Ratsche

Termin

Zeichnung einer Fahnenratsche.

Dieser Brauch findet am 07. April 2023 statt.

Einstiegsinformation

Die Ratsche ist ein hölzernes Instrument, mit dem ein knarrendes, rumpelndes, klopfendes oder klapperndes Geräusch erzeugt wird. Zum Einsatz kommen solche Ratschen beim Karfreitagsratschen. Hier werden Ratschen aus Unterfranken beschrieben. Andere Namen der Ratsche sind Rumpel, Rassel, Klapperkasten.

Ablauf

Im katholischen Pfarrgemeinden Unterfrankens kommen oft Kastenratschen zum Einsatz. Auf den folgenden Bildern sind eine bereits drei Mal vererbte Ratsche aus Hopferstadt und eine neu gebaute Ratsche aus Hohestadt zu sehen. Sie kommen dort am Karfreitag und am Karsamstag vor dem Osterfest zum Einsatz. Die Kirchenglocken schweigen an diesen Tagen. Stattdessen machen die Kinder mit den Ratschen Krach und tragen dazwischen Sprechverse vor. Zettel mit solchen Versen wurden am Kasten der Ratsche aus Hopferstadt aufgeklebt. In der Regel werden die Verse aber auswendig vorgetragen.

Hintergrund-Infos

Bauarten

Es gibt verschiedene Arten von Ratschen. Man unterscheidet grob zwei Typen von Ratschen: auf der einen Seite die Fahnenratschen und auf der anderen die Brett-, Kasten- und Karrenratschen. Bei den Brett- und Kastenratschen wird die bewegliche Welle in einem festsitzenden Rahmen von Hand mit einer Kurbel gedreht. Die Welle der Karrenratschen dreht sich, indem die Ratsche am Boden gefahren wird wie ein Karren. Die Fahnenratschen haben eine festsitzende Welle und einen beweglichen Rahmen. Sie werden wie eine Fahne am Holzstil gehalten und im Kreis geschwenkt.

Funktion der Kastenratsche

Foto einer Kastenratsche aus Hopferstadt.

Eine Walze mit unterschiedlich langen Noppen setzt Holzlamellen mit Hammerköpfen in Bewegung, die mit einem Ende an einem Klangkörper (zum Beispiel einem Kasten) befestigt sind. Die Hämmer werden beim Drehen der Walze nach oben gedrückt, die Lamellen geraten unter Spannung und federn dann zurück. Der Hammerkopf knallt auf den Resonanzboden (Kasten). Dies erzeugt ungeheueren Lärm. Man kann die Walzenkurbel in einem bestimmten Rhythmus drehen. Die Schnelligkeit, mit der die Walze gedreht wird, bestimmt die Anzahl der Schläge pro Takt.

Herstellung

Die Ratschen sind jeweils in mühevoller Handarbeit von Schreinern oder anderen handwerklich Begabten aus Holz gebaut. Sie werden von Generation zu Generation weitervererbt. So findet man auf den Dachböden einiger Gemeinden Exemplare, mit denen schon Väter und Großväter geratscht haben. Diese alten Ratschen werden besonders Wert geschätzt und immer wieder restauriert.

Der Ratschenmacher zimmert zuerst einen Resonanzkasten und die notwendigen Einzelteile. Das Herzstück der Ratsche ist die Walze, deswegen wird diese mit größter Präzision gefertigt. In die Walze werden Löcher gefräst und die Holznoppen eingesetzt. In Detailarbeit werden dann nach und nach die 30 Einzelteile zusammengefügt. Für eine große Ratsche sind circa 12 Stunden Arbeitszeit nötig.

Ratschenmacher in Franken

Kastenratschen aus Unterfranken.

Ein Ratschenmacher ist zum Beispiel der 75-jährige Fritz Igel aus Forchheim (Oberfranken). Das Handwerk des Ratschenbauens wurde früher von Generation zu Generation weitergegeben, sagte er einem Reporter des BR. Die Saison der Ratschenherstellung beginnt schon kurz nach Weihnachten und hat vor Ostern ihre Hochphase. Fritz Igel hate sieben Modelle zur Auswahl, die 5 bis 140 Euro kosten.

Den Ratschenmacher und gelernten Tischler Edwin Kast aus Alsleben im Grabfeld (Unterfranken) stellte der BR am 8. April 2009 im Frankenmagazin vor. Hier ein Ausschnitt aus dem Bericht dazu: Ich mache normalerweise fünf Hämmer an die Walze, sagt Kast, denn die Kinder werden immer jünger, wenn sie anfangen. Und je weniger Hämmer eine Ratsche hat, desto leichter sei sie zu drehen. Nach etwa acht Stunden ist die Rumpel, wie das Holzinstrument im Grabfeld genannt wird, fertig. Das Kast früher in der Karwoche selbst als Rumpelbub unterwegs war, ist Ehrensache. Eine eigene Ratsche hatte er damals allerdings noch nicht. Wir haben uns eine geborgt und dann ist irgendwas abgebrochen. Geduldig habe der Opa ein ums andere Mal die Ratsche repariert, bis er irgendwann sagte: Wir machen selber eine. Diese Ratsche hat Edwin Kast längst in der Familie weitervererbt – erst nutzte sie sein Sohn, nun seine Tochter. Dem gelernten Zimmermann geht es nicht nur darum, Ratschen zu bauen, sondern er sieht darin auch ein Stück Tradition. Die alten Bräuche schlafen immer mehr ein, weil sie immer weniger Leute interessieren, so Kast.

Anderweitiger Einsatz von Lärminstrumenten

Die Ratsche ist ein Lärminstrument, das man früher auch für andere Zwecke nutzte. Man vertrieb mit Ratschen zum Beispiel Vögel im Weinberg. Außerdem wurde sie Effekt heischend von Bettelmusikanten eingesetzt, die damit durch die Straßen zogen. Auch moderne Komponisten setzten eine Ratsche als Lärminstrument ein, z.B. Arnold Schönberg in Moses und Aron – Der Tanz um das goldene Kalb (komponiert 1930/32). Auch im Judentum gibt es ein Fest, bei dem Lärmen traditionell dazu gehört, das Losfest (Purim). In der Synagoge wird dann die Megilla vorgelesen und immer wenn der Name des Bösewichts Haman kommt (47 mal), machen alle Kinder rasselnd, klappernd und knallend Krach.

Weblinks

Literatur

  • Aiblinger, Simon: Vom echten bayrischen Leben. München 1975.
  • Becker-Huberti, Manfred: Feiern – Feste – Jahreszeiten. Lebendige Bräuche im ganzen Jahr. Freiburg im Breisgau 2001.
  • Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg im Breisgau 2007.
  • Endres, Irmtraut: Ostern in Franken. Würzburg 1993.
  • Hofmann, Hanns Hubert: Osterbräuche in Franken. In: Ranft, Ferdinand: Vom Main zur Donau. Beiträge aus der fränkischen Regionalsendung des Bayerischen Rundfunks, 1961.
  • Kumpfmüller, Judith/ Steinbacher, Dorothea: Das bayerische Brauchtumsjahr. Lebendige Folklore zwischen Frankenwald und Watzmann. München 2005.
  • Moser, Dietz-Rüdiger: Bräuche und Feste durch das ganze Jahr. Freiburg im Breisgau 2002.
  • Mümmler, Manfred: Brauchtum – Ausdruck fränkischer Lebensweise. Emskirchen. Scheinfeld 1985.
  • Schmidt, Gustav: Oberfränkisches Brauchtum in alter und neuer Zeit. Bayreuth 1994.
  • Jüdisches Kulturmuseum Augsburg (Hg.): Zeugnisse jüdischer Geschichte und Kultur. Augsburg 1985.