Altheimer Füllestanz

Termin

Der Altheimer Füllestanz findet am 30.10.2023 statt. Er findet immer am letzten Montag des Oktobers statt.

Einstiegsinformationen

Teilnehmer am Füllsestanz.
Beim Altheimer Füllestanz tanzen junge, ledige Paare in traditioneller bäuerlicher Festtagstracht auf einer Wiese am Ortsrand um in den Boden gehauene Pfähle. Sie werden von einem mit Girlanden aus Buchsbaum und Blüten geschmückten Fohlen (schwäbisch: „Füllen“) begleitet. Die Tradition des Füllestanzes ist in Altheim/Alb mehrere hundert Jahre alt. Sie geht zurück auf den Rossmarkt, den die Gemeinde ab 1786 zur Kirchweih im November abhalten durfte. Im Jahr 1913 wurde der Markt auf seinen heutigen Termin am letzten Montag im Oktober verlegt; in seinem Rahmen findet bis heute der Tanz statt. Er zieht in jedem Jahr über 1000 Zuschauer aus der ganzen Region an und findet immer am letzten Montag im Oktober statt.

Geschichte des Füllestanz

Der Füllestanz im Jahr 2010

„Morgen fängt die Trauer an, weil der Füllestanz vorbei ist und man wieder ein ganzes Jahr lang warten muss“.
Teilnehmer am Füllesstanz.
Mit diesen Worten eines langjährigen Füllestänzers begrüßte Altheims Bürgermeister Andreas Koptisch die Zuschauer beim traditionellen Füllestanz im vergangenen Jahr. Eine Aussage, die zeigt, wie wichtig der Füllestanz für die Gemeinde ist: Der Herbstmarkt mit seinem besonderen Rahmenprogramm hat für das rund 1800 Einwohner zählende Dorf im nördlichen Alb-Donau-Kreis Nationalfeiertagscharakter; der Tanz wird alljährlich von über 1000 Zuschauern aus Altheim/Alb, seinen Nachbarorten und der ganzen Region gespannt verfolgt. Pünktlich um 13.30 Uhr ist Abmarsch am Rathaus in der Ortsmitte. Angeführt von den Altheimer Musikanten und einem edlen Fohlen (schwäbisch: „Füllen“) ziehen junge Paare in traditioneller Altheimer Festtagstracht als Bäuerinnen und Bauern vom Rathaus in der Ortsmitte über den Markt zum Füllestanzplatz vor der Albhalle.
Musiker beim Füllsestanz.
Auf dieser Wiese stecken so viele massive Holzpfähle in einem großen Kreis, wie der Tanz Paare hat. Die Füllestänzer marschieren anschließend zur Musik um die Pfähle, nach einer Ansprache durch den Bürgermeister beginnt der Tanz: Der Musikverein spielt einen Walzer, die Paare tanzen um den Pfahlkreis. In der Mitte des Kreises wird das Fohlen rund um einen Tisch mit Geschenken für das Siegerpaar geführt. Ein Schuss verkündet schließlich die Entscheidung des Tanzes: Die Paare bleiben stehen und die Bauern ziehen auf das Kommando „Hau-ruck“ jenen Pfahl aus dem Boden, dem sie am nächsten stehen. Die Pfähle werden anschließend gen Himmel gehoben – einer von ihnen ist mit einem langen Nagel markiert. Wer ihn besitzt, meldet es mit einem lauten Jubelschrei. Er hat den Tanz gewonnen.

Die Siegerehrung im Jahr 2010

Wer den Pfahl mit dem Nagel erwischt hat, ist der Sieger des Füllestanzes. Der Bursche des Paares wird mit einem Kranz aus Buchs geschmückt, sein Mädchen erhält eine kleine, mit bunten Bändern geschmückte Tanne. Auf den Nagel im Pfahl spießt der Bürgermeister einen Apfel, der vom Paar angebissen wird. Bauer und Bäuerin versuchen dabei, möglichst einen Anbiss in Herzform zu schaffen. Anschließend darf das Paar einen Siegerwalzer in der Mitte des Platzes tanzen, dann bewegt sich der Zug zurück zum Rathaus. Er wird nun vom Siegerpaar angeführt. Auf dem Dorfplatz wird ein letztes Mal getanzt, dann ist das Spektakel für die Öffentlichkeit beendet. Musikanten und Füllestänzer gehen nun ins Wirtshaus, wo traditionell Schweinebraten und Spätzle auf sie warten. Für den Sieger des Füllestanzes wird es nun teuer: Von ihm wird erwartet, dass er seine Kameraden bei der einen oder anderen Runde Hochprozentigem freihält. Im Gegenzug erhält das Siegerpaar einen Gutschein und kleine Geschenke. Heute wie früher findet am Abend ein Markttanz statt. Er wird von der Landjugend organisiert.
Sieger beim Füllsestanz 2010.

Der Füllestanz um 1940

Der Ablauf des Füllestanzes hat sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Früher fanden sich die Teilnehmer am Füllestanz in der losen Kameradschaft der Gleichaltrigen im Dorf, seit den 1950er Jahren kümmert sich die Landjugend um die Organisation des Spektakels. Kurios ist im Zusammenhang mit dem Tanz eine Anekdote, die der ehemalige Altheimer Volksschullehrer Hans Binder in seinem Buch „Ulm und Oberschwaben“ festgehalten hat: So mussten die Füllestänzer nach dem zweiten Weltkrieg auf den Schuss als Signal der Entscheidung beim Tanz verzichten, da Waffengebrauch nun verpönt war. An die Stelle des Böllers rückte deshalb ein Wecker, der zu Beginn des Tanzes aufgezogen und gestellt wurde. Sobald er klingelte, war der Tanz beendet. Ab wann wieder geschossen wurde, ist nicht belegt.

Die Siegerehrung um 1940

In früheren Zeiten war die Teilnahme am Füllestanz für die jungen Dorfbewohner nicht nur aufgrund der Traditionspflege und der feucht-fröhlichen Kameradschaftspflege im Anschluss reizvoll: Damals ging das von wohlhabenden Pferdezüchtern gespendete oder von der Gemeinschaft der Tänzer erworbene Füllen in den Besitz des Siegers über. Ein damals interessanter Aspekt des Tanzes, da der Reichtum eines Bauern zu dieser Zeit anhand der Zahl seiner Pferde bemessen wurde. Als die Pferdezucht an Bedeutung verlor, verschwand auch das Fohlen als Gewinn. Heute kann sich keiner der ehemaligen Füllestänzer an einen Tanz erinnern, bei dem das Füllen den Besitzer wechselte. An die Stelle des lebenden Tieres traten kleinere Geschenke wie eine Tischdecke und Kopftücher für die Bäuerin und ein Hemd für den Bauern. In beiden Fällen musste der Sieger aber in die Tasche greifen: Er spendierte den Kameraden ein Fass Bier und den einen oder anderen Schnaps. „Das gab gewaltige Rechnungen – und gewaltige Räusche“, hält Chronist Thomas Hornberger fest. In der Wirtschaft setzten sich die Tänzer damals zu einem kompletten Hochzeitsessen zusammen, das jeder selbst bezahlen musste. Danach ging man heim und zog sich um. Abends fand dann der Markttanz statt.

Die Teilnehmer

Die Füllestänzer
Die Füllestänzer.
Füllestänzer kann jeder werden, der jung und unverheiratet ist. Eine Altersgrenze gibt es nicht, man muss auch nicht aus einer landwirtschaftlichen Familie stammen. Wichtig ist lediglich, dass ein Teil des Tanzpaares aus Altheim/Alb oder seinen Teilorten kommt. Oft finden sich die Paare nur zum Tanz zusammen und gehen danach wieder getrennte Wege. So manches ehemalige Füllestänzerpaar hat aber auch außerhalb des jährlichen Spektakels zueinander gefunden und später geheiratet. Die Teilnahme am Füllestanz ist für viele Jugendliche und junge Erwachsene in Altheim/Alb Ehrensache: „Ich mache solange mit, bis ich gewinne – und wenn ich dazu 40 Jahre werden muss“, ist ein oft gehörter Ausspruch begeisterter Füllestänzer. Bis heute finden sich alljährlich mindestens 12 junge Paare. Im Rekordjahr 2008 waren sogar 22 Teilnehmerpaare zu verzeichnen. Der Füllesführer Die Aufgabe des Füllesführers, der das Fohlen während des traditionellen Spektakels führt, war noch vor Jahrzehnten eine besondere Auszeichnung. Der Auserwählte putzte „sein“ anvertrautes Füllen für den großen Anlass aufs Beste heraus. Heute wird das Fohlen in der Regel von seinem Züchter oder einer anderen vertrauten Person geführt. Das Füllen beim Füllestanz zu führen ist dennoch keine leichte Aufgabe: Durch die vielen ungewohnten Geräusche und Eindrücke sind die Tiere oft nervös, sie bocken und tänzeln. Ein fester Griff des Führers ist hier unerlässlich. Unfälle sind dennoch keine belegt. Das Füllen
Das Füllen beim Füllsestanz.
Das Füllen zum Tanz stammt im Normalfall aus einer Zucht der Gemeinde. Zum Füllestanz sind die Tiere in der Regel knapp ein halbes Jahr alt. Sie werden für den besonderen Anlass mit Girlanden aus Buchs und farbenfrohen Blüten geschmückt und besonders herausgeputzt. Bis zum Ende der 1940er Jahre bestand die Girlande des Füllens aus Fichtenreisig. Weil sich die Tiere aber aufgrund der stacheligen Nadeln gar so aufregten, stieg man auf Buchszweige um.

Die Tracht

Die Tracht der Bäuerinnen Die Teilnehmerinnen des Tanzes tragen zur Feier des Tages traditionelle bäuerliche Sonntagstracht mit schwarzen, dezent geblümten Oberteilen aus Samt und dunklen Röcken. Dazu werden eine weiße Bluse mit Hemdsärmeln und eine weiße Schürze, oft durch Spitzen verziert, getragen. Die Tracht der Bauern Die Burschen tragen ebenfalls ein weißes Hemd, dazu eine rote Weste, schwarze Stiefelhosen und schwarze Lederstiefel. Der Füllesführer Der Füllesführer trägt das typische Blauhemd aus der Alltagstracht der schwäbischen Bauern, dazu ein rotes Sacktuch um den Hals und einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf.
Der Füllesführer.
Die Musikanten Auch die Musikanten tragen die bäuerliche Alltagstracht aus Blauhemd und rotem Sacktuch.

Hintergrund-Infos

Zur Brauchgeschichte

Die Altheimer Märkte Ihre beiden Krämermärkte hatten für die Gemeinde Altheim/Alb seit jeher eine besondere Bedeutung: Der Lichtmessmarkt zu Mariä Lichtmess im Februar und der Herbstmarkt am letzten Montag im Oktober sind die Feiertage der Altheimer, die im Scherz auch gerne als „Nationalfeiertage“ bezeichnet werden. Zu beiden Märkten kommen stets auch zahlreiche Besucher aus den Nachbarorten. Die Termine für die Altheimer Märkte wurden einst wohl mit Bedacht gewählt: Man wollte, dass auch die Bauern Zeit hatten, sie zu besuchen – und setzte sie nach Abschluss der Herbstbestellung und vor Beginn der Frühjahresarbeit an. Am Herbstmarkt bot sich die Gelegenheit, nach Wochen harter Arbeit auf dem Feld ein fröhliches Fest zu feiern, zu Lichtmess suchten die Dienstboten nach einer neuen Anstellung für das kommende bäuerliche Jahr. Das gemeinsame Feiern als eine Seite der Märkte hat seine Bedeutung bis heute nicht verloren und erhielt ihre wichtige Stellung im dörflichen Leben trotz der zurückgehenden wirtschaftlichen Bedeutung. Im Zusammenhang mit dem Herbstmarkt war dies wohl auch Voraussetzung für den Erhalt des Füllestanzes, der noch vor wenigen Jahrzehnten auf der Heidenheimer und Ulmer Alb weit verbreitet war. Da er von den Behörden allerdings als Glücksspiel, vergleichbar mit dem Roulette in Spielbanken, angesehen wurde, wurde er vielerorts energisch verboten. In Altheim/Alb scheint man dies nicht so eng gesehen zu haben: Hier ist der Tanz bis heute erhalten. Geschichte der Altheimer Märkte 1786 war für die Gemeinde Altheim/Alb ein wichtiges Jahr: Das Dorf auf der schwäbischen Alb erhielt von der Reichsstadt Ulm das Marktrecht. Diese Verleihung ist in einem Ratsprotokoll vom 22. September 1786 dokumentiert: „Auf die abgehörte Ober Amts Langenauische und Amt Weidenstettensche Bericht Schreiben hat man der Gemeinde Altheim die gnädige Erlaubnis erteilt, jederweilen auf den 1ten November einen Crämer-, auch Roß-, Vieh-, Flachß- und Garn Markt, auch an Lichtmess einig einen Crämer-, Flachs- und Garn Markt abhalten zu dürfen“. Für Altheim/Alb bedeutete dies eine große Ehre und eine Festigung als Wirtschaftsstandort in der damaligen Zeit: Keine der Umlandgemeinden hatte das Marktrecht inne. Als Rahmenprogramm des Rossmarktes wurde bald der Füllestanz eingeführt. Ein genaues Anfangsjahr ist nicht dokumentiert, in sämtlichen Schriften ist von einem „alten Brauch“ die Rede. Fest steht jedoch, dass das bunte Spektakel sich einer großen Beliebtheit in der Bevölkerung erfreute: Auch als die Pferdezucht für die Bauern der Altheimer Ebene an Bedeutung verlor und der Viehhandel insgesamt einen Abschwung erfuhr, bestand der Füllestanz weiter. Am 21. Dezember 1951 verzichtete der Gemeinderat den Marktakten des Landratsamtes Ulm zufolge auf eine weitere Abhaltung von Viehmärkten, wenig später hörte auch der Flachs- und Garnmarkt auf zu bestehen. Von den ehemals so vielseitigen Altheimer Jahrmärkten hat zu beiden Terminen nur die Form des Krämermarkts die Jahrhunderte überdauert - und mit ihm der Füllestanz beim Herbstmarkt.

Varianten

Der Füllestanz in anderen Gemeinden

Früher war der Füllestanz weit verbreitet. Der Chronist Thomas Hornberger nennt im Kreis Heidenheim die Gemeinden Dettingen, Gerstetten und Gussenstadt und im Kreis Ulm Neenstetten und Altheim/Alb als Orte mit Füllestanzüberlieferungen. Im Allgemeinen wurde der Füllestanz an der Kirchweih getanzt. In den beiden Marktorten Altheim/Alb und Gerstetten fand er dagegen am Tag des Rossmarktes statt.

Variationen des Füllestanzes

Die Geschichte kennt den Tanz junger Paare nicht nur als Füllestanz. Auch Hammel- und Hahnentänze sind den Chronisten bekannt und waren um 1900 sehr verbreitet. Das Königliche Statistische Landesamt dokumentiert in seiner Beschreibung des Oberamtes Ulm im Jahr 1897 daher auch den Hammeltanz als „bestehenden alten Brauch“ in den Gemeinden Bernstadt und Öllingen, zwei Orten unweit von Altheim/Alb: „Die Burschen holen dazu ihre Mädchen ab und begeben sich auf eine Wiese oder Rasenplatz außerhalb oder innerhalb des Dorfes, wo in weitem Kreise so viele Pfähle geschlagen werden, als es tanzende Paare sind. Einer von diesen Pfählen hat unterhalb im Boden einen messingnen Nagel, welcher, das ist den Tanzenden unbekannt. Der Hammel wird mit einem seidenen Tüchlein auf dem Rücken und mit Bändern geziert in den Kreis geführt und nun tanzen die Paare im Kreis herum, bis auf ein durch Schuss gegebenes Zeichen die Musik schweigt. Jedes Paar bleibt nun stehen und stellt sich an dem Pfahl auf, vor welchem es Halt gemacht hat. Die Pfähle werden herausgezogen und Sieger ist derjenige, welcher den Pfahl mit dem Nagel hat. Er bekommt den Hammel oder seinen Geldwert und seine Tänzerin das seidene Tüchlein. Von da geht es ins Wirtshaus, wo wieder getanzt und auf Kosten des Siegers gezecht wird, den meistens sein Sieg teuer zu stehen kommt“. Der Ablauf dieser Veranstaltung ist dem Füllestanz sehr ähnlich. Einzig das zu gewinnende Tier ist ein anderes.

Belege, Literatur

  • Binder, Hans (1962): Ulm und Oberschwaben. Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben, Band 36. Gemeindearchiv Altheim/Alb.
  • Grupp, Franz (1976): Aus der Geschichte Altheims. Festschrift 750 Jahre Altheim. Im Besitz der Autorin.<br/>Königliches Statistisches Landesamt (Herausgeber) (1897): Beschreibung des Oberamts Ulm. Stuttgart: Kommissionsverlag von W. Kohlhammer.
  • Sauter, Eugen (1995): Schwäbisches Dorfleben in den 50er Jahren. Gudensberg-Gleichen: Wartberg Verlag.
  • Staatliche Archivverwaltung Baden-Württemberg in Verbindung mit der Stadt Ulm und dem Landkreis Ulm (Herausgeber) (1972): Amtliche Kreisbeschreibung, allgemeiner Teil. Ulm: Süddeutsche Verlagsgesellschaft mbH

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