Steckenpferdreiten in Münster-Osnabrück

Termin

Steckenpferde als "Reittiere".
Dieser Brauch findet alljährlich am 25. Oktober statt.

Einstiegsinformation

Das Steckenpferd reiten findet jährlich ein einem Tag um den 25.Oktober in der Innenstadt von Osnabrück statt. Den Ursprung hat es anlässlich der Friedensschließung nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), dem sogenannten Westfälischen Frieden. Durch die Friedensschließung in Osnabrück wird die Stadt auch häufig als Friedensstadt bezeichnet. Die Idee des Steckenpferdreitens wurde aus Nürnberg übernommen. Demnach ritten Jungen aus Nürnberg auf Steckenpferden zu dem Fürsten Piccolomi, welcher der Beauftragte des deutschen Kaisers Ferdinand III. war. Ihre Absicht war es einerseits, an den noch recht jungen Frieden zu erinnern und andererseits, eine Art Andenken an den Frieden zu erbitten. Daraufhin ließ der Fürst einen viereckigen Gedächtnispfennig entwerfen, den er in großer Zahl herstellen ließ. Diese waren größtenteils aus Silber, einige von ihnen wurden jedoch aus Gold hergestellt. Der Name dieser Pfennige ist Steckenreiter-Klippe. Auf einer Seite dieser Steckenreiter-Klippen wurden als Motiv die Bittsteller, die sogenannten Steckenpferdreiter ausgewählt und geprägt. Diese Münzen wurden unter der gesamten Bevölkerung und auch an die Steckenpferdreiter übergeben. Heutzutage bekommen die Kinder beim Steckenpferdreiten statt eines Gedächtnispfennigs eine süße Brezel vom Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück überreicht. Die süße Brezel soll anstelle des Pfennigs an den geschlossenen Frieden erinnern. In den Anfangsjahren ab 1948 durften nur Jungen mitreiten. Inzwischen dürfen nun alle Mädchen und Jungen teilnehmen, die in der vierten Klasse sind und ein eigenes Steckenpferd besitzen, ob selbst gebastelt oder gekauft. Das Steckenpferdreiten wird zwar in der gesamten Osnabrücker Innenstadt gefeiert, allerdings ist es im Gegensatz zu dem Hohen Augsburger Friedenstag kein gesetzlicher Feiertag, weswegen also kein Geschäft wegen diesem Festtag schließen muss. Das Steckenpferdreiten ist in Osnabrück ein alter und beliebter Brauch. Durch den persönlichen Bezug der Einheimischen ist dieses Fest ein beliebtes Spektakel für viele ehemalige Reiter, die sich noch einmal in ihre Kindheit zurückversetzen wollen. Obwohl es kein gesetzlicher Feiertag in Osnabrück ist, strömen jedes Jahr eine Vielzahl an begeisterten Zuschauern in die Osnabrücker Innenstadt, um dieses Ereignis anzuschauen.

Ablauf

Vorbereitungen

Der Großteil der Planung und Vorbereitung wird von der zuständigen Lehrkraft übernommen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Vorbereitungen des Steckenpferdreitens schon recht früh in der Schule beginnen. Es werden in vielen verschiedenen Fächern bestimmte Thematiken durchgenommen und besprochen. In Deutsch und auch in Geschichte bespricht die Lehrkraft mit den Schülern den Dreißigjährigen Krieg. Die Themen können von den Ursachen, den Verlauf und schließlich dem Kriegsende, über die Pest angeschnitten werden. Außerdem wird der Westfälische Frieden sowie je nach Region andere wichtige Ereignisse, welche zu dieser Zeit stattfanden besprochen. In Musik wird das Lied zum Osnabrücker Steckenpferdreiten eingeübt und in Kunst werden die Hüte, sowie oft sogar das Steckenpferd gebastelt. Außerdem besprechen die Lehrer mit den Kindern den genauen Ablauf des Reitens, sodass es zu möglichst reibungsfreien Ablauf kommt.

Am Tag des Steckenpferdreitens

Der Tag beginnt für die Kinder und Lehrer der Osnabrücker 4.Klasse ganz normal. Sollte der Tag Werktags sein, gehen sie ganz normal in die Schule, während in der Innenstadt alles hergerichtet wird. Zu den Aufgaben in der Stadt gehören zum Beispiel das Absperren des geplanten Weges, den die Friedensreiter nehmen sollen, sowie die Lieferung von über 1000 süßen Brezeln, die am Ende des Umzugs persönlich vom Oberbürgermeister verteilt werden sollen. Zudem wird der Neumarkt - ein Teil der Osnabrücker Innenstadt - für Autos abgesperrt. Um 17 Uhr treffen sich die Schüler mit den Lehrern und den Eltern, welche als Aufsichtsperson dienen, an der Johanneskirche in der Osnabrücker Innenstadt. Dort werden sie vom amtierenden Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück begrüßt. Im Anschluss singen alle Kinder in Begleitung eines Orchesters sowie des Oberbürgermeisters das Lied der Steckenpferdreiter. Danach, um ca. 17:15 beginnt der Umzug zum Osnabrücker Rathaus, welcher traditionell von einem Fanfarenstoß eingeleitet wird. Dort angekommen, wird noch einmal gemeinsam das Lied der Steckenpferdreiter gesungen. Zudem teilt im Anschluss der Osnabrücker Oberbürgermeister an jedes Kind, als Symbol für den Frieden eine süße Brezel aus. Außerdem stehen zur Unterhaltung der Kinder schon mehrere Highlights bereit, wie zum Beispiel ein Feuerschlucker. Ab und zu findet auch eine spannende Lasershow statt. Um 19 Uhr wird dieVeranstaltung mit einem großen Feuerwerk beendet.

Essen

Gedächtnispfennig.
Traditionell wird auf der Rathaustreppe an jedes Kind eine süße Brezel verteilt. Sie besteht aus einem süßen Teig, der unter anderem mit Milch Eiern und Zucker hergestellt wird. Anstelle des Salzes wird die Brezel mit Grobkörnigem Zucker bestreut. Die Brezel symbolisiert die sogenannten Gedächtnispfennige. Diese viereckigen Taler lies der Fürst von Nürnberg verteilen, nachdem einige Jungen auf ihren Steckenpferden zu ihm ritten und um ein Andenken an die Friedenschließung baten. Die Gedächtnispfennige waren viereckig und auf einer Seite wurden die jungen Steckenpferdreiter geprägt.

Varianten

Der Westfälische Friede, sowie allgemein der Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg, wird nicht nur in Osnabrück gefeiert, auch in Augsburg findet jährlich das sogenannte Augsburger Hohe Friedensfest statt. Es ist ein gesetzlicher Feiertag, der jedes Jahr am 08.August stattfindet. An diesem Tag wird das Ende der Unterdrückung der Protestanten in Augsburg nach dem Dreißigjährigen Krieg gefeiert. Zudem ist es ein Gedenktag an den Augsburger Religionsfrieden. Der Augsburger Relgionsfrieden wurde im Jahr 1555 beschlossen und wirkte sich nachhaltig auf die Stellung der Protestanten aus. Der Religionsfriede sicherte nämlich den Protestanten die gleichen Rechte zu (zum Beispiel die freie Ausübung des Glaubens inklusive der Planung und Gestaltung des Gottesdienstes), wie sie auch die Katholiken besaßen. Die Stadt Augsburg bietet den Bürgerinnen und Bürgern zwar am 8. August die sogenannte Friedenstafel an, bei der jeder etwas zu Essen mitbringen kann, allerdings wird das Friedensfest über einen größeren Zeitraum gefeiert, um den Friedensgedanken in den Mitbürgern tief zu verankern. Außerdem wird alle drei Jahre eine Person zum Preisträger des Hohen Augsburger Friedensfestes ernannt. Diese Person ist durch besondere Bemühung für ein friedliches und tolerantes Miteinander aufgefallen. Ein weiteres Fest ist der Göppinger Maientag. Auch dieser Feiertag wird als Andenken an den Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg gefeiert. Der Maientag findet traditionell jedes Jahr an einem Freitag statt und wird mit dem sogenannten Maientagsansingen eröffnet. Der darauffolgende Samstagmorgen beginnt mit Dankesgotetsdiensten, die in Kirchen, aber auch teilweise in Schule stattfinden.Danach folgt ein großer Festtagsumzug, welcher von einer Kapelle begleitet wird. Was als Dankesfest für die Friedensschließung zwei Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) begann, ist inzwischen zu einem über mehrere Tage andauernden Stadtfest geworden.

Lied der Steckenpferdreiter

Wir Reiter ziehn durch Osnabrück und singen für den Frieden. Wir Reiter ziehn durch Osnabrück, das ist ein starkes Stück! Wir rufen laut und reiten schnell so wie es uns gefällt. Wir Reiter ziehn durch Osnabrück, das ist ein starkes Stück! Es gibt so viele Menschen hier, die alle so verschieden sind, doch das bringt und nicht aus dem Tritt, wir sind und garnicht fremd! Ich bin grün, Du bist gelb, sie ist rot, er ist blau, denn bunt ist unsre Welt. Wir Reiter ziehn durch Osnabrück, das ist ein starkes Stück! Ich mag das Blau, Du liebst das Gelb, sie ist vernarrt in Violett, und schön ist, wenn wir viele sind, dann sind wir kunterbunt! Ich bin grün, Du bist gelb, sie ist rot, er ist blau, denn bunt ist unsre Welt. Wir Reiter ziehn durch Osnabrück, das ist ein starkes Stück! Wir Reiter ziehn durch Osnabrück und singen für den Frieden. Wir Reiter ziehn durch Osnabrück, das ist ein starkes Stück! Wir rufen laut und reiten schnell so wie es uns gefällt. Wir Reiter ziehn durch Osnabrück, das ist ein starkes Stück!

Gedicht über die Steckenpferdreiter

Ein Dichter aus der damaligen Zeit hat diesen Steckenpferdritt in Nürnberg so beschrieben:
Die Pferde, die geputzt, ganz ungefüßet stehen, die Reiter reiten fort und doch zu Fuße gehen; nun wie der Reiter ist, so ist des Reiters Pferd, denn solcher Reitersmann ist solches Pferdes wert. Der Reiter ist ein Kind, das Pferd ein langer Stecken; Das soll ein Rappe sein

Interview

Frau Bockmann ist in Osnabrück im Stadtteil Weststadt 1960 geboren und aufgewachsen. Im Alter von 10 Jahren durfte sie mit ihrer Klasse beim alljährlichen Steckenpferdreiten mitmachen. Erst mit mitte 20 ist sie aus Osnabrück weggezogen, fühlt sich mit ihrer ehemaligen Heimatstadt jedoch immer noch sehr verbunden. Heute reist sie immer noch häufig nach Osnabrück zu ihren dort noch lebenden Familienangehörigen. Ihre Neffen und Nichten haben ebenfalls schon teilweise an diesem Spektakel teilgenommen und sind ebenso begeistert, wie es Frau Bockmann damals war und es heute auch noch ist. Frau Bockmann, sind Sie in Ihrer Jugend selbst einmal mit einem Steckenpferd mitgeritten oder waren Sie nur als ZuschauerIn beteiligt? Ja, das war im Jahr 1970. Am Anfang durften ja, wenn mich nicht alles täuscht, nur Jungs mitmachen, aber das war 70 schon lange nicht mehr so. Später habe ich dann oft mit meinen Eltern zugeschaut, sofern sie Zeit hatten. War Ihnen damals schon bewusst warum das Fest stattfindet? Ja natürlich. Meine Lehrer haben ganze Arbeit geleistet und den Dreißigjährigen Krieg, sowie die Reformation von vorne bis hinten mit uns durchgenommen. Ebenfalls war mir schon bewusst, dass der Brauch eigentlich aus Nürnberg stammte. Also war das Steckenpferdreiten keine eigene Idee der Osnabrücker Bevölkerung? Doch auf eine gewisse Weise schon. Der Geschichte nach ritten ein paar Jahre nach der Schließung des Westfälischen Friedens einige Jungen auf ihren Steckenpferden zu dem Fürsten der Stadt Nürnberg und baten ihn, ihnen eine Art Andenken an den Frieden zu schenken, sodass man ihn nie vergisst. Man muss sich einmal vorstellen, dass diese Jungen in einem Jahr geboren wurden, in dem der Krieg schon lange wütete. Sie sind quasi mit dem Krieg aufgewachsen, weshalb es nur verständlich ist, dass sie große Angst vor einem neuen Krieg hatten. Der Fürst ließ daraufhin Friedensmünzen prägen, auf denen auf einer Seite Steckenpferdreiter eingeprägt waren. Diese verteilte er an die Bevölkerung und unter anderem auch an die Reiter, die inzwischen auch Friedensreiter genannt werden. Waren Sie nach Ihrer Kindheit noch einmal in Osnabrück beim Steckenpferd reiten? In Osnabrück war ich schon noch sehr oft, allerdings habe ich leider nie die Zeit gefunden, zum Steckenpferd reiten zu gehen. Meine Geschwister leben allerdings noch in Osnabrück, also bekomme ich immer die neusten Fotos vorgesetzt, wenn ein Neffe oder eine Nichte mitgeritten ist. Aber Sie haben das Fest so positiv in Erinnerung, dass Sie gerne noch einmal live dabei sein würden? Ja natürlich. Da nur Viertklässler mitreiten durften, war die Vorfreude natürlich riesig. Endlich mal das machen dürfen, was vorher nur die älteren Kinder, die in der vierten Klasse waren, machen durften. Wie lief die Vorbereitung denn genau ab? Nun, das hat jede Familie unterschiedlich gemacht. Bei einigen war es nichts besonderes, bei anderen wurde es beinahe zelebriert. Meine Eltern haben schon versucht den Tag für uns sehr schön zu gestalten. Viele Kinder haben sich damals ein eigenes Steckenpferd gebastelt, meine Geschwister und ich wollten allerdings immer das gekaufte nehmen, weil es einfach besser aussah. Mein Vater ist dann ein paar Tage vor meinem Steckenpferd reiten mit mir und meinem Pferd in den Keller gegangen und wir haben dort versucht das - von meiner großen Schwester geerbte - Pferd so gut wie möglich zu frisieren, damit es möglichst neu aussah, man wollte sich ja auch von der besten Seite präsentieren. In der Schule wurden noch bunte Hüte gebastelt. Mittags gab es dann immer sehr gutes Essen, wenn einer von uns mitreiten durfte, und auch die ein oder andere Süßigkeit mehr als sonst. Aber einen geregelten Ablauf hatten wir nie. So viele Kinder kann man ja auch fast gar nicht bekommen um eine Art Ritual zu gründen. Und wie sah der Ablauf dann in der Stadt aus? Die Schulklassen treffen sich in der Osnabrücker Innenstadt und anschließend reiten alle zusammen zum Rathaus. Auf dem Weg singen die Kinder das Lied zum Osnabrücker Steckenpferd reiten. Am Rathaus angekommen gibt es dann die Begrüßung vom Oberbürgermeister und traditionell eine süße Brezel. Süße Brezeln? Ja, sie sollen ein Andenken an den Frieden und die Friedensreiter sein. Der Geschichte nach Gab oder gibt es auch etwas, das Sie verändern oder ganz weglassen würden? Spontan fällt mir da nichts ein. Ich finde und fand das Steckenpferd reiten eine super Idee und hoffe, dass sich dieser Brauch noch länger am Leben hält. Schade fand ich damals eigentlich nur, dass ausschließlich 4-Klässler teilnehmen dürfen.

Weblinks

Karte und Video