Polterabend

Einstiegsinformation

Geschirr, das beim Polterabend zu Bruch ging.

Der Polterabend gehört zu jeden Bräuchen, die vor einer kirchlichen Hochzeitsfeier stattfinden. Um dem zukünftigen Paar Glück zu bringen, wird von den Gästen vorzugsweise Porzellan oder Steingut mitgebracht und vor dem Elternhaus eines Ehepartners oder der gemeinsamen Wohnung zerschmettert, ganz nach der volkstümlichen Auffassung: „Scherben bringen Glück“. Aber nicht alle Scherben bringen Glück. So sagt man, dass die Scherben eines Spiegels sogar sieben Jahre Pech bringen.

Das Wort „Scherbe“ bedeutete im Töpferhandwerk ursprünglich jedes gebrannte Töpfergut. Das alte Sprichwort „Scherben bringen Glück“ meinte also „Gefüllte Vorratsgefäße aus Ton bringen Glück“. Nicht Zerbrochenes bringt Glück, sondern reichhaltige Vorräte.

Ablauf

Zur Verabschiedung der baldigen Eheleute aus dem Kreis der Unverheirateten kommen Freunde, Nachbarn und Verwandte, um den Polterabend zu begehen. Es ist jedoch nicht üblich Einladungen zu schreiben oder zu verschicken. Ein kurzer Hinweis an die Bekannten sollte reichen und dann kann kommen, wer will. Es passiert schon mal, dass Leute vor der Tür stehen, mit denen nicht gerechnet wird. Aber weggeschickt wird bei einem Polterabend in der Regel niemand. Der Polterabend hat damit einen halböffentlichen Charakter.  Gepoltert wird für gewöhnlich an einem Elternhaus der beiden Eheleute. Wenn das Paar bereits vor der Hochzeit zusammenwohnt, kann auch der Hinterhof der gemeinsamen Wohnung zum Poltern genutzt werden.

Die Scherben fallen während dem Eintreffen der Gäste an und werden vom zukünftigen Brautpaar gemeinsam zusammengekehrt und weggeschmissen.

Überhaupt wurde und wird der Polterabend nicht überall gefeiert. Nicht in allen Regionen hat dieser Brauch Tradition und nicht jedes Brautpaar will einen Polterabend feiern. Manche müssen es aber trotzdem, wie z.B. bei der Hochzeit in Schwaben.

Womit und warum Poltern?

Altes Geschirr für den Polterabend.

Vorzugsweise wird Porzellan oder Steingut von den Gästen zerschmettert. Einige sammeln dazu ihr angeschlagenes Geschirr. Im Fabrikverkauf manches Porzellanherstellers kann man auch sehr günstig ganze Kartons voller Polterabendgeschirr erwerben (gesehen in Oberfranken 2007). Statt Geschirr kommen aber auch Kronkorken, Styroporchips, Papier aus dem Reißwolf etc. in Frage – was den Gästen eben einfällt und ihrem „Humor“ entspricht (den das Brautpaar hoffentlich teilt).

Das Lärmen soll böse Geister vertreiben und Glück bescheren: „Scherben bringen Glück“ heißt eine Redensart. Bedrohungen für die Eheleute sollen mit dem Poltern möglichst fern gehalten werden. Früher zählte dazu zum Beispiel der Tod des Ehemanns, der schon rein wirtschaftlich gesehen für die Frau meist eine Katastrophe war. Im heutigen Interesse des Paares und der Freunde – so vermutet die aktuelle Hochzeits-Literatur – liegt wohl auch das Fernhalten derjenigen „Geister“, die eine Ehe schnell scheitern lassen (Ehebruch).

Wo wird gepoltert?

Der Ort, an dem gepoltert wird, sagt stets etwas darüber aus, welche Vorstellungen das Brautpaar hat und was es seinen Gästen „bieten“ möchte. Vom Gemeindehaus übers Vereinsheim bis hin zur Turnhalle oder einem Restaurant, einer Dachterrasse, einem Club oder einem Ausflugsdampfer – der Fantasie sind keinerlei Grenzen gesetzt (wenn es der Geldbeutel mitmacht). Die Lärmbelästigung und der eventuell anfallende Kehricht müssen in die Planung mit einbezogen werden.

Varianten

Inzwischen wird jedoch nicht einmal mehr bei allen Polterabenden mitgebrachtes Porzellan zerschmettert. Polterabend ist vielmehr Party-Time mit Kollegen und Freunden. Das geht dann auch einher mit dem Vorhaben die Hochzeit selbst „nur“ im engeren Familienkreis zu feiern.

Aus der Mode gekommen ist der Polterabend nicht, aber die Art, wie er gefeiert wird, ändert sich. Aktuelle Bücher und Webseiten zur Hochzeitsplanung geben auch Tipps zum Polterabend.

Buffet beim Polterabend.

In anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Österreich, Italien, Spanien wird der Polterabend nicht extra gefeiert wie in Deutschland. Meist wird mit den Freunden ein Jungesellenabschied gefeiert, der aber mit der Tradition des deutschen Polterabends nichts gemeinsam hat. Der Jungesellenabschied wird in Deutschland ebenfalls separat gefeiert und stellt eine eigene Festlichkeit vor der Heirat dar.

Hintergrund-Infos

Geschichte

Beim Polterabend handelt es sich um einen Brauch, der über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt ist und in verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen gepflegt wird.

Früher diente der Polterabend, der immer am Tag vor der kirchlichen Trauung stattfand, den letzten schmückenden Vorbereitungen für das Hochzeitsfest. Vor allem handelte es sich dabei um das Anbringen des Hochzeitsbogens und das Anstecken der Papierrosen. Diese Aufgaben oblagen hauptsächlich der Nachbarschaft des Brautpaares. Für ihre Mithilfe erhielten sie Spirituosen. Oft wurde gemeinsam gesungen oder der Gesangsverein brachte dem Paar ein Ständchen. An diesem Abend stand das gesellige Zusammensein im Mittelpunkt.

Erste Anzeichen eines erhöhten Aufwandes beim Polterabend zeichnen sich seit den 50er Jahren ab. Die Zahl der Teilnehmenden am Polterabend wird immer größer auf Grund gesellschaftlicher Veränderungen. Der finanzielle und organisatorische Aufwand für die baldigen Eheleute erhöhen sich stark. In den 80er und 90er Jahren werden Polterabende in einem großen Rahmen gestaltet. Die Zahl der Teilnehmenden steigt dabei schnell auf 80 bis 150 Personen. Durch die erhöhten Teilnehmerzahlen werden Getränke in großen Mengen bei einem Getränkehandel bestellt. Neben dem Hauptgetränk Bier gibt es Spirituosen oder eine Auswahl an antialkoholischen Getränken. Zusätzlich wird ein kleiner Imbiss bereitgestellt, wie z.B. eine deftige Gulaschsuppe oder ein Braten, dazu Brötchen und Gebäck jeglicher Form. Sitzbänke und Tische müssen besorgt und aufgestellt werden. Teilweise werden auch Pavillons oder Zelten aufgestellt, damit der Polterabend auch bei schlechtem Wetter stattfinden kann. Für die musikalische Unterhaltung muss auch gesorgt werden. Entweder kann eine Stereoanlage aufgestellt werden oder aber, und das ist der Fall wenn mindestens einer der Brautleute in einem Musikverein organisiert ist, eine Live-Musik spielt. (Kirchchor oder Heimatmusik).

Da ein solcher Aufwand nicht mehr am Abend vor der Hochzeit nicht mehr zu leisten ist, wird der Polterabend mindestens eine Woche vor der Hochzeit gefeiert. Das zeitliche Auseinanderzeihen von Polterabend und kirchlicher Hochzeit hat dafür gesorgt, dass sich der Polterabend zu einem eigenständigen Fest entwickelte.

Das Wort „Poltern“

Als Poltern wird bezeichnet:

  • lautnachahmend ein lautes Geräusch durch das Fallen, Rücken oder Stoßen von Gegenständen, daher abgeleitet auch der deutsche Volksglauben an Poltergeister und das Adverb holterdiepolter für schnell
  • ein lautes, aber gutmütiges Verhalten älterer Männer (wie zum Beispiel eine Mischung aus Schimpfen und Philosophieren): eine Eigenschaft von Charakterrollen
  • eine in weiten Teilen Westdeutschlands gebräuchliche Bezeichnung für die Rituale, einem Paar am Vorabend der Trauung viel Glück in der Ehe zu wünschen (Polterabend)
  • feiern des Junggesellenabschieds, der ebenso manchmal Polterabend genannt wird
  • eine Sprechstörung, siehe Poltern (Sprechstörung)
  • Holz in größerem Umfang zu stapeln, um es zu messen und später aufzuladen und abzufahren
  • das mechanische Bearbeiten von Fleisch mit dem Ziel, injizierte Pökellake im Fleischstück zu verteilen und den Muskelverbund zu schädigen

Gewährpersonen

Franziska D. besuchte einen Polterabend zweier Freunde in ländlicher Umgebung. Sie erzählt von diesem Abend:

„Der Polterabend sollte um 19.00 Uhr beginnen. Also schaute ich zuvor in unserem Keller nach altem oder abgeschlagenem Porzellan, das nicht mehr in Verwendung ist. Ich fand zwei Schüsseln und ein paar Tassen. Das würde genügen zum „poltern“! Als ich vor dem Elternhaus der zukünftigen Braut ankam, waren schon eine Menge Leute dort versammelt, vor allem Nachbarn und Verwandte, aber auch die engsten Freunde wollten sich den Polterabend nicht entgehen lassen. Das Brautpaar war jedoch noch nicht anwesend. Als der erste Mann anfing, sein Porzellan hinzuwerfen, stiegen alle anderen mit ein. Durch den Lärm kamen die baldigen Eheleute aus dem Haus heraus. Es wurde ca. 10 Minuten gepoltert, dann war wieder alles ganz still und das Brautpaar fing an, die Scherben mit großen Besen zusammenzukehren. Anschließend räumte der Bräutigam die ganzen Scherben mit einer Schneeschaufel in eine große Tonne. Als die ganze Gesellschaft zusammenstand und mit einem Glas Sekt dem Paar Glück wünschte, holte ein älterer Herr erneut einen Korb mit Porzellan hervor und fing wieder an zu „poltern“. Daraufhin musste das Paar wieder zum Fegen anfangen. Als dies erledigt war, wurden die Gäste in die geräumige Garage gebeten. Dort waren Bierbänke und -tische aufgestellt. Es gab Gulaschsuppe, Braten und Leberkäs`, dazu Brötchen und Kartoffelsalat. Zu Trinken gab es sowohl alkoholische als auch alkoholfreie Getränke. Zwei Nachbarsjungen spielten dazu auf ihren Akkordeon heimatliche Musik. Plötzlich hörte man es von draußen wieder poltern. Alle schauten nach draußen und erkannten, dass weitere Nachbarn eingetroffen waren, um dem Brautpaar Glück zu bringen. Das Paar musste wieder nach draußen und erneut mit der Arbeit anfangen. Die Gesellschaft feiert weiterhin bei Speiß und Trank und immer mal wieder hörte man des draußen poltern. Der Abend ging gegen 23.00 Uhr zu Ende. Es war ein lustiger Abend!“

Weblinks

Literatur

  • Bogner-Bader, Isabella: Das Hochzeits-ABC. Verlobung und Hochzeit unvergesslich gestalten. Ein Ratgeber von Accessoires bis Zylinder. Wien 1980.
  • Remberg, Annette: Wandel des Hochzeitsbrauchtums im 20. Jahrhundert dargestellt am Beispiel einer Mittelstadt, eine volkskundlich-soziologische Untersuchung. Münster 1995.
  • Schönfeldt, Sybil: Das große Ravensburger Buch der Feste & Bräuche. Durch das Jahr und den Lebenslauf. Ravensburg 1993.