Großer Sterngang in Oberammergau

Termin

Dieser Brauch findet immer am 31. Dezember statt.

Einstiegsinformation

Jedes Jahr zu Silvester findet in Oberammergau, einer oberbayerischen Gemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, der „Große Sterngang“ statt. Einheimische und Besucher treffen sich um 19.00 Uhr und ziehen zusammen mit Musikern, Sängern und dem „Großen Stern“ durch das Dorf. An verschiedenen Stationen im Ort wird Musik gespielt und traditionelle Sternlieder gesungen. Zum Abschluss jeder Station wünscht man sich laut „A guat`s nei`s Johr!“. (Auf Hochdeutsch: „Ein gutes neues Jahr.“)

Ablauf

Am Vorabend vor dem Neujahrstag herrscht in Oberammergau reges treiben. Besucher, Feriengäste und Einheimische treffen sich am Abend vor dem Ammergauer Haus. Dort werden Lampions an die Gäste verteilt und ein Männerchor, ein Bläserensemble und eine Blaskapelle stellen sich in Position. Zentrales Merkmal ist der „Große Stern“, ein getragener großer Holzstern mit einem Bild vom Jesuskind. Punkt 19.00 Uhr beginnt der „Große Sterngang“, der schon seit langem in Oberammergau Tradition geworden ist und seit einigen Jahren viele auswärtige und auch ausländische Besucher zu Silvester anlockt. Die erste Station befindet sich gleich direkt vor dem Ammergauer Haus. Zu Beginn spielt die Blaskapelle ein kurzes Vorspiel und der Männerchor singt eines der traditionellen Sternlieder, die eigens für diesen Anlass geschrieben wurden und fast bis ins Mittelalter zurückreichen. Nach einer anschließenden Fanfare beziehungsweise einem Tusch vom Bläserensemble kommt das traditionelle Neujahrs-Schreien. Alle versammelten Besucher wünschen sich laut schreiend „A guat`s nei`s Johr!“(Auf Deutsch: „Ein gutes neues Jahr.“). Danach zieht die Menge angeführt vom „Großen Stern“, dem Chor und den Musikanten weiter zum Hotel Wolf. Dort erklingt von allen versammelten Personen nach dem Vorspiel der Blaskapelle, dem Sternlied und der Fanfare vom Bläserensemble ebenfalls laut „A guat`s nei`s Johr!“. Dieser Ablauf wiederholt sich bei den anschließenden Stationen Max-Streibl-Platz, Pilatus-Haus und Sternplatz, wobei sich zu Beginn des Zuges immer der „Große Stern“ und die Musikanten und die Sänger befinden. Beim nächsten Halt, dem Kriegerdenkmal, verändert sich der Vorgang. Nach dem kurzen Vorspiel der Blaskapelle wird anstatt eines speziellen Sternliedes das „Kameradenlied“ von Ludwig Uhland als Erinnerung an die verstorbenen Soldaten gespielt.
Ich hat` einen Kameraden Einen besseren findst Du nicht! Die Trommel schlug zum Streite Er ging an meiner Seite Im gleichen Schritt und Tritt Im gleichen Schritt und Tritt. Eine Kugel kam geflogen Gilt sie mir oder gilt sie Dir Ihn hat es weggerissen Er liegt mir vor den Füßen Als wär`s ein Stück von mir Als wär`s ein Stück von mir. Will mir die Hand noch reichen Derweil ich eben lad Kann Dir die Hand nicht geben Bleib Du im ewigen Leben Mein guter Kamerad Mein guter Kamerad.
Während der zweiten Strophe im „Kameradenlied“ werden dreimal Böller geschossen. Hier findet als Achtung und Respekt vor den Toten kein Neujahrs-Schreien statt. Die Menge wandert weiter über Hotel Maximilian, Daisenbergerstraße, Café Hohenleitner und BRK-Altenheim zum Gasthof „Beim Bemsl“. Zwischen 21.00 Uhr und 21.30 Uhr, abhängig davon, wie viele Personen beim Sternrundgang mitlaufen, kommen die Teilnehmer bei der letzten Station, dem Dorfplatz, an. Beim Dorfplatz wird nach dem Vorspiel von der Blaskapelle das Sternlied „Der Weihnachtsstern“ vom Männerchor gesungen. Im Anschluss daran schreien alle Besucher zum letzten Mal ganz laut „A guat`s nei`s Johr!“ und singen als krönenden Abschluss des „Großen Sterngangs“ zusammen mit Chor und musikalischer Begleitung durch die Blaskapelle das Lied „Lobe den Herren“ von Joachim Neander.
Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren; lob ihn, o Seele, vereint mit den himmlischen Chören. Kommet zuhauf, Psalter und Harfe, wacht auf, lasset den Lobgesang hören! Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet, der dich erhält, wie es dir selber gefällt. Hast du nicht dieses verspüret? Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet, der dir Gesundheit verliehen, dich freundlich geleitet. In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet! Lobe den Herren, was in mir ist, lobe den Namen. Lob ihn mit allem, die Verheißung bekamen. Er ist dein Licht. Seele, vergiß es ja nicht. Lob ihn in Ewigkeit. Amen.
Damit ist der offizielle Teil des Sternsingens in Oberammergau beendet und alle (Einheimische, Gäste und Bekannte) wünschen sich noch einzeln viel Glück, Erfolg und Gesundheit für das neuen Jahr.

Varianten

Kleiner Sterngang in Oberammergau Für die Kinder und Jugendlichen findet als Ersatz zum „Großen Sterngang“ ein „Kleiner Sterngang“, an dem nur sie teilnehmen dürfen, statt. Getrennt von den Erwachsenen ziehen sie ab 19.00 Uhr mit Geigen, Gitarre, Kontrabass und einem kleinen Stern durch das Dorf. Sie singen eigens für diesen Anlass geschriebene Lieder und wünschen den einzelnen Familien ein gutes neues Jahr. Im Gegenzug erhalten die Kinder kleine Geschenke oder Spenden.

Hintergrund-Infos

Die einzelnen Stationen im Überblick

  • Ammergauer Haus
  • Hotel Wolf
  • Max-Streibl-Platz bzw. Oberammergau Museum
  • Pilatus-Haus
  • Sternplatz
  • Kriegerdenkmal
  • Hotel Maximilian
  • Daisenbergerstraße
  • Café Hohenleitner
  • BRK-Altenheim
  • Ehemaliger Gasthof „Beim Bemsl“
  • Dorfplatz

Der Große Stern

Der „Große Stern“ ist ein beleuchteter Stern aus Holz, der an einer langen Stange, die dem Halten dient, befestigt ist. Er besteht aus zwei Elementen, die mit Stoff verkleidet sind. Das erste Element ist ein achtzackiger, sich drehender Sternenkranz. Auf diesem Kranz befindet sich das zweite Element, eine Holzscheibe mit einem Bildnis vom Jesuskind. Der „Große Stern“ wird während des ganzen Zuges durch den Ort von einer Person getragen. Eine zweite trägt die Batterie, die für die Beleuchtung und dem drehenden hölzernen Sternkranz notwendig ist.

Sternlieder

Die Sternlieder, so werden die historischen Lieder genannt, die während der einzelnen Stationen beim Sterngang gespielt werden, sind sehr alt und wurden eigens für diesen Zweck komponiert. Wichtige Komponisten waren unter anderem Rochus Dedler (1779-1822), ein Oberammergauer Lehrer und Eugen Papst (1886-1956), Professor für Musik. Beide waren auch an unterschiedlichen Kompositionen für die bekannten Passionsspiele, die alle zehn Jahre in Oberammergau stattfinden, beteiligt. Alois Daisenberger (1799-1883), der katholischer Pfarrer von Oberammergau, unterlegte die Sternlieder von Rochus Dedler anschließend mit Texten. Daisenberger wirkte ebenfalls bei den Passionsspielen mit; er dichtete Texte zu den verschiedenen Musikstücken. Für die Verwahrung und Pflege der traditionellen Sternlieder ist der Musikverein Oberammergau zuständig.

Musikalische Begleitung

Die musikalische Begleitung während des Sternrundgangs besteht aus einem Männerchor mit ungefähr 60 bis 80 Sängern, einem Bläserensemble mit durchschnittlich sieben Bläsern und einer Musikkapelle. Traditionell dürfen im Männerchor nur Männer aus der Gemeinde Oberammergau mitsingen. Die Teilnahme auswärtiger Männer oder sogar Frauen ist verboten.

Geschichte

Seit einigen Jahrhunderten wurde der „Große Sterngang“ in Oberammergau schon zur Tradition. Wann genau der Ursprung dieser besonderen Form des Sternsingens ist, erscheint jedoch unklar. Im Saalbuch des Klosters Ettal befindet sich die wahrscheinlich erste schriftliche Erwähnung des Brauches des Sternrundgangs in Oberammergau an Silvester. Dort steht geschrieben, dass zwischen den Jahren 1771 und 1789 der Pfarrer an Sternbuben 24 Kreuzer ausbezahlte.

Unterschied: Sterngang – Sternsinger

Der „Große Sterngang“ in Oberammergau unterscheidet sich wesentlich zum deutschen Brauch des „Sternsingens“, der am 6. Januar, dem Heilig-drei-König-Tag, jedes Jahr stattfindet. An „Heilig-drei-König“ ziehen Gruppen von Ministranten von Haus zu Haus, singen den Familien Lieder vor und sammeln Spenden. Die Ministranten sind verkleidet und wandern meistens in Gruppen zu je vier Personen umher. Drei der Ministranten bilden die heiligen drei Könige Casper, Melchior und Balthasar. Ein weitere Person trägt meistens einen kleinen Stern oder eine Sternschnuppe und eine Spendenbüchse. So verkleidet und ausgerüstet besuchen die Ministranten die einzelnen Familien ihrer Gemeinde zu Hause. Dort singen sie Weihnachtslieder vor und segnen das Gebäude und die Bewohner, indem sie auf dem Türstock mit Kreide drei Kreuze, die Buchstaben C, M und B und die neue Jahreszahl schreiben. Als Dank erhalten die Ministranten Geldspenden, die für Kinder in Not gesammelt werden. Im Vergleich zu dem „Sternsingen“ an Heilig-drei-König findet der „Große Sterngang“ schon sieben Tage früher, am Silvesterabend, statt. Ebenfalls sind beim Sternrundgang hauptsächlich Erwachsene beteiligt; die Kinder und Jugendlichen ziehen separat im „Kleinen Sterngang“ umher.

Weblinks

Literatur

  • Von Altenbockum, Annette: Oberammergau – Tradition, Kunst & Passion; Prestel

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