Studentenverbindung

Einstiegsinformation

Vor dem Eintritt in eine Studentenverbindung gilt der Bewerber als „Spefuchs“ oder „Fink“. Nach dem Beitritt muss er als „Fuchs“ eine etwa zweisemestrige Probezeit hinter sich bringen. In dieser Fuchszeit soll der Student an das Leben in der Verbindung mit seinen Traditionen, Pflichten und Ritualen herangeführt werden. Besteht der Fuchs die Probezeit, wird er „geburscht“ und gilt als Vollmitglied in seiner Korporation. Er muss nun als Aktiver das Verbindungsleben mitgestalten und durch das Bekleiden von Ämtern den Betrieb aufrechterhalten. In schlagenden Verbindungen beginnt für den Burschen die Zeit, in der er seine Mensuren fechten muss. Nach dem Engagement in der Aktivenphase beginnt für den Verbindungsstudenten die Inaktivenzeit. Er kann sich jetzt auf sein Studium konzentrieren und muss keine Aufgaben und Ämter im Verbindungsbetrieb mehr ausüben. Bei erfolgreicher Beendigung des Studiums wird man unabhängig vom Lebensalter „Alter Herr“. Diese nehmen nur noch zu bestimmten Anlässen am Verbindungsleben teil, sorgen aber für die finanzielle Unterstützung der Füchse und Burschen.

Verbindungsformen

Seit dem 19. Jahrhundert haben sich viele verschiedene Formen von studentischen Verbindungen gebildet. Sie unterscheiden sich in ihren Bräuchen, Motiven, Prinzipien und ihrer jeweiligen Geschichte. Man kann zwischen den sieben häufigsten unterscheiden:

  • Corps
Höchste Prinzipien sind Toleranz und Freundschaft
  • Burschenschaften
Bekenntnis zur Urburschenschaft von 1815
  • Christliche Studentenverbindungen
Religiöse Aspekte stehen im Vordergrund
  • Landsmannschaften
Ausrichtung nach Herkunftsregionen
  • Jagdverbindungen
Jagdbräuche werden neben dem studentischen Brauchtum ausgelebt
  • Turnerschaft
Sportliche Ausrichtung
  • Musische Verbindungen
Musik als Basis der Gemeinschaft

Studentische Bräuche

Studentenverbindungen sehen es als ihre große Aufgabe, die Traditionen und Bräuche ihrer Vorgänger zu pflegen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich neben den bekannten Gebräuchen wie der Mensur eine ganze Reihe von besonderen Traditionen angesammelt, die fast ausschließlich von Studenten in Korporationen getragen werden.

Coleur

Coleur bezeichnet die Gesamtheit aller Identitätssymbole farbentragender Verbindungen. Durch die bestimmte Farbwahl bei Kleidung und Accessoires stellen die Studenten ihre Mitgliedschaft und Identität zur Schau. Wichtigste Merkmale sind dabei die Mütze und das Band. Im Gegensatz zur „Vollwichs“ (Ausgehuniform) werden sie bei allen „normalen“ offiziellen Anlässen getragen. Die Vollwichs wird wie eine Galauniform nur zu besonderen Anlässen ausgeführt. Die Kombination der Coleurfarben weist meist auf die Zugehörigkeit des Trägers zu einer Verbindung und zu einem bestimmten Universitätsort hin. Die bekanntesten Coleur, Schwarz-Rot-Gold, stammen von dem Dachverband der Urburschenschaft von 1815.

Kneipe

Die Kneipe ist eine traditionelle Studentenfeier. Nach bestimmten Regeln, dem Kneip-Comment, singen und trinken die Verbindungsstudenten. Die Teilnehmer tragen dabei ihre Coleur und nehmen in einer bestimmten Sitzordnung Platz. Meist teilt sich die Kneipe in einen offiziellen Teil und einen inoffiziellen Teil. Im Offiziellen werden Begrüßungen und Reden gehalten und feierliche Lieder mit Bedeutung gesungen. Im inoffiziellen Teil gelten weniger starre Regeln und die Gemütlichkeit rückt in den Vordergrund.

Bierjunge

Ein beliebtes Trinkritual in Verbindungen ist der Bierjunge, der als Parodie auf die Mensur entstanden ist. Beim Bierjungen trinken die Kontrahenten eine vorher festgelegte Menge an Bier um die Wette. Sieger ist, wer sein leeres Glas als erster senkrecht auf den Tisch stellt. Die Herausforderung zu einem Bierjungen darf in vielen Korporationen nicht abgelehnt werden. Die Aufforderung „Bierjunge“ wird mit der Erwiederung „hängt“ angenommen.

Hintergrund-Infos

Frühe studentische Zusammenschlüsse gab es schon im 12. Jahrhundert, als sich an den ersten Universitäten Wohngemeinschaften, so genannte „Bursen“, und Gemeinschaften von Landsleuten, die „Nationes“, bildeten. Diese Gemeinschaften waren offizielle Bestandteile der Universitäten, bis sich ab dem 15. Jahrhundert erste Landsmannschaften bildeten. Landsmannschaften rekrutierten ihre Mitglieder wie die Nationes nach regionaler Herkunft, waren allerdings privat organisiert. Sie dominierten bis ins 18. Jahrhundert das Studentenleben in den Universitätsstädten, wurden dann allerdings nach und nach von „Orden“ abgelöst. Die Orden waren eine engere Form von studentischen Zusammenschlüssen, waren weniger in der Öffentlichkeit aktiv. Sie führten strenge Regeln in ihre Gemeinschaften ein, wobei sie sich die Logen der Freimaurer als Vorbilder nahmen. Des Weiteren führten sie das Lebensbundprinzip und den freiwilligen Beitritt ein. Obwohl die Orden gänzlich unpolitisch motiviert waren, wurden sie 1793 verboten.

Die heutigen Verbindungen entstanden gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Um 1800 wurden die ersten Corps gegründet. Sie waren die Vorläufer der heutigen Verbindungen und übernahmen Strukturen und Elemente aus den ehemaligen Orden und Nationes. Eines der Hauptziele der Corps bestand in der Eindämmung rauer Umgangsformen an den Universitäten. Auch führten sie demokratische Strukturen in ihre Gremien ein und versuchten, nicht nur das universitäre Leben zu beeinflussen, sondern auch das in den deutschen Einzelstaaten.

In den Corps entwickelten sich bald politische Strömungen, welche die Abschaffung der landsmannschaftlichen Aufteilung zu Gunsten einer einheitlichen deutschen Burschenschaft forderten. Der Ruf nach Einheitlichkeit entsprach ihrem politischen Eintreten gegen die Kleinstaaterei im damaligen Deutschland. Das Einheitsstreben fand Ausdruck im Wartburgfest. Schon im Jahre 1819 verbot der Deutsche Bund im Zuge der Karlsbader Beschlüsse die nationalen studentischen Gemeinschaften.

Die Karlsbader Beschlüsse galten bis 1848, wurden allerdings nicht überall gleich streng befolgt und ausgelegt. Nach den Revolutionen von 1848 erhielten die studentischen Verbindungen großen Auftrieb und entwickelten neue Formen der Zusammenschlüsse, wie z.B. die christlichen Verbindungen. Die studentische Lebensart mit ihren eigenen Bräuchen und Sitten wurde salonfähig und durch die ehemaligen Verbindungsmitglieder (alten Herren) in das Bürgertum hineingetragen. Auch die Bestimmungsmensur, an Stelle des Fechtduells um Ehre, wurde in dieser Zeit von den Verbindungen eingeführt.

Im Deutschen Kaiserreich gab es bald auch in den Verbindungen verstärkt nationale und frühe antisemitische Strömungen. Dies führte zur Gründung von eigenen jüdischen Corps. Durch die schrittweise Zulassung von Frauen am Hochschulstudium um die Jahrhundertwende, wurde das Verbindungsspektrum auch um Frauenverbände erweitert.

Nachdem das Studentenwesen durch den Ersten Weltkrieg fast vollständig zum Erliegen kam, fanden die konservativen, republikfeindlichen Verbindungen in der Weimarer Republik erneut begeisterte Mitglieder. In den 1920er Jahren begannen viele Burschenschaften Juden auszugrenzen. Die Nationalsozialisten integrierten die organisierten Studenten schnell in ihr System. Dies verlief allerdings nicht reibungslos. Bis 1936 waren so gut wie alle Studentenverbindungen aufgelöst und durch Kameradschaften ersetzt.

Erst um 1950 wurde das Korporationsleben in Deutschland und Österreich wieder belebt. In der DDR waren die Verbindungen gänzlich verboten, konnten aber teilweise unter Deckmänteln, wie zum Beispiel Fechtvereinen, weiterbestehen. Seit den politischen Studentenbewegungen in den 1960er Jahren haben die Korporationen in Westdeutschland einen schweren Stand. Sie stehen für Konservatismus, übertriebenen Traditionserhalt und Nationalismus. Durch diese Konnotationen ging die Zahl der Mitglieder stark zurück und der Ruf der Studentenverbindungen ist teilweise bis heute geschädigt.

Literatur

  • Krause, Peter: „O alte Burschenherrlichkeit“. Studenten und ihr Brauchtum. Graz 1979.
  • Böcher, Otto: Kleines Lexikon des studentischen Brauchtums. Hannover 2001.
  • Golücke, Friedhelm: Studentenwörterbuch. Das akademische Leben von A bis Z. Graz 1987.