es gibt in der Woche vor der Hochzeit mehrere Rituale für Braut und Bräutigam, die die zukünftigen Eheleute auf die Hochzeitsfeier vorbereiten sollen. Dazu gehören das Anfertigen einer Decke für die Flitterwochen, eine rituelle Waschung des Bräutigams, das Empfangen der Braut durch den Bräutigam beim Haus ihrer Eltern, das Segnen durch einen Priester und für die Brautleute das Henna-Ritual und ein Polterabend.

Das Nähen der Decke für die Flitterwochen:‘

In der Woche vor der Hochzeit treffen sich alle weiblichen Angehörigen der Braut (Familie, Nachbarschaft) im Haus der Braut um gemeinsam eine große Decke für die Flitterwochen zu nähen. Dabei soll von jeder Teilnehmerin ein kleiner Teil der Decke genäht werden indem nacheinander mit derselben Nadel an der Decke genäht wird. Während des Nähens werden Essen und Süßigkeiten gereicht, da das Anfertigen der Decke viel Zeit in Anspruch nimmt. Das Nähen der Decke ist ein sehr traditionelles Ritual, dass vor allem von Assyrern im Nahen Osten praktiziert wird.

Die Waschung des Bräutigams:

Dieser Brauch ist auf aramäisch auch als “khyapta d’khitna“ oder “zyapta d’khitna “bekannt und betrifft ausschließlich den Bräutigam vor der Hochzeitsfeier. Dabei wird dieser rituell gewaschen um für die Hochzeit „rein“ (spirituell) zu sein. Es treffen sich hierfür alle männlichen Angehörigen des Bräutigams (Familie, Nachbarschaft) in dessen Haus um ihm dort seine Haare zu schneiden und zu rasieren. Danach wird er von seinen Verwandten gewaschen, wobei bei kleinen Kindern (als Bräutigam) dieser erst vorher von seiner Mutter und seinen Tanten gebadet wird.

Die Abholung der Braut:

Das Abholen der Braut aus dem Haus ihrer Eltern wird auch “m’Pulata d’Chalo “genannt. Es symbolisiert den Übergang der Braut aus dem Haus ihrer Eltern in das Haus ihres Bräutigams. Die Familie des Bräutigams besucht die Familie der Braut um sie zur Kirche abzuholen. Dabei werden traditionelle Instrumente gespielt und Musik gesungen, zu welcher getanzt wird. Bevor dann die Braut das Haus verlässt empfängt ein enger familiärer Angehöriger von einem Angehörigen der Bräutigamseite (oftmals der Vater oder der Bruder) einen bestimmten Geldbetrag als Mitgift. Danach machen sich beide Familien auf zur Kirche.

Die Segnung der Brautleute:

Das Segen von Braut und Bräutigam durch einen Priester in der Kirche wird als “burakha “bezeichnet. Dieses “burakha “dauert in der traditionellen Ausübung ungefähr vier Stunden, wobei in modernen Hochzeiten diese Zeitspanne auf eine Stunde verkürzt wurde. Die Handlungsabläufe dieser Segnung unterscheiden sich dabei von Region zu Region. Beispielsweise wird der Bräutigam bei einer Hochzeit im Dorf Baz (in der südöstlichen Türkei) mit einer Nadel gestochen um alle bösen Geister abzuwehren, während im Dorf Tyari mit Scheren Lärm gemacht wird um Geister abzuwehren. Am Ende der Segnung kommen die Brautleute gemeinsam aus der Kirche, während traditionelle Musik gespielt wird und Reis, Süßigkeiten und Münzen auf die Brautleute herabgeworfen werden. Im Anschluss werden typisch assyrische Tänze aufgeführt.

Das Henna-Ritual:

Beispiel einer Hennabemalung.

Henna ist ein Farbmaterial das aus Pflanzen gewonnen wird und zur Körperbemalung eingesetzt wird. Für die Hochzeit treffen sich in der Nacht davor alle weiblichen Angehörigen des Brautpaares zusammen mit den Hochzeitsleuten im Haus der Braut und füllen eine Schüssel mit Henna. Dann tauchen die Brautleute jeweils einen Fingen in die Schüssel mit Henna und werden dabei mit einem Band von den anwesenden Frauen verbunden.

Hochzeitsspiele

Bei Hochzeiten werden teilweise Spiele vor größerer Gesellschaft aufgeführt. Dazu gehören beispielsweise das Spiel Msalle und Girgeshene.

Teilnehmer beim Spiel Msalle.

Msalle:

Bei dem Spiel Msalle können zwei beteiligte, männliche Personen teilnehmen. Oftmals üben diesen Brauch Jugendliche aus, um als belustigtes Spiel bei Hochzeiten zu wirken. Ähnlich dem Huckepack wird eine Person von der anderen Person getragen, allerdings mit verbundenen Armen und Füßen. Der oft unwissende, getragene, Mitspieler bekommt dann vom Träger mehrfach mit einer Nadel leichte Stiche in sein Hinterteil, was zu großem Gelächter bei der Hochzeitsgesellschaft führt. Das „Opfer“ muss jetzt versuchen sich zu befreien, was oft darin endet, dass beide Beteiligten am Boden liegen.

Girgeshene:

Ein weiteres Spiel auf assyrischen Hochzeiten ist Girgeshene. Hierbei sind mehrere Personen, vor allem Kinder, beteiligt. Bei den Hochzeitsfeierlichkeiten werfen die Hochzeitsgäste mit Süßigkeiten und Münzen – anstatt mit Reis – auf die Eheleute. Dann stürzen sich die Kinder auf diese Beute und versuchen möglichst viele Süßigkeiten und Münzen zu finden.

Gewährspersonen

Mitglieder des Mesopotamienvereins Augsburg e.V.