Adventskalender in Hilpoltstein

Termin

Der Brauch findet an den vier Sonntagen vor Weihnachten statt. Der nächste Brauchtermin ist vom 03.12. bis zum 24.12.2023.

Einstiegsinformationen

Untersucht wurde der Brauch des Adventskalenders bei Privatpersonen, darunter eine 22-jährige Studentin und eine vierköpfige Familie(Vater, Mutter, Tochter und Sohn im Alter von 18 bis 51 Jahren), in Hilpoltstein (Landkreis Roth, Mittelfranken). Bei dem Brauch des Adventskalenders wird ab dem ersten Dezember bis zum 24. Dezember jeden Tag ein Türchen des Kalenders geöffnet. Dieser kann beispielsweise Süßigkeiten, Tee, kleine Bildchen, Gedichte sowie auch andere materielle und immaterielle Dinge enthalten.

Ablauf

Die empirische Dokumentation fand im Dezember des Jahres 2012 in Hilpoltstein statt. Folgende Befunde sind anhand eines Interviews mit einer Studentin (*1990) erhoben worden. Die Studentin bekam ihren Adventskalender von einer Freundin zum Geburtstag geschenkt, welche ihn zufällig bei einem Einkaufsbummel in einem Kunstladen entdeckte. Ihrerseits verschenkte die Gewährsperson allerdings keinen Adventskalender. In der Regel wurde der Kalender unter der Woche erst abends, aufgrund von morgendlichem Zeit- und Lustmangel geöffnet. Am Wochenende hingegen fand das Öffnen morgens statt. Der Inhalt wurde immer sofort verzehrt. Da es sich bei dem Adventskalender der Gewährsperson um einen „Wegwerfkalender“ handelte, warf die Studentin selbigen bereits am 24. Dezember 2012 nach dem Öffnen weg.

Akteure

Die Gewährsperson (*1990) ist weiblich und eine Studentin, die mit ihrer Mutter (geschieden) und ihren zwei Brüdern im gleichen Haus wohnt. Dies wird vor allem durch ein gutes Familienverhältnis ermöglicht. Die gute Freundin (*1990) der Studentin schenkte ihr den Adventskalender, den sie zufällig in einem Kunstladen entdeckte, zum Geburtstag. Sie fand ihn ziemlich witzig und verschenkte diesen daher auch einfach als „Gag“. Die beiden Freundinnen haben ein sehr gutes freundschaftliches Verhältnis und kennen sich etwa seit 2005 durch die Schule. Sie sind unter anderem in eine Cliquengemeinschaft eingebunden, was derart persönliche und lustige Geschenke ermöglicht. Anzumerken sei hier, dass der Kalender auch eine Art Insidergag ist, da einige Cliquenmitglieder regelmäßig Tabletten nehmen müssen. Unter ihnen ist beispielsweise eine weitere Studentin, die heftig Heuschnupfen hat und schon sehr früh im Jahr täglich Allergietabletten benötigt.

Veranstaltungsort

Adventskalender in Form eines Engelbilds.
Der Adventskalender der Studentin lag auf einem Regal im Schlafzimmer der Gewährsperson, denn es handelte sich um einen Schokodrops-Kalender, der nicht aufhängbar war. Gestaltet war er in Pillen- bzw. Medikamentenform und auf der Rückseite befand sich ein Engelbild.
Schokodrops-Adventskalender.

Brauchverständnis

Für die Gewährsperson bedeutet ein Adventskalender Nostalgie, denn schon als Kind bekam sie immer einen geschenkt. Das Öffnen ist für die Studentin ein Moment der Entspannung und Ruhe, sozusagen ein kurzes Innehalten und Loslösen vom stressigen Alltag. Dieses Jahr wollte die Gewährsperson eigentlich einen Tee-Adventskalender, den sie immer von ihrer Mutter geschenkt bekommt, da diese im Jahr 2012 allerdings sehr viel Stress hatte und es einen solchen Kalender nur in einer größeren Stadt zu kaufen gab, bekam die Studentin dieses Jahr keinen Adventskalender von ihrer Mutter. Es war eigentlich ein Zufall, ihr die Freundin einen schenkte. Sich selbst würde die Gewährsperson keinen Adventskalender kaufen, da er ihr doch nicht so wichtig sei. Daraus lässt sich auch vermuten, dass für sie der Akt des Schenkens, beziehungsweise des Geschenkt-Bekommens untrennbar mit dem Kalender verbunden ist. Erst dadurch gewinnt er an Bedeutung.

Teilnehmende Beobachtung und Interviews Familie

Jahr und Umstände

Die zweite empirische Dokumentation wurde im Dezember 2012 in Hilpoltstein bei einer vier-köpfigen Familie (im Alter zwischen 18 und 51), mittels teilnehmender Beobachtung und Einzelinterviews durchgeführt.

Ablauf

In der Familie erhielten sowohl Sohn, als auch Tochter jeder einen eigenen, selbst gefüllten Adventskalender, für die die Mutter bereits eine Woche im Voraus die Sachen kaufte. Am Morgen des 01.12.2012 wurden beide Kalender von ihr gefüllt und aufgehängt. Auch Vater und Mutter bekamen einen gemeinsamen, ebenfalls selbst gefüllten Adventskalender von ihren Kindern geschenkt. Die Tochter besorgte die Süßigkeiten, für die der Sohn Geld beisteuerte, am 30.11.2012 und hing am selben Abend den gefüllten Kalender im Schlafzimmer der Eltern auf. Dieser wurde immer morgens nach dem Aufstehen von der Mutter geöffnet. Sie legte den Inhalt für den Vater auf den Tisch, ihren aß sie in der Regel gleich, der Vater hingegen wartete bis abends nach der Arbeit. Während die Tochter ihren Kalender nach dem Aufstehen und hinunter gehen (sie wohnt im 1. Stock) öffnete, tat dies der Sohn erst nachdem er von der Schule nach Hause gekommen war. Dabei war es ganz unterschiedlich wann Tochter und Sohn die Inhalte aßen, eine Regelmäßigkeit lässt sich hier nicht erkennen. Abgehängt wurden die drei Adventskalender von der Mutter am 09.01.2012, im Zuge der allgemeinen Abdekoration des ganzen Hauses.

Die Familie

Der Vater (*1961) ist studierter Diplomingenieur, die Mutter (*1962) hat Bankkaufrau gelernt, ist aber derzeit nur als Familienmanagerin tätig, die Tochter (*1990) studiert und der Sohn (*1994) geht auf ein Gymnasium. Unter den Familienmitgliedern herrschen ein gutes freundschaftliches Verhältnis und eine enge Familienbindung. Die Eltern sind seit 1987 verheiratet, die Kinder bezeichnen sich untereinander auch als Freunde. Alle wohnen gemeinsam in einem Haus, die beiden Kinder haben aber jeder sein eigenes Reich. Vater und Mutter machen ihren Kindern gerne eine Freude, obwohl sie sie auch schon als Erwachsene ansehen. Nach eigenen Aussagen bleiben sie dennoch ihr Kinder, selbst im „hohen Alter“. Tochter und Sohn hingegen wollten ihren Eltern gerne etwas zurückgeben, denn sie haben jahrelang einen Adventskalender bekommen und möchten nun ihrerseits den Eltern „etwas Gutes tun“.

Veranstaltungsort

Stoffadventskalender im Treppenaufgang.
Der Adventskalender der Eltern hing im Flur im Eingangsbereich. Die Tochter hatte ihn vorher an die Schlafzimmertür der Eltern gehängt, da er aber auch als Deko-Element fungieren sollte, hing ihn die Mutter um. Der Kalender der Tochter hing am Treppenaufgang zum 1. Stock, da sich ihr Zimmer im 1. Stock befindet. Das Zimmer des Sohnes hingegen ist im Parterre, weshalb sein Adventskalender am Treppenabgang hing. Bei dem Adventskalender der Eltern handelt es sich um einen Stoffadventskalender mit kleinen Taschen und Säckchen zum selbst füllen. Weihnachtsmann, Schneemann und ein Teddybär sind aufgenäht. Dieser Kalender befindet sich seit 2010 im Besitz der Familie und wurde von der Tochter und dem Sohn gemeinsam gekauft. Gefüllt wurde er im Jahre 2012 mit diversen Arten von Schokopralinen. Tochter und Sohn haben beide den gleichen Adventskalender. Dieser besteht aus Stoffstiefeln, die gefüllt werden können. Seit etwa 2000 besitzt die Familie diese beiden Kalender und im Jahr 2012 befanden sich darin Schokolade, Kaugummi und Fruchtgummi.

Brauchverständnis

Stoffadventskalender.
Der Vater verbindet Adventskalender mit der Weihnachtszeit. Heute hat ein solcher Kalender aber keine besondere Bedeutung mehr für ihn. Für die Mutter hat der Adventskalender heute vor allem nostalgischen Wert. Er erinnert sie an ihre Kindheit und ist laut eigenen Aussagen einfach eine „schöne Tradition“. Aber der Kalender fungiert auch als Dekoration. Die Tochter verbindet den Adventskalender mit der Weihnachtszeit. Er dient zur Einstimmung und gehört mittlerweile „einfach dazu“. Es wird schon erwartet, dass man sich gegenseitig einen Adventskalender schenkt. Wichtiger für die Tochter sind aber vor allem die Geste und der emotionale Wert, den ein solcher Kalender hat. Für den Sohn ist es Tradition einen Adventskalender zu haben und zwar „weil wir das immer so gemacht haben“. Er gehört einfach zu Weihnachten dazu. Auch für ihn ist es selbstverständlich einen Adventskalender zu bekommen und seinerseits einen zu verschenken. Für alle Familienmitglieder ist ein selbst gefüllter Kalender schöner als ein gekaufter, denn er zeige, dass man sich Gedanken und Mühe gemacht habe.

Hintergrund-Infos

Eine lokale Spezifik in Hilpoltstein bei Privatpersonen lässt sich nicht ausmachen, aber im öffentlichen Raum wird jeden Tag ein Fenster vom Gebäude des Amtes für Kultur und Tourismus weihnachtlich geschmückt. Zudem schmückt täglich eine andere Familie ein privates Fenster und lädt die Öffentlichkeit zu einer kleinen Feier ein.

Studentin

Die studentische Gewährsperson hat seit ihrer frühen Kindheit bis auf wenige Ausnahmen jedes Jahr einen Adventskalender (vor allem Tee-Adventskalender). Hatte sie einmal keinen Kalender zum selbst öffnen, bekam sie von ihrer Mutter jeden Tag eine Kleinigkeit (Süßigkeiten, Tee, etc.) persönlich übergeben. Als Kind hatte die Studentin häufig einen Kalender, der nicht mit Schokolade gefüllt war sondern aus 24 Glitzerbildern bestand. Dieser war für sie sogar schöner als ein „klassischer“ Schokoladenadventskalender.

Familie

Im Kindesalter hatte der Vater auch schon einen Adventskalender. Das genaue Alter weiß er aber nicht mehr. Für ihn bedeutete dieser Schokoladenadventskalender damals vor allem ungeduldiges Warten auf Heiligabend. Als Jugendlicher erhielt der Vater allerdings keinen mehr. Die Mutter bekommt, seit sie sich erinnert, jedes Jahr bis heute einen Adventskalender (sie vermutet seit sie vier oder fünf war). Es gab von ihren Eltern immer einen gekauften Schokoladenadventskalender, selbst basteln machte man nach eigener Aussage zu dieser Zeit eher nicht. Als Kind diente der Adventskalender zur Verkürzung der Wartezeit während sie auf das Christkind wartete. Auch nachdem die Mutter zuhause ausgezogen war, erhielt sie noch jedes Jahr einen Schokoladenadventskalender von ihren Eltern, später übernahmen das jedoch ihre beiden Kinder (etwa seit 2008 und vorher unregelmäßig). Tochter und Sohn bekommen seit sie sich erinnern können jedes Jahr einen Adventskalender (nach Aussage der Mutter etwa seit sie drei Jahre alt waren). Bis zum Jahr 2000 gab es immer einen von der Mutter selbst gebastelten Kalender, der jedes Jahr anders aussah. Danach bekamen die Kinder dann den Kalender zum selbst füllen. Selten gab es einen Schokoladenadventskalender aus dem Handel, doch wenn es einen solchen Kalender gab, erhielten Tochter und Sohn jeden Sonntag etwas Größeres, wie beispielsweise einen Kinobesuch. Für sie diente der Adventskalender zur Verkürzung der Wartezeit, denn so konnte man abzählen „wie oft man noch schlafen musste“ bis das Christkind kam.

Allgemeine Entwicklungsgeschichte des Adventskalenders

Vorformen

Der Adventskalender ist erst ein relativ junger Brauch. Zunächst stellt sich die Frage was man als einen Adventskalender bezeichnen kann. Dazu hat Esther Gajek einige Hinweise gegeben. So muss ein Adventskalender vor allem zwei Kriterien erfüllen: erstens gilt er als „Zeitmesser für die Tage im Advent“ und zum Zweiten findet der Adventskalender seinen Höhepunkt an Heiligabend. Dazu können auch noch weitere Aspekte kommen, wie Religiosität oder ein pädagogischer Wert. Demnach kann man gewisse Vorformen (um ca. 1850) der heutigen Adventskalender erkennen. Im katholischen Bereich dienten zum Beispiel tägliche Bibeltexte in der Messe zur Vorbereitung auf die Ankunft Jesu. Die Protestanten hingegen hielten in privaten Raum tägliche Andachten mit liturgischem Charakter. Da aber schon im 19. Jahrhundert die Profanisierung von statten gegangen war, gab es auch im privaten Raum Vorformen des Adventskalenders. Diese hatten unterschiedliche Formen, wie beispielsweise Strich- und Abreißkalender, Kerzen, die jeden Tag ein Stück weiter abgebrannt wurden, oder auch Adventsuhren. All dies geschah zum Sichtbarmachen der Zeit, speziell für Kinder. Die ersten Belege für diese Vorformen des Adventskalenders stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Gedruckte Adventskalender Der erste gedruckte Adventskalender wurde im Jahr 1908 von Gerhard Lang bei der „Reichhold & Lang, lithographische Kunstanstalt GmbH“ in München veröffentlicht. Mit der Zeit wurde das Sortiment kontinuierlich ausgeweitet und seinen Höhepunkt hatte die Produktion zwischen 1926 und 1936. Im Laufe der Zeit wurden die Kalender mit verschiedenen Motiven und Themen gestaltet. Auch bekannte Künstler illustrierten die Adventskalender. Beispielsweise war Richard Ernst Kepler (1851 - um 1930) für die Reihe „Im Land des Christkinds“ als Illustrator verantwortlich. Ebenfalls zu den Künstlern zählte Josef Mauder. Ein Motiv war zum Beispiel „Die Krippe“, ein Kalender zum Abreißen und Aufkleben. „Christleins Festzug“ hingegen war ein Kalender mit sogenannten Ziehfiguren (man zog an einer Lasche und eine Figur kam zum Vorschein). Weitere Motive und Formen sind nachzulesen bei Esther Gajek (Adventskalender. München 1988, ab S. 39). Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Ausbreitung des Adventskalenders für einige Jahre unterbrochen. Dies geschah zum einen aufgrund der strikten Papierkontingentierung, zum anderen war es seit den 1940er Jahren verboten Bildkalender zu drucken. Eine Ausnahme bildete der Franz-Eher-Verlag. 1942 veröffentlichte dieser einen gedruckten Adventskalender. Motive und Texte (aber auch das gesamte Weihnachtsfest) dienten dabei zur Vermittlung der Ideologie, zur Verbreitung von nationalsozialistischen Thesen, sowie zu Propagandazwecken.

 Adventskalender heute

1949 begann der „Ars Sacra Verlag“ von Josef Müller Adventskalender mit religiösen Motiven zu drucken. Ab ca. 1981 wurde der Verlag in „ars edition“ (unter Marcel Nauer) umbenannt. Von nun an waren profane Motive im Vordergrund. Zu erwähnen sei auch Adolf Korsch mit dem „Korsch-Verlag“, der zwischen 1951 und 1988 über 300 Adventskalender mit unterschiedlichen Motiven druckte. Er war es auch, der Motive von Walt Disney abdruckte. Heute findet man Adventskalendern in unzähligen Motiven und Formen: Schokoladenadventskalendern mit Disneymotiven, Teekalender, Adventskalender mit Legofiguren, Star Wars Motive, Bier- und Wurstadventskalender, etc. aber auch selbst gebastelte. Eine intensive, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den heutigen Ausprägungen steht noch aus.

Belege, Literatur

  • Bindheim, Stefan: Adventskalender - gestern und heute. In: Spielmittel. Die Zeitschrift für Information, Beratung, Diskussion 5 (1985), S. 48-53.
  • Galler, Werner:''' Adventskalender. In: Weihnachten in Niederösterreich. St. Pölten, Wien 1977, S. 5f.
  • Gajek, Esther: Adventskalender: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 1988
  • Gajek, Esther:''' Adventskalender von „Rheinhold & Lang, Lithographische Kunstanstalt G.m.b.H., München“. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1986/87, S. 33-54.Gockerell, Nina und Jaacka, Gisela: Der Adventskalender. In: Weihnachtliche Bräuche in Hamburg und Norddeutschland, in München und Oberbayern. München 1985, S. 16-25.
  • Leonhardt, Henrike: .".. doch jeden Tag nur eins". Adventskalender als Zeitmesser. Sendung des Bayerischen Rundfunks 2004.
  • Mergenthaler, Markus (Hg.): Adventskalender im Wandel der Zeit. Separate Sonderausstellung des Knauf-Museums Iphofen. Dettelbach 2007.

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