Leipheimer Kinderfest

Termin

Dieser Brauch findet vom 08.07. bis 10.07.2023 statt.

Einstiegsinformation

Der Kinderfestzug.
Das Leipheimer Kinderfest ist ein Fest der Freude. Als Dank für die überstandene Hungersnot, die in den Jahren 1816/17 in der Stadt herrschte, wurde es 1818 als Erntedankfest - vor allem für die notleidenden Kinder - gestiftet. In diesem Jahr wird es vom 11.07. bis zum 13.07. gefeiert. Der sogenannte Kinderfestspruch sowie die Tänze und Spiele der Leipheimer Schüler bilden dabei die Hauptattraktion der Festtage. Um Traditionen zu bewahren, werden diese teilweise noch in alten schwäbischen Trachten abgehalten.

Empirische Dokumentation

Grundlage der empirischen Dokumentation

Die empirische Dokumentation bezieht sich auf die Zeit zwischen Anfang April und dem Wochenende vom 12. bis zum 14. Juli 2014. Diese Zeit verbrachten die Leipheimer mit den Vorbereitungen und dem Feiern des Kinderfestes. Die Auswahl der Schausteller und Wirte ist hierbei aus und vor, da diese bereits ein Jahr vorher erfolgte.

Ort des Geschehens

Das Leipheimer Kinderfest, das jährlich am zweiten Juliwochenende gefeiert wird, findet auf einer großen Wiese neben der Donau statt. Leipheim ist eine kleine Stadt mit circa 7000 Einwohnern und liegt im schwäbischen Landkreis Günzburg. Mit dem Auto ist es in gut 45 Minuten von Augsburg, in 30 Minuten von Ulm zu erreichen. Leipheim verfügt außerdem über einen Bahnhof, von welchem die Besucher aus den umliegenden Dörfern über zahlreiche Shuttlebusse auf das Veranstaltungsgelände gebracht werden können.

Informationen zum Fest

Ein Fest der Freude - für Kinder wie für Erwachsene. Als das Kinderfest 1818 ins Leben gerufen wurde, hat wohl niemand auch nur im Traum daran gedacht, dass es 2014 bereits seinen 197. Geburtstag feiert. Da Tradition in Leipheim großgeschrieben wird, dürfen die Umzüge, Tänze und Festspiele, die seit je her immer gleich ablaufen, in keinem Jahr fehlen. Der Kinderfestspruch, der jedes Jahr von dem/der besten Achtklässler(in) entweder auf Hochdeutsch oder im schwäbischen Dialekt aufgesagt werden darf, ist ebenfalls ein ganz besonderes Highlight. Das Leipheimer Kinderfest ist allerdings auch wegen seines Festplatzes bekannt. Dieser verwandelt sich an den besagten Tagen in den größten Biergarten Schwabens. Dort können unter Schatten spendenden Bäumen zu zünftiger Musik schwäbische Leckereien, aber auch ungarische, italienische und türkische Spezialitäten verzehrt werden. Der angrenzende Rummelplatz mit seinen unzähligen Fahrgeschäften, Märchen- und Künstlerzelten sowie Geschicklichkeitsspielen, stößt außerdem bei Klein und Groß auf Interesse. Das Fest wird somit zum Treffpunkt von Klein und Groß, von Leipheimern und Nicht-Leipheimern. Eines ist jedoch besonders erwähnenswert: Einige Leipheimer, die es im Laufe der Jahre in andere Städte oder sogar Länder verschlagen hat, kommen jedes Jahr zurück in ihre Heimat, um an ihrem Kinderfest teilzunehmen. Dies hebt die Bedeutung des Festes nochmals hervor: Kein Leipheimer verpasst es - auch nicht wegen des schlechten Wetters, denn selbst hier wissen sich die Menschen zu helfen. In diesem Jahr hatten die Leipheimer allerdings Glück: Entgegen aller Prognosen blieb es fast das ganze Wochenende über trocken.

Ablauf

Schnitterreigen.
Das Kinderfest wird bereits Monate vorher geplant. Schausteller, Bands und Gastwirte müssen sogar bis zu ein Jahr vorher fest gebucht werden. Der Ablauf der einzelnen Festtage ist im Grund genommen jedes Jahr gleich. Dennoch muss in die Vorbereitungen viel Zeit investiert werden.

Vorbereitung

Die Kinder, die Hauptakteure des Leipheimer Kinderfests, fertigen in der Woche vor dem Spektakel im Werkunterricht Blumenbögen an, mit denen in einem Festzug am Kinderfestsonn- und Montag durch die Straßen gezogen wird. Außerdem studieren die Lehrkräfte mit ihren Klasse in mühevoller Arbeit verschiedene Tänze und Spiele ein, die sie auf dem Festgelände zur Aufführung bringen. Die Jüngeren orientieren sich dabei durchaus an ihrem eigenen Musikgeschmack. So standen in diesem Jahr beispielsweise Fußballtänze und Hits wie „Applaus, Applaus“, Wake me up oder „The world is ours“ auf dem Programm. Den älteren Schülern ist - wie jedes Jahr - der traditionelle Schnitterreigen vorbehalten. Hierbei handelt es sich um einen Schreittanz, den die Siebt- und Achtklässler in einer einfachen schwäbischen Tracht bekleidet, darbieten. Die mit Blumen geschmückten Sensen der Jungen sollen dabei an die harte Arbeit erinnern, die die Menschen zur damaligen Zeit verrichten mussten.

Programm 2014:

Freitag: Den Auftakt des Festes bildete die Abendserenade, die im Leipheimer Schlosshof mit ortsansässigen Musikgruppen und der Stadtkapelle abgehalten wurde. Samstag - Familientag: Nach einem Dankgottesdienst auf dem Festplatz zeigte die Leipheimer Stadtkapelle ab 15.00 Uhr ihr Können. Währenddessen konnten die Fahrgeschäfte zu günstigeren Preisen genutzt werden. Außerdem gab es viele zusätzliche Angebote für Kinder: Vom Ballondoktor über eine Schatzsuche, bis hin zu verschiedenen Kasperltheatern war alles vorhanden. Ab 20.00 Uhr sorgte die Partyband Alpen Mafia für Feierlaune. In Deutschlandtrikots und mit Fußballhits stimmten sie die Gäste auf das WM-Finale, das am Sonntagabend stattfand, ein. Sonntag:
Bierbankdach.
Ab 06.00 Uhr morgens ging die Leipheimer Stadtkapelle durch die Straßen, um die Menschen mit ihrer traditionellen Blasmusik zu wecken. Nach den Festgottesdiensten, die in den beiden Kirchen der Stadt abgehalten wurden, hielten sich die Schulklassen, Vereine und Stadträte für den Festzug von der Schule zum Kinderfestplatz bereit. Nachdem der berüchtigte Kinderfestspruch auf dem Festplatz aufgesagt worden war, sangen alle anwesenden Bürger die deutsche Nationalhymne. Im Anschluss daran begab man sich auf den gegenüberliegenden Sportplatz, um die Spiele und Tänze der Schüler zu betrachten. Diese hatten hinterher die Möglichkeit, an Geschicklichkeitsspielen teilzunehmen oder sich professionell schminken zu lassen. Bevor die Stadtkapelle von Gundelfingen für Unterhaltung sorgte, sind die Leipheimer in einem Abendfestzug zum Schloss gezogen, um dort an der Abendandacht teilzunehmen. Doch das wichtigste an diesem Abend war die Unterstützung der deutschen Nationalmannschaft: An zahlreichen Fernsehern hatten die Festbesucher die Möglichkeit, das Finale zu verfolgen. Auch wenn der Festplatzbetrieb gegen 01.00 Uhr endete, feierten die Menschen den Weltmeistertitel in den Straßen der Stadt weiter. Montag: Nach der Schule fand eine Wiederholung des Festzuges, der Festspiele und Tänze sowie der Geschicklichkeitsspiele statt. Die Leipheimer Stadtkapelle, die den ganzen Nachmittag über für den richtigen Ton sorgte, wurde gegen 19.00 Uhr von den Rothtalmusikanten Oberroth abgelöst. Der Festplatzbetrieb endete schließlich um 24.00 Uhr. Wenn Sie mehrere Bilder einfügen, legen Sie über dem Button Tabelle einfügen/editieren eine Tabelle mit mehreren Zellen an. Zu jedem Foto gehört die Angabe von Ort und Jahr der Aufnahme. Löschen Sie diese Instruktion in jedem Fall!

Organisation der Brauchveranstaltung

Organisiert wird der beschriebene Brauch von ausgewählten Mitgliedern der Leipheimer Stadtverwaltung. Um die Organisation des Festzuges sowie die Planung der Festspiele und Tänze der Schüler kümmerte sich die Lehrerschaft der örtlichen Grund- und Mittelschule.

Eigene Erfahrungen

Obwohl ich selbst keine gebürtige Leipheimerin bin, habe ich schon immer gerne am Leipheimer Kinderfest teilgenommen: Als Kind bin ich jedes Jahr mit meiner Oma und meinen beiden Geschwistern auf das Fest gegangen. Nachdem wir Festzug und Spiele betrachtet hatten, haben wir meist an den Geschicklichkeitsspielen teilgenommen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich über einen langen Balken balancieren musste, um an ein Stück Wurst zu kommen. Das mit bunten Stoffen und Fellen behangene Märchenzelt der Geschichtenerzählerin hat mich außerdem von Klein auf fasziniert. Als es dann auf den Rummelplatz ging, hat jeder von unserer Oma 15 Euro bekommen. Diese mussten wir uns für Süßes und Fahrgeschäfte selbst einteilen. Anfangs haben wir immer noch ein paar Euro für ein Essen im Biergarten übrig gelassen. Mit der Zeit wussten wir allerdings, dass wir dieses noch zusätzlich bekamen. Weil wir uns als Kinder jedes Jahr aufs Neue auf dieses Fest freuten, besuchten wir es auch bei schlechtem Wetter. Mit Gummistiefeln und Regenjacken konnte man nämlich mindestens genauso viel Spaß haben. Als Jugendlicher nahm ich lieber mit meinen Freunden am Fest teil. Das mit den 15 Euro hat meine Oma jedoch beibehalten. Diese konnte ich auch gut für das ein oder andere Radler gebrauchen, das man zu der Partymusik im Biergarten trinkt. Auch heute gehe ich noch gerne auf das Kinderfest. Es ist ein guter Anlass, um alte Freunde oder Klassenkameraden wieder zutreffen. Als angehende Lehrerin habe ich mir dieses Jahr seit langem einmal wieder die Spiele und Tänze der Schulkinder angesehen. Dabei habe ich mich an die Zeit zurückerinnert, als ich als Kind mit meiner Oma auf dem Festspielplatz stand.

Historische Genese und Forschungsstand

Entstehungsgeschichte des Festes

Nach Ende des napoleonischen Krieges wurden aufgrund langer Regen- und Kälteperioden im gesamten süddeutschen Raum nur geringe Ernteerträge erzielt. Dies war der Grund für die Hungersnot, die unter anderem die Bevölkerung Leipheims plagte. In alten Dokumenten der Stadt kann man Folgendes nachlesen: „Bei einer solch katastrophalen Ernährungslage wurde alles verzehrt, dessen man habhaft werden konnte. Brotteig wurde mit Baumrinde, Bucheckern, Ochsenhäuten und Kastanien vermengt.“ Daher schworen sich die Leipheimer im ersten Jahr mit besserer Ernte, ein großes Fest - vor allem für die notleidenden Kinder- abzuhalten. So geschah es: 1818 wurde das Kinderfest zum ersten Mal gefeiert. Damals hieß es allerdings noch „Schülertanz“, da die Tänze der Schüler im Mittelpunkt standen. Bis in die 50er Jahre wurde in einer traditionellen Uniform (schwarze Hose und weißes Leibchen) zu Liedern wie der Vogelhochzeit, der schwäbischen Eisenbahn und den fleißigen Handwerkern getanzt. Der traditionelle Schnitterreigen, den die Siebt- und Achtklässler in einer einfachen Schwäbischen Tracht aufführen, blieb jedoch über die Jahre hinweg immer gleich: Die mit Blumen geschmückten Sensen, die die Jungen während des Tanzes in den Händen halten, soll gerade heute noch an die schwere Feldarbeit erinnern, die die Menschen damals verrichten mussten.Beim ersten Kinderfest nach dem zweiten Weltkrieg im Jahre 1949 forderte die Stadt zusätzliche Lebensmittelrationen in München an. Jedes Kind erhielt 50 Gramm Fleisch, 50 Gramm Brot sowie 50 Pfennig. Der 74-jährige Rudi Schmitt erinnert sich: „Das war schön, als man sich als Bub Lakritz oder einen Ballon kaufen konnte.“ Auch wenn es heute kein Geld mehr für die Kinder gibt, verschenkt die Stadt an ihre etwa tausend Jungbürger Gutscheine für Pommes und eine Limo. Das Kinderfest war in den schweren Jahren der Nachkriegszeit allerdings nicht nur für die Kinder eine willkommene Abwechslung. „In den Feldern und Büschen rund um das Festgelände lagen immer viele Pärchen. Das verleiht dem Wort Kinder-Fest nochmals eine völlig andere Bedeutung“, erklärt der gebürtige Leipheimer schmunzelnd.Neben diesen schönen Erinnerungen existieren allerdings auch weniger schöne: Auf Fotos von 1938 wehen überall Fahnen, auf denen das Hakenkreuz zu sehen ist. Im Jahr 1955 wurde das Fest wegen der stark verbreitenden Kinderlähmung sogar abgesagt. Wichtig früher wie heute: der Wetterbericht. Damals konnten die Organisatoren allerdings noch flexibler damit umgehen. So wurde das Fest mehrmals wegen des schlechten Wetters um eine Woche verschoben, im Jahr 1974 sogar um zwei Tage verlängert. Da die Schausteller heute bereits Monate vorher fest gebucht werden müssen, ist dies leider nicht mehr möglich.

Gewährspersonen

Die Gewährsperson ist geborener Leipheimer und regelmäßiger Teilnehmer des Kinderfestes. Der 74-Jährige hat außerdem im Leipheimer Heimat- und Bauernkriegsmuseum Blaue Ente ein umfassendes Archiv über seine Heimatstadt angelegt. In zwölf Ordnern sammelte er historische Dokumente über das Kinderfest.

Weblinks

Literatur

  • Schmitt, Rudi. Gebürtiger Leipheimer und ehrenamtlicher Mitarbeiter des Heimatmuseums.
  • Leipheimer Heimat- und Bauernkriegsmuseum Blaue Ente.
  • Antosch, Manuela: Der Hüter des Kinderfest-Schatzes. Günzburger Zeitung, Juli 2014, Seite 31.
  • Antosch, Manuela: Wenn ausgelassenes Feiern und Tradition aufeinander treffen. Günzburger Zeitung, Juli 2014, Seite 41 - 44.

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