Karfreitagsratschen
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Ab dem Gloria der Messe am Gründonnerstag bis zur Ostermette in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag wird in katholischen Kirchengemeinden zu genau festgelegten Zeiten geratscht. Die Ratschen erklingen in der Zeit, in der die Kirchenglocken schweigen. Wann geratscht wird und welche Verse dazu gehören, ist ortsabhänig. Der Artikel handelt hauptsächlich von den Ratschenbuben und -mädchen in Unterfranken. Dort ist das Ratschen auch unter den Namen Rumpeln oder Leiern bekannt.
Termin
Dieser Brauch ist vom 30.03.2018 bis zum 31.03.2018.
Ablauf
Geratscht wird in der Karwoche hauptsächlich am Karfreitag und Karsamstag, und zwar ab dem Gloria der Messe am Gründonnerstag bis zum Gloria der Ostermette in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag. Wie es im unterfränkischen Volksmund heißt, fliegen die Kirchenglocken nach Rom, um dort geweiht zu werden. Andernorts heißt es, dass sie vor Scham schweigen oder dass die Glocken nach Rom fliegen und dort Reisbrei essen. Als Ersatz treten am Karfreitag und Karsamstag die Ratschen in Aktion. Die Ratschenkinder aus Hohestadt wissen, wieso sie ratschen: Weil die Glocken nicht läuten, weil da Jesus gestorben ist. Ministranten, aber auch andere Kinder des Dorfes ziehen ratschend durch die Gemeinde, um den Gottesdienstbeginn anzukündigen und die Gläubigen zur Kirche oder zum Gebet zu rufen. Geratscht wird bei jedem Wetter, entweder vom Kirchturm herunter oder in den Straßen. Im katholischen Unterfranken gehen die Ratschenkinder von Haus zu Haus. In Oberfranken wird auch vom Kirchturm geratscht, wenn zur Messe eingeladen wird.
Die Rumplkinder
Früher durften nur männliche Ministranten ratschen. Seitdem Mädchen auch ministrieren, gibt es auch Ratschenmädchen. Heute ist das Ministrieren selbst meist keine Voraussetzung mehr (wie zum Beispiel in Hohestadt). Sobald man genug Kraft hat, die Ratsche zu tragen, darf man mitratschen. Die Ratschnkinder werden auch Rumplkinder oder Klapperbubn und Klappermädchen genannt.
Am Karfreitag
Die Zeiten, an denen geratscht wird, sind je nach Ort unterschiedlich, aber in langer Kirchentradition festgelegt. So wecken die Ratschen die Einwohner teilweise bereits früh um sechs Uhr. Im Laufe des Tages wird zum Beispiel in Hopferstadt insgesamt sechs Mal geratscht.
Der Lärm der Ratschen wechselt sich ab mit gesungenen Sprüchen oder Reimen. Es wird abwechselnd geratscht und gesungen, wobei die Vorrumpler (also die erfahrenen Rumpler) den Nachrumplern (also den unerfahrenen Rumplern) den Takt und die Melodie vorgeben.
Sprechverse und Zeiten in Hopferstadt
Folgende Sprechverse werden abwechselnd mit dem Ratschen in einem bestimmten Takt und Rhythmus in Hopferstadt bei Ochsenfurt in Unterfranken gesungen:
- 6:00 Uhr
Reinste Jungfrau, oh betrachte
wie zu dir der Engel sagte
dass du Mutter Gottes seist,
und empfingst vom Heilgen Geist.
- 11:00 Uhr
Liebe Leute lasst euch sagen
Unsre Uhr hat elf geschlagen.
- 12:00 Uhr
Dies ist der englische Gruß,
den ein jeder Christ beten muss
fallet nieder auf die Knie
und betet ein VATER UNSER und drei AVE MARIE.
- 14:00 Uhr
Dies ist das erste Mal zur Kirche, zur Kirche, das erste Mal.
In einer Stunde beginnt die Kirche, die Kirche.
- 14:30 Uhr
Dies ist das zweite Mal zur Kirche, zur Kirche, das zweite Mal.
In einer halben Stunde beginnt die Kirche, die Kirche.
- 18:00 Uhr
In dieser Nacht sei du mir Schirm und Wacht
oh Gott durch deine Macht, wollst mich bewahren,
vor Sünd und Leid vor Satans List und Neid.
Hilf mir im letzten Streit, in Todsgefahren.
Sprechverse und Zeiten in Ebenhausen
Die Sprechverse und Takte sind von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. So geht es in Ebenhausen bei Oerlenbach in Unterfranken
- Gründonnerstag nach dem Abendmahl:
Das ist die Todesangst Christi, die Todesangst.
- Karfreitag 6:00 Uhr:
Das ist der Englische Gruß,
den jeder Christ beten muss,
das Ave Maria, Maria.
- 11:00 Uhr:
Es hat elf geschlagen!
- 12:00 und 18:00 Uhr
Das ist der Englische Gruß,
den jeder Christ beten muss,
das Ave Maria, Maria.
- Karfreitagsgottesdienst und Osternacht:
Das ist das erste und zweite Mal zur Kirche, das erste und zweite Mal.
Das ist das dritte und letzte Mal zur Kirche, das dritte und letzte Mal.
Wir klippern und klappern zusammen, auf einen Haufen,wer in die Kirche will, muß laufen,
wer nicht laufen kann, soll langsam gehen,
aber in die Kirche muß er gehen.
- Wenn einer der Klapperbuben verschlafen hat wird dieser mit folgendem Spruch geweckt:
XYXY, steh auf zum Beten, wir sind schon angetreten.
Sprechvers ohne Ortsangabe
Die Glocken sind stumm, sie hängen in Ruh.
Wir Knaben, wir singen und klappern dazu. Ave Maria.
Am Karsamstag
Auch am Karsamstag wird fleißig geratscht, denn die Kirchenglocken schweigen immer noch. In Hopferstadt wird zum Beispiel um 6.00 Uhr, 11.00 Uhr, 12.00 Uhr und 18.00 Uhr geratscht. Am Nachmittag sammeln die Rumplkinder dann einen Heischelohn ein in Form von Geld, Süßigkeiten oder - ganz traditionell - Eiern. Dies nehmen sie als Dank dafür, dass sie so fleißig geratscht haben. Vor jedem Haus machen die Ratschenbuben halt und lassen ihre hölzernen Instrumente einige Minuten lang ertönen, bis jemand die Türe öffnet. Mit besonderen Gedichten bitten sie dann um einen Lohn.
Der Lohn wird später gewissenhaft aufgeteilt. Im unterfränkischen Hopferstadt bekommen zum Beispiel die Ratschenbuben und -mädchen je nach Schulklasse eine bestimmte Anzahl von Eiern. Die Erstklässler bekommen zwei Eier, die Zweitklässler bekommen drei Eier und so weiter. Den Ältesten, also den Siebtklässlern, steht das ganze Geld zu. In der Pfarrgemeinde Stadtsteinach in Oberfranken fließt der Ratschenlohn hauptsächlich in die Kirchenkasse, ein Teil aber auch in die Ministrantenkasse, um zum Beispiel Ausflüge zu finanzieren. In anderen Gemeinden, wie in Hohestadt bei Ochsenfurt werden nicht mehr nur Eier, sondern überwiegend Geld eingesammelt, von dem ein großer Teil an Hilfswerke gespendet wird.
Früher liefen wohl auch Pfarrer, Küster, Lehrer, Hirten, der Totengräber und Dorfarme in der Karwoche in ihrem Dorf herum, um Naturalien einzuholen, mit denen sie entlohnt wurden. Es gab zum Beispiel eine Zinsei- und Beichtei-Verpflichtung, der die Gläubigen nachkommen mussten.
Verse zum Einsammeln der Belohnung
Die Lieder, die beim Einsammeln der Belohnung gesungen werden sind ebenfalls traditionell geprägt und stark ortsabhängig. Hier einige Beispiele:
- aus
Hohestadt
bei Ochsenfurt in Unterfranken
Wir haben geklappert fürs Heilige Grab
und bitten um eine milde Gab.
Nicht zu groß und nicht zu klein,
denn Sänger mussten wir auch noch sein.
- aus
Ebenhausen
bei Oerlenbach in Franken
Mutter, Mutter Eier rauß,
sonst steigen wir in Hühnerhaus
und leeren alle Nester aus.
- aus
Marienweiher in Oberfranken
Feieramd, Feieramd (Feierabend),Ihr Leut macht eure Eier zsamm.
Am Ostersonntag
In der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag läuten die Kirchenglocken zum ersten mal in der Ostermette wieder, um die glorreiche Auferstehung des Herrn zu verkünden. Viele Menschen sind froh, jetzt nur mehr durch den festlichen Klang der Glocken geweckt zu werden und nicht durch den durchdringenden Lärm dieser alten Holzinstrumente.
Hintergrund-Infos
Verbreitung
Auch in Oberfranken, in der Fränkischen Schweiz, in der Oberpfalz, in der katholischen Rhön, im oberhessischen Marburg, in der Eifel, in Donebach im Odenwald, im Vorarlberg in Österreich oder in der Schweiz wird geratscht. Allerdings unterscheidet sich der Brauch des Ratschens von Ort zu Ort. Manchmal hat er auch einen anderen Namen wie zum Beispiel Klappern (siehe bei Klapperjungen) oder Rätschna.
Das gemeinschaftliche Lärmen macht Spaß. Ein paar Hohestädter Ratschenkinder erzählten, wieso sie gerne ratschen: Weils Spaß macht … und mer auch noch was dafür kriegt. Ich glaub was zu Naschen und Geld. Nicht nur dort sind die Ratschenbuben und -mädchen jedes Mal voller Eifer dabei.
Rumpelmette
Lärmen und Klappern gehörte früher zur Rumpelmette. Dabei kamen Schallbretter und hölzerne Klappern zum Einsatz.
Siehe auch
Weblinks
- Bläddla.pdf - Zeitschrift der Katholischen Landjugendbewegung in der Erzdiözese Bamberg. Herbst/Winter 2005
- Brauchtum in der Karwoche in Ebenhausen
- Das Karfreitagsratschen
- Die Bodendorfer große Rassel
- Glocken nach Rom
- Karfreitagsratschen
- Karwoche
- Die Ratsche in Wikipedia
- Ratschen
- Ratschen in Wikipedia
- Ratschen - Rasseln in der Karwoche
- Rätschna im Vorarlberg
- Tradition in der Karwoche in Donebach
Gewährspersonen
Kinder und Erwachsene aus Hopferstadt und Hohestadt in Unterfranken
Literatur
- Aiblinger, Simon: Vom echten bayrischen Leben. München 1975.
- Becker-Huberti, Manfred: Feiern - Feste - Jahreszeiten. Lebendige Bräuche im ganzen Jahr. Freiburg im Breisgau 2001.
- Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg im Breisgau 2007.
- Endres, Irmtraut: Ostern in Franken. Würzburg 1993.
- Hofmann, Hanns Hubert: Osterbräuche in Franken. In: Ranft, Ferdinand: Vom Main zur Donau. Beiträge aus der fränkischen Regionalsendung des Bayerischen Rundfunks, 1961.
- Kumpfmüller, Judith/Steinbacher, Dorothea: Das bayerische Brauchtumsjahr. Lebendige Folklore zwischen Frankenwald und Watzmann. München 2005.
- Moser, Dietz-Rüdiger: Bräuche und Feste durch das ganze Jahr. Freiburg im Breisgau 2002.
- Mümmler, Manfred: Brauchtum - Ausdruck fränkischer Lebensweise. Emskirchen, Scheinfeld 1985.
- Schmidt, Gustav: Oberfränkisches Brauchtum in alter und neuer Zeit. Bayreuth 1994.
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Diese Seite wurde zuletzt am 12. Mai 2017 um 07:34 Uhr geändert. Diese Seite wurde bisher 47.362-mal abgerufen (to Cache).
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