Rauhnacht Waldkirchen

Termin

Rauhnachtsgeister vor dem Modehaus Garhammer.
Dieser Brauch findet alljährlich am 05. Januar statt.

Einstiegsinformation

Die Waldkirchner Rauhnacht findet jedes Jahr am 5. Januar in der Stadt Waldkirchen im niederbayerischen Landkreis Freyung-Grafenau statt. Am Abend versammelt sich eine Horde Rauhnachtsgeister auf dem Marktplatz, um dort durch ihre gruselige Erscheinung und mit viel Lärm das Böse zu vertreiben und um "Rauhnudln" zu erheischen. Tatkräftig unterstützt werden sie dabei von Glöcklern, Hexen, Böllerschützen und Geißelschnalzern. Blasmusik und der Verkauf von Glühwein und Rauhnudln bilden das Rahmenprogramm. Neben ihrer touristischen Funktion als größte Veranstaltung in Waldkirchen dient die Rauhnacht auch einem guten Zweck. Ein Teil der Erlöse wird gespendet.

Ablauf

Die empirische Dokumentation des hier beschriebenen Brauchs fand am Samstag, dem 5. Januar 2013 statt. In Waldkirchen war es an diesem Tag neblig, die Temperaturen lagen um die +5°C. Zu Beginn der Veranstaltung um 18.00 Uhr war es bereits dunkel. Ab etwa 20.00 Uhr setzte leichter Nieselregen ein. Die Wetterverhältnisse unterstrichen die gruselige Stimmung der Veranstaltung. Da die Rauhnacht 2013 auf einen Samstag und damit auf den Bettenwechsel in vielen Hotels fiel, wurden weniger Touristen als üblich erwartet. Durch die milden Temperaturen und das Ausbleiben von Regen rechneten die Veranstalter jedoch mit mehr Zuschauern aus der Region.

Die Vorbereitungen

Skizze von dem Marktplatz.
Mitte November 2012 trafen sich die Waldkirchner Rauhnachtler erstmalig, um die bevorstehende Rauhnacht zu planen. Die hauptverantwortlichen Organisatoren sind Eugen Knollmüller und Christoph Blöchl. Am 3. Januar 2013 wurde die Strohpuppe vorbereitet, die in der Rauhnacht an einem Galgen aufgehängt und sinnbildlich für das Böse verbrannt werden soll. Am 5. Januar um 09.00 Uhr wurden auf dem Marktplatz drei Verkaufsbuden aufgestellt. Gegen 17.00 Uhr sperrten Arbeiter vor dem Gasthof Lamperstorfer einen kreisförmigen Bereich von etwa 50m² ab. In diesem Kreis wurden ein kleines Podest, vier Schwedenfeuer und ein hölzerner Wäscheständer samt Laken und Kleidern aufgebaut.

Die Waldkirchner Rauhnacht am 5. Januar 2013

Gegen 17.30 Uhr treffen die ersten Rauhnachtler, Hexen und Wolferer im Baronkeller ein. Dieses Kellerlokal gehört zum Gasthof Lamperstorfer und befindet sich im so genannten Baronhof, der direkt an den Waldkirchner Marktplatz grenzt. Das Kellergewölbe ist mit Stroh und Rauhnachtsmasken aus Pappmaschee dekoriert. Die Strohpuppe, die später verbrannt werden soll, hängt an der Decke. Bis auch die letzten Beteiligten eingetroffen sind, unterhalten sich die Rauhnachtler, trinken Bier oder bestellen etwas zu Essen. Mehrere Male stimmen sie den Refrain von Katja Ebsteins „Wunder gibt es immer wieder“ oder ihren Trinkspruch an. Um 18.00 Uhr beginnt die Bergwacht Waldkirchen-Hauzenberg mit dem Verkauf von Glühwein, Kinderpunsch und Rauhnudln. Die Zuschauer versammeln sich nach und nach an der Absperrung. Ab 18.15 Uhr spielen die Saussbach-Sinfoniker im abgesperrten Kreis. Die vier älteren Herren spielen auf der Klarinette, dem Akkordeon, dem Baritonhorn und der Trompete. Gegen 18.30 Uhr kommen ein paar der Rauhnachtsgeister aus dem Baronkeller auf dem Marktplatz und streifen durch die wartenden Zuschauer. Dabei streichen sie mit Heugabeln oder Pferdeschwänzen über deren Körper oder lassen sich mit ihnen fotografieren.
Treffpunkt der Besucher im Baronkeller.
Zehn Minuten später betritt Moderator Christoph Blöchl den abgesperrten Bereich. Über Mikrophon und Lautsprecher heißt er die Zuschauer Willkommen und erzählt vom historischen Hintergrund der Waldkirchner Rauhnacht. In den Rauhnächten gebe es viele Dinge, die man nicht tun dürfe, berichtet er. Eines davon sei das Aufhängen von Wäsche, denn dadurch werde der Tod heraufbeschworen. Diesen Aberglauben stellen die Pflanzenberger Hexen im anschließenden Rauhnachtsspiel dar. Gegen 18.45 Uhr zeigen sich zunächst mehrere dunkle Gestalten, Geister und der Sensenmann. Sie schleichen um den Wäscheständer und drehen sich wild im Kreis. Daraufhin erscheinen um 18.50 Uhr die Pflanzenberger Hexen mit Besen und alten Bügeleisen, aus denen Weihrauch qualmt. Begleitet werden sie von Rauhnachtsgeistern. Gemeinsam machen sie Jagd auf den Tod und sein Gefolge. Schließlich gelingt ihnen die Vertreibung. Während des gesamten Geschehens leuchten rote und grüne bengalische Feuer. Als die Hexen und guten Geister um kurz vor 19.00 Uhr den Kreis wieder verlassen, streifen sie mit ihren Besen, Heugabeln und Pferdeschwänzen die an der Absperrung stehenden Kinder. Anschließend tritt der Moderator wieder in den Kreis und erklärt den Zuschauern die Aufgaben und die Bedeutung der Rauhnacht. So wolle man zwar einerseits das Böse vertreiben, es gehe aber auch um die Aufrechterhaltung einer alten Tradition und um eine soziale Verantwortung. Um 19.05 Uhr treten die Saussbach-Sinfoniker erneut auf. Diesmal spielen sie jedoch zu fünft ein Stück auf Alphörnern. Währenddessen bauen Helfer den Wäscheständer ab. Zwei Minuten später erklärt der Moderator das Wolfsauslassen und leitet auf die Gruppe der Unterhöhenstettner Wolferer über. Da sich diese jedoch verspäten, spielen die Alphornbläser noch zwei weitere Stücke. Gleichzeitig werden die Schwedenfeuer entzündet.
Trinksprüche zur Rauhnacht.
Gruppe kurz vor dem Heischen.
Um 19.23 Uhr spielen erneut die Alphornbläser. Anschließend werden um 19.26 Uhr die Ahornöder Goaßlschnoitzer anmoderiert. Diese treten zu viert auf, wobei aber immer nur zwei gleichzeitig ihre Geißeln schnalzen lassen. Sie wechseln sich insgesamt viermal ab. Gegen 19.10 Uhr hallt dann doch noch der Klang von großen Blechglocken der Unterhöhenstettner Wolferer über den Marktplatz. Um 19.18 Uhr ziehen schließlich 29 Glöckler in den abgesperrten Bereich ein. Ihr Anführer gibt mit einem fast entasteten Tannenzweig den Takt vor, in dem die Wolferer ihre Glocken zum Klingen bringen. Im Kreis bilden sie zwei, sich gegenüberstehende Reihen. Mehrere Male erhöhen und verlangsamen sie das Tempo, in dem sie die Glocken schlagen. Dann zieht der Anführer durch das Spalier. Die Glöckler folgen ihm nach und nach, lösen das Spalier somit auf und verlassen den Kreis wieder in Zweierreihen. Mit tosendem Lärm kehren sie in den Baronkeller zurück. Ab 19.33 Uhr stellt der Moderator die Hauptfiguren der Waldkirchner Rauhnacht vor, den Bluadigen Thamerl, den Seelvogel und die Howagoaß. Die Figuren präsentieren sich währenddessen den Zuschauern. Anschließend erklärt der Moderator, warum die Rauhnacht ein Heischebrauch ist und welche Rolle dabei die Rauhnudl, ein mit roter Marmelade gefülltes Schmalzgebäck, spielt. Währenddessen ertönt immer wieder wildes Getrommel und Glockenschlagen. Um 19.47 Uhr treten erneut zwei Geißelschnalzer auf.
Hexen jagen Geister.
Gegen 19.50 Uhr tragen mehrere Rauhnachtsgeister einen Galgen und die Strohpuppe in den Kreis, bauen den Galgen auf und hängen die Puppe daran. Weiterhin sind die Trommeln und Glocken zu hören. Nun schnalzen wieder zwei Männer mit ihren Geißeln. Zwischen 19.52 Uhr und 20.00 Uhr geschieht nichts. Dann feuern Böllerschützen mehrerer Salven ab und geben damit das Zeichen für den Beginn der Wilden Jagd. Aus dem von roten bengalischen Feuern beleuchteten Eingang zum Baronhof strömen die Rauhnachtsgeister begleitet von den Wolferern und den Hexen in den abgesperrten Bereich. Einige Geister streifen durch die Menge der Zuschauer, streichen das Böse von ihnen, lassen sich mit Kindern fotografieren oder treiben Schabernack. Im abgesperrten Bereich haben sich die Wolferer mittlerweile im Kreis aufgestellt. Nur als das Rauhnudllied gesungen wird, schweigen ihre Glocken. Nachdem das Lied gesungen wurde, stecken Mitglieder der Familie Renner den Geistern Rauhnudln auf Heugabeln und Hörner. Diese gehen daraufhin zu den Zuschauern an der Absperrung und lassen sich vor allem von den Kindern die erheischten Gaben herunterziehen. Um 20.13 Uhr ziehen die Geister, Hexen und Wolferer aus dem Kreis. Von diesem Zeitpunkt an gibt es keine Begrenzung zwischen Akteuren und Zuschauern mehr. Dem Zug voran gehen zwei junge Männer, die ein kleines Wägelchen ziehen, auf dem ein grünes bengalisches Feuer brennt. Die Glocken der Wolferer und die Trommeln einiger Geister begleiten ihn lärmend. Vor dem Spielzeugladen Pollner heischen die Geister gegen 20.15 Uhr um Rauhnudln und Schnaps. Dazu singen Sie das Rauhnudllied und sagen den Trinkspruch auf, mit dem Sie sich bereits im Baronkeller eingeschworen haben. Der Schnaps wird anschließend getrunken, die Rauhnudln wie vorher verteilt. Dann ziehen Rauhnachtler und Zuschauer vor einer gewaltigen Lärmkulisse weiter zum oberen Ende des Marktplatzes. Während des Zuges vermischen sich die beiden Gruppen immer weiter miteinander. In der Nähe des Modehauses Garhammer wird um 20.30 Uhr erneut mit dem Rauhnudllied um Rauhnudln geheischt. Die Familie Huber, Inhaber des Modehauses, kommt dem Bitten nach. Die Rauhnudln werden anschließend wieder an die umstehenden Zuschauer verteilt. An den verschiedenen Heischestationen variiert der Text des Rauhnudllieds leicht. So wird z.B. der Name der Familien, von der man gerade Gaben fordert, eingebaut.
Rauhnachtslied.
Dann führt der Weg einige Meter den Marktplatz hinunter zur Metzgerei Göschl. Dort wird um 20.36 Uhr zum vierten Mal gesungen. Als Lohn erhalten die Geister Knackwürste. Danach ziehen die Geister, Hexen und Wolferer zurück zum abgesperrten Bereich vor dem Gasthof Lamperstorfer. Um 20.45 Uhr zeigt sich der Bluadige Thamerl, der Anführer der Rauhnachtsgeister, kurz auf dem Dach des Gasthofes Lamperstorfer. Neben ihm zündet ein kleines Sprühfeuerwerk. Dann verschwindet er wieder. Im abgesperrten Bereich wird daraufhin die Strohpuppe entzündet. Gegen 20.50 Uhr kommt der Bluadige Thamerl in den Kreis zurück, stellt sich auf ein kleines Podest und hält eine Rede, in der er mit der lokalen und nationalen Politik abrechnet und alles Negative des alten Jahres sinnbildlich ins Feuer wirft. Daraufhin verlassen die Geister, Hexen und Wolferer den abgesperrten Bereich und kehren in den Baronkeller zurück. Um kurz nach 21.00 Uhr tritt ein letztes Mal ein Geißelschnalzer auf und beendet den offiziellen Teil der Rauhnacht. Danach verlassen die Zuschauer den Platz und viele von ihnen kehren in die Wirtshäuser am Marktplatz ein.

Die Nachbereitungen

Nachdem Geister, Hexen und Wolferer in den Baronkeller zurückgekehrt sind, ziehen Sie zunächst einmal einen Teil ihrer Kostüme aus und nehmen Platz. Dann wird ihnen Lungensuppe serviert und sie stoßen auf die gelungene Rauhnacht an. Dabei wird auch immer wieder der Trinkspruch gerufen oder „Wunder gibt es immer wieder“ angestimmt. Bis in die frühen Morgenstunden wird im Baronkeller gefeiert. Bereits kurz nach Ende des offiziellen Teils bauen Arbeiter die Absperrungen ab. Die Verkaufsbuden werden gegen 21.30 Uhr abtransportiert. Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf von Glühwein und Rauhnudln, sowie von den Fahrten zu diversen Hotels in und um Waldkirchen wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit an eine bedürftige Waldkirchner Familie übergeben.

Akteure

Der Moderator

Der Moderator der Waldkirchner Rauhnacht tritt zwischen den einzelnen Auftritten der diversen Akteure im abgesperrten Bereich auf. Er informiert die Zuschauer über die nachfolgenden Programmpunkte, die Bedeutung und die Geschichte der Rauhnacht in Waldkirchen und stellt einzelne Figuren genauer vor. Der Moderator trägt ein Kostüm aus verschiedenen Fellen und einen Stab, der ebenfalls mit Fellen umwickelt ist und an dessen Spitze ein Fuchskopf festgemacht ist. Auf dem Kopf trägt er einen Hut, sodass sein Gesicht erkennbar ist. Für den Umzug tauscht er diesen in eine Maske und wird so zu einem der Rauhnachtsgeister. Christoph Blöchl, der 2013 erstmals diese Aufgabe übernahm, wurde von seinem Vorgänger ausgewählt. Für ihn bedeutet die Rolle vor allem eine große Verantwortung, die er aber aus Verbundenheit zu seiner Heimat Waldkirchen und deren Rauhnachtstradition gerne übernimmt.

Die Rauhnachtsgeister

Der Bluadige Thamerl
Der Bluadige Thamerl.
Der „Bluadige Thamerl“ stellt als Anführer der Rauhnachtsgeister die Hauptfigur der Waldkirchner Rauhnacht dar. Seine Hauptaufgabe ist die Verbannung des Bösen. Die Gestalt stellt das vor allem im Bayerischen Wald bekannte männliche Pendant zur der weiter verbreiteten Figur der Percht da, wobei sich ihre Funktionen stark ähneln. Beide treten als Anführer der Wilden Jagd, Kinderschreck und dennoch auch in gewisser Weise als Wohltäter auf. Nachdem der Bluadige Thamerl vom Moderator im abgesperrten Bereich vorgestellt wurde, suchen ihn die Rauhnachtsgeister beim anschließenden Umzug. Auf dem Dach des Gasthof Lamperstorfer taucht er dann mit einem Feuerwerk wieder auf. Seine humoristische Rede, die er auf einem Podest im abgesperrten Bereich hält, stellt den Höhepunkt, sowie den Abschluss der Waldkirchner Rauhnacht dar. Dabei prangert er die negativen Geschehnisse des vergangenen Jahres und gesellschaftliche Missstände auf lokaler und nationaler Ebene an und wirft sie sinnbildlich ins Feuer. 2013 verbrannte er die Panik um Weltuntergang, lokale Skandale, den ungerechtfertigten Hype um Prominente und schließlich auch die Aufstellung der deutschen Nationalmannschaft im Halbfinale bei der Europameisterschaft. Der Bluadige Thamerl trägt eine schwere Holzmaske mit großen Augen und einer stark ausgeprägten Nase, wobei die Mundpartie jedoch fehlt. Das Gesicht ist fahl und blutüberströmt. Die Haare sind aus rötlichem, verfilzten Fell. Unter dem Haaransatz ist ein großes, ausgefranstes, rotes Tuch befestigt, das ihm über Schultern und Rücken fällt. Um den Hals trägt er eine lange Kette, an der die Tierknochen befestigt sind. Sein heller Mantel ist mit den Fellen diverser Waldtiere, wie z.B. dem eines Fuchses samt Kopf und Extremitäten besetzt. In der Hand hält er einen blutüberströmten, keulenartigen Knochen. Die Figur wurde bis jetzt, wohl auch aufgrund des hohen Gewichts der Maske, immer von einem Mann gespielt. Dem gegenwärtigen Thamerldarsteller wurde die Rolle vor allem aufgrund seiner rhetorischen Fähigkeiten und seinem Bewusstsein für die damit verbundene Verantwortung übertragen. Der Seelvogel
Der Seelvogel.
Der „Seelvogel“, oder auch „Bavogel“ genannt, ist eine weitere Figur der Waldkirchner Rauhnacht deren Aufgabe es sei die Seelen der Toten in den Himmel zu tragen. Die Figur weißt Ähnlichkeiten zu den z.B. aus Rauris oder Bad Gastein bekannten Schnabelperchten auf. Der Waldkirchner Seelvogel ist keine Maske im herkömmlichen Sinn. Der Maskenträger hält ein langes Gestänge in den Händen, an dessen Spitze sich ein kleiner, runder Holzkopf mit großen Augen und einem langen Schnabel befindet. Diesen kann der Maskenträger über das Gestänge bewegen und damit ein Klappergeräusch erzeugen. Am Hinterkopf dient ein Pferdeschwanz als Haar, seitlich sind lange, weiße Schnüre befestigt. Der Hals des Seelvogels ist mit weißem und grauem Fell besetzt. Über Rücken und Flanken fällt ein bunt gemustertes Tuch, an dem weiße und braune Vogelfedern befestigt sind. Dies soll die Flügel darstellen. Auf Brusthöhe befindet sich durchsichtiger schwarzer Stoff, der dem Maskenträger das Sehen ermöglicht. Der gesamte untere Teil des Seelvogels ist mit grünem Stoff bedeckt, der auf Höhe des Bauches mit weißen und braunen Federn verziert ist. Die Maske wurde von einem der drei Waldkirchner Maskenschnitzer gefertigt, der den Seelvogel bis 2012 darstellte. Für seinen Nachfolger stellte es eine große Ehre dar, die Rolle übernehmen zu dürfen. Die Howagoaß Eine weitere Interessante Figur der Waldkirchner Rauhnacht ist die „Howa-“ oder „Habergoaß“, die einer Ziege nachempfunden ist. Da ihr Erscheinungsbild weniger furchteinflößend als das anderer Figuren ist, besteht ihre Aufgabe darin, auf die Kinder im Publikum zuzugehen und das Böse von Ihnen zu streichen. In Waldkirchen gibt es zwei Theorien bezüglich dieser Figur. Einerseits stehe das Wort „Howa“ für das hochdeutsche „Hafer“. Die Howagoaß sei demzufolge eine Ziege, die nach der Ernte die auf dem Feld verbliebenen Haferähren gefressen habe. Andererseits sei der „Haber“ der Ziegenbock und die Habergoaß somit ein Zwitterwesen. In Waldkirchen wird die Howagoaß seit Jahren von ein und derselben Maskenträgerin dargestellt. Ihre Holzmaske hat die Form eines Ziegenschädels und ist mir Fell überzogen. Am Unterkiefer ist ein Ziegenbart angebracht. An der Maske sind zudem zwei kleine Hörner und längliche Ohren befestigt. Vom Hinterkopf fällt ein Ziegenfell bis über den Rücken. Das Kostüm besteht aus einem dunklen Fellanzug, um dessen Taille eine Kordel gebunden ist. Die Füße sind mit weißem Fell bedeckt. Die Wilde Jagd
Die Wilde Jagd.
Neben dem Bluadigen Thamerl, dem Seelvogel und der Howagoaß gehören noch etwa vierzig weitere Maskenträger der Wilden Jagd an. Zu diesen zählen Teufel, Schratzen, Hexen, Druden und Waldtiere. Zu den Aufgaben der Wilden Jagd gehören das Heischen und das Verteilen der Rauhnudln an die Zuschauer, vor allem an die Kinder. Sie rufen immer wieder lautstark nach dem Bluadigen Thamerl. Während des Umzugs über den Marktplatz erzeugen sie mit ihren Glocken und Trommeln einen ungeheuren Lärm. Später verbrennen sie die Strohpuppe am Galgen und unterstützen die Rede ihres Anführers. Außerdem streichen sie immer wieder das Böse von den Körpern der Zuschauer. Ihre Masken und Kostüme sind jeweils individuell gestaltet. Bei sich tragen sie Heugabeln und Zepter, die mit Fell, Knochen oder auch Glöckchen besetzt sind. Einige haben sich Glocken um die Hüften geschnallt, andere tragen große Trommeln mit sich herum. Vorzugsweise bestehen die Kostüme aus sieben verschiedenen Fellen. Diese Zusammensetzung aus sieben Sorten eines Materials soll es möglich machen, das Böse zu erkennen. Bei den Kostümen der jüngsten Generation kann es jedoch auch vorkommen, dass aus ethischen Gründen Kunstpelz verwendet wird. Diejenigen, die das erste Mal an der Rauhnacht teilnehmen, dürfen sich selbst aussuchen, welche der Rollen sie übernehmen möchten. Männer wie Frauen können Teufel, Hexen, Schratzen und Co darstellen. Die jüngsten Rauhnachtsgeister sind 16 Jahre alt. Die Unterhöhenstettner Wolferer
Die Unterhöhenstettner Wolferer.
Die 29 Wolferer sorgen bei der Rauhnacht in Waldkirchen mir ihren Glocken für reichlich Lärm. So sollen Sie, in der Tradition des Wolfauslassens, den Wolf sinnbildlich für das Böse vertreiben. Im abgesperrten Bereich treten sie zunächst alleine, später zusammen mit den Rauhnachtsgeistern auf. Diese begleiten sie auch geräuschvoll beim Umzug über den Marktplatz. Die Rede des Bluadigen Thamerl untermalen sie ebenfalls mit dem Schlagen ihrer Blechglocken. Alle Wolferer tragen karierte Baumfällerhemden, darüber eine Weste aus Schafsfell und einen Hut, in dessen Band ein kleiner Tannenzweig steckt. Bis auf den Anführer haben alle Wolferer Blechglocken in unterschiedlichen Größen um die Taille umgeschnallt. Der Leiter trägt einen teilweise entasteten Tannenzweig bei sich, mit dem er den Takt vorgibt, in dem die restlichen Wolferer ihre Glocken auf ihre Schenkel schlagen und damit Lärm erzeugen. Die Unterhöhenstettner Wolferer gehören fest zu den Waldkirchner Rauhnachtlern. Die Gruppe besteht aus Männern und Frauen unterschiedlichen Alters. 2013 war der jüngste Wolferer gerade einmal 5 Jahre alt. Die Pflanzenberger Hexen
Die Pflanzenberger Hexen.
In Waldkirchen führen sie 2013 ein Rauhnachtsspiel auf, in dem sie den Aberglaube, man dürfe in der Rauhnacht keine Laken zum Trocknen aufhängen, weil sonst der Tod ins Haus komme, auf. Im Spiel vertreiben die Hexen mit Besen und den mit Weihrauch gefüllten Bügeleisen die bösen Geister und den Sensenmann, die von zum Trocknen aufgehängter Wäsche angelockt worden sind. Während des Umzugs über den Marktplatz, gehen die Hexen zu den Zuschauern und streichen mit den Händen oder den Besen über ihre Körper, um das Böse zu vertreiben. Die fünfzehn Hexen, allesamt Frauen zwischen 20 und 50 Jahren, tragen alle das gleiche Kostüm: dunkle Schuhe, einen dunkelgrünen, gemusterten, langen Rock, ein schwarzes Cape, eine Hexenmaske aus Pappmaschee und ein schwarzes Kopftuch, unter dem die langen Haare einer Perücke hervorschauen. Die Haarfarbe variiert. Ein paar der Hexen haben sich noch zusätzlich einen Fuchspelz inklusive Kopf als Stola um die Schultern gelegt. Jede von ihnen trägt einen Reisigbesen bei sich. Die Pflanzenberger Hexen gründeten sich 2001 in Auerbach, in der Nähe von Böhmzwiesel und treten seitdem auf diversen Veranstaltungen auf. Zur Waldkirchner Rauhnacht werden sie seit 2005 jährlich eingeladen. Die Ladenbesitzer Bei der Waldkirchner Rauhnacht verteilen insgesamt vier Familien Gaben an die Rauhnachtsgeister. Die Familien sind alle Inhaber von Geschäften, die direkt am Marktplatz liegen. So heischen die Geister bei der Familie Renner, die einen Optikerladen führt, um Rauhnudln; bei den Pollners, die einen Spielzeugladen besitzen, um Schnaps; bei der Familie Huber, den Inhabern des Modehauses Garhammer, erneut um Rauhnudln; die Familie Göschl spendete Knackwürste aus der eigenen Metzgerei. Die Gaben zahlen diese Familien alle aus eigener Tasche.  Die Böllerschützen Aufgabe der Böllerschützen ist es, den Beginn der Wilden Jagd, d.h. den Beginn des Umzugs über den Marktplatz, anzukündigen. Dazu feuern sie um Punkt 20.00 Uhr mit ihren Handböllern mehrere Schüsse ab. Die Gruppe besteht aus etwa zehn Männern und Frauen. Die Böllerschützen tragen allesamt die gleiche Tracht: ein weißes Trachtenhemd, darüber einen Trachtenjanker, Lederhosen, grobes Schuhwerk und einen dunklen Filzhut mit hellem Hutband, der teilweise mit Anstecknadeln versehen ist. Jeder hat zudem eine Schusstasche aus Leder bei sich, an der seitlich Holzhämmer befestigt sind. Die Saussbach-Sinfoniker Die Saussbach-Sinfoniker leiten 2013 die Waldkirchner Rauhnacht ein. Zunächst spielen vier Musiker auf der Klarinette, dem Akkordeon, dem Baritonhorn und der Trompete. Später treten fünf Musiker mit Alphörnern auf. Ihre Auftritte finden im abgesperrten Bereich statt und dienen vor allem der Überbrückung. Alle Musiker tragen dem Wetter entsprechende Alltagskleidung. Die Goaßlschnoitzer aus Ahornöd Der Auftritt der Geißelschnalzer aus Ahornöd dient einerseits dazu, die Stimmung anzuheizen, andererseits auch der Überbrückung. 2013 sind es vier Schnalzer, die ihre Peitschen knallen lassen. Dabei schnalzen immer nur zwei von ihnen und sie wechselten sich mehrfach ab. Zum Ausklang der Rauhnacht schnalzt schließlich noch einmal einer der Geißelschnalzer. Alle vier Geißelschnalzer tragen dem Wetter entsprechende Alltagskleidung. Die Bergwacht Waldkirchen-Hauzenberg Die Bergwacht verkauft an drei Verkaufsbuden Rauhnudln, Glühwein und Kinderpunsch. Der Erlös wird mit den Rauhnachtlern geteilt. Die Verkäufer sind durch ihre Jacken klar als Mitglieder der Bergwacht zu erkennen. Zur Kooperation zwischen Bergwacht und Rauhnachtlern kam es, da der Initiator der modernen Waldkirchner Rauhnacht selbst aktives Mitglied der Bergwacht war. Die Zuschauer 2013 besuchten etwa 1500 Besucher die Waldkirchner Rauhnacht. Vor allem Familien mit Kindern kamen auf den Marktplatz, aber auch ältere Ehepaare. Jugendliche waren kaum anzutreffen. Unter den Besuchern waren viele Touristen, die gerade in der Region Urlaub machten, außerdem gab es Leute, die extra wegen der Rauhnacht nach Waldkirchen gefahren waren. Auch einige Einheimische waren im Publikum. Die Zuschauer positionierten sich zu Beginn um den abgesperrten Kreis. Als der Umzug über den Marktplatz begann, gingen viele Zuschauer mit den Rauhnachtsgeistern mit, einige blieben jedoch am Kreis. Als die Geister hinter die Absperrung zurückkehrten, kamen auch die Zuschauer zurück an den Kreis.

Hintergrund-Infos

Verteilung der Rauhnudeln.
Der offizielle Teil der Waldkirchner Rauhnacht spielt sich ausschließlich auf dem Marktplatz der Stadt ab. Ein Großteil der Veranstaltung wird in einem abgesperrten Bereich von etwas 50m² abgehalten. Der Umzug führt einmal um den Marktplatz herum. Der Bluadige Thamerl zeigt sich auf dem Dach eines Gasthofes, das vom Marktplatz aus einsehbar ist. Der inoffizielle Teil, an dem lediglich die aktiv Beteiligten teilnehmen, findet im Baronkeller statt. Dieser befindet sich im Baronhof, der direkt an den Marktplatz angrenzt. Die Rauhnacht beginnt um 18.00 Uhr und damit nach Einbruch der Dunkelheit. Die Veranstaltung versucht durch die Masken und Kostüme ein Gruselgefühl bei den Zuschauern auszulösen. Die Dunkelheit verstärkt diesen Effekt. Auch der Einsatz der bengalischen Feuer und der Schwedenfeuer zielt darauf ab. Der Nebel, der 2013 über dem Marktplatz lag, trug ebenfalls zu einer gruseligen Stimmung bei. Wichtige Requisiten der Rauhnacht stellen der Galgen und die daran aufgehängte Strohpuppe dar. Die Puppe, die teilweise auch als Hexe bezeichnet wird, gilt als die Personifizierung des Bösen. Ziel der Waldkirchner Rauhnacht ist es jedoch dieses Böse zu vertreiben. Aus diesem Grund wird die Puppe stellvertretend für alles Schlechte verbrannt. Weiterhin spielt die Rauhnudl ein mit roter Marmelade gefülltes, längliches Schmalzgebäck, um das die Wilde Jagd lautstark heischt eine bedeutende Rolle. Nachdem die Geister das Rauhnudllied gesungen haben, stecken die Gönner die Rauhnudln auf ihre Hörner, Zepter und Heugabeln. Die Zuschauer, vor allem die Kinder, dürfen das Gebäck dann herunterziehen und essen. Zudem werden Rauhnudln, neben Glühwein und Kinderpunsch, auch zum Kauf angeboten.

Brauchverständnis

Die heutigen Waldkirchner Rauhnachtler sehen ihre Aufgabe in der originalgetreuen Erhaltung eines althergebrachten Heischebrauchs. Der Brauch stamme aus einer Zeit, in der es für die Waldkirchner Bauern noch üblich gewesen sei, ihr Vieh über den Sommer hinweg Hirten anzuvertrauen. Je nach Wetterlage sei es dann Ende September, Anfang Oktober zurückgetrieben worden. Die Hirten hätten nun im Winter zur Sicherung ihrer Existenz einen Anspruch gegenüber ihren Arbeitgebern gehabt. Diesen hätten sie geltend gemacht, indem sie singend und heischend von Hof zu Hof gezogen seien. Vor allem die Rauhnudl, ein Schmalzgebäck, sei wegen ihrer Haltbarkeit eine häufige Gabe gewesen. Dieser Heischebrauch habe sich allerdings nicht nur auf die Zeit der Rauhnächte beschränkt. Im 20. Jahrhundert seien es dann nicht mehr die Hirten gewesen, die um Gaben geheischt hätten, sondern Bürger und Bauern. Diese hätten auch Geld erhalten und es Bedürftigen gespendet. Hieraus leiten die Waldkirchner Rauhnachtler ihre soziale Verpflichtung ab. Jedes Jahr wird ein Teil der Einnahmen an in Not geratene Waldkirchner gespendet. Für die Ausübenden des Brauches bietet die Waldkirchner Rauhnacht vor allem eine Gelegenheit Familienmitglieder und Freunde zu treffen und mit ihnen Spaß zu haben. Die gemeinsame Ausübung des Brauchs schweißt zusammen und ist identitätsstiftend. So beschränkt sich das Zugehörigkeitsgefühl nicht nur auf einen Tag, sondern begleitet die Rauhnachtler durchs ganze Jahr. So ist es auch kaum verwunderlich, dass die eigenen Kinder, die die Rauhnacht von klein auf kennen und für die der 5. Januar einen festen Termin im Jahreslauf darstellt, früher oder später selbst Maskenträger werden. Masken stellen daher auch ein Geschenk mit hoher Wertigkeit dar. Schließlich hat die Rauhnacht am 5. Januar als größte Veranstaltung der Stadt auch eine touristische Bedeutung. Die Waldkirchner Rauhnachtler grenzen sich bewusst von Perchten- und Krampusläufen, die teilweise auch durch ihre Brutalität bekannt sind, ab. Sie wollen eine schaurig schöne Rauhnacht für die ganze Familie, die vor allem der Aufrechterhaltung alter Traditionen dient. Aus diesem Grund verweigern sie sich auch ein Stück weit gegenüber einer zu starken Eventisierung des Brauchs, so gibt es z.B. anders als in anderen Orten in Waldkirchen ganz bewusst keine öffentliche Rauhnachtsparty. Zudem sehen sie im Versuch den Brauch möglichst originalgetreu abzuhalten ein Alleinstellungsmerkmal. Sie seien die ersten gewesen, die den Brauch wieder aufleben lassen hätten und die ersten, die eine eigene Internetseite gehabt hätten. Auf dies ist man im Übrigen besonders stolz und so erhielt die Seite in ihren Trinkspruch Einzug. „Weh Weh Weh Rauhnacht Deeh“ soll nichts anderes heißen als: www.rauhnacht.de.

Organisatorisches

Organisiert wird die Waldkirchner Rauhnacht aus einem Verbund von Verwandten und Bekannten, die aber nicht als Verein zusammengeschlossen sind. Hauptverantwortliche sind dabei Christoph Blöchl und Eugen Knollmüller. Den Verkauf von Rauhnudln, Glühwein und Kinderpunsch übernimmt die Bergwacht Waldkirchen-Hauzenberg. Unter den Maskenträgern und in der Bergwacht befinden sich Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, Ärzte und Sanitäter. Aus diesem Grund sind keine zusätzlichen Kräfte von Feuerwehr oder Rettungsdienst anwesend, um das Geschehen zu überwachen. Finanziert wird die Veranstaltung über die Einnahmen aus dem Rauhnudlverkauf, sowie durch die Einnahmen einer Busfahrt zu diversen Hotels und Gaststätten. Zwischen Weihnachten und Neujahr fallen die Waldkirchner Rauhnachtler zusammen mit einigen Glöcklern dort ein und erheischen zur Freude der Touristen und Wirte Schnaps und Geld. 2012 fand die Fahrt am 28. Dezember statt. Ein Teil der Erlöse wird an in Not geratene Familien gespendet. Die Stadt Waldkirchen stellt lediglich die Absperrung auf dem Marktplatz und die Arbeiter, die sie errichten. Beworben wird die Waldkirchner Rauhnacht über die Internetseite, über einen Werbeflyer und über Banner an den Ortseingängen von Waldkirchen. Zudem berichtete 2013 der Radiosender Antenne Bayern auf eigene Initiative hin im Vorfeld mehrfach, die Passauer Neuen Presse ebenfalls.

Entwicklungsgeschichte der Waldkirchner Rauhnacht

Erstmals erwähnt wird der Begriff „Rauhnacht“ in einem Zunftbuch der Waldkirchner Leinenweber von 1725. Dort heißt es: „15 Kreutzer, denen Singern zu Rauhnächt“. Man kann hier allerdings nicht von einem historischen Beleg für die Waldkirchner Rauhnacht, wie sie oben beschrieben wurde, sprechen. Die Quelle besagt lediglich, dass die Leinenweberzunft einer Gruppe Sängern in einer der Rauhnächte, die hier einen Termin markieren, 15 Kreuzer gegeben hat. Anzahl, Geschlecht, Alter und Aussehen der Sänger, ihre Liedtexte und das genaue Datum sind nicht überliefert. Bis zum Ersten Weltkrieg ist ein Rauhnachtssingen in Waldkirchen nachweisbar. Der Krieg stellte jedoch einen Einschnitt dar, da die Männer, die den Brauch ausgeübt hatten, eingezogen worden waren. Kurz nach Kriegsende wurde das Rauhnachtssingen wieder aufgenommen. Der Zweite Weltkrieg bereitete ihm jedoch ein vorläufiges Ende. 1978 arbeitete der Waldkirchner Heimatpfleger Rupert Berndl mit dem Zunftbuch der Leinenweber und stieß dabei zufällig auf besagten Eintrag, der sein Interesse weckte. Berndl, der auch als Kunstlehrer am örtlichen Gymnasium tätig war, bastelte daraufhin mit seinen Schülern Rauhnachtsmasken aus Pappmasche und veranstaltete mit ihnen eine Aufführung auf dem Marktplatz. Diese Aufführung ohne konkrete Orientierung an historischen Vorbildern, hatte zur Folge, dass Menschen, die die Vorkriegsbräuche noch kannten, an Berndl herantraten und ihm davon berichteten. So konnte er über die Jahre die Abläufe, Masken, Kostüme und das Rauhnudllied aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg rekonstruieren. 1978 zog Berndl noch gemeinsam mit seiner Familie über den Waldkirchner Marktplatz. In den darauf folgenden Jahren machten immer mehr Familienmitglieder, Freunde und Bekannte mit. Mitte der 1990er Jahre erreichte die Veranstaltung mit 5000 bis 7000 Besuchern vorerst ihren Höhepunkt. Doch da seitdem über den Bayerischen Wald verteilt immer mehr Konkurrenzveranstaltungen stattfanden, sanken die Zuschauerzahlen von da an wieder. Im Winter 2012/2013 kam es zu einem Generationenwechsel. Die einstigen Initiatoren der Waldkirchner Rauhnacht gaben Verantwortung und Rollen an die jüngeren Generationen ab.

Allgemeine Entwicklungsgeschichte von Rauhnachtsbräuchen

Im Bayerischen Wald findet sich die erste Erwähnung des Wortes Rauhnacht in einer Amts- und Kastenrechnung der Stadt Grafenau aus dem Jahr 1656: ''„Haggen Pulfer zu frischung der Stickhl und Doplhäckhen an den Rauhnechten in den hl. Weinnecht Feirtegen verbraucht''“. Freilich handelt es sich bei dieser Erwähnung vielmehr um eine Zeitangabe als um eine Brauchbezeichnung. Und genau das macht die historische Erforschung schwierig. Denn Rauhnächte sind die Thomasnacht vom 20. auf den 21. Dezember sowie die Nächte zwischen Heilig Abend (24. Dezember) und Heiligdreikönig (6. Januar). Da es nun in diesem Zeitraum zur Ausübung zahlreicher Bräuche kommen kann, ist nicht jeder Brauch der in einer Rauhnacht ausgeübt wird, gleichzeitig ein Rauhnachtsbrauch. Die Waldkirchner Rauhnacht zeigt diverse Parallelen zu anderen Bräuchen, auf die – mangels eigenständiger, historisch-archivalischer Forschungen zur Rauhnacht selbst – im Folgenden eingegangen werden soll.

Parallelen zum Klöpfeln

Beim Klöpfeln handelt es sich um einen Heischebrauch, bei dem an den drei Donnerstagen vor Weihnachten zunächst Kinder und später auch Erwachsene von Haus zu Haus gingen und um Gaben wie etwas Krapfen baten. Ein Element der Waldkirchner Rauhnacht ist das Heischen um Rauhnudln. Die frühesten Belege für diesen Brauch finden sich bereits im 15. Jahrhundert. Einen Bezug zwischen Klöpfl- und Rauhnacht gibt es bereits in einem Augsburger Losbuch aus dem Jahre 1454, in dem es heißt:
 […]Wann die Clöpfflinsnächt für ware pringet dir glück und hayl […] Davon solltu frölich begonn die dray rachnacht […]
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts scheinen die Klöpflbräuche immer mehr mit den Rauhnächten zu verschmelzen. In eine Nürnberger Chronik findet sich ein mit „Klöpflesnacht“ betitelter Abschnitt, der jedoch einen Lärmbrauch mit Bezug auf die letzte Rauhnacht beschreibt. Das Heischen um Schmalzgebäck beschränkt sich also nicht nur auf die drei Donnerstage vor Weihnachten. 1631 wurden im Bayerischen Wald fünf Männer verurteilt, die sich beim Heischen an Heiligdreikönig ungebührlich verhalten und einen Spieß, auf den sonst Küchel gesteckt worden wären, durch ein Fenster geschmissen hätten. Auch in der heutigen Waldkirchner Rauhnacht werden die Rauhnudln aufgespießt. Im 17. und 18. Jahrhundert kommt es immer wieder zu Verboten des Klöpflns. Dass es trotzdem ausgeübt wurde, davon zeugen zahlreiche Gerichtsakten. Für ein Verschmelzen des Klöpflns mit den Perchtenläufen Anfang des 20. Jahrhunderts sprechen nicht nur das Auftreten ähnlicher Figuren und der gleiche Termin, sondern auch das lautstarke Heischen der Perchten um Brot, Schnaps, Geld und eben auch Krapfen. Dies ist bereits seit dem 17. Jahrhundert belegbar.

Parallelen zu den Perchtenläufen

Obwohl sich die Waldkirchner ausdrücklich von den Perchtenläufen abgrenzen, gibt es neben dem Heischecharakter mit der Terminierung und den auftretenden Figuren weitere Ähnlichkeiten. Bereits im 11. bis 12. Jahrhundert wird die sogenannte Giperchtennacht erwähnt, die auf den Abend und die Nacht vor Epiphanias datiert wurde, also auf die letzte der heutigen Rauhnächte. Auch der später im österreichischen bekannte Perchtentag fiel auf den 5. Januar. Die ältesten historischen Belege für ein Perchtenlaufen stammen aus Rechnungsbüchern aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und auch hier gibt es einen terminlichen Bezug. 1582 wurde in Dießen am Ammersee vermerkt:'' „ Item mer ausgeben den 6. Januarii denen (die) die Percht gejagt haben 8 kr." Im 17. und 18. Jahrhundert kam es aufgrund von Ausschreitungen immer wieder zu Verboten. Aus Gerichtsakten dieser Zeit geht hervor, dass sich vielerorts vor allem junge Männer nicht daran hielten. Teilweise finden sich Erwähnungen von Teufelsmasken, Krapfen als Gaben und dem Leuten von Schellen. Neben Hinweisen auf eine Maskierung, werden auch immer wieder Stangen und Stecken, die die Perchtenläufer bei sich trugen erwähnt. Dies sind allesamt Requisiten der Waldkirchner Rauhnacht. Ab dem 18. Jahrhundert berichten literarischen Quellen genauer von den Perchtenläufen. So wird beispielsweise das Perchtenlaufen im Pinzgau in einer Kurzbeschreibung aus dem Jahre 1796 erwähnt oder in einem Reisebericht von 1800 von Teufelsmasken im Salzburger Land gesprochen. In einer Quelle aus Osttirol von 1837 wird ein Bezug der Perchtenläufe zu religiösen Räucherungen der Häuser in der Zeit zwischen dem 1. Advent und Heiligdreikönig hergestellt. Dieses Ausräuchern ist auch einer der Erklärungsansätze für die Herkunft des Wortes Rauhnacht. Im Bayerischen Wörterbuch von J. Andreas Schmeller heißt es zu den „Rauch- und Rauhnächten“:
Die Erklärung der Benennung dieser Nächte aus dem um hl. Dreykönig üblichen kirchlichen Beräuchern, Besprengen und Beschreiben der Wohnungen ist natürlich genug, […]
Die frühesten Bildquellen zu den Perchten stammen aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert. Generell unterscheidet man bei den Perchten zwischen schönen und schiachen, also hässlichen Figuren, wobei sich aber nur in den schiachen Masken Parallelen zur Waldkirchner Rauhnacht ausmachen lassen. Die Tuschezeichnung „Habergeiß Tamsweg“ aus dem 18. Jahrhundert gibt Aufschluss über eine Gestalt, die sich auch in der modernen Waldkirchner Rauhnacht findet.
„Vorne Rechts ist eine große Maskengestalt gerade im Begriff, mit ihrem Tierkopf, ausgestattet mit langen Ohren, Bart und geöffnetem Schnabel und heraushängender Zunge – aber keinen Hörnern – von einer Frau, die[…] aus dem Fenster im ersten Stock blickt, eine Gabe […] in Empfang zu nehmen. Innerhalb der in Stoff verhüllten Figur […] wird der darinstehende Mann angedeutet.“
An dieser Stelle ist anzumerken, dass es weitere Parallelen der Howagoaß zu Figuren der Perchtenläufe gibt, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Seelvogel. Aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es Berichte von der Vogelperchte aus Bad Gastein im Salzburger Land, die eine „langschnabelige, in Pelz gekleidete Figur mit beweglichem Schnabel“ sei. Zudem erscheint im schweizerischen Guttannental die sogenannte Schnabelgeiß: „Der Unterkiefer ihres langen Schnabels war beweglich. Der Träger, der ein langes, weißes Leinenhemd trug, konnte ihn mit einer Schnur auf und zu klappen.“ Weitere Beispiele für Überlappungen sind der Waldkirchner Bluadigen Thamerl als männliche Pendent der Figur der Percht oder die Teufelsfiguren.

Allgemeine Verbreitung von Rauhnachtsbräuchen im Bayerischen Wald

Im Bayerischen Wald finden seit einigen Jahren wieder vermehrt Rauhnachtsveranstaltungen statt. Beispiele wären St. Englmar, Rinchnach, Altreichenau und Lam. Während in Waldkirchen der Bluadige Thamerl die Hauptfigur darstellt, übernimmt in Altreichenau die Drud diesen Part. In St. Englmar und Lam hat die Rauhnacht durch die Rauhnachtspartys einen ausgeprägteren Eventcharakter. In Neuschönau wird eine ähnliche Brauchveranstaltung als „Lousnacht“ bezeichnet.

Forschungsstand allgemein

Wie oben bereits angedeutet gibt es keine eigenständige, ausführlichen Forschungsarbeiten zu den Rauhnachtsbräuchen im Bayerischen Wald. Arbeiten, wie etwa die Sagensammlung von Reinhard Haller beschränken sich auf kurze Einleitungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Marianne Rumpf beschäftigte sich zwar ausführlich mit den Perchtenläufen, die der Waldkirchner Rauhnacht in gewissen Punkten ähneln, doch können ihre Ergebnisse nicht vollständig übertragen werden. Gleiches gilt für die historisch fundierten Forschungen von Hans Moser zu Klöpflnächten und Perchtenläufen.Leider reicht keine dieser Arbeiten bis in die Gegenwart. Wie sich Perchtenläufe, Rauh- und Klöpflnächte in den letzten 20 Jahren entwickelt haben, ist nicht erforscht. Allgemein ist anzumerken, dass gerade im Bereich der Brauchforschung viele ältere Forschungsarbeiten, die im Sinne der Kontinuitätsprämisse Brauchphänomene beurteilen, mit Vorsicht zu genießen sind. So schreibt z.B. Friederike Prodinger: „Vogelgestalten sind für primitive Dämonendarstellungen typisch nach Taylor, gemeingermanisch und außergermansich belegt. Man darf also in diesen Gestalten eine sehr alte Schicht der Perchtenvorstellung sehen.“ Aussagen wie diese sind jedoch mehr als fragwürdig. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erforschung der heutigen Rauhnachtsbräuche durchaus wünschenswert ist. Denn wie das Beispiel Waldkirchen zeigt, befinden sie sich in einem stetigen Wandel, aus dem sich auch Rückschlüsse auf gesellschaftliche Prozesse, wie etwa auf den Wunsch nach Stabilität und regionaler Identität durch das Festhalten an vermeintlich uralten Traditionen, ziehen lassen.

Literatur

  • Haller, Reinhard: Rauhnacht. Grafenau 1976.
  • Moser, Hans: Kritisches zur Tradition und Dokumentation des Perchtenlaufens. In: Moser, Hans: Volksbräuche im geschichtlichen Wandel. Ergebnisse aus fünfzig Jahren volkskundlicher Quellenforschung. München 1985.
  • Moser , Hans: Zur Geschichte der Klöpflnachtsbräuche, ihre Formen und ihre Deutungen. In: Moser, Hans: Volksbräuche im geschichtlichen Wandel. Ergebnisse aus fünfzig Jahren volkskundlicher Quellenforschung. München 1985.
  • Prodinger, Friederike: Beiträge zur Perchtenforschung. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. 100/1960.
  • Rumpf, Marianne: Perchten. Populäre Glaubensgestalten zwischen Mythos und Katechese. Würzburg 1991.

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