Schachtelfest

Einstiegsinformation

Geschmückte Wohnungstür.

Das Schachtelfest wird zum 25. Geburtstag einer ledigen Frau in einigen Regionen Deutschlands, wie zum Beispiel im schönen Allgäu gefeiert. Das Geburtstagskind bekommt zum 25. Geburtstag viele verschiedene Schachteln geschenkt oder auch einfach als „Überraschung“ vor die Tür gestellt, obwohl dies ja nicht immer erwünscht ist. Ähnliche Geburtstagsbräuche sind beispielsweise das „Sockenfest“ für ledige 25-jährige Männer oder das „Treppenfegen“ und „Klinkenputzen“ bei ledigen 30-Jährigen.

Ablauf

In den Wochen vor dem 25.Geburtstages einer unverheirateten, ledigen Frau „Fehl“ werden viele Umzugskisten und Schuhkartons von Freunden gesammelt. In fast jedem Geschäft fragen die Freunde der betroffenen Person, nach nicht mehr gebrauchten Kartonagen, nach und nach sammeln somit Dutzende davon! Diese werden bis einen Tag vor dem Geburtstag irgendwo gelagert und kommen dann entweder am Vorabend des Geburtstages wieder zum Vorschein oder auch erst am Geburtstag in der Früh! Die Freunde stellen dann die ganzen Kartons und Schuhkartons vor die Haustür und den Hausgang des Geburtstagskindes, damit dieses erstmal viel Arbeit hat, wenn es von der Arbeit kommt. Das alles kommt für das Geburtstgaskind ganz unerwartet und überraschend, aber eine Frauen planen auch schon von vorne rein eine große Party zu ihrem Schachtelfest, wo sie dann selbst alles mit Schachteln schmückt oder von ihren Freunden schmücken lässt. Meistens wird auch das ganze Haus von außen schön mit Schachteln und tollen Sprüchen so geschmückt, damit es auch jeder in der Nachbarschaft mitbekommt und weiß, das es nun wieder eine neue Schachtel gibt.

Interiew mit einer betroffenen Schachteln und deren Freundinnen

Schachteln und Dekoration.

Die interviewte Schachtel ist im September 2012, 25 Jahre alt geworden. Sie hat zwar einen Freund und wohnt auch mit diesem zusammen, aber ist leider noch nicht verheiratet, was damals unser Glück war!

Reporterin: Hast du vor deinem Geburtstag schon mal etwas von dem Schachtelfest gehört?

Schachtel: Ja klar, ich habe schon oft was von dem Schachtelfest gehört und da ich ja aus Kempten im Allgäu komme auch schon bei einigen Freundinnen ein Schachtelfest mit vorbereitet.

Reporterin: Hast du vor deinem Geburtstag geahnt, das deine Freunde etwas in dieser Richtung vorbereiten?

Schachtel: Am Anfang hatte ich etwas Angst, dass etwas in diese Richtung kommen könnte. Aber eigentlich ahnte ich gar nix, da ja alle meine Freunde arbeiten mussten und auch nix angedeutet hatten.

Reporterin: Wie hast du dich am Vorabend deines Geburtstages gefühlt und was hast du gemacht?

Schachtel: Ich saß mit meinem Freund im Wohnzimmer und schaute wie fast jedem Abend, nach dem Abendessen noch etwas TV. Ich hab an dem Tag eigentlich gar nicht mehr an irgendwelche Schachteln gedacht und habe auch nix außergewöhnliches im Treppenhaus gehört.

Reporterin: Hast du in der Nacht irgendwas mitbekommen?

Schachtel: Nein, ich habe nix gehört.

Reporterin: Wie war dein Geburtstagsmorgen?

Schachtel: Ich habe ganz normal gefrühstückt und bin dann wie immer um 7 nach Kempten auf Arbeit gefahren.

Dekoriertes Treppenhaus.

Reporterin: Also war bis dahin noch alles ganz normal?

Schachtel: Ja, als ich das Haus verließ waren keine Schachteln da und ich dachte schon ah da hab ich wohl nochmal Glück gehabt.Ich wäre nie darauf gekommen, das da noch irgendetwas kommt.

Reporterin: So,nun kommt ihre Freundin ins Spiel. Wie haben sie das alles mit den Schachteln geplant?

Freundin: Ich hatte das schon die ganze Zeit im Kopf.Ich dachte mir C. wird 25 Jahre alt und da müssen wir doch irgendetwas planen. Ich rief also zwei Tage vor dem Geburtstag meine Freundin an und fragte sie, ob sie Lust hätte mit mir den Hausgang und die Wohnungstür von C. mit Kartons voll zustellen. Wir beschlossen dann, dass sie ein großes Plakat mit einer 25 bastelt und trafen uns am Vorabend des Geburtstages bei mir zu Hause und bastelten noch ein großes Plakat mit einem Schachtelspruch. Am Geburtstag von C. trafen wir und um 9.00 Uhr bei uns zu Hause und luden alle Kartons von unserem Umzug ein. Da dies aber leider noch zu wenig waren, fuhren wir zu einem großen Sportgeschäft in unserer Umgebung und fragten ob wir noch Kartons haben können. Mit 2 vollgeladenen Autos fuhren wir dann zu C. nach Hause und hofften, das uns eine Nachbarin die Haustür öffnet. Zum Glück trafen wir dort jemanden an und konnten unser Vorhaben starten. C. wohnt im Dachgeschoss eines kleinen Miethauses, in das wir in 2 Stunden alle Kartons getragen hatten. Wir stellten die ganze Wohnungstür mit zwei Reihen Kartons voll und wussten das C. nicht so schnell in ihre Wohnung kommen würde.Das Treppengeländer dekorierten wir von der Haustür bis hoch zum Dachgeschoss mit kleinen Schuhkartons und Luftballons. Wir hatten unseren Spaß daran und freuten uns schon auf C. Gesicht, wenn sie von der Arbeit kommt.

Reporter: Das hört sich echt lustig an. C. was passierte als du dann um 17.00 Uhr von Arbeit kamst?

Schachtel: Ja kam dann von Arbeit und sah draußen an der Haustür eine große 25 hängen. Bis dahin fand ich es total süß und habe mich sehr gefreut, das jemand an mich gedacht hatte.Als ich dann aufschloss, sah ich das schön dekorierte Treppenhaus uns war auch noch ganz begeistert. das Problem war nur, das sich meine Blase schon seit Stunden meldete und ich echt dringend auf die Toilette musste. Ich rannte also das Treppenhaus hoch und da sah ich es. Es dauerte ewig bis ich die Karton beiseite gelegt hatte und endlich in meiner Wohnung war. Als mein Freund nach Hause kam, bekam der erstmal meine Wut über das Chaos vor der Wohnungstür ab und dachte das er dahinter steckte, Ich ließ ihn alle Kartons aufräumen, bis ich erst die Karte fand von wem das schöne Geschenk wirklich kam. Da freute ich mich dann wieder über mein Geschenk und rief gleich meine Freundinnen an, um mich zu bedanken.

Reporterin: Vielen Dank für diese tolle Schilderung deines Geburtstages und deinen Eindrücken.

Hintergrund-Infos

Gedicht zum Schachtelfest.

Eine lange Tradition kann man beim Schachtelfest nicht ausmachen. Der Brauch ist recht jung und wahrscheinlich wurde die grundliegende Idee aus einer Partylaune heraus geboren. Auch die regionale Begrenzung beim Schachtelfest ist schwierig. Sehr bekannt ist das Schachtelfest im schönen Allgäu, welches sich im Alpenvorland Bayerns befindet.

Ob das Schachtelfest heute die Funktion eines Rügebrauches hat, sei dahingestellt. Solche Bräuche, die den Adressaten „rügen“, werden vom sozialen Umfeld des Betroffenen arrangiert, um ihn für Abweichungen von gesellschaftlichen Normen zu bestrafen. In diesem Falle wäre die Norm das Heiraten bis zum 25. Geburtstag. Da dies im heutigen Verständnis der Gesellschaft jedoch keine Norm darstellt, ist das Schachtelfest nur mehr ein besonderer Anlass zu ausgelassenem Feiern.

Warum „Alte Schachtel“?

Der Name des Brauches spielt auf die umgangssprachliche Redensart „Alte Schachtel“ an. Synonym werden bei Männern auch die nicht ganz ernst gemeinten Bezeichnungen „Alte Socke“ oder „Alter Sack“ verwendet, wobei der Titel des „Alten Sackes“ meist erst zum 50. Geburtstag, unabhängig vom Familienstand verliehen wird.

In seinem „Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten“ geht Lutz Röhrich näher auf die „alte Schachtel“ ein:

„Eine alte Schachtel sein: eine alte Jungfer, ein häßliches, böses altes Weib sein. Schachtel gilt als derber Ausdr. für weibl. Geschlechtsorgane und dient pars pro toto seit dem 17. Jh. zur verächtlichen Bez. der Frau.“ (Röhrich 1994)

Gedichte zum 25. Geburtstag und zum Schachtelfest

Heute darfst Du fröhlich pusten,
25 Lichter aus.
Brauchst nicht allzu dolle husten,
Deine Lungen haltens`s aus.
Sahnetorte, Sekt und Selters,
all das darfst Du heut verzehr`n.
Gibst uns einen Grund zum Feiern,
ach was haben wir Dich gern.
25 Jahr vergangen
und noch immer bist du fit.
Hast kein Fältchen vorzuweisen
Du bist echt der Hit!
Feiern ist heut unser Motto,
Dein Geburtstag wird ne´Wucht.
Werden tanzen und viel lachen,
dieser Tag treibt uns zur Sucht!
Sein Maltalent vererbt´er auch.
Er lehrte dich nach gutem Brauch.
Bei dir nun werden Träume war.
Du bist, sagt man, beinahe ein Star.

Vor mehr als einem Vierteljahrhundert,
da wurd´die Welt stark aufgemuntert.
Denn Du kamst zu uns und bringst uns Glück,
gemeinsam blicken wir auf die 25 Jahr zurück.
Angefangen als kleines Baby,
entwickeltest Du Dich schnell zur Lady.
Die 25 sieht man Dir nicht an,
Du bist so sexy, man oh man!
Drum bleib so wie Du bist,
damit Dich auch niemand vermisst

In den letzten 25 Jahren,
brauchtest Du Dich nicht beklagen.
Keine Akne, kein großes Missgeschick,
ach was hattest Du ein Glück.
Für die nächsten 70 Jahre,
wünschen wir Dir keine Frage,
weiterhin so ein schönes Leben
und viel Geld soll´s für Dich geben.
Nun stoßen wir gemeinsam an,
auf Dich und Deinem Zukunftsplan.

Literatur

  • Ehlert, Kerstin: Dreißig – ledig – lustig? Moderne Bräuche am 30. Geburtstag. Göttingen 2005.
  • Röhrich, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg, 5. Auflage, 1994.

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