Johannisfeuer in Scheidegg

Termin

Dieser Brauch findet am 21. Juni 2023 statt.

Einstiegsinformation

Am längsten Tag des Jahres wird vielerorts ein Johannisfeuer entzündet. So auch in Scheidegg, einem kleinen Dorf im Westallgäu. Was es damit auf sich hat und wie es zum Johannisfeuer in Scheidegg kam, soll im folgenden erläutert werden.

Ablauf

Das Johannisfeuer in Scheidegg
Teilnehmer beim Johannisfeuer Scheidegg.
Das idyllisch auf dem Pfänderrücken gelegene Örtchen Scheidegg ist Teil des Westallgäus. Erste Belege für ein Johannisfeuer gehen hier bis auf das Jahr 1880 zurück. In dem Buch „Sagen und Gebräuche des Allgäus“ von Karl Reiser wird dem Ort eine führende Stellung den Brauch betreffend zugesprochen. Die ansässigen Hirten bereiteten gemeinsam mit der Dorfjugend Holzstöße auf den Weiden rund um Scheidegg vor, welche dann bei Anbruch der Dunkelheit entzündet wurden. Irgendwann jedoch versiegte dieser Brauch. Erst im Jahr 2000, also 120 Jahre später, kam es zu einer Wiederbelebung. Heute, 11 Jahre danach, ist das Entzünden des Johannisfeuers wieder fester Bestandteil des Dorflebens. Neben dem Geschichts- und Museumsverein, sind auch der Musikverein, der Trachtenverein Edelweiß, der Heimat- und Theaterverein, die Volksschule und der Kur- und Verkehrsverein an diesem Festtag beteiligt. Das Johannisfeuer wird jedes Jahr am 24.6. abgehalten, egal welcher Wochentag ist, natürlich nur, sofern die Witterung diese Freiluftveranstaltung zulässt. Das Ziel der Vereine ist es, der Bevölkerung und den Gästen im Luftkurort den Brauch näherzubringen und die Besonderheit des Tages in Erinnerung zu rufen.Am Abend des 24. versammeln sich schließlich alle Teilnehmenden, darunter auch der Bürgermeister, die Vereine und die Bewohner vor dem Kurhaus. Zunächst wird der Abend dann eingeleitet mit Böllerschüssen. Darauf folgen die Begrüßung und ein kurzer Rückblick auf die Geschichte dieses Tages. Im Anschluss beginnt der Musikverein mit seinem Konzert, wobei auch immer im Wechsel mit dem Trachtenverein Tänze und Einlagen der Schuhplattler gezeigt werden. Wenn es dann zu dämmern beginnt, werden gegen 21 Uhr die zwei Feuerstätten auf den Berganhöhen entzündet, dabei erklingt ein Trompetenruf. Im Anschluss bewegen sich der Trachtenverein und die Musikkapelle in einem Fackelmarsch auf den Hauptplatz zu, wo schließlich noch der kleine Holzstoß auf dem Parkplatz angezündet wird. Während dem Marsch spielen die Musiker verschiedene traditionelle Lieder. Am Hauptplatz werden den ganzen Abend auch Speisen und Getränke angeboten, beispielsweise auch Wein aus der Partnerstadt Le Beausset. Nach weiteren Tänzen und Liedern werden zum Abschluss des Abends noch Kräuterbüschel ins Feuer geworfen. Diese sind aus folgenden Kräutern gebunden: Beifuß- der Unheil abhält, Andorn- der bei Erkrankungen der Atmungsorgane hilft, Weißtanne- die für die Geradlinigkeit und das Unverwundbare steht, Buchs- für das Beständige, Buchenzweig- für das Vergängliche, Palmkätzchen- als Symbol der Fruchtbarkeit, Johanniskraut- das Wunden und Verletzungen heilt, Sauerampfer- der bei der Verdauung hilft und Frauenmantel- die den Menschen umhüllt und bei Frauenbeschwerden hilft. Das einst in Vergessenheit geratene Johannisfeuer wurde also in Scheidegg wiederbelebt und erfährt großen Zuspruch. Es ist sowohl für die Einheimischen als auch für die Gäste eine schöne Bereicherung.

Gewährspersonen

German Weh, der Altbürgermeister und Brauchtumsexperte von Scheidegg, hat mir Dankenswerterweise seine Rede zum Johannisfeuer aus dem vergangenen Jahr zur Verfügung gestellt.

Hintergrund-Infos

Der Johannistag

Der Johannistag, der im Volksmund auch Sonnwend genannt wird, ist der 24. Juni, der längste Tag des Jahres. Das Datum ist zurückzuführen auf die Geburt von Johannes dem Täufer, der ein halbes Jahr älter war als Jesus Christus. Ebenfalls fand an diesem Datum auch schon das heidnische Sommerreinigungsfest zur Zeit der Sommersonnenwende statt, die eigentlich am 21. Juni war (Tag des höchsten Sonnenstandes), jedoch aufgrund der Verbreitung des Christentums wurde das Fest schließlich auf den 24. Juni verlegt (Anpassung an den Heiligenkalender), um es mit der Geburt des Täufers zu verbinden. Ein halbes Jahr später wird Jesus Christus geboren, weshalb dieser Tag auch als Sommerweihnacht bezeichnet wird. Johannes verdeutlichte die Beziehung zwischen den beiden mit folgendem Zitat: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ (Joh 3,30) Was ebenfalls auf die Sonne bezogen werden kann. Eine Besonderheit, die nur Johannes dem Täufer, Jesus und dessen Mutter Maria zuteil wird, ist die Feier sowohl des Geburts- (24.6.) als auch des Todestages (Enthauptung am 29.8.). Bei allen anderen Heiligen wird nur der Todestag gefeiert. Jesus empfängt später von ihm die Bußtaufe. Johannes wird auch als „Leuchte der Menschen“ bezeichnet und oft als Enthaupteter dargestellt, der seinen Kopf auf einer Schale trägt. Der Heilige wurde im Dorf Ain-Karim bei Jerusalem geboren und war der Sohn des Priesters Zacharias und Elisabeths, die eine Verwandte Marias (die Mutter von Jesus) war. Johannes zog sich später in die Wüste zurück und lebte dort einsam und asketisch. Er predigte im Jordangebiet und führt als Zeichen der Buße die Taufe durch, wobei das Jordanwasser als Sinnbild der Reinigung stehen sollte. Daraufhin wurde ihm der Name Johannes der Täufer gegeben. Des Weiteren galt er auch als der letzte Vertreter des alten Bundes, bevor mit dem Messias der neue Bund begann. Aber nicht nur dem Johannistag, auch der Johannisnacht wird eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Sie gilt als Losnacht, die sowohl mit gutem als auch mit bösem Zauber erfüllt ist. Man kann ebenfalls eine Frage an das zukünftige Schicksal stellen und beim Sprung über das Johannisfeuer wird ein dabei gesprochener Wunsch in Erfüllung gehen. Auch für heiratswillige Pärchen ist der gemeinsame Sprung eine Möglichkeit, ihre Liebe zu testen.

Die Entstehung und Geschichte von Johannisfeuern

Sonnenkulte sind auf der ganzen Welt weit verbreitet und häufig Grundelemente alter Religionen. Der Sonne wird dabei eine heilende Wirkung zugesprochen. Bereits 1401 wurde erstmals schriftlich von einem Sonnwendfeuer auf dem Münchner Marienplatz berichtet. Einige Jahre später folgten dann auch Regensburg (1473) und Augsburg (1497), jedoch waren Berichte zu dieser Zeit eher noch selten. Bei diesen Sonnwend-/Johannisfeuern wurde auf städtischen Marktplätzen Holzhaufen entzündet, welche dann in fröhlichen Reigen vom Stadtvolk umtanzt wurden. Hierbei waren alle sozialen Schichten vertreten, teilweise sogar auch die Herrscherhäuser (wie beispielsweise vom 15.-18.Jahrhundert in Wien). Zunächst war der Brauch hauptsächlich im Flachland und in den Tälern verbreitet, später jedoch immer mehr auch im Gebirge auf Berganhöhen.  Man spricht ihm „reinigende, übelabwehrende wie fruchtbarkeitsspendende Kraft“  zu und oft werden bei diesen Festen auch besondere Speisen und Getränke angeboten. 1754 wurde dann ein Verbot von „Spring- und Lustfeuern für ganz Österreich“ erlassen. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zur Zeit der späten Romantik, entdeckte man schließlich den teilweise in Vergessenheit geratenen Sonnwendbrauch wieder neu und aufgrund des zunehmenden Tourismus gibt es auch zahlreiche Berichte hierfür. Besonders charakteristisch war zusätzlich zum Sprung über das Feuer auch das Scheibenwerfen. Hierzu nahm man eine Holzscheibe, meist von einer Brunnenröhre, die mit Pech bestrichen, mithilfe eines Stocks am Johannisfeuer entzündet und dann einen steilen Hang hinabgeworfen wurde. Dabei wurden dann Verse mit Wünschen aufgesagt und der Lauf der Scheibe war entscheidend für deren Erfüllung. Oft wurde auch die Asche von den Bauern auf den Feldern verstreut, da dies der Fruchtbarkeit dienen sollte. Im 19./20. Jahrhundert kam es dann oft zu einer Sinnentfremdung, wobei der Brauch von Turnvereinen oder Studentenverbindungen in nationalen Kreisen aufgegriffen und an deren ideologische Anschauungen angepasst wurde. Auch im Dritten Reich war dies der Fall und die germanische Ideologie spielte hierbei eine wichtige Rolle. Heutzutage werden oft noch Johannisfeuer von Bergsteigern, Trachtenvereinen oder Kolpingfamilien entzündet, wobei uralte Bräuche und Zaubersprüche aber nicht mehr aufgesagt werden.  Hauptsächliches Verbreitungsgebiet ist das bayerische Oberland und das Allgäu.

Das Johanniskraut (Hypericum)

Um das Datum des Johannes herum, steht die Natur in ihrer vollen Blüte. Alles blüht und duftet und die ersten Früchte werden reif. Auch das golbgelb blühende Johanniskraut ist um dieses Datum ausdrucksstark. Früher sammelte man es und hing es in Büscheln vors Haus, um böse Geister und Hexen abzuwehren. Ebenfalls sollte es vor Gewittern schützen. Der violettrote Saft der Blütenknospen wurde als Zaubermittel verwendet. Es fand Anwendung bei Hieb- und Stichwunden, Blutungen und Magenbeschwerden, aber auch bei der Pest und anderen ansteckenden Krankheiten wurde es eingesetzt.  Allgemein wächst es auf feuchten, kalkarmen offenen Böden wie beispielsweise Waldwegen oder Ufern. Es wird untergliedert in niederliegendes-, behaartes-, echtes-, geflecktes-, schönes- und Berg- Johanniskraut und sein Blühbeginn ist auf den 24.6. datiert. Das Kraut wirkt stimmungsaufhellend und das Öl lindert auch heute noch Muskelschmerzen und Verbrennungen.

Die Johannisbeere

Die Früchte der Johannisbeere röten sich um den Johannistag. Ihre Samen werden von Tieren verbreitet, indem sie die Beeren fressen oder mit ihrem Fell weiter tragen. Sie wächst auf nährstoffreichen, kalkhaltigen Böden und hat einen sehr hohen Vitamin-C Gehalt, weshalb sie auch Abwehrkräftesteigernd wirkt.

Literatur

  • Paul Werner, Richilde Werner; Der bayerische Heiligenhimmel, frommer Brauch im Jahreslauf; Verlag Plank, Berchtesgaden; 2003; S. 188-192.
  • Helga Maria Wolf; Das neue Brauchbuch, alte und junge Rituale für Lebensfreude und Lebenshilfe; Österreichischer Kunst- und Kulturverlag; Wien 2000; S. 207-209.
  • Simon Aiblinger; Vom echten bayerischen Leben; BLV Verlagsgesellschaft; München 1975; S.117-118.
  • Karin Büchner; Feste und Bräuche im Jahreskreis, Erzählungen, Gedichte und Legenden zum Kirchenjahr; Pattloch Verlag; Aschaffenburg 1985; S.262-265.
  • Albert Bichler; Wie’s in Bayern der Brauch ist, Feste und Bräuche durchs Jahr und durch das Leben in Altbayern, Franken und Schwaben; Ludwig Verlag; 2003.
  • Rolf Stühmer; Natürliche Heilkräfte; Lingen Verlag; Köln 1989; S. 243,381.
  • Margot Spohn, Dietmar Aichele, Marianne Golte-Bechtle, Roland Spohn; Was blüht denn da?; 58.Auflage;Franckh-Kosmos Verlag; Stuttgart 2008, S. 272, 273, 406.
  • Karl-Heinz Wiedner; Das schöne Allgäu, Die Zeitschrift für Brauchtum, Kultur, Heimatpflege, Freizeit und Umwelt; Johannistag in Scheidegg; Kempten 2010; S. 9-12.
  • German Weh; Rede zum Johannisfeuer; Scheidegg 2010.

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